In Thüringen stehen die Kommunalwahlen bevor. Die Kommunalverwaltungen sowie zahlreiche auch ehrenamtliche Bürgermeister müssen im kommenden Jahr die Wahlen begleiten. In diesem Zusammenhang ist ein erheblicher rechtlicher Aufklärungs- bzw. Klarstellungsbedarf besonders bezüglich des Neutralitätsgebots kommunaler Organe, Verwaltungsangestellter und Wahlorgane deutlich geworden.
1. Ist der erste Beigeordnete einer Gemeinde dem Neutralitätsgebot unterlegen oder inwiefern ist nach Auffassung der Landesregierung ein aktives Eingreifen dieser Person in den Wahlkampf zulässig und wenn ja, in welcher Form?
2. Sind Ortsbürgermeister als Ehrenbeamte einer Gemeinde an das Neutralitätsgebot gebunden oder ist es zulässig, dass ein Ortsbürgermeister einen in dieser Funktion unterzeichneten Brief mit einer parteipolitischen Wahlaufforderung, verknüpft mit einer Vertrauensfrage zur eigenen Amtsausübung als Ortsbürgermeister, verteilt und wie begründet die Landesregierung ihre Auffassung?
3. Ist ein Gemeindewahlleiter an das Neutralitätsgebot gebunden oder darf dieser aktiv parteiisch im Wahlkampf werben zum Beispiel durch Verteilung von Wahlwerbung einer Wahlvereinigung?
4. Inwieweit ist es zulässig, dass Verwaltungsangestellte einer Gemeinde in ihrer Dienstzeit Wahlwerbung bzw. Wählerbeeinflussung durchführen?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Pidde beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:
Zu Frage 1: Amtsträger bzw. Beamte unterliegen der parteipolitischen Neutralitätspflicht. Dies gilt auch für kommunale Wahlbeamte, wie den 1. Beigeordneten. Der Beigeordnete darf sich politisch und auch parteipolitisch betätigen, muss dabei jedoch klar zwi
schen seinem Amt und seiner Teilnahme am politischen Meinungskampf trennen. Seine privaten politischen Äußerungen dürfen nicht den Anschein einer amtlichen Stellungnahme erwecken.
Zu Frage 2: Ortsbürgermeister nach § 45 Abs. 2 der Thüringer Kommunalordnung, bisherige Form, sowie Ortsteilbürgermeister und Ortschaftsbürgermeister nach § 45 und 45 a Thüringer Kommunalordnung in der vom 9. Oktober 2008 geänderten Fassung unterliegen als kommunale Wahlbeamte ebenfalls dem Neutralitätsgebot. Im Übrigen verweise ich auf die Antwort zu Frage 1. Ob in dem in der Frage dargestellten Sachverhalt das Neutralitätsgebot verletzt ist, kann nur im Rahmen einer Prüfung des konkreten Einzelfalls durch die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde bewertet werden. Diese hat in ihrer Bewertung, ob der Amtsträger die Grenzen der Neutralitätspflicht beachtet oder überschritten hat, die gesamten Umstände des konkreten Einzelfalls einzubeziehen.
Zu Frage 3: Das Neutralitätsgebot gilt auch für Gemeindewahlleiter. Im Übrigen verweise ich auf die Antworten zu Fragen 1 und 2.
Zu Frage 4: Auch Verwaltungsangestellte einer Gemeinde haben in Ausübung ihres Dienstes den Anforderungen des Neutralitätsgebots zu entsprechen.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden? Wenn sich also ein - egal aus welcher Gruppe - Beigeordneter oder Verwaltungsangestellter oder Gemeindewahlleiter zur Wahl entsprechend äußert, dann muss das klar gekennzeichnet sein, dass es nicht aus dem Amt heraus erfolgt. Ist das richtig so?
Private politische Äußerungen dürfen nicht den Anschein erwecken, dass sie in amtlicher Funktion abgegeben werden.
Danke Frau Präsidentin. Herr Staatssekretär, wie ist denn die Situation, wenn ein Bürgermeister, der
gleichzeitig Gemeindewahlleiter ist oder auch ohne die Funktion als Gemeindewahlleiter, für eine Wählergruppe oder Partei des Kreistags kandidiert? Nach meinem Kenntnisstand ist er ja Beamter in allen Lebenslagen. Wie soll denn dort das Neutralitätsgebot gesichert werden?
Das Neutralitätsgebot gilt immer nur für die Funktion und für das Amt, was man hat. Im Übrigen bitte ich um Verständnis, dass ich zu solchen hypothetischen Fragestellungen „was wäre wenn“ hier aus dem Stand keine Stellung nehmen kann. Vielen Dank.
Weitere Nachfragen gibt es nicht. Danke schön. Dann schließe ich die Fragestunde für heute und rufe auf den Tagesordnungspunkt 26, und zwar den ersten Teil
a) auf Antrag der Fraktion Die LINKE zum Thema: „Krisengipfel der Thüringer Wirt- schaft und mögliche Handlungs- notwendigkeiten für die Landes- regierung“ Unterrichtung durch die Präsi- dentin des Landtags - Drucksache 4/4563 -
Ich eröffne die Aussprache und als erster Redner hat das Wort Abgeordneter Gerstenberger, Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, „Wir haben eine auf uns zurollende Weltwirtschaftskrise“, so titelte der MDR im Originaltext am 06.11.2008 in seinen Mitternachtsnachrichten und das ZDF „Uns erwartet eine Weltwirtschaftskrise, von deren Ausmaß wir bislang nur geträumt haben.“ Aber während die Thüringer Landesregierung am Montag, dem 27. Oktober 2008, im Rahmen in einer von meiner Fraktion beantragten Sondersitzung zur Finanzmarktkrise ein Konjunkturprogramm für die Thüringer Wirtschaft strikt ablehnt und sich darauf beschränkt, die kritische Situation und vor allen Dingen die eigene Politik schönzureden und gravierende eigene Schwächen unter den Teppich zu kehren, plante die Industrie- und Handelskammer die Durchführung eines Krisengipfels. Die IHK hatte diesen Krisengipfel einberufen, weil sich die Hilferufe angeschlagener Unternehmen hier aus Thüringen in allen Branchen häuften, weil die IHK erkannte, dass aufgrund der anhaltenden Finanz
marktkrise und der sich abschwächenden Konjunktur immer mehr Thüringer Firmen in Bedrängnis geraten und unbürokratische, schnelle und vor allem wirksame Hilfe gefordert wird. „Die Lage ist angespannt“, erklärte der IHK-Präsident Niels Lund Chrestensen und stellte weiter fest: „Analysen und Diskussionen allein bringen uns nicht mehr weiter. Benötigt wird eine wirksame Hilfestellung für gefährdete Thüringer Unternehmen.“ Bezeichnend für die Ohnmacht und Phlegmatik dieser Regierung ist deren Aussage zur Ankündigung des Krisengipfels, dass - so wörtlich - „dieser Termin im Wirtschaftsministerium nicht bekannt“ sei. Außerdem könne es keine Lösung für einen Kammerbezirk geben, so die Thüringische Landeszeitung am 28.10.2008. Dabei dürften spätestens seit ihrer Wirtschaftsgesprächsrunde vom September 2008 alle Alarmglocken im Wirtschaftsministerium geläutet haben, ob der Situationsdarstellung von Handwerkskammern, Verband der Wirtschaft Thüringens und den IHKs. Außerdem, so sollte man zumindest annehmen, müsste auch dem Wirtschaftsministerium klar geworden sein, dass Probleme auf die stark exportorientierten Unternehmen zukommen werden. Aber was tut das Land im Rahmen des Projektes?
Nehmen wir einen Punkt, die beschleunigte Inanspruchnahme der Beratungsförderung über die GFAW. Meine Damen und Herren, zu Ihrer Erinnerung: Haben wir uns nicht Anfang dieses Jahres zu dieser Problematik hier im Landtag verständigt? Erinnern Sie sich doch daran, dass ein halbes Jahr nach Veröffentlichung der Richtlinie gerade mal drei von über 230 Anträgen bewilligt waren. Jetzt verkauft man die Beschleunigung der Umsetzung dieses Prozesses als Rettungsmaßnahme. Das heißt, einfache Aufgabenerledigung der Landesregierung wird als Rettungspaket in Thüringen verkauft. Ein nachhaltiges Soforthilfeprogramm für den Thüringer Mittelstand sollte mehr umfassen.
Unserer Meinung nach gehört zu den Mindestanforderungen erstens die Erhöhung der Investitionstätigkeit, insbesondere zur Verbesserung der Infrastruktur und zum Einsatz regenerativer Energien sowie KraftWärme-Kopplung und die Anpassung der Wirtschaftsförderungen im Freistaat. Eine aktuelle Umfrage, meine Damen und Herren, der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU Thüringens, welche zwischen dem 1. und 20. Oktober 2008 durchgeführt wurde, hatte den Inhalt, die Meinungen von Unternehmen des Freistaats zu den Eckpunkten einer zukunftsfähigen Wirtschafts- und Mittelstandspolitik für Thüringen zu erfassen. Die Umfrageergebnisse sind interessant. Nicht einmal ein Viertel der Unternehmen in Thüringen hält die Förderschwerpunkte des Landes für gut. 44 Prozent waren sogar der Ansicht, dass das Land die Schwerpunkte nicht richtig gesetzt hat. Wenn sie nicht nur an sich selber glauben würden, ergäbe sich daraus allein schon ein dringender Hand
Zweitens - Maßnahmen zur Stärkung der Kaufkraft: Dabei bleiben wir und von der Forderung werden wir nicht abgehen, die Mindestlohnregelung muss kommen,
genauso wie es zwingend notwendig ist, dass die Anhebung des Arbeitslosengeldes II erfolgt. Auch hier ist wieder interessant, mal in den eigenen Reihen bei der Mittelstandsumfrage nachzuschauen. 43 Prozent der Unternehmen stimmen übrigens unter bestimmten Bedingungen einer Mindestlohnregelung zu, 17 Prozent halten sie sogar für sinnvoll, 40 Prozent dagegen lehnen sie nur ab.
Drittens - Maßnahmen zur Stärkung der Innovationstätigkeit der Unternehmen: Wir wissen, dass Forschung und Entwicklung und insbesondere Technologieförderungen der Wirtschaftswachstumsfaktor Nummer 1 in einer Region sind. Aber Thüringen - das wurde heute erst wieder belegt, wenn auch durch von der Aktualität her zweifelhaften Untersuchung des Weltwirtschaftsinstitutes - liegt deutlich unter dem Bundesdurchschnitt beim Einsatz von Forschungs- und Entwicklungsmitteln. Und das, obwohl vorheriges Jahr hier der Ministerpräsident sich noch hingestellt und verkündet hat, es wäre eine Innovationsoffensive in Thüringen zu verzeichnen. Es gäbe weitere Forderungen, meine Damen und Herren, die zwingend und sofort umgesetzt werden können, aber ich verspreche Ihnen, Herr Minister, wir werden Sie zu einer Berichterstattung in diesem Rahmen und zu einem klaren Bekenntnis zu einem Innovations- und Investitionsprogramm für Thüringen sowie einer entsprechenden Krisenbetrachtung auffordern und das Dezemberplenum dazu nutzen. Sie kommen um eine klare Positionierung im Interesse unseres Landes nicht herum. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir hören jeden Tag und lesen in den Medien zahlreiche und damit manchmal auch nicht mehr überschaubare Meldungen zu Konjunktur- und Wirtschaftserwartungen; selbst für die Experten sind die Aussichten für das nächste Jahr klar. Verunsicherung macht sich breit und Misstrauen unter den Bürgern, in die Wirtschaft wie auch die Unternehmer selbst
sind die Folge und das sind die falschen Signale. Entgegen der alten Einschätzungen geben die Wirtschaftsexperten und Währungshüter des Internationalen Währungsfonds neuerlich eine mit 0,8 Prozent Minus deutlich negativere Wirtschaftserwartung für Deutschland heraus. Hierbei aber sollten wir uns vergegenwärtigen, dass es sich um die Bewertung der weltwirtschaftlichen Konjunktureinschätzungen handelt und natürlich wird auch Deutschland von diesen Erwartungen nicht ganz freizusprechen sein, schließlich sind wir Exportnation, aber auch diese Situation sehen die Unternehmer durchaus unterschiedlich. Das hat auch der sogenannte Krisengipfel der IHK in Erfurt deutlich gemacht, auf den ich gleich noch mal zurückkommen werde. Ich möchte sagen, dass die Bundesregierung bereits Hilfe für die Exportunternehmen in Aussicht gestellt hat. Zudem hat die Bundesregierung mit ihrem 15-Punkte-Programm wiederum rasch auf die Lage reagiert und versucht, Anreize für Investitionen zu geben. Die einzelnen Punkte brauche ich hier nicht wiederzugeben, die dürften hinlänglich jedem bekannt sein.
Wichtig ist, die konjunkturstabilisierende Wirkung setzt richtige Impulse für Verbraucher und für die Wirtschaft, mehr als das aber schafft das Programm Vertrauen, und das ist in der jetzigen Situation das Wichtigste. Unser Kollege Günther hatte das in der letzten Debatte zum Thema bereits gesagt und ich kann es hier nur noch mal sagen, wir wollen auch die Situation dabei gar nicht herunterspielen. Die Finanzmarktkrise wird mit Sicherheit Auswirkungen auf die Realwirtschaft haben. Wie tiefgreifend und wie intensiv diese sich für Thüringen auswirken wird, kann man auch jetzt noch nicht mit Sicherheit absehen. Der DIHK - und da, Herr Gerstenberger, vertraue ich mehr auf die Kompetenz als auf Überschriften von MDR und ZDF - sagt, dass trotz gedämpfter Erwartungen für 2009 kein Anlass zur Panik besteht, und es wird vor übertriebenem Pessimismus gewarnt.
(Zwischenruf Abg. Gerstenberger, DIE LINKE: Das Wort Panik haben Sie in den Mund genommen, ich nicht.)
Ja, aber Sie feiern sich ja dabei, wenn Sie diese Krisenszenarien, die in den Medien - und wir wissen auch oft genug, dass das ja gezielt so gemacht wird - mit kräftigen Schlagworten in Überschriften gesetzt werden, die Sie dann natürlich gern aufgreifen.
Der DIHK sagt - ich sage es noch mal -, kein Anlass zur Panik und Warnung vor übertriebenem Pessimismus. Befragungsergebnisse, die im Verband durchgeführt worden sind, sprechen für eine Beschäftigungssituation auf dem Niveau des laufenden Jahres - also für 2009 - und die Investitionsplanungen seien zwar zurückgenommen worden, lägen aber immer noch über dem langjährigen Durchschnitt. Fakt ist,
die Thüringer Wirtschaft ist gut aufgestellt und konnte in den letzten Monaten ihre gute Wettbewerbsstellung weiter ausbauen. Auch sprechen die Wirtschaftsdaten für einen robusten Zustand, vor allem des industriellen Sektors in Thüringen. Unsere kleinteilige Struktur zeigt sich hier äußerst widerstandsfähig. Auch das wird vom DIHK so gesehen und ist zurzeit aktuell auf deren Internetseite zu lesen.
Wir sehen uns heute mit den völlig normalen Schwankungen des Konjunkturzyklus konfrontiert, zu dem durchaus noch die Auswirkungen der Finanzmarktkrise kommen.
Ich will auf die Automobilbranche an dieser Stelle nicht eingehen, das wird ja nachher noch gemacht, aber weltweit haben wir derzeit doppelt so viele Produktionskapazitäten wie überhaupt Autos verkauft werden. Natürlich muss man solche Fakten im Blick haben und sich auch perspektivisch darauf einstellen. Falsch wäre es jetzt, nichts zu tun. Da gebe ich dem Antragsteller recht. Es muss alles unternommen werden, damit es nicht zum Verlust von Arbeitsplätzen kommt. Um das zu verhindern, haben sich Ende Oktober IHK, Wirtschaftsministerium, TAB, Bürgschaftsbank, LEG, GFAW und Agentur für Arbeit getroffen. Sie haben ein umfangreiches Maßnahmepaket zur Unterstützung der durch die aktuelle Situation in Schieflage geratenen Unternehmen abgestimmt und ihre Programme auch gebündelt. Da sieht man, dass das Netzwerk der beteiligten Akteure auch funktioniert. Die unter dem Namen Unternehmenssicherung laufenden Projekte beinhalten unter anderem den Einsatz von externen Spezialisten in den Firmen, finanziert über Mittel der IHK und der KfW-Mittelstandsbank. An Ort und Stelle werden konkrete Situationsanalysen erarbeitet, die Grundlage für weitere Maßnahmen sein werden. Ausweitung des Programms GuW Plus, ausreichende Ausstattung Konsolidierungsfonds, Ausbau des Programms BWTControl der Bürgschaftsbank, Erweiterung der Zugangsmöglichkeiten für Beteiligungskapital bei den mittelständischen Beteiligungsgesellschaften, qualifizierte Beratung durch die Agentur für Arbeit, Möglichkeit der beschleunigten Inanspruchnahme der Beratungsförderung des Landes über die Gesellschaft für Arbeits- und Wirtschaftsförderung, das sind nur Schlagworte, die ich hier ansprechen möchte.
Ja, noch zwei letzte Sätze: Das zeigt, dass, entgegen den Äußerungen von Ihnen, hier durchaus die Landesregierung sich ihrer Pflicht bewusst ist und auch schon gehandelt hat. Wir werden natürlich auch in den nächsten Monaten entsprechend weiter aktiv die Dinge beobachten und das Notwendige auch veranlassen.