Protokoll der Sitzung vom 12.09.2008

Engagement von Menschen in diesem Land, sondern das ist doch offensichtlich der Weg immer mehr, diese Menschen mit ihrem Engagement allein, um es deutlicher zu sagen, im Stich zu lassen. Einer solchen Politik können wir uns natürlich nicht anschließen.

(Beifall DIE LINKE)

Sie haben ausdrücklich verwiesen auf die Situation von Frauen in unserem Land und hier Bemühungen angekündigt. Sie sagen, Frauen verdienen mehr - ja, dieser Auffassung sind wir auch. Sie sagen auch, dass Sie sich für die Gleichstellung von Frauen und Männern stärker engagieren wollen. Wir, Frau Lieberknecht, können Ihnen dabei nur Glück wünschen. In den vergangenen vier Jahren durften wir uns immer anhören, dass es für gleichstellungspolitische Maßnahmen keinen Bedarf gäbe. Besonders Ihr Kollege Reinholz vertritt ja da seine Auffassung seit Jahren sehr konsequent. Mit der Ankündigung des Ministerpräsidenten, Gender-Mainstreaming nach dem schwedischen Modell sogar zur Chefsache zu machen und in jedem Ministerium Gender-Beauftragte einzusetzen, waren die frauen- und gleichstellungspolitischen Maßnahmen der Regierung aber dann wohl auch schon erschöpft, meine Damen und Herren. Wenn wir zu den eigentlichen Fakten kommen, dann kommen wir auch wieder zu den sozialökonomischen Hintergründen und zu den tatsächlichen Änderungsbedarfen. Frauen verdienen mehr, aber die Abwanderung gerade junger Frauen aus Thüringen ist ungebrochen und sie hat Gründe. Im Jahr 2007 verließen 44.778 Menschen Thüringen, darunter 41.774 Frauen. Auch diese Situation kommt nicht von ungefähr über uns. In Thüringen verdienen 44 Prozent der erwerbstätigen Frauen monatlich weniger als 900 €, ein Drittel sogar weniger als 700 € netto. Der durchschnittliche Bruttostundenlohn einer Frau in Ostdeutschland liegt 58 Prozent unter dem der Männer in Westdeutschland. Im thüringeninternen Vergleich verdienen Frauen, die einer Vollzeittätigkeit im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich nachgehen, immerhin durchschnittlich 17,8 Prozent bzw. 345 € weniger als Männer für die gleiche Arbeit. Wer sich diesem Thema nicht widmet, wer sich konsequent einer Mindestlohndebatte verweigert, wer nach wie vor darauf stolz ist, dass dieses Land das vorletzte in der Reihung der deutschen Länder, also das mit den zweitniedrigsten Löhnen im gesamten Bundesgebiet ist, der hat in diesem Zusammenhang nicht erkannt, wo Politik ansetzen muss, der blickt mit einer unverantwortlichen Sicht auch auf wirtschaftspolitische Fragen, auf lohnpolitische Fragen, die zu einem Zustand führt ganz real, dass immer mehr Menschen dieses Land verlassen müssen aufgrund der sozialen Gegebenheiten und Frauen davon besonders betroffen sind. Deshalb sage ich hier noch mal ganz deutlich: Wenn Sie wirklich handeln wollen, dann besprechen Sie mit Ihrem

Ministerpräsidenten, dass wir in diesem Land wenigstens endlich ein Vergabegesetz, eine Vergaberichtlinie für öffentliche Aufträge bekommen, die mit einem Mindestlohngebot verbunden sind und die auch dem Gleichstellungsgebot gerecht werden. Dann würden Sie etwas Neues in diesem Land aus Sicht der CDU tun.

(Beifall DIE LINKE)

Aber bisher höre ich dazu nur Negatives und Ablehnung und ich denke, so kann es nicht bleiben. Der Jugendbereich ist angesprochen worden, einer der kompliziertesten. Sie haben ja durchaus viel Bilanz in Ihrem Bericht deutlich gemacht, die Millionen aufgezählt, die im Thüringenjahr mit der Jugendberufshilfe verbunden sind, aber wir können natürlich trotzdem die Augen nicht davor verschließen, dass auch besonders viele junge Menschen aus unserem Land abwandern und die ständigen Kürzungen der Mittel für die offene Jugendarbeit in den Landkreisen von 15 Mio. € im Jahr 2004 auf noch 8 Mio. € heute haben natürlich auch hier Strukturen der Jugendarbeit deutlich zerschlagen. Wenn wir gerade die sozialen Fragen wieder aufrufen, dann müssen wir sagen: Wir brauchen in diesem Zusammenhang eine Umkehr und wir können auch nicht die Städte und Gemeinden mit diesen Fragen alleinlassen, meine Damen und Herren. Auch hier lassen Sie keinen wirklichen Kurswechsel erkennen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich könnte noch eine ganze Reihe von weiteren Fragen aufführen, wo Sie deutlich machen, dass Sie die Zeichen der Herausforderungen nach wie vor nicht erkannt haben. Das betrifft das ganze Thema „Nachteilsausgleiche für Menschen mit Behinderungen“, wo wir nach wie vor eine stiefmütterliche Behandlung feststellen müssen. Dazu werden wir auch weiter Vorschläge unterbreiten hier in diesem Hause. Wir wissen wohl, dass die Worte und die Inhalte persönlicher Assistenz oder persönlichen Budgets oft von der Landesregierung gemieden wurden wie vom Teufel das Weihwasser. Umso erfreulicher erscheint allerdings im Moment die Tendenz innerhalb Ihres Hauses, Frau Lieberknecht, auch das Thema „Budget für die Arbeit“ entsprechend dem Mainzer Modell zu diskutieren. Wir fordern an dieser Stelle noch mal ganz eindringlich von Neuem Landesförderprogramme und Eingliederungszuschüsse für Menschen mit Behinderungen und somit auch die Möglichkeit, auf dem ersten Arbeitsmarkt besser Fuß fassen zu können. Gelder sind dabei bereits vorhanden im Zusammenhang mit der Ausgleichsabgabe.

Sie haben sich der Frage der Seniorinnen und Senioren gewidmet. Ich will auch hier nur noch mal deutlich sagen: Ganz besonders am Herzen liegt uns die Frage der Rentenangleichung. Sie haben jetzt diese

Problematik aufgemacht, ich kann das nur bekräftigen in diesem Zusammenhang, wir fordern das über viele Jahre. Ja, es kann wirklich nicht sein, dass 18 Jahre nach der Wende immer noch Lebensleistungen von Menschen - und darum geht es nämlich letztendlich - hier im Osten Deutschlands anders bewertet werden als diejenigen im Westen. Das hat mit deutscher Einheit, das hat mit dem, was in der Wendezeit von den Bürgerinnen und Bürgern erwartet wurde, nun überhaupt nichts zu tun. Wir werden Sie unterstützen, wir werden Sie allerdings auch beim Wort nehmen. Wir sagen zum Beispiel: Belassen Sie es nicht nur bei einer Bundesratsinitiative, bringen Sie einen entsprechenden Gesetzentwurf ein, Sie werden uns in dieser Hinsicht an Ihrer Seite finden, Frau Lieberknecht.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will in diesem Zusammenhang auch noch mal auf aktuelle Debatten und geschichtliche Betrachtungen über die letzten zwei Jahrzehnte zurückkommen: Es ist doch völlig selbstverständlich, wenn das in den ersten Jahren nach 1990 für viele noch nicht so direkt ein Thema gewesen ist, dann ist es sicher verständlich gewesen. Wenn wir aber unter anderem auch in einer eindeutigen kritischen Reflexion auf die Verhältnisse in der DDR sagen wollen, diese Gesellschaft ist ein wirklicher Zugewinn, unabhängig von meiner sozialen oder territorialen Herkunft oder Stellung, dann müssen wir schon Verständnis dafür aufbringen, dass diese Menschen zum Beispiel durch die Rentenungerechtigkeit natürlich nicht mehr nachvollziehen können heute, was denn nun für sie der große Zugewinn ist. Wenn dann die Fragen nach Freiheit und Demokratie gestellt werden, dann müssen wir die Antwort geben, dass wir Ersteres verteidigen wollen, aber dass wir in zweiter Hinsicht deshalb auch für diese soziale Gerechtigkeit zwischen den beiden immer noch in den Köpfen, aber auch in den realen finanziellen Einkommen vorhandenen Unterschieden zwischen diesen beiden Teilen Deutschlands einstehen.

(Unruhe CDU)

Wenn wir das nicht lösen, dann werden wir die Zukunftsaufgaben nicht lösen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will in dem Zusammenhang auch noch mal auf aktuellere Rentenprobleme für andere Generationen aufmerksam machen. Wir haben über Armut diskutiert. Uns steht nach allen Einschätzungen, die getroffen werden von Sozialinstituten, eine gravierende Gefahr in Form von einer - man muss fast sagen - flächendeckenden Altersarmut für die nächsten Jahrzehnte bevor. Selbst Wohnungsgesellschaften und

Unternehmen zerbrechen sich schon jetzt den Kopf darüber, was in 10, 15 Jahren sein wird, wenn diese Menschen, die seit 1990 eine gebrochene Erwerbsbiographie hatten, die fast nie in einem regelrechten sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis gewesen sind, die von den Billiglöhnen in diesem Land drangsaliert sind, muss man geradezu sagen, und die außerdem noch die Kürzungen der Bundesregierung, und zwar aller zurückliegenden Bundesregierungen der letzten Jahre, generell im Rentenbereich hinnehmen müssen, bei welchen Armutsrenten diese Menschen landen werden. Wir brauchen in der Rentenpolitik grundsätzlich ein Umdenken. Wir brauchen eine Bürgerversicherung in dieser Hinsicht, die die Probleme durchgreifend löst. Was wir nicht brauchen, meine Damen und Herren, und das sage ich auch den Berliner Koalitionsparteien, ist eine Rente mit 67, die ist so überflüssig wie nichts anderes in diesem Land.

(Beifall DIE LINKE)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Gesundheitswesen, auch das ein wichtiges Thema der Sozialpolitik. Ich möchte hier heute nur darauf eingehen, dass wir insbesondere im Bereich der öffentlichen Gesundheitsvorsorge, des öffentlichen Gesundheitsdienstes unbedingt bessere Konzepte brauchen. Wir werden in dieser Hinsicht auch selber initiativ werden. Ich möchte darauf hinweisen, dass - zum Glück noch nicht überall schon so deutlich spürbar, aber doch schon als eine ganz allgemeine Empfindung vorhanden - Ärztemangel in diesem Land viele Menschen bedroht. Ich glaube noch lange nicht, dass Politik und verantwortliche Regierungspolitik dies schon wirklich mit der notwendigen Konsequenz wahrnimmt. Im Übrigen hilft da die Budgetangleichung auch nicht aus den Problemen heraus.

Im Übrigen muss ich mal sagen, wir haben es hier mit dem gleichen Phänomen zu tun. Wenn ich im Jahr 2008, 18 Jahre nach der Wende, als etwas ganz Positives verkaufe, dass wir endlich bei der Vergütung der Ärzte nun 94 Prozent erreicht haben, dann ist das doch genauso skandalös, meine Damen und Herren. Haben denn unsere Ärzte in den ganzen Jahren anders gearbeitet, andere Leistungen vollbracht als ihre Kollegen in den alten Bundesländern? Doch wohl nicht. Das sind doch wohl nicht Produktivitätsfragen wie in Bereichen der Wirtschaft. Das sind doch Fragen der ethischen, der gesundheitspolitischen, der sozialen Verantwortung, denen die Ärzte in diesem Land sehr wohl nachkommen, aber für die Sie auch mit ihren verschiedenen Gesundheitsreformen immer wieder die Bedingungen entscheidend verschlechtert haben. Also auch hier brauchen wir eine deutliche Umkehr.

(Beifall DIE LINKE)

Die Krankenhäuser in unserem Land haben viele Investitionen erfahren in den zurückliegenden 18 Jahren, das ist unbestritten. Viele Bedingungen konnten dort verbessert werden und trotzdem haben wir eine Situation, die Krankenhaussterben in den nächsten Jahren auch in Thüringen nicht abwendet, wenn wir nicht handeln auf diesem Gebiet. Deshalb fordern wir natürlich genauso wie ver.di und schließen uns dieser Initiative an: Die Deckelung bei den Kosten muss hier letzten Endes überwunden werden. Ansonsten kommen wir in Probleme, dass wir zu einer Art - und das ist ja in diesem Bereich besonders mit Auswirkungen negativer Art verbunden - ruinösem Wettbewerb in diesem Bereichen kommen. Handeln Sie also in dieser Frage als Landesregierung! Es ist dringend geboten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will hier noch einmal deutlich sagen: Für DIE LINKE bleiben die Fragen der Sozialpolitik als ganzheitliche Aufgabe, bleiben die Fragen von sozialer Sicherheit im Mittelpunkt unserer Erwägungen und unseres politischen Engagements. DIE LINKE fordert aufgrund des bisherigen Sozialabbaus, der demographischen Entwicklung eine regelmäßige Sozialberichterstattung; wesentliche Bestandteile dieser Berichterstattung sind Armuts- und Reichtumsberichte. Wir fordern ein Sofortprogramm für die Schaffung von 250 sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen in den Kommunen und Landkreisen, um ein Feststellenprogramm zur Schaffung langfristiger tragfähiger Netzwerke im sozialen Bereich zu installieren. Wir fordern die Schaffung politischer Rahmenbedingungen zur Stärkung des Ehrenamts, denn Aufgaben dorthin zu delegieren ist die eine Sache, aber Arbeitsmöglichkeiten wirklich zu schaffen und das auch zu honorieren im angemessenen Umfang ist eine ganz andere Frage, die lange nicht gelöst ist. Wir setzen uns ein für eine bedarfsorientierte, existenzsichernde Grundsicherung, die für alle ein menschenwürdiges Leben sichert. Wir sind für die Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung und die Angleichung der Rentenwerte, wie ich das beschrieben habe. Ja, auch ein Sofortprogramm im Bereich der Kinderarmut ist notwendig. Wir benötigen ein Programm zur Schulsozialarbeit und die Erhöhung der Jugendpauschale auf 15 Mio. €, damit auch langfristig Sozialarbeiterstellen sichergestellt werden und Angebote der Jugendhilfe wirklich bedarfsgerecht umgesetzt werden.

Noch einmal, meine Damen und Herren der Landesregierung und der CDU, bleiben Sie nicht im Kleinteiligen, bleiben Sie nicht so vage. Leisten Sie einen Beitrag, damit in unserem Land vor allen Dingen diejenigen Menschen, die von geringem Einkommen, von niedrigen Löhnen und von Hartz IV betroffen sind, und da wieder besonders die Kinder aus solchen Familien und Lebensgemeinschaften, wirklich wieder vernünftig leben können. Tun Sie solche Schritte,

bisher kann ich die in einem ganzen Konzept überhaupt nicht erkennen. In diesem Sinne werden wir als Opposition weiter den Finger in die entsprechenden Wunden legen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Matschie zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau Lieberknecht, Sie bemühen sich um einen neuen Ton. Das ist nach einem Vorgänger, der versucht hat, alle Probleme wegzulächeln, ein guter Schritt.

(Beifall SPD)

Sie haben eine ganze Reihe von Themen angesprochen, bei denen auch wir Handlungsbedarf sehen. Das reicht von der Kinderarmut über die Frage OstWest-Rentenangleichung bis hin zur Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus. Es ist gut, dass wir offen über diese Themen hier diskutieren können. Sie haben uns auch - und ich habe das mit Schmunzeln zur Kenntnis genommen - am Beginn Ihrer Rede eine lange Ahnenreihe präsentiert. Die reichte von der Heiligen Elisabeth über Fröbel bis hin zu Zeiss und Abbe. Frau Ministerin, vier Monate im Amt und sich schon in eine solche Ahnenreihe zu stellen - Hut ab! Das ist Selbstvertrauen.

(Beifall SPD)

Ich bin allerdings etwas skeptischer, was Ihr bisheriges Wirken angeht und auch heute haben Sie sich mit vielen fremden Federn geschmückt. Das mag der kurzen Amtszeit geschuldet sein, aber ich glaube, wir müssen uns das auch noch einmal etwas genauer anschauen. Sie haben sehr ausdrucksstark von Freiheit und Verantwortung geredet. Ich sage: Ja, Sie haben als Ministerin die Freiheit, über alles zu reden, aber Sie haben natürlich auch die Verantwortung, ganz konkret etwas zu tun. Da muss ich Ihnen sagen, selbst an den wenigen Stellen, an denen Sie etwas konkreter geworden sind, muss man viele Fragezeichen machen.

Seit Wochen kündigen Sie uns eine Kindercard an. Wir konnten es in den letzten Tagen in der Zeitung wieder nachlesen, Sie haben es auch heute noch einmal deutlich gemacht. Was soll man jetzt davon halten? Wir erinnern uns natürlich, pünktlich zur letzten Wahl 2004 präsentierte uns die Landesregierung eine Familiencard. Dafür gab es dann auch etwas

Geld, 2004 und 2005 je eine halbe Million Euro, und dann war die Familiencard wieder in der Versenkung verschwunden. Jetzt, ein Jahr vor der Wahl, winken Sie mit der Kindercard. Ich sage Ihnen, keine Frage, den betroffenen Familien wäre eine dauerhafte Unterstützung in dieser Art und Weise auch zu wünschen, aber wer soll Ihnen nach der Nummer mit der Familiecard eigentlich glauben,

(Beifall SPD)

dass das auch eine dauerhafte Einrichtung werden soll? Sozialpolitisches Handauflegen allein hilft in einer solchen Situation nicht. Die Familien brauchen Entscheidungen, auf die sie sich dann auch verlassen können. An der Stelle, Herr Hausold, gestatten Sie mir eine Bemerkung zu Ihrem Angriff auf die Arbeitsmarktreform. Auch in dieser Frage geht es natürlich um Verlässlichkeit für Betroffene. „Hartz IV muss weg“ - das ist schnell dahingesagt. Wollen Sie denn tatsächlich alle Institutionen wieder über den Haufen werfen, die in den letzten Jahren aufgebaut worden sind, um aktive Arbeitsmarktförderung in diesem Bereich zu machen? Wollen Sie das den Betroffenen tatsächlich zumuten, dieses ganze Feld wieder unterzupflügen und vollständig neu ordnen zu müssen? Ich glaube nicht, dass es irgendeinem der Betroffenen hilft, hier mit solchen platten Lösungen zu kommen.

(Beifall SPD)

Ich will Ihnen noch einmal ganz deutlich sagen: Auch bei uns wird natürlich diskutiert, wie die Arbeitsmarktreformen weiterentwickelt werden müssen. Auch bei uns wird über die Regelsätze diskutiert, gar keine Frage. Aber dass es notwendig war in einer Situation in Deutschland mit über 5 Mio. Arbeitslosen, mit einer Wirtschaft, die seit Jahren am Boden lag, dass eine Bundesregierung handelt, dass sie Reformen auf den Weg bringen muss, um aus dieser Situation herauszukommen, das ist genauso klar, und es bleibt ein Verdienst von Gerhard Schröder, dass er in einer schwierigen Situation entscheidungsfähig war.

(Unruhe DIE LINKE)

Frau Ministerin, Ihre Rede war durchaus voller blumiger Verheißungen. Wenn man jetzt noch einmal alles sortiert und nebeneinander legt, bleibt aber nach meinem Eindruck nicht so sehr viel übrig.

Sie versprechen eine Bundesratsinitiative zum Angleich der Renten Ost-West - ein tolles Ziel. Wir wollen das auch ganz ausdrücklich. Es gibt keine Fraktion hier im Haus, die sagt, wir wollen das nicht, aber auch ein schwieriges Thema, das wissen Sie genau, deshalb haben Sie ja auch auf Details hier völlig verzichtet. Stattdessen haben Sie davon gesprochen, wir seien mit Ihrer Initiative ein beachtliches Stück

weitergekommen. Große Worte für das, was Sie tatsächlich tun - große Worte, sage ich da nur. Ich habe mir einmal den Entschließungsantrag angeschaut, der da im Bundesrat eingebracht werden soll. In diesem Entschließungsantrag wird lediglich die Bundesregierung dazu aufgefordert, Modellrechnungen vorzulegen, das war’s, Modellrechnungen in verschiedenen Varianten. Diese Modellrechnungen sollen zeigen, was bei einer Angleichung des Rentenrechts passiert. Sie wissen genauso gut wie ich, Frau Lieberknecht, dass es bei einer einfachen Angleichung des Rentenrechts natürlich auch jede Menge Verlierer gibt, und deshalb ist es auch nicht so einfach, auch nicht mit Ihrer Forderung. Im Übrigen, Herr Hausold, zu sagen, es sei ja unglaublich, dass nach 18 Jahren deutscher Einheit immer noch unterschiedliches Rentenrecht gelte und Menschen unterschiedlich behandelt werden, ist einfach. Aber, Herr Hausold, wenn man jetzt alle Rentner in Ost und West nach dem gleichen Rentenrecht behandeln würde, dann würde das für sehr, sehr viele Rentner und solche, die zukünftig in Rente gehen, Renteneinbußen bedeuten. Das sagen Sie nämlich nicht dazu, Herr Hausold. Deshalb, so einfach ist die ganze Geschichte nicht. Es gibt einen Nachteil im Rentenrecht, der bezieht sich auf den Rentenwert, der ist im Osten niedriger als im Westen, richtig, aber es gibt einen Höherwertungsfaktor im Rentenrecht, der dafür sorgt, dass das ostdeutsche Einkommen deutlich höher bewertet wird und damit am Ende zu einem Vorteil führt. Beides muss sehr genau und sehr klug abgewogen werden, was wir hier tatsächlich tun.

Ich sage Ihnen aber auch, Frau Lieberknecht, Sie haben noch ein zweites riesiges Glaubwürdigkeitsproblem bei dieser Rentenangleichungsdebatte und das entsteht, wenn man nebeneinander legt, was Sie an höheren Renten wollen und was Herr Mohring vor einiger Zeit gefordert hat, nämlich die Abschaffung der Ökosteuer. Die Abschaffung der Ökosteuer bedeutet 19 Mrd. € weniger in der Rentenkasse. Wenn man das beides nebeneinander legt, das lernt man wahrscheinlich in der ersten oder zweiten Klasse, erkennt man, dass man mit weniger Geld nicht mehr Leistung auszahlen kann.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Eine ordentliche Steuerreform wäre ange- bracht.)

Ich weiß ja, Herr Mohring, dass Sie sich jetzt getroffen fühlen, aber ein solcher Widerspruch in Ihren eigenen Reihen, Frau Ministerin, der ist Ihnen ganz offensichtlich egal; an einem Tag werden höhere Rentenausgaben versprochen, an einem anderen Tag wird die Abschaffung der Ökosteuer versprochen.

(Beifall SPD)

Ob das zusammengeht, das interessiert überhaupt niemanden bei Ihnen. Das klingt ein bisschen für mich wie früher nach dem alten Slogan, Herr Mohring, „Überholen ohne einzuholen“.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das ist ein Schwachsinn, was Sie erzählen.)

Herr Mohring, mit solchen Vorschlägen schlängeln Sie sich sogar noch an der Fraktion hier ganz links vorbei.

(Unruhe CDU)

Ja, natürlich.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Linker als Sie und populistischer als Sie kann man doch nicht sein.)