Bevor ich dazu etwas sage, noch ein Blick auf grundsätzlichere Fragen, die Sie im Grunde genommen überhaupt nicht berührt haben. Ich gehe davon aus, dass Sie das nicht als Ihr Problem sehen. Wir leben in einer Marktwirtschaft, das wissen wir alle, und Marktwirtschaft macht alles zur Ware, auch die privaten Daten und damit auch die Privatsphäre selbst. Deswegen habe ich eingangs gesagt, am Ende schluckt dieser Sumpf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. So wird dann die Privatsphäre des Bürgers eine Ware auf einem Markt.
Ein Zweites kommt verschärfend hinzu, dass nämlich vielfach Betroffene selbst es den Datenhaien durch eigenes Verhalten recht leicht machen. Hier muss im Grunde genommen auch das Bewusstsein für die Privatsphäre in Abgrenzung zur Öffentlichkeit geschärft werden. Das ist eine Aufgabe für Politik und für Gesellschaft als Ganzes. Das ist aber natürlich ungeheuer schwer in einer Gesellschaft, in der der Staat selbst seit Jahren einer der gefräßigsten Datenmolloche ist, den wir haben. Der Fakt selbstverschuldeten Verlusts privater Daten darf den Ver
antwortlichen in Politik und Wirtschaft nicht als ein scheinheiliges Argument der Entantwortung der Gesellschaft und des Staates von endlich mehr Datenschutz missbraucht werden, denn die Verteidigung der Privatsphäre wird den Betroffenen von der Gesellschaft und von deren tonangebenden Akteuren ausgesprochen schwer gemacht. Das geltende Motto heißt, das Private wird öffentlich auf der einen Seite und das Öffentliche bleibt privat oder auch geheim auf der anderen Seite. Die Folge davon ist eine totale Privatsphäre aller. Das ist der geistige Mainstream in dieser Gesellschaft.
Dann gibt es eine dritte Tendenz, die wir auch nicht aus den Augen lassen dürfen: Die IT-Technik entwickelt sich rasant weiter. Es werden neue Datensammelverfahren eingesetzt, deren Wirkung kaum noch jemand überschauen kann. Dann tritt das Argument „legal“ oder „illegal“ immer weiter zurück, weil diese Prozesse eine Eigenläufigkeit erhalten. Nehmen Sie das Payback-System, Sie haben es selbst genannt. Ich halte es aber einfach für blauäugig und für politisch unverantwortlich oder zumindest kurzsichtig, wenn Sie sich hinstellen, Herr Staatssekretär, und sagen, der Bürger soll die Vorteile und die Nachteile eines Angebots prüfen und abschätzen. Das kann der Bürger überhaupt nicht mehr. Er kann den Rahmen der Handlungsweise des Anbieters einer solchen Payback-Karte kaum einschätzen.
Zweitens hat er überhaupt keinen Einfluss, was der dann mit den Daten macht. Wenn der die weiterverscherbelt, dann kann sich der Kunde aufregen so viel er will - da stellen Sie sich dann hin und sagen, ja, das ist illegal. Das nützt nur dem Bürger überhaupt nichts, dass das illegal ist; seine Daten befinden sich in der Welt.
Oder die Frage dieser funklesbaren Chips, da gilt genau das Gleiche. Da reicht es, glaube ich, nicht, wenn man nur strengere Bedingungen im neuen Datenschutzrecht fordert; da müssen knallharte Regelungen zur Kontrolle des Umgangs hinein, nicht nur strengere Bedingungen. Das Landesverwaltungsamt kommt jetzt schon mit seiner Kontrolltätigkeit nicht zurande. Sie haben selbst darauf hingewiesen, was mit diesen Daten für Profile von Bürgerinnen und Bürgern angefertigt werden können.
All diese Dinge haben dazu geführt, dass wir bereits jetzt weitestgehend unbemerkt einen gläsernen Kunden haben, von dem die Datenschützer immer so drohend reden, den haben wir schon, der ist schon traurige Realität und der technische Fortschritt geht permanent weiter. Was auf der Strecke bleibt - und da setze ich meine Kritik auch an Ihrem Bericht an -, wenn wir die Angelegenheit so betrachten, wie Sie sie betrachtet haben, ist das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Das bleibt am
Auf das haben wir - Sie schütteln den Kopf, Herr Staatssekretär - aber einen verfassungsrechtlichen Anspruch. In der Landesverfassung in Artikel 6 - und es ist doch kein Zufall, dass sich die Bundespolitiker davor scheuen, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ins Grundgesetz zu übernehmen, und sich immer wieder in die Ausflucht begeben zu sagen, es liegt ja im Grunde genommen eine höchst richterliche Garantie dieses Grundrechts vor. Ich glaube, dass der Ansatz, auch mit der Aufnahme des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung ins Grundgesetz zu beginnen, richtig gewesen wäre. Das hätte nichts ersetzt von dem, was in Sachen Datenschutzrechtsregelungen laufen muss, aber das wäre ein Einstieg in eine Debatte gewesen, die schon mit diesem Einstieg bewiesen hätte, dass sie wirklich ernst gemeint ist.
All den Prozessen, die wir erlebt haben, über die wir erfahren haben, und, ich denke auch, vielen, über die wir noch gar nichts wissen, also weder Sie noch ich, noch sonst wer, denen muss im Grunde genommen durch eine neue Datenschutzgesetzgebung und durch die Kontrolle der staatlichen Verwaltung Einhalt geboten werden. Da stehen wir wieder vor einem Grundproblem, das ich vorhin schon angerissen habe. Das kann man im Grunde genommen nur glaubwürdig durchsetzen, wenn die Menschen der Politik die Ernsthaftigkeit ihres Unterfangens noch abkaufen können. Das fällt, insbesondere was die Innenpolitik angeht, in diesem Lande schwer. Denn Politik und Staat haben, angetrieben einerseits von Herrschaftssicherung und andererseits verhüllt in das Argument einer Antiterrorismuspolitik, selbst einen solch unstillbaren Datenhunger entwickelt, dass das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vom Staat selbst durchbrochen wird. Von jemandem, der das selber permanent durchbricht, von dem wird es schwer, zu glauben, dass er an einer anderen Stelle erfolgreich in der Lage wäre, ein Grundrecht zu verteidigen. Ganz im Gegenteil, dazu nährt genaue Betrachtung den Verdacht, dass eigentlich beide Seiten gar kein ernsthaftes Interesse haben, die Probleme im Datenschutz im Bereich der Privatwirtschaft wirklich zu klären. Das sind, glaube ich, auch die Gründe, warum man sich in Berlin so schwer tut mit ernsthaftem Datenschutz, warum man ein Konzept vermisst, ein Konzept, das Bundesdatenschutzrecht und Landesdatenschutzrecht in einem Guss in Angriff nimmt. Genau das brauchten wir.
Wir haben ja im Übrigen noch ein Problem. Wir haben zugleich zu dieser, nach meiner Auffassung, politischen Unglaubwürdigkeit des Staates, was Datenschutz und Grundrechtschutz von Bürgerinnen und
Bürgern angeht, diese Tendenz, dass der Staat permanent den Umgang mit Daten, den er eigentlich selbst vollziehen müsste, privatisiert. Das heißt, er löst und entfernt sich gleichzeitig von einem Problem, das ihm eigentlich obliegen sollte, und hegt dann aber dem gegenüber Ansprüche, und diesen Ansprüchen wird er dann zum Beispiel in mangelnder Kontrolltätigkeit nicht mehr gerecht. Das ist ein Problem, das auch aus dieser laxen Haltung des Staates zum Datenschutz resultiert.
Zu der Frage, inwieweit alle diese Datenschutzfragen im Zusammenhang mit Wirtschaftsentwicklungen, die international und die global sind, überhaupt noch auf nationaler Ebene in den Griff zu bekommen sind, will ich jetzt hier gar nichts mehr sagen. Tatsache ist, Bundes- und Landesgesetzgeber müssen alle Möglichkeiten, auch zur gesetzlichen Stärkung des Datenschutzes, ausschöpfen, alle! Vorrangig muss das Datenschutzgesetz erweitert und es muss modernisiert werden. Es muss unter anderem auch den Tendenzen der Informationstechnikentwicklung angepasst werden. Da braucht es nach meiner Auffassung ein wirklich geschlossenes Konzept, wie man dieser Probleme Herr werden will. Eines lassen Sie mich im Unterschied zu Ihrem Optimismus, Herr Staatssekretär, sagen: Der Referentenentwurf - und das ist nach meinen Informationen der mit Stand vom 20.10.2008, er ist ein bisschen schwierig zu bekommen, er befindet sich aber jetzt im Anhörungsverfahren - wird den Anforderungen all dieser Probleme im Datenschutz nicht gerecht. Der wird dem nicht gerecht, denn mit Ausnahme eines einzigen Punkts, sagt die Mehrheit der Datenschützer, ist völlig unzureichend, was dort geregelt wird. Lediglich die Regelungen, dass Bürgerinnen und Bürger eine ausdrückliche Zustimmung zur Weitergabe ihrer Daten geben müssen und zur Kontrolle dessen, seien hinreichend - nichts weiter.
Wir brauchen eine Stärkung des Datenschutzes im Komplex, unabhängig davon, ob es sich um illegale Datengefährdung oder gefährlichen legalen Umgang mit Daten handelt. Dazu ist es nötig, dass Bund und Länder alle Möglichkeiten, die ihnen zu Gebote stehen, nutzen; das muss man aber wollen. Ich kann die Landesregierung nur auffordern, sich in diesen Prozess auf eine Weise einzubringen, dass die Chancen, die dieser Datenskandal auf bedauerliche Art und Weise eröffnet hat, genutzt werden im bundesrechtlichen Rahmen, dass die Landesregierung auf die Gestaltung des bundesrechtlichen Rahmens den entsprechenden Einfluss nimmt und dass die landesrechtlichen Möglichkeiten voll ausgeschöpft werden.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die mehr oder weniger spektakulären Datenschutzversäumnisse einiger Unternehmen in den letzten Wochen und Monaten sind hier teilweise bis ins letzte Detail seziert worden. Ich will auf die nicht eingehen, will nur sagen, sie haben gezeigt, dass es nicht nur beim staatlichen Umgang mit Daten Probleme gibt, sondern dass auch im Bereich der privaten Wirtschaft konkrete Gefährdung für den Datenschutz im Allgemeinen und das Recht auf informelle Selbstbestimmtheit im Besonderen existiert. Ich teile die Auffassung des Staatssekretärs, dass diese Probleme im Zuge der technischen Entwicklung wahrscheinlich noch zunehmen werden. Es ist bereits seit einiger Zeit offenbar geworden, dass die Politik mit ihren Gesetzen nicht oder - besser gesagt - kaum mit dem technischen Fortschritt Schritt halten kann. Von der Gerichtsbarkeit will ich in diesem Zusammenhang dann gleich gar nicht reden. Wir laufen hier der Entwicklung häufig hinterher und das wird sich noch verstärken. Umso wichtiger ist es gerade in diesem Bereich vorauszuschauen und das, sage ich ehrlich, hätte ich von unserer Landesregierung etwas intensiver erwartet. Wenn es hier heute um den Datenschutz in der Privatwirtschaft geht, muss man konstatieren, andere Länder sind wesentlich weiter als wir, am weitesten wohl das Land Rheinland-Pfalz. Schon bevor es diese spektakulären angesprochenen Versäumnisse in einigen Unternehmen gegeben hat, ist dort die Entscheidung gefallen, künftig auch den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich zu überwachen. Dass diese wichtige Kontrollfunktion künftig nicht mehr allein von der Ministerialverwaltung wahrgenommen wird, sondern auch außerhalb der Exekutive, ist ein deutliches Zeichen für einen starken und unabhängigen Datenschutz. Dieses starke Zeichen kam zur richtigen Zeit und, ich denke, auch Thüringen würde ein solches Signal gut zu Gesicht stehen.
Meine Damen und Herren, ich denke weiter, es kann dann auch heute in der Debatte nicht nur ausschließlich darum gehen, die bekannt gewordenen Defizite beim Datenschutz in der Privatwirtschaft zu beklagen, sondern wir sollten nach Lösungen suchen, Lösungen, das sage ich ausdrücklich, die nicht nur auf staatliches Handeln setzen, sondern vielleicht auch die Kräfte des Marktes einbeziehen, denn damit hat man wohl sicherlich in der Privatwirtschaft noch die größten Chancen. Für mich stellt sich immer wieder die Frage: Haben die Unternehmen den Schutz der persönlichen Daten von Mitarbeitern und
Kunden bisher ausreichend auch als ihr Kapital erkannt oder eher nicht? Wenn ich mich frage, ob ich jemandem, einem Freund oder Geschäftspartner, vertrauen kann, dann geht es doch auch um die Vertraulichkeit von Informationen. Dieses Vertrauen der Kunden ist zumindest für einen ehrbaren Kaufmann eine Grundlage für erfolgreiche Geschäfte. Für dieses Vertrauen sorgt nun einmal der sorgsame Umgang mit Kenntnissen, die ich über meinen Kunden erlangt habe.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung, insbesondere die Bundesjustizministerin, hat schon vor den jüngsten Schlagzeilen entsprechende Gesetzentwürfe - der Staatssekretär ist teilweise darauf eingegangen - im Bundestag vorgelegt. Es geht um die Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes. Dort sollen im Wesentlichen festgeschrieben werden zunächst die Rechte und Pflichten von Auskunftsdateien wie etwa der SCHUFA, das soll klarer gesetzlich definiert werden. Es geht um mehr Transparenz beim Scoring; Unternehmen sollen offenlegen, auf welcher Grundlage sie Prognosen über das Verhalten von Menschen treffen, und die Betroffenen erhalten mehr Auskunfts- und Informationsansprüche. Mir erscheint in diesem Zusammenhang am wichtigsten die geplante Einführung der sogenannten Einwilligungslösung. In Zukunft wird die Übermittlung und Nutzung von Kundendaten zu Zwecken des Adresshandels nur noch erlaubt sein, wenn die Betroffenen vorher ausdrücklich eingewilligt haben. Diese Verschärfung halte ich unbedingt für notwendig. Das derzeitig geltende Recht ist zu vage in diesem Punkt.
Meine Damen und Herren, gesetzliche Verbote, Kontrollen und Sanktionen sind unverzichtbar. Die besten Paragraphen nutzen aber nur dann, wenn auch ihre Anwendung sichergestellt ist. Dies verlangt auch eine wirksame Datenschutzaufsicht. Gerade die jüngsten Vorfälle haben gezeigt, dass wir sie nicht vernachlässigen dürfen. Die Datenschutzbeauftragten brauchen eine ordentliche Personalausstattung, damit sie in ihrer Kontrolle effektiv sein können. Auch hier sind wir in der Pflicht, wie die Wirksamkeit des bestehenden Rechts verbessert werden kann. Auch dazu beraten im Augenblick die Experten von Bund und Ländern. Ich bin ziemlich gespannt, welche konkreten Vorschläge auf den Tisch kommen.
Sie haben gehört, dass der Bund einiges tut, um persönliche Daten wirksamer zu schützen. Allerdings - und das ist mir sehr wichtig - sollten wir eins nicht vergessen, in einem freien Land kann der Staat den Bürger manchmal nur sehr begrenzt vor sich selbst schützen. Es ist schon erstaunlich, wie gedankenlos heute viele Menschen wegen eines geringfügigen Rabattes oder einer Gewinnchance ihre persönlichen Daten preisgeben. Auf Webseiten oder in sogenannten Chatrooms findet heute geradezu ein di
gitaler Datenstriptease statt. Die Privatsphäre wird hier sehr oft leichtfertig zugunsten der Selbstdarstellung preisgegeben. Jeder sollte bedenken, dass Interneteinträge oft nach Jahrzehnten noch recherchierbar sind. Ich meine, auch hier müssen Staat und Wirtschaft mehr Aufklärung leisten und auf die Risiken hinweisen, die es beim Umgang mit den modernen Medien gibt.
Abschließend: Ich sehe die Notwendigkeit, dass auch wir uns mit der Problematik Datenschutz in all seinen Facetten hier befassen. Mir ist ganz wohl dabei, dass vieles Vernünftige auf Bundesebene angeschoben ist. Ich sage offen, ich kann nicht erkennen, wieso es für den einzelnen Menschen ein Vorteil sein kann, wenn der Datenschutz allgemein im Grundgesetz verankert ist. Ich war noch nie - das wissen Sie - ein Fan davon, das Grundgesetz in solchen Fragen zu überfrachten.
Hier, glaube ich, finden wir keine Gemeinsamkeit mit der Fraktion DIE LINKE. Aber ich sage auch, die im Antrag der Fraktion DIE LINKE ansonsten noch genannten Punkte reichen nicht aus, wie meine Ausführungen hoffentlich deutlich gemacht haben. Über die hier bereits erwähnten Maßnahmen könnte ich mir zum Beispiel vorstellen, dass man auch über eine Gewinnabschöpfung bei den mit Daten handelnden Unternehmen nachdenkt. Die Regelungen für Werbeangebote per Telefon oder E-Mail sollten überarbeitet werden und - ich habe es vorhin schon angedeutet - die personelle und technische Ausstattung der Datenschützer sollte verbessert werden. Insbesondere bei diesem letzten Punkt könnte Thüringen etwas tun und auch da gilt das Vorbild Rheinland-Pfalz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir erkennen an, dass die Skandale in der letzten Zeit deutlich gemacht haben, dass es nicht nur in der Praxis Lücken gibt beim Datenschutz, sondern dass es auch an passgenauen, einfachen gesetzlichen Regeln mangelt. Alles in allem scheint deshalb der Antrag der Fraktion DIE LINKE ein Stückchen auch zu kurz gesprungen zu sein. Ich will deshalb die Überweisung federführend an den Innenausschuss und die Mitberatung im Justizausschuss beantragen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren, die in jüngster Zeit bekannt gewordenen Vorkommnisse, wir haben sie alle erlebt, haben uns alle etwas aufgeschreckt. Das geschäftsmäßige Handeln mit personenbezogenen Daten ist uns allen etwas in die Glieder gefahren. Aber ich denke auch, das Problem ist durchaus sofort bei der Bundesregierung angekommen. Denn am 4. September 2008 fand ein Treffen aller Datenschützer, zuständigen Institutionen aus Bund und Ländern statt. Hier wurden schon wesentliche Punkte zur Änderung der gesetzlichen Grundlagen vereinbart. Ich will sie hier noch mal kurz nennen, sie wurden heute schon genannt: Abschaffung des sogenannten Listenprivilegs, das heißt, Adresshandel darf künftig nur noch mit ausdrücklicher Einwilligung der Betroffenen möglich sein. Ich denke, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Einführung eines gesetzlichen Kupplungsverbotes, das heißt, die Erbringung einer Leistung darf künftig nicht mehr ohne zwingendes Erfordernis an die Preisgabe personenbezogener Daten geknüpft werden. Die Bußgeldtatbestände für Verstöße gegen das Datenschutzrecht sollen erweitert werden. Wir halten das auch für dringend nötig. Es sollen Möglichkeiten zur Abschöpfung unrechtmäßiger Gewinne aus illegalen Datenverwendungen geschaffen werden. Darüber hinaus, das wurde heute auch schon berichtet, gibt es eine Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz, die sich diesem Thema widmet, um im Bereich der den Ländern obliegenden Regelung ein Höchstmaß an Übereinstimmung zu erzielen. Zudem werden Verbesserungsmöglichkeiten in der Vollzugspraxis der Datenschutzaufsicht geprüft. Alle regelungsbedürftigen Punkte sollen in dem Artikelgesetz wohl spätestens Ende November 2008, wenn ich es richtig verstanden habe, dem Bundeskabinett zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Ich denke, die notwendigen Maßnahmen wurden bereits eingeleitet. Die CDU-Fraktion begrüßt die geplanten Maßnahmen auf Bundesebene und insbesondere die Einberufung einer Länderarbeitsgruppe der Innenministerkonferenz unter Beteiligung des Thüringer Innenministeriums.
Herr Hahnemann, zu Ihrem Antrag in Punkt 2. möchte ich noch etwas sagen. Ich denke, Sie zielen hier einfach mit einem gänzlichen Verbot über das Ziel hinaus, denn das ist auch nicht immer im Sinne der Betroffenen. Es hat zwar jetzt nichts direkt hiermit zu tun, aber ich erinnere daran, dass das Land einmal beschlossen hat, dass in den Amtsblättern die Geburtsdaten nicht mehr veröffentlicht werden dürfen. Ich war damals noch in der Kommunalverwaltung. So einen Ansturm auf mein Telefon von den betroffenen Rentnern hatte ich überhaupt noch nicht gehabt, so eine Sofortkupplung. Alles hat mich geschimpft, warum wir die Geburtstage nicht mehr ver
öffentlichen, die Nachbarin weiß ja gar nicht, dass ich Geburtstag habe. Also, es gibt auch durchaus manchmal Interessen von Betroffenen, die das haben wollen. Zum Teil möchte ich auch noch sagen, Herr Gentzel hat es vorhin auch schon angesprochen, der sorglose Umgang der Bürger mit ihren eigenen Daten ist auch manchmal erschreckend. Hier müssen wir auf die Eigenverantwortung der Bürger etwas mehr Wert legen und aufklären. Ich habe letztens eine Fernsehsendung gesehen, da haben die einfach einen Tisch auf die Straße gestellt und gesagt, sie wollen jetzt 250 € verlosen, dazu brauchen sie aber die vollständige Adresse, die Telefonnummer und die Kontonummer der jeweiligen Bürger. Die Adressen wurden dann hinterher wieder zurückgegeben. Man glaubt es nicht, fast jeder hat seine Kontonummer, Telefonnummer und Adresse angegeben. Die Bürger selbst gehen auch sorglos mit ihren Daten um und hier müssen die Bürger auch sensibler werden. Der Staat kann nicht jeden vor allem schützen. Der Staat kann auch nicht jeden Bürger immer vor seiner eigenen Dummheit schützen. Dafür sind wir nicht da.
Aber, ich denke, wir haben hier durchaus Handlungsbedarf. Vor allen Dingen muss man auch sehen, wenn man gänzlich das Verbot des Handels mit Daten durchsetzt, werden auch Arbeitsplätze vernichtet. Hier gibt es einen großen Geschäftszweig, der durchaus Interesse daran hat. Ich denke, das Problem ist so groß, wir sollten uns außer im Plenum auch im Ausschuss damit befassen. Die CDU-Fraktion wird deshalb beantragen, diesen Antrag an den Ausschuss zu überweisen. Ich denke, wir haben hier noch Bedarf, darüber zu reden. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Staatssekretär Hütte, meinen Glückwunsch noch zum Geburtstag. Aber Sie haben gehört und Sie wissen, welchen Gefahren Sie sich jetzt damit ausgesetzt haben. Da es heute hier öffentlich bekannt gemacht worden ist, besteht die Möglichkeit, dass Sie jetzt überhäuft werden mit E-Mails,
dass Sie überhäuft werden mit Werbung und im schlimmsten Fall, wenn Sie den Hörer zuhause privat abnehmen und Sie gefragt werden, ob Sie Geburtstag hatten und Sie mit Ja antworten, kann es passieren, dass Sie einen neuen Telefonvertrag haben. Also so funktioniert das. Das macht noch mal die Crux ganz deutlich an der Stelle, auf die wir natürlich auch aufmerksam machen wollten.
Der Antrag meiner Fraktion, meine Damen und Herren - es ist ja schon mehrfach gesagt worden -, verlangt nach einem Sachstandsbericht, er ist ja abgehandelt worden. Ich habe das in meinen Bemerkungen verankert, wir möchten auch gern als Fraktion Überweisung an den Innenausschuss und Justizausschuss. Ich gehe davon aus, dass wir den Bericht und nicht den Antrag an die Ausschüsse überweisen. Insofern freut es mich, dass alle Fraktionen das ähnlich sehen.
Mit Blick, meine Damen und Herren, auf das Datum der Einbringung unseres Antrags, Stand September, hat sich ja die Datenschutzlage bei weitem nicht verbessert. Entschlossenes Handeln ist das Gebot der Stunde, so war die Überschrift einer Entschließung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern vom 16.09.2008. Was ist seitdem passiert? Ich nenne nur drei oder vier Schlagzeilen, unter anderem wie „Karlsruhe rüffelt Polizei Thüringens wegen uneingeschränkter Abberufung gespeicherter Verbindungsdaten“ oder „Handwerkskammern verdienen Geld mit Datenhandel von Unternehmen“ oder „Schaden und Skandal bei Telekom“ - das waren Schlagzeilen, welche die Runden gemacht haben. Ich erinnere auch an ein Gerichtsurteil: Mit Stand 28. Oktober hat ja das Bundesverfassungsgericht den Beschluss gefasst, per erweiterte einstweilige Anordnung die Speicherung von Telekommunikations- und Verkehrsdaten zu unterbinden.
Meine Damen und Herren, damit bin ich beim Thema. Was ist schon der kriminelle Handel mit Daten gegen die Herstellung seiner gesellschaftspolitischen Voraussetzungen, sozusagen frei nach Brecht, und dieses auf Bundes- und Landesebene. Wo genau ist denn der Unterschied zwischen dem Datenhandel und dem staatlichen Zwang, private Daten wie Essgewohnheiten oder gar die Gewerkschaftszugehörigkeit abzufordern, um die Reisefreiheit in Richtung USA nutzen zu können? Was ist krimineller, Daten zu verkaufen oder Zustände bei der Arbeitsagentur zu dulden, die es erlauben, dass Daten bei den ARGEn ohne jegliche Datenschutzkontrollen erhoben, gelagert, verarbeitet und wem auch immer weitergegeben werden. Es gab dazu schon zahlreiche Diskussionen hier in diesem Plenum. Es gab dazu schon zahlreiche Anfragen, mündliche wie auch schriftliche. Ich denke, das macht diesen Sachverhalt nicht einfacher. Eine komplette Aufklärung war
nicht möglich. Wo ist unter dem Gesichtspunkt der aufgehobenen Zweckbindung der Unterschied zwischen Handel mit Meldedaten und der Weitergabe von personenbezogenen Daten von Lottoanbietern zu Callcentern? Ich weiß, das eine ist kriminell, das andere jedenfalls im ersten Schritt legal, aber gemeinsam ist es die Kommerzialisierung persönlicher Daten. Prompt entwickelt sich dieses legale Geschäft zur Drehscheibe illegaler Weiterverarbeitung.
Meine Damen und Herren, die Ermittlungen - und jetzt komme ich mal zu den großen Datenaffären - zeigen ja, dass die Ermittlungsbehörden für diese strukturell neue und im Prinzip internationalisierte und globalisierte Form der Kriminalität besser gerüstet werden müssen. Dabei will ich nicht der Etablierung vom Superüberwachungsstaat als Gegenmittel das Wort reden. Im Gegenteil, vielmehr wird es darum gehen, genügend technisch spezialisierte Fachleute für die Ermittlungsbehörden zu gewinnen und auch darum, den schon vorhandenen Bediensteten weitreichende Möglichkeiten der Aus-, Weiter- und Fortbildung in diesem speziellen Wissensbereich der IT-Technik zu geben. Hier in diesem Bereich der Ermittlungstätigkeit soll es, so war ja zu hören, hinsichtlich der Frage verfügbare Experten ähnliche Probleme geben, wie im Bereich der übrigen Wirtschaftskriminalität. Herr Hütte, Sie haben das in Ihrem Bericht durchaus noch mal benannt, auch in Richtung Landesverwaltungsamt wird der Ruf laut, dass mehr Personal vorgehalten werden müsste.
Zu diskutieren wäre auch eine Neuorganisation der Arbeitsstruktur mit der Möglichkeit der Schwerpunktbildung, strafrechtliche Ermittlung im Bereich Datenverarbeitung und Datenschutz. Hier weisen wir, anders als andere Ermittlungsbereiche, einen starken Bezug zu der sich verändernden Technik auf und haben stärker als andere Bereiche einen internationalen Bezug, vielleicht sogar stärker als noch die jetzige klassische Wirtschaftskriminalität. Deshalb stellen sich nach unserer Ansicht hier Fragen der internationalen Justizzusammenarbeit, in besonderem Maße hinsichtlich Qualifikation und Schwerpunktbildung kann auch die Thüringer Landesregierung selbst etwas bewegen und selbst etwas tun. Bei der Frage der internationalen Zusammenarbeit kann sie zumindest über ihren Einfluss im Bundesrat und in europäischen Gremien auf solche verbesserte Zusammenarbeit hinwirken.
Zu den Fragen der gesetzlichen Gestaltung von Datenschutz: Im Erfolgsfall dienen sie ja dazu zu verhindern, dass es überhaupt zu problematischen Ermittlungen kommt. Das Grundrecht auf internationale Selbstbestimmung soll den Bürgern eine brauchbare Handhabe zum Schutz der Privatsphäre geben. Das Grundrecht müsste jedoch noch moderner
ausgestaltet werden, so Fachleute, und zu einem Kommunikationsgrundrecht erweitert werden. In seiner Ausgestaltung müsste auch seine Querschnittsfunktion für die Verwirklichung zahlreicher weiterer demokratischer Grundrechte, zum Beispiel das Recht auf Meinungsfreiheit, deutlich werden. Doch konservative politische Akteure möchten das Grundrecht in seinem Wirkungsbereich gern strikt auf das Verhältnis zwischen Bürger und Staat begrenzen. Ich denke, das ist seit Langem überholt. Das Bundesverfassungsgericht hat die Grundrechte als Ausdruck einer objektiven Werteordnung definiert, die auch im privatrechtlichen Bereich wirkt. Die Schutzwirkung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung gilt damit auch im Bereich der Wirtschaft. Es gibt also kein Grundrecht auf die Berufs- und Gewerbefreiheit, das den uneingeschränkten Zugang zu privaten Daten zugunsten privatwirtschaftlicher Zwecke und Interessen beinhalten würde. Diese Wirkung der Grundrechte im privatrechtlichen Bereich muss jedoch noch stärker politisch und juristisch vor allem durch gesetzliche Gestaltung zu praktischer Wirkung gebracht werden.
Ein Problem, das unseres Erachtens nur wirksam durch politisches Engagement auf internationaler Ebene gelöst werden kann, sei es an dieser Stelle benannt, durch die Globalisierung der Wirtschaft und damit des Datenverkehrs bzw. -austausches muss sich auch der Datenschutz und das Datenschutzrecht internationalisieren, sogar über die Ebene der Europäischen Union hinaus. Das Problem stellt sich hier insbesondere für die Bindungswirkung von Grund- und Bürgerrechten.
Meine Damen und Herren, die Verankerung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung als umfassendes Kommunikationsgrundrecht im Grundgesetz ist als ausdrückliche verfassungsrechtliche Anerkenntnis der zentralen Bedeutung des Datenschutzes in der modernen Gesellschaft unverzichtbar. Durch eine Bundesratsinitiative kann auch Thüringen zur Umsetzung beitragen. Hier sollen Sie, meine Damen und Herren von CDU und SPD, Ihre Haltung schnellstens aufgeben und uns in dieser Auffassung unterstützen. In Thüringen selbst müsste eine Überarbeitung des Artikels 6 der Landesverfassung erfolgen im Sinne des Ausbaus des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zu einem modernen Kommunikations- und Informationsrecht. Die Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes und des Thüringer Datenschutzgesetzes müsste nach neuen Gesichtspunkten eines modernen Datenschutzrechts erfolgen. Ein möglichst einheitliches und hohes Schutzniveau für den öffentlichen und den privaten bzw. privatwirtschaftlichen Bereich muss erreicht werden. Dazu ist sinnvollerweise die Regelungshierarchie zwischen Bundesdatenschutzgesetz
bzw. Landesdatenschutzgesetzen und den Regelungen in den anderen Fachgesetzen umzukehren. Das BDSG soll Vorrang haben; in anderen Gesetzen sollen nur vermeidbare fachspezifische, abweichende und konkretisierte Regelungen getroffen werden.