Protokoll der Sitzung vom 12.09.2008

Ein weiteres Beispiel für Stillhalten und Verschweigen war die neue Rahmenvereinbarung für die heilpädagogische und therapeutische Versorgung behinderter Kinder. Statt wie bisher in den Kitas sollte die Behandlung nur noch bei niedergelassenen Therapeuten durch die Krankenkassen übernommen werden. Eltern und Verbände liefen dagegen landesweit Sturm und erreichten die Beibehaltung der jetzigen Regelung. Öffentlichen Einsatz des Beauftragten für Menschen mit Behinderungen habe ich zu diesem Thema nicht wahrgenommen. Aber dieser wäre notwendig gewesen, denn das ist seine ureigenste Aufgabe, sich bei solchen Fragen zu Wort zu melden.

Die weit über dem Bundesdurchschnitt liegende Quote an Förderschülern in Thüringen ist ein weiteres, ein ungelöstes Problem. Sie ist ein Beweis dafür, dass die Integration von Menschen mit Behinderungen in Thüringen von Kindesbeinen an immer noch nachrangig ist. Das spiegelt sich auch im Bericht wider. Lediglich im Ausblick findet sich zu dem Thema eine unkonkrete Äußerung, ich erlaube mir, zu zitieren: „Der hohe Anteil an Förderschülern ist zu hinterfragen.“ Als ob das eine neue Erkenntnis wäre. Konkrete Initiativen und Gegenmaßnahmen werden jedoch nicht benannt. Unsere Vorschläge zur integrativen Beschulung im Behindertengleichstellungsgesetz wurden damals nicht aufgegriffen und das rächt sich nun.

Auch die berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen sollte ein Schwerpunkt der Politik für Behinderte sein. Stattdessen findet die Vermittlung in reguläre Arbeitsverhältnisse auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur im Ausblick eine kurze Erwähnung. Ich hätte erwartet, dass es vonseiten des BMB und der Landesregierung, die ja Schlussfolgerungen zieht, Überlegungen zum Budget für Arbeit gibt. In Rheinland-Pfalz hat dies immerhin 70 Menschen mit Behinderung den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglicht. Zugegeben, kleine Schritte sind auch das, aber wichtige Schritte. Ähnliche Konzepte und Projekte wünschen sich Menschen mit Behinderungen in Thüringen. Ich lese aber nichts im Bericht und höre nichts von der Landesregierung dazu. Das persönliche Budget, eine Leistung des SGB IX, bei der sich Menschen mit Behinderungen in Thüringen von der Landesregierung ebenfalls mehr Initiative gewünscht hätten. Immer wieder wurde und wird beklagt, dass die Informationspolitik darüber sehr schlecht ist. Auch aufgrund dieser unzureichenden Information ist das persönliche Budget noch immer eine Ausnahme in Thüringen. Es würde jedoch für viele der Thüringer mit Behinderungen Erleichterung bringen. Dem BMB stehen für Öffentlichkeitsarbeit und Information 30.000 € zur Verfügung. Ich kann nicht verstehen, dass damit nicht viel mehr bewegt werden kann. Informationen sind eben nicht nur regierungsfreundliche Broschüren. Beratungen, Fachforen, Informationsveranstaltungen gemeinsam mit den Verbänden sind erforderlich und daran mangelt es.

Es muss also festgehalten werden, dass der Tätigkeitsbericht nicht mehr ist, als er aufgrund der Abhängigkeit des Beauftragten für Menschen mit Behinderungen sein kann. Als dessen Position im Gleichstellungsgesetz verankert wurde, haben wir dies begrüßt. Dass er jedoch nicht gewählt, dass die Verbände bei der Auswahl keinerlei Einfluss haben, dass er vom Ministerpräsidenten ernannt wird, all das haben wir von Anfang an skeptisch gesehen und uns für eine andere Lösung ausgesprochen. All unsere Befürchtungen, die auf der fehlenden Unabhängigkeit des Beauftragten von Menschen mit Behinderungen einhergehen, sind durch dessen ersten Bericht und seine bisherige Arbeit leider bestätigt worden. Der Bericht und die Schlussfolgerungen der Landesregierung sind der Beweis dafür, dass unter diesen Bedingungen die Rechte und Standpunkte der Menschen mit Behinderungen nicht effektiv vertreten werden können, denn er wird eben schon durch das Konstrukt, in dem er sich befindet, in seiner Arbeit behindert.

Deshalb kann ich dem Bericht selbst und seinem Verfasser zusammenfassend nur das Zeugnis ausstellen - mein Kollege hat es ähnlich gesagt -, der Bericht ist eine Fleißarbeit und Herr Brockhausen hat sich sehr viel Mühe gegeben, aber das reicht eben

nicht aus. So sind dann auch die Schlussfolgerungen der Landesregierung unzureichend. Es gibt in diesem Freistaat noch viel zu tun. Die Bemühungen um die Herstellung von Barrierefreiheit, die sind richtig, denn Barrierefreiheit ist Grundvoraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben von Menschen mit körperlicher Behinderung, aber es gibt viele Arten von Behinderungen und nicht alle lassen sich mit abgesenkten Bordsteinen und Fahrstühlen erleichtern. Wie ernsthaft ist das Bemühen um Barrierefreiheit, wenn z.B. der Haushaltstitel „Investitionsschaffung von barrierefreien Wohnungen und Kommunikationsstätten für ältere Menschen“ von 574.000 € im Jahre 2007 auf 268.000 € im laufenden Haushalt gekürzt wird? Und es gibt noch mehr Barrieren. Ich denke an Hürden bei der therapeutischen Behandlung in Kitas, beim Zugang zu regulären Schulen oder auf dem ersten Arbeitsmarkt. Auch hier brauchen wir im übertragenen Sinne Barrierefreiheit. Ich bin sicher, dass der Beauftragte für Menschen mit Behinderungen in diesem Bereich sehr gern, sehr viel aktiver wäre. Aber dies ist ihm ja aufgrund eines dürftigen und wenig konkreten Gesetztes nicht in dem Maße möglich, wie es notwendig und wünschenswert wäre. So ist es nicht verwunderlich, wenn auch die Schlussfolgerungen der Landesregierung mehr als dürftig sind. Die Menschen mit Behinderungen haben anderes, haben mehr erwartet. Doch dafür wird wohl erst diese Landesregierung abgewählt werden. Vorher wird sich wohl nichts bewegen. Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD)

Als nächster Redner folgt Abgeordneter Panse, CDUFraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, sehr geehrter Herr Dr. Brockhausen! Herr Dr. Brockhausen, Sie sind für die CDU-Fraktion nicht Zuschauer, sondern Akteur der Behindertenpolitik.

(Beifall CDU)

Deswegen weise ich entschieden zurück, was der Kollege Nothnagel hier gerade verkündet hat. Es hat ein bisschen was mit anständigem Umgang miteinander zu tun, wenn man sich hier vorn hinstellt und meint, man müsste die Unabhängigkeit eines Behindertenbeauftragen preisen und hinterher dann in einer Art und Weise maßregelnd, belehrend hier auftritt und ihm dann erklärt, wie er sein Amt zu führen hat. Das hat nichts mit Unabhängigkeit zu tun. Herr Kollege Nothnagel, Frau Kollegin Künast, das war unangemessen und das weise ich zurück.

(Beifall CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, am vergangenen Wochenende sind die 13. Paralympics in Peking eröffnet worden. Bundespräsident Horst Köhler hat am letzten Sonntag die deutschen Athleten in der deutschen Botschaft in Peking empfangen. Die Paralympics, das größte Weltfest des Sports nach den Olympischen Spielen, ist eine Erfolgsgeschichte für den Sport. Dieses weltoffene Sportfest ist die wichtigste Sportveranstaltung für Menschen mit Behinderungen, natürlich auch für Thüringer Menschen mit Behinderungen, schließlich stehen auch Thüringer Athletinnen und Athleten auf den Teilnehmerlisten. Auch das will ich hier vorab mal als Einstimmung sagen: Bis jetzt haben deutsche Athletinnen und Athleten 38 Medaillen, darunter 10 Goldmedaillen erkämpft. Ich setze das deswegen an den Beginn meiner Rede, weil auch viele sportbegeisterte Thüringerinnen und Thüringer über die Medien mitfiebern, sich mit den Menschen mit Behinderungen über ihre Erfolge bei den Paralympics freuen und weil die Menschen, die dort Erfolge erringen, auch etwas erfahren, was, wie ich glaube, sehr wichtig ist. Sie erfahren mit ihren Erfolgen Bestätigung, sie erfahren Anerkennung, sie verdienen selbstverständlich unseren Respekt und unsere Anerkennung ihrer Leistungen. Das gilt genauso für alle anderen Menschen mit Handicap. Ich stelle das deswegen an den Beginn meiner Rede, weil das, glaube ich, etwas ist, was mit Wertschätzung zu tun hat. Herzlichen Glückwunsch an die erfolgreichen Athleten, aber auch Anerkennung für alle, die in schwierigen Lebenslagen ihre Situation meistern.

(Beifall CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen, dass dies nicht immer so in unserer Gesellschaft ist. Weil dies leider so ist, um dem abzuhelfen, dafür gibt es auch bei uns in Thüringen einen Beauftragten der Landesregierung für Menschen mit Behinderungen. Die CDU-Fraktion hat wohlgemerkt heute beantragt, diesen Bericht hier auf die Tagesordnung zur Aussprache zu setzen. Wir reden über seinen Bericht. Wir reden aber auch über die Behindertenpolitik im Freistaat Thüringen. Ich bin sehr dafür, dass wir uns inhaltlich sehr heftig auch miteinander streiten, auch über den Weg, aber dann bitte in einer sachlichen Form und auch mit dem Bericht, so wie er uns qualitativ sehr hochwertig vorgelegt wurde, und nicht mit einer Kritik an dem Bericht, denn es ist der unabhängige Bericht des Behindertenbeauftragten. Genauso wie der Behindertenbeauftragte sich verbitten würde, dass ihm jemand vorschreibt, was er in seinen Bericht hineinschreibt, genauso müssen wir respektieren, dass er positive oder kritische Anmerkungen in diesem Bericht trifft. Das gilt für die positiven genauso wie für die kritischen.

Sie wissen, die Situation von behinderten Menschen ist in Thüringen im Fachausschuss, im Sozialausschuss, aber auch hier im Plenum bei uns durchaus kontinuierlich im Blickpunkt. Es gibt glücklicherweise eine beeindruckende Bilanz der Situation von behinderten Mitbürgerinnen und Mitbürgern in den letzten paar Jahren; ich habe es vorhin schon einmal angedeutet. Wenn wir über die Veränderungen der letzten 18 Jahre reden, reden wir insbesondere über Veränderungen im Umfeld der Menschen, wir reden über immense Investitionen, die in die Verbesserung der Infrastruktur geflossen sind. Wir haben eine große Trägervielfalt auch in der Hilfe und Betreuung von behinderten Menschen. Wir haben eine enorme Vielfalt von Angeboten und Hilfemöglichkeiten. Ich will ein paar Beispiele aufzählen, wie die Unterstützungsformen aussehen: Das geht bei Screeningmöglichkeiten los, über Frühförderstellen, sozialpädiatrische Zentren, integrative Kitas, integrative Beschulung, gemeinsames Lernen, Förderschulen, Wohnstätten, Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, Barrierefreiheit. Das sind alles Beispiele, bei denen wir durchaus zufrieden sagen können, da ist vieles passiert. Es ist noch viel zu tun und darauf weist dann der Behindertenbeauftragte auch in seinem Bericht zu Recht hin. Aber wenn man mit offenen Augen durchs Land fährt und sich hin und wieder auch mal anschauen kann, wie die Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen aussehen, wie sie ausgestattet sind, wie sie sich entwickelt haben, ich glaube, da muss man anerkennend sagen, da ist Beeindruckendes passiert.

Wir konnten uns als CDU-Fraktion erst in dieser Woche mit unserem Arbeitskreis die Einrichtung des Christophorus-Hofes der Diakonie in Bad Blankenburg anschauen. Das ist beeindruckend. Man spürt auch viel Dankbarkeit bei den Angehörigen von behinderten Menschen, bei behinderten Menschen selbst, die sagen, da ist etwas für uns getan worden. Ich sage es ganz deutlich, an all diesen enormen Anstrengungen hat selbstverständlich auch die Arbeit von Dr. Brockhausen seinen Anteil. Vielen Dank dafür, Herr Dr. Brockhausen, wir werden im Einzelnen auf einige Punkte noch eingehen können.

In Thüringen, wie Sie wissen, das ist auch genannt worden, setzt sich seit Juli 2004 Dr. Paul Brockhausen für die Belange von behinderten Menschen ein, im Dezember des darauf folgenden Jahres haben wir dann schließlich hier auch im Thüringer Landtag in unserem Parlament das Gesetz zur Gleichstellung und Verbesserung der Integration von Menschen mit Behinderungen oder kurz genannt, dem Thüringer Gleichstellungsgesetz, unsere Zustimmung erteilt, das Gesetz beschlossen.

Es war damals umstritten. Frau Künast, Sie haben gesagt, Sie hätten sich andere Sachen und mehr

gewünscht, Herr Nothnagel auch. Fakt ist aber, auf der Basis dieses Gesetzes arbeitet Dr. Brockhausen. In § 16 und ff. dieses Gesetzes sind sowohl die Bestellung des Beauftragten für Menschen mit Behinderungen als auch sein Wirkungskreis, selbstverständlich auch seine Kompetenzen, seine Aufgaben und seine Befugnisse festgeschrieben. Wenn man sich vor diesem Hintergrund dann auch den Tätigkeitsbericht von Dr. Brockhausen anschaut, dann wird eben eines sehr schnell deutlich: Das, was die Arbeit von Dr. Brockhausen angeht, das gilt selbstverständlich auch für alle Aufgaben im Bereich der Behindertenpolitik, auch Behindertenpolitik wirkt in alle gesellschaftlichen Bereiche hinein. Politik für Menschen mit Behinderungen ist selbstverständlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie lässt sich deshalb nicht auf einzelne Bereiche beschränken, sie macht ein ressortübergreifendes Handeln notwendig und viel mehr noch, sie ist auch eine Aufgabe, die nur gemeinsam, das heißt gemeinsam mit den Menschen mit Behinderungen und in praktischer Umsetzung, zumeist mit Interessenverbänden zu bewältigen ist.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, genau an diesem Punkt wird die im Thüringer Gleichstellungsgesetz festgeschriebene Unabhängigkeit des Beauftragten als unbedingte Notwendigkeit deutlich. In seinem Kontakt mit Behörden, mit Verbänden, insbesondere aber auch mit Ministerien in Thüringen, sollte der Behindertenbeauftragte gemäß § 6 des Gleichstellungsgesetzes unterstützend tätig sein. Zudem - und so ist es im Gesetz formuliert - sind die Behörden ihm auf Verlangen zu umfassender Auskunft verpflichtet. Sie müssen ihm Akteneinsicht gewähren und der Behindertenbeauftragte kann in direkten Kontakt mit verschiedenen Behörden treten und Absprachen treffen. Der Beauftragte, so habe ich es in dem Bericht gelesen, betont, dass diese Voraussetzung eine der wichtigen Grundlagen seiner erfolgreichen Arbeit darstellt.

Frau Lieberknecht, Sie haben eben darauf hingewiesen, der Bericht besteht aus über 200 Seiten; es gibt andere Berichte, auch ich habe das zur Kenntnis genommen, des Saarlandes zum Beispiel, ein recht dünner und magerer Bericht. Thüringen mit seinem sehr umfänglichen Bericht orientiert sich dann eher an den qualitativen Vorgaben, wie wir es auch jüngst beim bayerischen Bericht der Behindertenbeauftragten erlebt haben, das sind 150 Seiten, die ähnlich umfänglich und stringent auch darstellen, was im Bereich der Behindertenpolitik dort geschehen ist. Da ist sehr viel Systematik drin, es sind aber auch notwendigerweise kritische Anmerkungen drin, ich werde darauf eingehen. Allerdings, auch das sagt der Behindertenbeauftragte in seinem Bericht, die Anregungen sind nicht alle aufgegriffen worden. Viele sind nicht aufgegriffen worden, das merkt er kritisch an, allerdings, ich sage für uns, für die CDU-Fraktion,

sie sind alle intensiv diskutiert worden. Sie sind mit den Betroffenen, mit dem Ministerium diskutiert worden, sie sind in Stellungnahmen gewertet worden, sie haben Eingang gefunden oder sie haben keinen Eingang gefunden, das ist in der Tat auch eine Grenze gesetzgeberischen Handelns. Aber, ich glaube, es ist vernünftig, da auch einen Abwägungsprozess, eine Wichtung vornehmen zu können; das gilt für beide Seiten.

Ich muss Ihnen schon sagen, Herr Nothnagel, im Gegensatz zur Opposition hat Herr Dr. Brockhausen in der Regel konstruktive Vorschläge gemacht. Er hat sich nicht darauf beschränkt, wie Sie es häufig tun, Verunsicherung zu schüren, Ängste zu schüren, Leute in Unsicherheit zu bringen, wir haben das in den letzten Wochen und Monaten zigmal hier erlebt. Immer wieder, wenn Sie Forderungen, vermeintlich aus Ihrer Sicht populistische Forderungen, aufgemacht haben, haben Sie gemerkt, wie die behinderten Mitbürgerinnen und Mitbürger und deren Angehörige in einem hohen Maße verunsichert wurden. Ich kann Ihnen gleich ein halbes Dutzend Beispiele dafür nennen, bei denen wir als Fraktion angerufen wurden und gesagt wurde, das ist doch aber wirklich nicht wahr, was der Kollege Nothnagel da vorschlägt. Man kann sie beschwichtigen, man kann sagen, der Kollegen Nothnagel hat mit solchen Positionen teilweise nicht einmal Mehrheiten in seiner eigenen Fraktion, geschweige denn hier im Thüringer Landtag, aber es löst Verunsicherung bei den Menschen aus, wenn Sie durch das Land ziehen und verkünden, Werkstätten, Heime und Förderschulen sollen geschlossen werden.

(Zwischenruf Abg. Nothnagel, DIE LINKE: Das ist doch eine Lüge!)

Das ist genau der Punkt, wo die Menschen verunsichert anrufen und sagen, was treibt der Kollege Nothnagel, was schlägt er da vor, was ist da zu befürchten, wenn die irgendwann mal Verantwortung tragen? Sie tragen keine Verantwortung. Ich sage Ihnen eines ganz deutlich, klären Sie diese ganzen Probleme zunächst bitte auch in Ihrer eigenen Fraktion. Ich weiß sehr wohl um die Probleme der Diskussion, die da stattfinden. Wir alle, wir als Abgeordnete werden draußen gefragt, wenn Sie mal wieder Verunsicherung geschürt haben. Lassen Sie das bitte, lassen Sie uns fachlich diskutieren. Aber lassen Sie uns dies bitte nicht auf dem Rücken der Betroffenen austragen.

Abgeordneter Panse, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Nothnagel?

Nein, das möchte ich jetzt nicht, am Ende meiner Rede gern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, es ist ja nicht unser Job, für Sie die kritischen Anmerkungen aus dem Bericht des Behindertenbeauftragten herauszusuchen. Da Sie es aber offensichtlich nicht getan haben und Frau Künast hier moniert hat, da wäre für Sie ein bisschen wenig Kritik drin und das wäre doch alles schöngefärbt; Frau Künast, wenn Sie zuhören mögen, würde ich Ihnen das gern schildern, auch mit Seitenzahl, wo die kritischen Anmerkungen im Bericht des Behindertenbeauftragten zu finden sind.

(Zwischenruf Abg. Künast, SPD: Ich habe auch etwas vorgelesen.)

Dann können Sie das nachlesen, dann werden Sie vielleicht Ihre Meinung noch mal prüfen können, was die unabhängige Berichterstattung des Beauftragten angeht. Wenn Sie sich den Bericht anschauen zum Blindengeldgesetz, ist die Position des Behindertenbeauftragten sehr deutlich auf den Seiten 16 bis 18 nachlesbar.

(Zwischenruf Abg. Künast, SPD: Ja, das stimmt aber nicht alles.)

Ich sage ein paar Sätze dazu, wie sich das damals mit dem Blindengeld entwickelt hat, weil das zur Ehrlichkeit dazugehört. Erstens gehört zur Ehrlichkeit dazu, dass wir auch sagen, es war ein Fehler, damals diese gesetzliche Regelung zu treffen. Das bekennen wir.

(Zwischenruf Abg. Nothnagel, DIE LINKE: Das ist eine späte Einsicht.)

Wir haben versucht, diesen Fehler zu korrigieren. Ich möchte aber an dieser Stelle auf die Rolle von Dr. Brockhausen hinweisen. Dr. Brockhausen hat damals sehr wohl für einen Kompromiss geworben. Herr Dr. Brockhausen hat ein Kompromissmodell entwickelt, hat mit uns in der Fraktion gesprochen, mit den Betroffenen gesprochen, hat um ein Kompromissmodell geworben.

(Zwischenruf Abg. Künast, SPD: … ver- haltenen Protest …)

Er hat dies im Gegensatz zu Ihnen getan, die am Ende draußen rumgezogen sind und den Blindenverband instrumentalisiert haben, die gesagt haben, Ihr dürft Euch auf keine Kompromisse einlassen, Ihr solltet Maximalforderungen aufmachen...

(Unruhe DIE LINKE)

Das haben wir hier erlebt. Am Ende, als sich Herr Och über Herrn Dr. Brockhausen mit der Landesregierung, auch mit uns als Fraktion, die am Ende einen mehrheitsfähigen Beschluss hier eingebracht hat, auf einen Kompromiss verständigt hat, da haben Sie sich hingestellt, haben Herrn Och beschimpft nach dem Motto: Ihr hättet keine Kompromissmöglichkeiten eingehen müssen, ihr hättet weiter diskutieren müssen. Das ist unredlich. Das zeigt, was Sie damals wirklich gewollt haben.

(Zwischenruf Abg. Künast, SPD: Die Kreisverbände waren sauer.)

(Unruhe DIE LINKE)

(Glocke der Präsidentin)

Sie können ans Rednerpult, Herr Abgeordneter Nothnagel, aber ich bitte Sie, diese Zwischenrufe zu unterlassen.

Lassen Sie mich aber im Bericht des Behindertenbeauftragten weitergehen. Sie finden zur Umsetzungsfrist der Verordnung des Gleichstellungsgesetzes ebenso kritische Anmerkungen auf Seite 22, auf Seite 24 zu den Härtefonds für Blinde. Sie finden insbesondere auch, was die Anregung an verschiedene Ministerien angeht, eine ganze Menge an kritischen Anmerkungen darin. Das halten wir aus, weil wir uns selbstverständlich inhaltlich damit auseinandersetzen müssen, weil wir die Argumentation abwägen müssen. Sich aber dann hier hinzustellen und zu sagen, es gibt keine kritischen Anmerkungen, das ist in der Tat falsch.

Es ist auch falsch, Frau Künast, wenn Sie sich dann hinstellen und - nachdem wir gerade vor wenigen Stunden darüber gesprochen haben - immer weiter gebetsmühlenartig falsche Thesen hier in den Raum stellen zum Kita-Gesetz und zur Betreuung von behinderten und von Behinderung bedrohten Kindern in den Einrichtungen. Es ist schlichtweg falsch, was Sie gesagt haben. Für diese Kinder hat sich die Situation in den Einrichtungen verbessert, nämlich dahin gehend, dass sie in Regeleinrichtungen zukünftig auch Eingliederungshilfeleistungen erhalten können, dass sie den Förderbedarf dort erfüllt bekommen können und dass von Behinderung bedrohte und behinderte Kinder auch in Regeleinrichtungen gefördert werden können, aber eben nur dann, wenn es qualitativ möglich ist. Das, was Sie gemeint haben, was Sie aber offensichtlich ganz anders hier ausgedrückt

haben, ist die Frage von Kindern mit zusätzlichem Förderbedarf. Für die Kinder mit zusätzlichem Förderbedarf haben wir eine Regelung getroffen, indem wir gesagt haben, die Landkreise und die kreisfreien Städte erhalten dafür einen finanziellen Zuschuss des Landes und organisieren den individuellen Förderbedarf in den Einrichtungen für diese Kinder selbst. Das habe ich vor wenigen Stunden Ihrem Fraktionsvorsitzenden Matschie erklärt. Entweder waren Sie da nicht im Raum oder Sie wollten es einfach nicht hören. Es gehört aber auch zu diesem Teil, wo ich sage, damit schürt man Ängste von Menschen draußen in Thüringen, die dann sagen, da muss ich mir Sorgen machen, ob mein Kind ordentlich gefördert wird. Dem ist nicht so.

Gleiches gilt auch für die Heilpädagogendiskussion. Wir haben im Sozialausschuss die Ursachen rauf und runter diskutiert, warum die Heilpädagogen ihre Leistungen nicht mehr in Regeleinrichtungen erbringen können. Das hat nicht die Thüringer Landesregierung zu verantworten. Die Thüringer Landesregierung hat damit nichts zu tun. Das ist eine Regelung, die auf der Heilmittelverordnung des Bundes basiert. Es war eine Diskussion zwischen den Kassen und zwischen den Trägern der Einrichtungen. Sehr wohl hat sich die Thüringer Landesregierung dieses Themas angenommen. Wir als Fraktion haben die Fragen bekommen, wir haben uns als Fraktionsarbeitskreis sehr intensiv damit auseinandergesetzt. Das Ministerium hat am Ende eine Kompromisslinie moderiert, sehr wohl unter Beteiligung von Dr. Brockhausen. Am Ende ist dieser Kompromiss gelungen, dass nämlich die Krankenkassen ihre Zustimmung erteilt haben, dass diese Förderung von Heilpädagogen weiterhin in Einrichtungen stattfinden kann, nämlich dann, wenn die qualitative Arbeit auch sichergestellt ist. Das bedeutet, dass es Einrichtungen auch tun können, die in der Tat als anerkannte Frühförderstellen über die Qualität verfügen. Es ist unredlich, wenn Sie sich hinstellen und sagen, die Schuld könnte man bei der Landesregierung abladen und im Übrigen wäre vielleicht noch der Behindertenbeauftragte daran schuld, weil er nicht laut genug gerufen hätte zu diesem Thema.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Arbeit des Behindertenbeauftragten will ich für die CDU-Fraktion betonen, besonders wichtig erscheint uns seine Zusammenarbeit mit den kommunalen Behindertenbeauftragten. Sie wissen, daraus entspringt ein Informationsfluss, mit dem Sie die Erfahrungen und die Probleme der Betroffenen vor Ort wesentlich schneller im Dialog miteinander klären können. Ich weiß, Herr Dr. Brockhausen, das sind oftmals auf kommunaler Ebene ähnliche Probleme, wo diese gemeinsamen Gesprächsrunden, diese enge Zusammenarbeit zwischen Ihnen und den kommunalen Beauftragen sehr guttut. Aber Ihr Bericht, den Sie uns vorgelegt

haben, zeigt auch, dass Sie einen sehr direkten Draht zu den Bürgern im Freistaat aufgebaut haben; insbesondere die sehr lange Liste von Eingaben und Anfragen - über 360 sind im Bericht erwähnt in dem Berichtszeitraum - machen dieses deutlich.

Aus der Darstellung der vielen Einzelfälle, die wir so peu á peu dann auch mitbekommen, wird deutlich, dass es sich sehr oft um Fragen und Unsicherheiten zu rechtlichen Rahmenbedingungen handelt, wo Sie erläutern, wo Sie erklären, wo Sie helfen. In einigen Fällen, auch das machen Sie in Ihrem Bericht deutlich, ging es um sehr schnelle, auch finanzielle Hilfe, weil gesetzliche Hilfeleistungen nicht ausreichend gegriffen haben. Auch da haben Sie als Beauftragter den Betroffenen in einigen Fällen mit Ihrem Fonds, mit den Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln unter die Arme greifen können. Das ist richtig und das war auch eine unkomplizierte und zügige Hilfe, aber eine fachlich begründete Hilfe.

Für uns, für die CDU-Fraktion, möchte ich sagen, Herr Dr. Brockhausen hat es in seinem Amt und in dem Berichtszeitraum, für den wir heute den Bericht vorliegen haben, außerordentlich gut verstanden, sich als Ansprechpartner für die betroffenen Mitbürgerinnen und Mitbürger zu etablieren. Er hat in dem Aufbau, in dem Einsatz für die Landesarbeitsgemeinschaft der Beauftragten der Menschen mit Behinderungen einen engen Kontakt zu den kommunalen Strukturen aufgebaut und gepflegt; das habe ich gesagt. Dieser Informations- und Erfahrungsaustausch ist, denke ich, sowohl für die Bürgerinnen und Bürger als auch für die Landesregierung von einem hohen Wert, weil daraus Anregungen kommen, die letztendlich auch in der Arbeit im Sozialministerium einfließen und bei der Gesetzgebung berücksichtigt werden können.