Protokoll der Sitzung vom 08.10.2008

(Unruhe CDU)

Herr Mohring, mäßigen Sie sich.

(Zwischenruf Abg. Wehner, CDU: Er ist ein Stasilügner, Frau Präsidentin.)

Herr Mohring und Herr Wehner, ich rüge Sie jetzt für dieses Verhalten. Ich möchte darum bitten, dass der Redner am Pult seine Rede fortsetzen kann.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Die Wahrheit kann man doch noch sagen. Er soll nicht lügen. Er lügt!)

Herr Mohring!

(Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: Das machen Sie permanent.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der LINKEN wird ja immer vorgeworfen, wir sind Rechtsnachfolger der SED, aber Handlungsnachfolger ist die CDU und für die gilt der Satz: „Die Partei, die Partei, die hat immer recht.“

(Beifall DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Anhörung zum Gesetzentwurf sind auch ein paar bemerkenswerte Dinge zutage getreten. Die IHK hat erklärt, dass sie de facto den Masterplan der LINKEN übernommen hat. Wir haben nichts dagegen. Ich will Ihnen auch deutlich machen, woran dies festzustellen ist.

Erstens hat die IHK formuliert: Die Abschaffung der Verwaltungsgemeinschaften und deren Umwandlung in Einheitsgemeinden ist das Zukunftsmodell für Thüringen.

Zweitens: Die Aufgabenkommunalisierung und die Kreisgebietsreform müssen einheitlich erfolgen.

Drittens: Die Notwendigkeit einer Gebietsreform und die Einräumigkeit der Verwaltung.

Das sind alles Punkte, zwischen denen bei IHK und LINKEN Übereinstimmung herrscht. Wir hatten es nur zwei Jahre vorher bereits formuliert.

Meine Damen und Herren von der CDU, offensichtlich ist Ihnen der Kontakt zu den Menschen im Land verloren gegangen. Inzwischen sind Sie auch nicht mehr der politische Interessenvertreter der Thüringer Wirtschaft. Sie sind einfach mit Ihrer Politik gescheitert. Um es anders zu formulieren: Sie sind konzeptionell am Ende.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Abgerechnet wird am Ende.)

Die IHK kritisiert ausdrücklich, dass keine Regelungen zum perspektivischen Ende der Verwaltungsgemeinschaft niedergeschrieben sind. Sie von der CDU müssen einfach den Mut haben, öffentlich zu wiederholen, was Sie hinter verschlossenen Türen immer wieder zugeben, nämlich, dass Sie selbst die Verwaltungsgemeinschaften für ein Auslaufmodell halten. Herr Carius hat das selbst erklärt, als er Ende Juni zu einer CDU-Abendveranstaltung in Gefell im Saale-Orla-Kreis weilte.

Im Übrigen hat Herr Carius am laufenden Band dort eine Abfuhr erteilt bekommen für das Landgemeindenmodell. Wie bereits gesagt, berichtete die „OTZ“ am 30. Juni über diesen Abend in Gefell, wo am Ende mehr Fragen blieben als Antworten. Am 16. April berichtete ebenfalls die „OTZ“ von einem gescheiterten Auftritt des Herrn Carius in der VG „Am Brahmetal“ im Landkreis Greiz, wo Ihre Landgemeinde auch eine Abfuhr erhalten hat. Aus dem Kreis Hildburghausen haben sich 16 Bürgermeister in einem offenen Brief gegen die Landgemeinden ausgesprochen. Darüber hat das „Freie Wort“ am 25. April berichtet. Am 25. Mai berichtete das „Freie Wort“ aus dem Ilm-Kreis über eine Veranstaltung in Friedersdorf in der Verwaltungsgemeinschaft Großbreitenbach. Dort mussten Sie hinnehmen, dass sich die gesamte CDU-Stadtratsfraktion aus der Stadt Großbreitenbach der Einladung des Abgeordneten Jaschke widersetzte. In Großbreitenbach wollen nämlich alle Stadträte, auch die Stadträte der CDU, dass aus der Verwaltungsgemeinschaft konsequent eine Einheitsgemeinde entsteht.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das können Sie doch machen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, selbst die Bertelsmann Stiftung, die nun nicht verdächtigt wird, eine Tarnorganisation von Lafontaine und Gysi zu sein...

(Unruhe CDU)

Ich fange noch mal an, im Protokoll steht: Unruhe im Saal.

(Zwischenruf Abg. Hauboldt, DIE LINKE: Noch mal, das haben sie nicht verstan- den.)

(Beifall DIE LINKE)

Selbst die Bertelsmann Stiftung, die nun nicht verdächtigt wird, eine Tarnorganisation von Lafontaine und Gysi zu sein, hat in einem Punkt ein Element des Masterplans unseres Landesverbandes aufgegriffen. Die Bertelsmann Stiftung empfiehlt, die Mindesteinwohnergrenzen von Gemeinden bei 5.000 Einwohnern festzusetzen. Auch der Ausbau der Ortschaftsverfassung wird durch die Bertelsmann Stiftung ausdrücklich begrüßt. Aber auch sie fragt, weshalb dieser begrüßenswerte Fortschritt nicht für alle Menschen in Thüringen gelten soll. Künftig werden die Einwohner einer Landgemeinde mehr demokratische Möglichkeiten der Teilhabe haben als die Einwohner der Einheitsgemeinde. Sie spalten damit dieses Land. Wir lehnen diese Spaltung in Bürger erster und zweiter Klasse konsequent ab.

Meine Damen und Herren, offensichtlich wissen Sie nicht, dass Ihre Landgemeinde draußen nicht gut ankommt und deshalb müssen Sie noch ein paar künstliche Anreize schaffen, dass dieses Modell dann auch auf Gegenliebe stößt. Mit dem erweiterten Ortschaftsrecht soll zudem verdeckt werden, dass Sie im Grunde genommen nichts ändern wollen, denn sonst hätten Sie die Verwaltungsgemeinschaften entweder ganz abgeschafft oder zumindest eine Übergangslösung gestellt, bis wann die Verwaltungsgemeinschaften umgewandelt sein sollten. In diesem Sinne hatte auch Prof. Rosenfeld vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle während der öffentlichen Anhörung in seiner Stellungnahme nachgefragt. Er meinte nämlich, dass Ihr Konstrukt Landgemeinde, wenn es tatsächlich so attraktiv wäre, wie Sie immer betonen, dann wären finanzielle Anreize überhaupt nicht notwendig, also die sogenannte Lockprämie könnte dann entfallen. Die Wahrheit ist allerdings, dass Ihr Landgemeindenmodell ein Rohrkrepierer ist und auch bleiben wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Ergebnis bleibt festzustellen, dass die CDU über Jahre hinweg die Enquetekommission für eigene parteipolitische Spielchen missbraucht hat. Nach jahrelanger intensiver Arbeit hat die CDU-Fraktion in der letzten Sitzung der Kommission beschlossen, dass alles so bleibt, wie es ist, deshalb könne der Abschlussbericht jetzt auch geschrieben werden. Glückwunsch, meine Damen und Herren, Sie haben damit einen weiteren Beweis erbracht, dass Sie nicht die Thüringer Partei sind, sondern die Thüringer Stillstandspartei. Sie haben den Auftrag des Ministerpräsidenten erfüllt, der in Sachen Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform die Parole Stillstand ausgerufen hatte. Doch in einem Punkt haben Sie Ihren Ministerpräsidenten auch im Regen stehen lassen. Der hatte erklärt, dass bis Ende dieses Jahres die besonders reformbedürftige Konstruktion der erfüllenden Gemeinde gelöst ist. Doch genau hier setzen Sie nicht an, es bleibt bei der erfüllenden Gemeinde. Offensichtlich findet hier der Ministerpräsident in seiner Fraktion kein Gehör mehr. Das ist auch erklärlich, weshalb hier umgekehrt auch nicht die Landesregierung, sondern die CDU-Fraktion den Gesetzentwurf eingebracht hat. Das spricht Bände - Kommentar überflüssig. Aufgrund der gemeinsamen Empfehlung von CDU und SPD und dem gemeinsamen Beschluss, wovon inzwischen die SPD aber nicht mehr so viel wissen will, weil sie erkannt hat, dass die CDU sie in eine taktische Falle gelockt hatte, hätte die Landesregierung den Gesetzentwurf vorlegen müssen. Das hat sie nicht getan, weil offensichtlich selbst die Landesregierung das Konstrukt der Landgemeinde für derart missgestaltet hält, dass sie besser ihre Finger davon gelassen hat, um dafür nachher nicht in Haftung genommen zu werden. Wenn alles schiefgeht - und es deutet ja vieles darauf hin - dann kann die Landesregierung sagen, wir waren es nicht, es war die Fraktion hier im Landtag.

(Beifall DIE LINKE)

Offensichtlich hat die CDU auch deshalb im Innenausschuss mit einem Änderungsantrag ihren eigenen Gesetzentwurf noch mal versucht nachzubessern. Künftig soll bei den Verwaltungsgemeinschaften nur noch der Landtag per Gesetz die Veränderung vornehmen können, nicht mehr die Landesregierung per Rechtsverordnung. Im ursprünglichen Gesetzentwurf sollte das so bleiben wie bisher. Das zeugt davon, dass die Landtagsfraktion ihrer eigenen Regierung nicht mehr traut und sagt, das machen wir lieber selbst. Das war mal anders. Früher hat sich die Mehrheitsfraktion hier selbst ihre Rechte eingeschränkt und hat gesagt, das soll mal alles die Landesregierung machen. Jetzt gibt es offenbar ein Umdenken. Man entzieht der Landesregierung wieder Kompetenz. Das finden wir grundsätz

lich richtig, aber das spricht natürlich Bände für das gestörte Verhältnis zwischen Mehrheitsfraktion und Landesregierung.

Meine Damen und Herren, mit dem vorläufigen Gesetzentwurf ist deutlich geworden, dass die CDU über kein geschlossenes Konzept für eine Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform in Thüringen verfügt. Deshalb verfolgt sie seelenruhig eine Stillstandspolitik und übt sich in der Vogel-Strauß-Methode - Kopf in den Sand und es wird schon gut gehen. Mit dieser Politik haben Sie sich disqualifiziert.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Sand im Kopf haben Sie.)

Nein, nein, das war schon richtig Sand im Kopf, ich habe sofort an Sie gedacht, Herr Mohring, warum auch immer.

Herr Abgeordneter Kuschel, Sie mäßigen sich bitte auch.

Danke für den Hinweis, Frau Präsidentin.

Mit dieser Politik haben Sie sich selbst disqualifiziert. Nächstes Jahr werden die Thüringer über Ihre Politik abzustimmen haben. Hoffentlich sind dann endlich die von dieser Landesregierung, dieser Landtagsfraktion zu verantwortenden Chaostage in Thüringen endlich vorbei. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Taubert zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten! Herr Kuschel, eine Bemerkung zu Ihrer Rede: Lieber mal eine blutige Nase als hier immer braun zu sein, wie das viele Ihrer Kommunalpolitiker vor Ort sind, und den Herrschenden, wie Herr Hahnemann immer sagt, so gern hinterherrennen. Ich will es mal vorsichtig sagen, damit ich hier nicht auch noch einen Ordnungsruf einfange.

Aber erinnern wir uns: Zu Beginn der 4. Legislaturperiode im Frühjahr 2005, genau im März 2005, beantragte die SPD-Fraktion mittels Einsetzung einer Enquetekommission erfolgreich, sich endlich auch

im Landtag mit den Folgen des demographischen Wandels und einhergehenden knappen Ressourcen auseinanderzusetzen und mit einer komplexen Funktionalreform und damit notwendigerweise auch Gebietsreform die drohenden Probleme intelligent anzupacken. Uns ging es damals wie heute um langfristige Entwicklungen. Langfristige Planung ist dafür Grundlage. Der Thüringer Gemeinde- und Städtebund, der Thüringische Landkreistag, die Wirtschaft, aber auch die Gewerkschaften äußerten damals ihre Erwartungen an den Landesgesetzgeber. Wir sollten rasch und in größtmöglichem Konsens dauerhaft verlässliche Entscheidungen auf den Weg bringen.

Wir erinnern uns: Damals war per Regierungserklärung vom September 2004 von Herrn Althaus eine Behördenreform angeschoben worden, die heute noch auf breites Unverständnis stößt.

Wir erinnern uns weiter: Die CDU hatte die Förderung freiwilliger Gemeindezusammenschlüsse ab 2006 ins Rollen gebracht, aber auch aus Angst vor eigenen Kommunalpolitikern die Förderung an keine wesentliche Perspektive gebunden. Und wir brauchen Perspektiven für die nächsten 20 Jahre.

Ich will es abkürzen: Damals hatte die Regierungsfraktion und gleich gar nicht die Regierung Lust, ihrem Regierungsauftrag gerecht zu werden und vorausschauend für das Land zu entscheiden.

Wir haben heute einen Gesetzentwurf der CDUFraktion vor uns liegen, der diese Haltung nochmals zementiert. Dabei sind viele gute Anhörungen und Fachmeinungen in der Enquetekommission zukunftsfähige Verwaltungs- Gemeindegebiets- und Kreisgebietsstrukturen in Thüringen und Neuordnung der Aufgabenverteilung zwischen Land und Kommunen zur Behördenstrukturreform, aber auch zur Finanzentwicklung, Demographie in Thüringen von Fachleuten eingesteuert worden. Auch wenn wir manches schon wussten, war es trotz alledem noch mal wichtig, das in einer konzentrierten Form auch zu haben und am Ende auch aufzuschreiben; Material genug, um sich ein klares Bild unserer Zukunft zu machen. Doch leider verfestigt sich bei uns der Eindruck, dass mit Blick auf Umfragen zu den Landtagswahlen die Totenstarre über die Landesregierung und ihre Fraktion gekommen ist.

(Beifall SPD)

Wir alle wissen, wir müssen handeln. Wir müssen rasch handeln und wir müssen einen tragfähigen Ansatz finden. Unsere Nachbarn im Norden und im Osten haben uns seit Langem überholt und wir sollten die Häme über deren Konflikte mit den Kommunalvertretern, die manchmal auch aus diesem Raum hier kommt, nicht aufflammen lassen, sondern be

scheiden zur Seite schauen und sich unserer Aufgaben besinnen. Denn wenn wir in Thüringen so weitermachen, dann wird man uns in fünf Jahren sagen, was hilft alles Laufen, wenn es die falsche Richtung ist. Die Probleme, die auf uns zukommen, sind doch längst bekannt - wenig Geld, wenig Einwohner, alle Bereiche der Daseinsvorsorge permanent in Gefahr. Das betrifft sowohl den ÖPNV, Sie wissen, dass ein Ausdünnen auf dem flachen Land weiterhin im öffentlichen Raum Geld kosten wird. Wir müssen darauf reagieren. Wir wissen, dass wir bei Kindertagesstätten, bei Schulen, bei der Sicherstellung der gesundheitlichen Vorsorge und Fürsorge, wir wissen, dass wir bei den freiwilligen Feuerwehren große Probleme haben und wir wissen, dass wir bei Ver- und Entsorgung an vielen Stellen perspektivisch etwas tun müssen. Für all diese Themen in der Daseinsvorsorge brauchen wir dringend eine verlässliche Entwicklung auch der kommunalen Strukturen. Diese Themen werden immer wieder aufgebrochen und man will genau wissen, was man für die Zukunft erwarten kann.

Der SPD-Fraktion war die dringende Bitte der kommunalen Spitzenverbände sowie der Wirtschaft sehr wichtig, doch ein Konzept vorzulegen, das mit breiter Mehrheit im Landtag getragen werden kann und das Perspektiven aufzeigt. Dem sind wir nachgekommen und haben in der Enquetekommission unsere Bereitschaft zu einem Kompromiss bis zur Schmerzgrenze ausgereizt. Heraus kam ein Leitbild zur Gemeindegebietsreform, das klare Linie für die gemeindliche Entwicklung aufzeigt.

Ich will noch einmal kurz auf die Kernpunkte eingehen. Die erste Kernaussage zur Entwicklung der Verwaltungsorganisation der Gemeinden - und das ist ein wichtiger Punkt, weswegen wir sagen, wir können diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen - die Verwaltungsgemeinschaft ist nicht zukunftsfähig und soll nicht weitergeführt werden. Die Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaften sollen zu Einheitsgemeinden und zu Landgemeinden zusammengeschlossen werden. Wir haben auch über eine Einführungsphase geredet und das niedergeschrieben in den Leitlinien, die irgendwann zu Ende sein muss. Dieser Endpunkt ist nicht gesetzt. Ich will das auch untermauern mit den Gesprächen, die ich vor Ort führen konnte. Es wird auch nicht mehr über diesen Endpunkt gesprochen, einfach aus Angst davor, man könnte vor der Wahl irgendjemanden verärgern und könnte dann die Regierungsmehrheit verlieren. Das ist, denke ich, unredliches politisches Handeln, dafür sind wir nicht in den Landtag gewählt worden. Wir sind dafür gewählt worden, dass wir, auch wenn uns der Wind, wie man so schön sagt, ins Gesichts bläst, Entscheidungen treffen und die Menschen - wenn auch im Nachgang - erkennen, dass es die richtige Entscheidung für sie und ihre Zukunft ist.

(Beifall SPD)