Protokoll der Sitzung vom 08.10.2008

(Beifall SPD)

Wir haben eine zweite Kernaussage, das ist die Frage der mindestens dauerhaft 3.000 Einwohner in einer Gemeinde. In dem Gesetzentwurf ist das punktuell aufgenommen worden. Trotz alledem fehlt die Klarheit, was passiert, wenn die 3.000-EinwohnerGrenze unterschritten ist und es ist fraglich, vor allen Dingen nach dem, was in den letzten Jahren auch praktisch gehandhabt wurde, was dann passiert. Wird es tatsächlich so umgesetzt, wie wir es oft diskutiert haben, nämlich dass Gemeinden unter 3.000 Einwohner dauerhaft nicht existieren werden, oder wird man die Zahl der Ausnahmeregelungen so weit ausweiten, dass man am Ende das Gesetz unterwandert?

Die Kernaussagen zur Bürgernähe und zur demokratischen Teilhabe, die im Leitbild verankert sind, sind zum Teil auch in dem Gesetzentwurf mit enthalten. Das ist auch eine Sache, die wir angeschoben haben, von der wir glauben, dass es wichtig ist, dass wir in den Gemeinden, in den Ortsteilen auch die Teilhabe weiter stärken, um den Menschen das Gefühl zu geben, dass wir nicht die Identität irgendeines Bürgers in seinem Dorf rauben wollen.

(Beifall SPD)

Deswegen will ich noch einmal sagen, auch wir haben den Eindruck, es soll alles beim Alten bleiben. Kollegen der CDU in den kommunalen Verantwortungen bestätigen das. Sie haben uns zum Beispiel kritisiert, wie könnt Ihr nicht zustimmen, es ist doch schön, wenn alles beim Alten bleiben kann! Vor diesem Hintergrund können wir diesem Gesetzentwurf der CDU-Fraktion nicht zustimmen.

Die Landesregierung und auch, denke ich, die CDURegierungsfraktion haben deutlich gemacht, dass sie nichts in dieser Form verändern wollen; sie wollen an kommunalpolitischen Strukturen nichts verändern. Da ist einfach die Frage: Wie soll es denn dann weitergehen? Wir wissen, was auf uns fiskalisch zukommt; wir wissen, was wir den Gemeinden noch geben können. Ist das Ziel etwa, die Gemeinden und die Landkreise auszuhungern? Ich denke, das ist kein faires Verhalten gegenüber Kommunalpolitik und denen, die sich dort anstrengen. Besser wäre, wir könnten im Rahmen auch der Landesplanung gescheite Strukturen finden und damit auch unsere Pflicht im Landtag erfüllen. Danke.

(Beifall SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Groß zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, bevor ich zu unserem Gesetzentwurf komme, lassen Sie mich einige Worte zu meinen Vorrednern sagen.

Herr Kuschel, eigentlich dürfte man bei Ihnen überhaupt nichts sagen, weil es die Dinge, die Sie inhaltlich bringen, überhaupt nicht wert sind. Sie fangen an mit dem Titel des Gesetzes, den Sie schon als „Irreführung“ bezeichnen. Ihre Wertung, Sie haben ein Sammelsurium gemacht über Wirtschaft, über Kommunen, über den Gesetzentwurf, über die Enquetekommission.

(Zwischenruf Abg. Bärwolff, DIE LINKE: Weil er davon Ahnung hat.)

Ja, wovon er denkt, dass er überall Ahnung hat. Da hätten Sie mal hinhören müssen bei Ihrem Kollegen, da hätten Sie das gemerkt. Ihre Wertung der Arbeit der Enquetekommission zeigt keine Wertschätzung der Abgeordneten, die in dieser Kommission arbeiten. Sie bringen ihnen keine Wertschätzung entgegen. Ihnen fehlt der politische Anstand und Sie sind zu Recht als parlamentsunwürdig bezeichnet worden.

(Beifall CDU)

Eine weitere Unwahrheit, die Sie hier von sich gegeben haben, dass die Opposition ihre Arbeit in der Enquetekommission gemacht hat - dass ich nicht lache. In der Enquetekommission - von wem sind denn Anträge gekommen? Wer hat sich denn hingesetzt und hat gesagt, schauen Sie in den Computer, da ist unser Masterplan? Darauf hat es sich doch beschränkt. Da soll man das hier nicht so darstellen, als ob Sie Ihre Arbeit gemacht hätten.

(Zwischenruf Abg. Bärwolff, DIE LINKE: Aber Ihre Fraktion auch nicht.)

Sie wissen es doch überhaupt nicht, Herr Bärwolff. Schauen Sie doch mal hin, schauen Sie in die Protokolle. Sie können auch gern mal zur Enquetekommission kommen, dann können Sie sich auch ein Urteil darüber bilden, aber nicht einfach hier aus der hohlen Hand. Wenn Herr Kuschel sagt, das Land geht unter; diese Landuntergangsstimmung, die Sie hier heraufbeschwören - also ich weiß nicht, wo Sie leben. Unser Land hat sich gut entwickelt und ein Glück, dass Sie hier nichts zu sagen haben. Der Anteil, den Sie an der guten Entwicklung haben, der tendiert wirklich gegen null.

(Beifall CDU)

Wir setzen in dem vorliegenden Gesetzentwurf auf Freiwilligkeit. Das geht natürlich bei Ihnen nicht, weil Sie den gewählten Bürgermeistern und Gemeinderäten nichts zutrauen.

Als Letztes lassen Sie mich noch sagen, einen Eduard Schnitzler hätten Sie an Übersudelung noch übertroffen.

(Beifall CDU)

Zu Frau Taubert. Ich denke, wir haben die Positionen im Vorfeld ausgetauscht.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Sudel-Ede ist ein kleines Licht gegenüber Herrn Kuschel.)

So war es auch gemeint. Entschuldigung, Herr Fiedler, aber das kann man ja noch korrigieren für das Protokoll. So war es auf jeden Fall gemeint.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Sie haben es falsch ausgedrückt.)

Frau Taubert, Sie haben eine Reihe von Problemen angesprochen, die unsere kommunale Ebene hat. Natürlich gibt es Probleme. Aber diese Probleme sind nicht alle unbedingt vom Land zu lösen, wir haben kommunale Selbstverwaltung. Da trifft das zu, was ich Ihnen eben gesagt habe, wir setzen auf Freiwilligkeit. Und das mit den 3.000 Einwohnern, das steht eindeutig im Gesetz drin. Und da steht auch diese Übergangsregelung drin. Ich denke, daran gibt es eigentlich nichts zu wackeln. Sie sagen, wir können dem heute nicht zustimmen. Ich habe ja schon Pressemeldungen vor Augen, „SPD droht CDU“, „Matschie droht CDU“, „Matschie: CDU bricht Wort“.

(Zwischenruf aus dem Hause: So ist das leider.)

So ist das leider nicht. Und bei aller Wertschätzung der Kollegen der SPD, es gibt Kollegen in Ihrer Fraktion der SPD, die haben schon recht frühzeitig den Gesetzentwurf bekommen, noch bevor er hier eingebracht worden ist, damit wir miteinander reden. Von da an ist er einfach in die Tasche gesteckt und gesagt worden, darüber brauchen wir nicht zu reden. Dass es unterschiedliche Meinungen gibt, hat man erst gestern wieder in einem Leserbrief unter der Überschrift „Kommunen sollen selbst entscheiden“ lesen können.

Den uns hier in zweiter Lesung vorliegenden Gesetzentwurf haben wir in meiner Fraktion intensiv erarbeitet. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich, seitdem ich im Thüringer Landtag bin, einen Gesetzentwurf so intensiv auch an der Basis und mit

der Basis diskutiert habe. Angekündigt hatten wir das bereits im Herbst 2007. Wir sprechen heute über das Zukunftsmodell für unsere Kommunen. Die Einführung der Thüringer Landgemeinde verfolgt das Ziel, effiziente Verwaltungsräume zu schaffen und dabei zugleich die Identifikationsräume und Heimaträume zu erhalten. Wir sind überzeugt, dass dies - und nicht etwa eine von oben verordnete Veränderung der Gemeindestrukturen - der richtige Weg ist. Weil wir davon überzeugt sind, dass wir ein einerseits zukunftsfähiges, andererseits auch sehr attraktives Modell in der Enquetekommission entwickelt und nun in Gesetzesform gegossen haben, setzen wir auf Freiwilligkeit. Die Gemeinden sollen selbst entscheiden, wie sie am besten ihre Zukunft gestalten wollen. Deshalb gibt es auch kein finales Datum für die Umwandlung - um auf das einzugehen, was Frau Taubert gesagt hatte. Deshalb bleibt grundsätzlich auch die Möglichkeit erhalten, trotz des Nichterreichens der vorgesehenen Grenze von 3.000 Einwohnern eigenständig zu bleiben und sich in einer Verwaltungsgemeinschaft zu organisieren bzw. durch eine erfüllende Gemeinde verwalten zu lassen. Aber bei den Drohgebärden, die pressemäßig schon zu lesen waren, wonach wir für eine Neubildung der Verwaltungsgemeinschaft sind, muss ich darauf verweisen, den Gesetzentwurf genau zu lesen. Wir haben im Änderungsantrag, den wir in den Innenausschuss eingebracht haben, eine Klarstellung, für die, die es wirklich nicht genau gelesen haben, in § 46 Thüringer Kommunalordnung. Die Darstellung ist in der Begründung vorgenommen worden. Außerdem sehe ich auch nicht die Möglichkeit, Verwaltungsgemeinschaften neu zu bilden. Auch deshalb ist aufgenommen worden, dass Veränderungen oder Neubildungen immer erst dem Gesetzgeber vorgelegt werden müssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, warum Freiwilligkeit so schlecht sein soll, dass Sie sogleich die Arbeit in der Enquetekommission niederlegen, das vermag ich nicht zu verstehen, zumal ich den Auftrag der Enquetekommission kenne, wie sicherlich jedes Mitglied hier im Hohen Haus.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Weil Sie sich nicht an die Ergebnisse halten. Was ist denn da nicht zu verstehen?)

Ja, wenn Sie vom parlamentarischen Ablauf her auch Probleme haben.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Set- zen Sie das doch im Plenum um.)

Herr Matschie, Sie wollen in der PKK nicht mehr mitarbeiten, Sie wollen in der Enquete nicht mehr mit

arbeiten, Sie verweigern sich beim Landesrechnungshof. Nun sage ich mir: Sie sind doch auch gewählt, dass Sie hier noch etwas tun in diesem Parlament,

(Beifall CDU)

wenn Sie es ernst mit der Zukunft in diesem Hohen Haus und in den Gremien in diesem Hohen Haus halten, denn dafür bezahlt Sie schließlich auch der Steuerzahler.

Doch nun zurück zur Frage der Freiwilligkeit: Wir sind davon überzeugt, dass die kommunalen Verantwortungsträger die Gegebenheiten, den Handlungsbedarf vor Ort am besten kennen. Daher wollen wir tragfähige Strukturen, die von denen mitverantwortet werden, die für die Aufgabenwahrnehmung vor Ort gewählt wurden. Gemeinsam werden wir so leistungsfähige kommunale Strukturen schaffen, die - ich betone es nochmals - Identifikations- und Heimaträume erhalten, denn wir wollen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger in den Thüringer Kommunen gut aufgehoben fühlen. Dies ist bei den von Ihnen so viel gepriesenen Reformen in den anderen Bundesländern oftmals gerade nicht der Fall gewesen, auch wenn Frau Taubert das vorhin als Beispiel gebracht hat, denn wenn wir nach Sachsen schauen und nach Sachsen-Anhalt oder nach MecklenburgVorpommern; was nützt die schönste Reform, wenn sie keiner will. Die Methode „Operation gelungen - Patient tot“ wird es in Thüringen nicht geben.

(Beifall CDU)

Wir wollen die Zukunft gestalten und nicht wie etwa die Kollegen von der Linkspartei die Kommunen verstümmeln oder zentralistische Strukturen schaffen.

(Unruhe DIE LINKE)

Kommunale Selbstverwaltung braucht Gestaltungsspielraum, die Thüringer Landgemeinde setzt hier neue Maßstäbe. Das starke Ortschaftsrecht der neuen Landgemeinde kann in der Hauptsatzung maßgeschneidert werden. Die Menschen vor Ort sollen die Möglichkeit haben, sich für ihren Ort zu engagieren. Damit wird ihr ehrenamtliches Engagement gefordert und gefördert. Das macht Lust auf Demokratie, meine Damen und Herren. Wir berücksichtigen damit die demographische Entwicklung im Freistaat. Mehr Effizienz wo nötig bei so viel Individualität wie möglich - das ist unser Ziel und dafür stehen wir. Die einzelnen Regelungen, die der Gesetzentwurf behandelt, sind bei der Einbringung ausführlich erörtert worden. Erwähnen möchte ich an dieser Stelle lediglich die Aufhebung des Einstimmigkeitsprinzips hin zur doppelten Mehrheit in den VGs. Damit kann in mehreren VGs der Wille zum Zusammengehen mit der Mehrheit der Bürger in einer

Verwaltungsgemeinschaft umgesetzt werden. Die Änderungen der Fusionsprämien unter dem Dach der VG wirken auf die Strukturen hin und ich denke, Strukturen, die die nächsten 20 Jahre halten werden.

Auf den Änderungsantrag der LINKEN möchte ich nicht eingehen, weil er nichts Neues sagt. Der wortgleiche Antrag ist im Innenausschuss vorgelegt und abgelehnt worden und wird heute in diesem Haus von uns auch abgelehnt werden.

Der heutige Gesetzentwurf wird gestärkte Kommunen hervorbringen, mit denen sich die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes identifizieren und in denen sie sich engagieren. Deshalb steht die CDU-Fraktion für die Thüringer Landgemeinde und damit für diesen Gesetzentwurf. Ich bitte, der Beschlussempfehlung des Innenausschusses zuzustimmen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Frau Abgeordnete Groß, ich gebe Ihnen einen freundlichen Hinweis. Wir haben uns auch noch einmal beraten dazu. Sie haben vorhin einen Vergleich gebracht zu Karl-Eduard von Schnitzler, der ist ja nun nicht Abgeordneter dieses Hauses, demzufolge obliegt mir nicht, dazu etwas zu sagen. So, wie Sie Ihre Bemerkung vorhin angesagt haben, war es keine Beleidigung des Abgeordneten Kuschel. Falls Sie sie aber im Protokoll ändern sollten, es gilt allerdings in der Regel das gesprochene Wort, würde ich Ihnen nachträglich einen Ordnungsruf erteilen. Sie können das selber entscheiden.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Sudel-Ede bleibt Sudel-Ede.)

(Unruhe CDU)

Sie können sich wieder beruhigen.