Protokoll der Sitzung vom 12.09.2008

Meine sehr verehrten Damen und Herren, selbst Prof. Säckel von der Freien Universität, der von der Landesregierung auch mit dem Landesgutachten zur 380-kV-Trasse beauftragt wurde, hat auf meine Nachfrage, nachdem, das ist ganz klar, er doch vorher betont, er hält nichts von Verstaatlichung, aber er hat auch deutlich gesagt, ehe es vielleicht - er spekulierte hier auf GAZPROM - dazu kommt, dass GAZPROM die Leitungen kauft, sollte sich der Staat selbst darum bemühen. Warum sollten nicht überregionale Stromnetze ähnlich wie die Eisenbahnschienen und die Autobahnen in Bundesbesitz sein? Bei 9 Prozent Rendite und 5 Prozent Zinsen wäre das sogar ein sehr gutes Geschäft, so die Aussage von Prof. Säckel.

Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, bei uns LINKEN liest sich das ein bisschen anders, wir sagen: Überführung der Netze in öffentliche Hand, Energie muss dem Gemeinwohl dienen und nicht den Profitinteressen einzelner Konzerne. Das ist der richtige Weg.

(Beifall DIE LINKE)

Ich bin überzeugt davon, meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist der Weg, zum einen die Strompreise im Zaum zu halten und zum anderen auch die überlebenswichtigen Klimaschutzziele bei der Verringerung des CO2-Ausstoßes zu erreichen.

Die Strompreise - auch das haben wir schon oft hier in diesem Landtag debattiert - sind im bundesweiten Vergleich mit die höchsten. Etwa ein Drittel dieser Preise sind Netzentgelte. Wer darüber direkt entscheiden kann, hat Einfluss auf die Strompreise für die privaten Haushalte und die Wirtschaft. Der kann mit an der Preisschraube drehen und nicht, wie das die Konzerne tun, im Profitinteresse, sondern im Interesse der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, und das ist dringend erforderlich. Wenn man Stromnetze in eigener Hand hat, dann kann man auch weiterhin zum Beispiel über Sozialtarife nachdenken. Sozialtarife für Haushalte mit geringem Einkommen sind angesichts explodierender Energiepreise längst überfällig, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Auch wer den Klimaschutz ernst nimmt, wer den Klimaschutz wirklich ernst nimmt, kommt an der öffentlichen Kontrolle der Stromnetze nicht vorbei. Grundsätzlich muss gelten, erneuerbare Energien haben Vorrang, vor allem dann, wenn sie in ausreichendem Maße vorliegen, müssen Atom- und Kohlekraftwerke zurückgefahren und gegebenenfalls abgeschaltet werden.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Da brau- chen wir aber mehr Leitungen dazu.)

Entschuldigung, wird eine Zwischenfrage zugelassen?

Herr Abgeordneter Schubert.

Zum Schluss, ich bin gleich fertig.

Gut, dann zum Ende.

Das ist zwar im EEG so festgeschrieben, so habe ich das zumindest auch bisher verstanden, ich habe aber auch an der energiepolitischen Konferenz in Ilmenau teilgenommen. Dort erklärte am 13. Juni eine Vertreterin von Vattenfall, sie seien zwar grundsätzlich verpflichtet, über das Erneuerbare-Energien-Gesetz erneuerbare Energien vorrangig einzuspeisen, es gibt ihnen aber keine Handhabe, in diesem Fall konventionelle Kraftwerke herunterzufahren, sofern diese Abnehmer haben. Und das, meine sehr verehrten Damen und Herren, war eine klare Aussage dort von Vattenfall, dass diskreditiert die erneuerbaren Energien auch hier. Deshalb sagen wir, ohne staatlichen Einfluss sind die hier angesprochenen Probleme nicht lösbar.

(Beifall DIE LINKE)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt also viele Gründe für die Übernahme zur Regulierungsbehörde. Zur Regulierungsbehörde haben wir, denke ich, Herr Höhn, hier auch schon sehr oft debattiert. Sie wissen ja, was dann letztendlich passiert, Rechtsstreitigkeiten über Rechtsstreitigkeiten. Wann hat sich denn die Regulierungsbehörde auch mal durchgesetzt? Mal ein bisschen, aber letztendlich können wir uns auch eine Regulierungsbehörde sparen, wenn wir die Netze in unseren eigenen Händen hielten und wenn wir letztendlich selbst darüber entscheiden würden, welche Durchleitegebühren fällig werden. Es gibt also viele gute Gründe, über die Übernahme der Stromnetze in öffentliche Hand nachzudenken.

Unser Antrag, meine sehr verehrten Damen und Herren, fordert Sie auf, endlich mit dem Nachdenken zu beginnen. Ich bitte um Unterstützung für unseren Antrag und ich beantrage auch die Überweisung an die Ausschüsse für Bau und Verkehr und Wirtschaft, Technologie und Arbeit zur weiteren Beratung. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Jetzt bitte die Frage. Abgeordneter Schubert, bitte.

Frau Enders, ich hatte die Frage schon in meiner Rede gestellt. Vielleicht können Sie sie jetzt noch beantworten. Haben Sie sich Gedanken gemacht, wie viel die Höchstspannungsnetze in Deutschland wert sind? Wenn Sie die als Staat kaufen wollen, wie viele Milliarden sind das bitte schön und woher soll das Geld kommen dafür?

Ich wollte jetzt eigentlich nicht die Hausaufgaben für die Landesregierung machen. Aber, Herr Schubert, ich könnte mir zum Beispiel gut vorstellen, wenn wir uns jetzt nur einmal das Vattenfall-Netz betrachten würden, zum Vattenfall-Gebiet gehören die fünf neuen Bundesländer, Hamburg und Berlin, dass man eine Betreibergesellschaft gründet. Ich denke, dass es die Finanzierung der Haushalte der einzelnen Länder nicht direkt belasten würde und ich gehe davon aus, dass aber über die Netzdurchleitegebühren, die letztendlich ja auch durch die Betreibergesellschaft erhoben werden müssen, sich auch der Verkauf realisieren lässt.

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Die Betreibergesellschaft gehört uns doch noch nicht.)

Wir wären letztendlich also auch dann diejenigen, die natürlich in dieser Gesellschaft sich zusammenfinden, die Länder. Es wäre zum Beispiel ein Weg. Ich habe mich dazu auch schon mit einigen Professoren unterhalten und man könnte - deshalb haben wir das hier auch gefordert - eine solche wirtschaftliche Betrachtung anstellen. Ich gehe davon aus, dass es gut funktionieren würde. Und noch etwas anderes: Wir stehen ja mit der Forderung „Netze in öffentliche Hand“ als LINKE hier gar nicht so allein, es wird ja letztendlich auch durch die EU immer wieder angeschoben. Es ist wirklich an der Zeit, dass wir auch diesen Weg gehen. Wir haben uns auch schon Gedanken gemacht zu verschiedenen Konzessionsmodellen. Auch das müsste man einfach mal betrachten, aber das führt jetzt hier zu weit, deshalb haben wir ja den Vorschlag gemacht, das an die Ausschüsse zu verweisen und dort noch mal im Detail darüber zu diskutieren.

(Beifall DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt Abgeordneter Dr. Krapp, CDUFraktion.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Professor Doktor.)

Der Abgeordnete hat genau gewusst, wer gemeint ist.

Sehr geehrte Frau Präsidentin …

Entschuldigung! Herr Kollege Kretschmer, das entscheiden wir hier vorn, was dazu gehört.

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Das ge- hört aber dazu, Frau Präsidentin.)

(Unruhe CDU)

Ach so, das hat Herr Seela gesagt. Dann meine ich Herrn Seela und jetzt beenden wir diesen Diskurs und das Wort hat der Abgeordnete.

Vielen Dank. Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn neue Anträge zur 380kV-Südwestkuppelleitung auf die Tagesordnung dieses Hohen Hauses kommen, fragt man sich ja immer nach dem aktuellen Anlass. In beiden Anträgen wird auf den jüngsten Gesetzentwurf der Bundesregierung zu einem Gesetz zur Beschleunigung des Ausbaus der Höchstspannungsnetze vom 18. Juni dieses Jahres Bezug genommen. Allerdings ist interessant, dass DIE LINKE diesen Anlass in der ersten Fassung ihres Antrags zunächst vergessen oder verschlafen hatte. Ich dachte zunächst vielleicht verschlafen, aber nach der Rede von Frau Enders ist mir klar, dass dieser Anlass gar nicht so wichtig war, weil es Ihnen um etwas ganz anderes geht. Es geht Ihnen darum, die Energiewirtschaft zu verstaatlichen und diese Frage, die uns hier bewegt, Schutz des Thüringer Waldes, ist an sich nur Mittel zum Zweck für Sie,

(Beifall CDU)

um die Verstaatlichung der Energiewirtschaft zu betreiben.

Aber ich komme jetzt zurück auf diesen Anlass, den Sie dann in Ihre Neufassung schließlich mit aufgenommen haben. In der Tat werden mit diesem Gesetzentwurf neue Akzente in dieser uns schon mehrfach beschäftigenden Angelegenheit gesetzt. Zum einen soll in Artikel 1 des Energieleitungsausbaugesetzes der Bedarf für vordringliche Vorhaben - und dazu gehört nach diesem Gesetzentwurf auch die Südwestkuppelleitung durch den Thüringer Wald - bundesgesetzlich festgelegt werden und zum anderen soll der Rechtsweg für diese Vorhaben auf eine Instanz, das Bundesverwaltungsgericht, festgelegt werden.

Meine Damen und Herren, unsere Fraktion geht davon aus, dass die Landesregierung die Brisanz dieser Entwicklung erkannt hat und nicht von der SPD-Fraktion darauf hingewiesen werden muss, dass sie das von der CDU-Fraktion in Drucksache 4/3541

initiierte Gutachten zur energiewirtschaftlichen Notwendigkeit einer weiteren 380-kV-Trasse rechtzeitig in die Debatte um das genannte Bundesgesetz einzuführen hat.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Deswe- gen dürfen wir es trotzdem fordern.)

Besonders delikat, Herr Höhn, ist die Tatsache, dass die SPD-Fraktion, die dies heute fordert, dem entsprechenden Antrag der CDU-Fraktion am 16. November 2007 gar nicht zugestimmt hat. Also wir brauchen keine Trittbrettfahrer.

(Beifall CDU)

Bezeichnend ist auch, dass die SPD-Fraktion in ihrem heutigen Antrag mit keinem Wort auf die Erdkabelvariante des Gesetzentwurfs des Bundes eingeht, wo doch der SPD-Bundesumweltminister Gabriel Fürsprecher dieser Pilotlösung auch für den Thüringer Wald ist. Liegt das vielleicht daran, Herr Höhn, dass die SPD-Fraktion wieder einmal danebenliegt, indem sie ihren Antrag zur Prüfung von Erdkabeln in Drucksache 4/3502 voreilig zurückgezogen hat? Wir sind jedenfalls erfreut, dass die entsprechende Forderung unseres Ministerpräsidenten

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Wir ha- ben keinen zurückgezogen.)

nach Prüfung einer Kabeloption in Berlin offensichtlich gehört worden ist - in Berlin ist sie gehört worden. Dass es aus anderen Ländern Vorbehalte gibt, haben wir zur Kenntnis genommen und das wird im Bundesrat zu bereden sein. Dabei sind diese Vorstellungen zu einer Kabeloption sicher noch zu präzisieren. So sehen wir zum Beispiel noch Klärungsbedarf darüber, warum in Artikel 1 des Energieleitungsausbaugesetzes für den Thüringer Wald nur die Möglichkeit einer stückweisen 380-kV-Wechselstromverkabelung angedeutet wird, obwohl in Artikel 4 des gleichen Gesetzes zur Änderung der Anreizregulierungsverordnung unter Ziffer 7 auch Investitionsbudgets für Hochspannungsgleichstromübertragungskabel - kurz HGÜ - ermöglicht werden. Es ist bekannt, und ich hatte darauf schon vor längerer Zeit hingewiesen, dass solche Systeme leistungsfähiger und umweltschonender sind. Aus genau diesen Gründen werden sie schon als Seekabeltrassen eingesetzt. Wenn man schon den Thüringer Wald für wert genug hält, neue Technologien zu erproben, dann sollte man gleich Nägel mit Köpfen machen und die Trasse so gestalten, dass sie Teil des HGÜ-Netzes werden kann, das in der DENA-II-Studie für die nächste Ausbaustufe des europäischen Hochspannungsnetzes ja bereits vorgeschlagen wird.

(Beifall CDU)

Der heutige Antrag der Fraktion DIE LINKE trifft wieder einmal an den Kompetenzen des Landtags voll vorbei. Waren Ihre bisherigen Anträge darauf gerichtet, dass der Landtag Aufgaben der Planfeststellungsbehörde an sich reißt, soll er nun sogar zum Planungsbüro werden, indem er ein Modellprojekt zur Leitungsoptimierung auf den Weg bringt.

Liebe Frau Kollegin Enders, die Prüfung aller Möglichkeiten von Leitungsoptimierungen ist doch gerade Gegenstand unseres Antrags vom November 2007, dem auch Sie Ihre Zustimmung versagt haben. Ich darf noch einmal den damaligen Beschluss zitieren, mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin: „Die Landesregierung wird gebeten, ein unabhängiges Institut mit einem Gutachten zu beauftragen, das Aussagen trifft über die energiewirtschaftliche Notwendigkeit einer weiteren 380-kV-Trasse sowie über technische Möglichkeiten der Netzoptimierung und des Netzmanagements und wie diese Lösungen für den notwendigen zusätzlichen Stromtransport auf Bestandstrassen durch Thüringen angewendet werden können.“

Wir gehen davon aus, dass die Landesregierung bzw. das von ihr beauftragte Institut bei dieser Prüfung den aktuellen Stand der Diskussion beachtet. Dazu gehört natürlich der Gesetzentwurf vom 18. Juli 2008 zur Beschleunigung des Ausbaus der Höchstspannungsnetze der Bundesregierung. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass es bei diesem Entwurf nicht mehr nur um die Übertragung von Windenergie von Nord nach Süd geht. Zur Sicherung der Grundlastfähigkeit des Netzes werden von der Bundesregierung offensichtlich größere Kohlekraftwerkskapazitäten an der Küste erwartet, deren Leistungen zusätzlich zur Windenergie in den industriellen Süden übertragen werden müssen, wenn die dortigen Atomkraftwerke mittelfristig abgeschaltet werden. Damit bestätigt sich einerseits die Skepsis der Trassengegner gegen das bisher von Vattenfall immer vorrangig vorgebrachte Windenergieargument. Andererseits ist aber damit auch das Jarass-Gutachten nicht mehr das Maß aller Dinge, da es sich auftragsgemäß ausschließlich auf die Windenergieargumente bezieht. Das macht den Trassengegnern, die den Thüringer Wald schützen wollen, das Leben nicht einfacher. Gleichwohl muss man aber auch zur Kenntnis nehmen, dass die Bundesregierung im genannten Gesetzentwurf dem Thüringen Wald einen besonderen Naturschutzstatus einräumt, indem sie hier auch Erdverkabelung zulassen will. Die Tatsache, dass die Bundesregierung zum Mittel eines Beschleunigungsgesetzes greift, deutet auf die Dringlichkeit des Problems hin.

Meine Damen und Herren, wir hätten am vergangenen Freitag bei Lichtenfels nicht die Inbetriebnahme des letzten Teilstückes der A 73 feiern können, wenn nicht Anfang der 90er-Jahre in einer ähnlich

dringenden Situation von der Möglichkeit eines Verkehrswegebeschleunigungsgesetzes Gebrauch gemacht worden wäre. Grundsätzlich kann man also einen solchen Weg der Bundesregierung nicht als undemokratisch diskreditieren, wie dies die Fraktion DIE LINKE in ihrem Antrag tut.