Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, klar gab es eine große Erwartungshaltung an den Pflegepakt, das ist richtig. Der Pflegepakt, muss ich sagen, es wurde Zeit, dass er zustande kommt. Der Pflegepakt ist auch ein Ergebnis dessen, dass das Thema Pflege in diesem Haus schon oft eine große Rolle gespielt hat. Die Forderungen oder die Wünsche, die in dem Pflegepakt formuliert sind, das dritte Jahr zu finanzieren, bessere Vergütungen zu machen, Imagekampagne zu machen, das haben wir schon in der letzten Legislatur gefordert.
Das haben wir auch schon in dieser Legislatur gefordert. Das sind genau die Probleme, um die es geht. Deshalb ist es gut, dass Sie auch in diesem Pakt benannt sind. Mir ist natürlich bewusst, dass die Akteure, die hier an dem Tisch sind, ihre ureigensten Interessen haben. Das ist richtig. Das kennt man aus der Branche. Deshalb muss ich sagen, ist es gelungen und ist es dem Ministerium gelungen, die alle an einen Tisch zu holen. Das muss man hervorheben an dieser Stelle. Denn wer Pflegesatzverhandlungen kennt, weiß, wie das dort abgeht. Aber ich muss auch sagen, statt der Worte „wir streben an“ oder „es soll erreicht werden“, „wir wollen erreichen“ hätte ich schon gern die Formulierungen gehabt „wir werden das machen“, „wir werden das erreichen“, „wir werden das Ziel verwirklichen“. Mehr Verbindlichkeit hätte ich mir schon gewünscht bei dieser Sache. Wir werden sehen, wie es damit weitergeht.
Es fehlt vor allem auch, und das ist eine Forderung meiner Seite, wir müssen auch eine Form der Evaluierung finden und wie gehen wir mit diesem Papier jetzt um. Meiner Meinung nach sollte aus diesem Pflegepakt, ich nenne es mal, ein runder Tisch
der Pflege entstehen mit diesen Akteuren, denn das nur der Pflegesatzkommission zu überlassen, das ist meiner Meinung nach zu kurz gegriffen.
Ich könnte mir vorstellen, dass aufgrund dieses Papiers ein Maßnahmekatalog erarbeitet wird, in dem die Unterzeichner des Pflegepakts Verpflichtungen übernehmen, nämlich die Verpflichtung, wann erreichen wir eine ausreichende Vergütung, die Verpflichtung übernehmen, bis wann erreichen wir den Abschluss, und das geht jetzt an die Träger, dass alle Träger nach Tarifverträgen arbeiten. Wann erreichen wir das, auch da hätte ich mir eine Verpflichtung schon erwartet. Ich erwarte eine Verpflichtung auch von der Landesregierung, wann werden Bundesratsinitiativen unternommen zur Finanzierung des dritten Jahres oder zur Realisierung der Vergütung oder der Finanzierung der Ausbildungsvergütung. Ich hätte auch eine ganz konkrete Verpflichtung erwartet, wann übernimmt wer welche Imagekampagnen. Das heißt, es darf nicht bei diesem Pakt stehen bleiben, sondern wir brauchen, meiner Meinung nach, einen Maßnahmekatalog.
Jetzt noch mal etwas in Richtung FDP. Es ist gerade wichtig, dass die Leistungserbringer nach Tarifverträgen arbeiten, weil gerade die Tarifverträge das einzige Mittel sind, die Kostenträger zu zwingen, ob das die Kassen sind, ob das die Pflegekassen sind oder ob das auch die Kommunen sind, anhand dieser Tarifverträge vernünftige Vergütungsverhandlungen zu führen, nämlich ohne Tarifverträge sind auch keine Vergütungsverhandlungen in dem Sinne möglich, dass wir sagen, das, was verhandelt wird und die höhere Vergütung kommt dann auch beim Personal an. Warum wir den Maßnahmekatalog als Nächstes brauchen, sage ich auch. Ab 01.01.2013 tritt das neue Pflegeversicherungsneuordnungsgesetz in Kraft. Damit kommen auf alle Akteure, ob das die Kostenträger sind oder ob das die Leistungserbringer sind, neue Anforderungen zu. Es wird wahrscheinlich auch eine neue Bürokratie auf sie zukommen. Aber was ich sagen möchte, mit diesem Pflegeversicherungsneuordnungsgesetz müssen neue Pflegesätze erarbeitet werden, müssen neue Stundensätze erarbeitet werden, die neu sind in der ambulanten Pflege. Gerade das wäre jetzt zu nutzen, im Rahmen dieses Pflegepakts über höhere Vergütungen zu reden. Hier ist die erste Gelegenheit, dass die erste Absichtserklärung im Pflegepakt umgesetzt werden kann. Ich hoffe, dass der Pflegepakt nicht eine pure Absichtserklärung bleibt nach dem Motto: Wir haben mal darüber gesprochen, wir haben die Forderungen, die allen bekannt sind, zu Papier gebracht, aber wir werden mal sehen, was daraus wird. Ich wiederhole noch mal unsere Forderung: Wir brauchen einen Maßnahmekatalog, wie dieser Pakt umgesetzt wird. Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, am 12. Oktober dieses Jahres wurde nach durchaus langwierigen, auch sehr differenzierten und im Ergebnis erfolgreichen Verhandlungen unter Federführung unseres Hauses mit Unterstützung der Kollegen des Bildungsministeriums und des Wirtschaftsministeriums, mit Vertretung der Leistungsanbieter, der Pflegekassen und der kommunalen Spitzenverbände Einvernehmen über diesen oft zitierten Thüringer Pflegepakt erzielt. Am 8. November konnten wir ihn dann unterzeichnen.
Worum geht es? Zum Ersten: Die Landesregierung und alle anderen am Pflegepakt beteiligten Akteure bekennen sich zum aktuellen und künftig zunehmenden Fachkräftebedarf in der Pflege. Ich möchte an der Stelle der Friedrich-Schiller-Universität herzlich danken. Sie hat sowohl im Rahmen der Fachkräftestudie für den Paritätischen 2010 als auch für die von meinem Haus und dem Thüringer Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen Sozialwirtschaftsbericht 2011 die jetzige Situation und den künftigen Bedarf eindrucksvoll dokumentiert. Die Entwicklung ist eindeutig.
2010 haben noch 27 Prozent der befragten Einrichtungen die Rekrutierung von Fachpersonal als problematisch eingeschätzt, ein Jahr später waren es bereits 59 Prozent. Das Gleiche gilt für offene Stellen, die derzeit nicht besetzt werden konnten. Im Jahr 2010 waren es 19 Prozent der befragten Einrichtungen, ein Jahr später 37 Prozent, die eine solche Problematik sahen. Eine in diesem Jahr bei allen stationären und ambulanten Einrichtungen durch das TMSFG durchgeführte Befragung ergab bei 70 Prozent der ambulanten Dienste und 60 Prozent der stationären Einrichtungen einen Fachkräftebedarf.
Ein Zweites: Es besteht Einvernehmen über die wesentlichen Ursachen des Fachkräftebedarfs, nämlich einerseits die demographische Entwicklung und damit verbundene Herausforderungen sowie die Beschäftigungsbedingungen in der Pflege andererseits. Die demographische Entwicklung ist bekanntlich kurz- und mittelfristig nicht zu beeinflussen, die Beschäftigungsbedingungen sehr wohl. Ich bin davon überzeugt, dass gute soziale Arbeit in der Pflege im wahrsten Sinne des Wortes gute Löhne, gute und familienfreundliche Arbeitsbedingungen ein
Thüringen zählt im bundesweiten Vergleich zu den Schlusslichtern bei den Pflegesätzen. Das hat Konsequenzen in Form von zum Teil niedrigen Löhnen, überwiegender Teilzeitbeschäftigung, Schichtdiensten und zum Teil auch geteilten Schichtdiensten mit einer ernormen physischen und psychischen Belastung.
Der Anteil der über 60-jährigen Fachkräfte ist vergleichsweise gering, nur 2 bis 3 Prozent, der Anteil der über 55-jährigen nur 10 Prozent. Die Arbeitsmarktsituation führt zunehmend dazu, dass ausgebildete Fachkräfte eine Abstimmung mit den Füßen vollziehen, sie wandern ab in andere - gerade in unseren Grenzräumen - und zum Teil unmittelbar angrenzende Regionen, in denen bessere Arbeitsbedingungen herrschen. Lassen Sie mich mal sagen: Wir merken jetzt noch, dass wir 20 Jahre Niedriglohnland waren. Das ist einfach eine Auswirkung, die sich hier ganz akut abzeichnet.
Das heißt, es ist problematisch, einfach zu sagen, wir machen jetzt einen Pakt und dann geht alles viel besser und anders. Nein, wir müssen zuallererst an den Löhnen arbeiten und ich werde auch nicht müde zu sagen, wir brauchen natürlich einen Mindestlohn. Es wird uns nichts anderes übrig bleiben.
Selbst der Letzte, der da so in Summe dagegen ist aus ideologischer Sicht, der wird erkennen müssen, wenn wir nicht den Mindestlohn in Deutschland haben, dann sind wir vor allem im Osten abgehängt.
Das sage ich jetzt mal an die FDP hier im Hause: Sie sind FDP-Abgeordnete im Thüringer Landtag. Das heißt, Sie müssen für unsere Interessen, unsere Menschen streiten, also nicht für unsere, sondern für die Interessen unserer Menschen im Lande streiten, und da gehört der Mindestlohn einfach dazu.
Nein, das ist falsch, Herr Barth, das ist falsch. Der Mindestlohn, der in der Pflege vereinbart worden
ist, wird ja von den Fachkräften überschritten, der wird schon lange von den Fachkräften überschritten. Trotzdem reicht es doch nicht aus. Ich habe es doch generell gesagt.
Für Fachkräfte gibt es keinen Mindestlohn, das ist richtig. Die Pflege wird teurer werden müssen, meine Damen und Herren. Jetzt aber nur mit der Achsel zu zucken und zu sagen, keine Frage, so einfach ist es nicht. Ich sage jetzt in Ihre Richtung: Ihr Bundesgesundheitsminister ist auch für die Pflege zuständig. Das besagte Gesetz, was gerade angesprochen worden ist,
ich bin gar nicht dafür zuständig, Herr Barth. Es steht nicht in der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, dass ich dafür zuständig bin.
Die Frage ist doch, was ist denn diese Teilkaskoversicherung in der Pflege. Da sage ich ganz deutlich, wir werden es als Bundesländer nicht schaffen und auch nicht die Kommunen, weil die nämlich diesen zweiten Teil gemeinsam mit uns bezahlen müssen, dass wir Pflege in hoher Qualität in den nächsten Jahren sichern, das gilt für alle Länder in Deutschland. Deswegen brauchen wir eine Erhöhung bei der Pflegeversicherung, das sage ich ganz deutlich, unabhängig von diesem Pflegepakt, sonst werden wir eine gute Bezahlung auch in diesem Bereich nicht haben. Dann wird es eine notleidende Branche werden, die gegenüber anderen Branchen nicht bestehen kann.
Mir ist überhaupt nichts peinlich, was ich heute gesagt habe. Herr Barth, verschließen Sie doch die Augen nicht, Sie sehen die Realitäten einfach nicht. Dann sage ich Ihnen noch etwas, ich habe es als Sozialministerin gesagt, ich bin sehr wohl meiner Verantwortung nachgekommen.
Ich habe deutlich gesagt, dass wir als Freistaat Thüringen, der mit den Kommunen gemeinsam den zweiten Teil neben der Pflegeversicherung finanzieren muss, soweit die Betroffenen es selber nicht bezahlen können, dafür einspringen müssen. Das heißt, auch wir müssen uns bereit erklären, mehr Geld in dieses System zu geben. Das ist unsere Aussage, das ist die einzig mögliche Aussage, die
wir als Landesregierung treffen können und die haben wir getroffen. Alles andere ist doch Heuchelei, wenn man bei den Kommunen immer klagt und auf der anderen Seite sagt, aber da muss mehr Geld ausgegeben werden. Sie müssen auch in jeder Kommune bedenken, überall, wo da mehr ausgegeben wird, muss man es auch verteilen, geht es möglicherweise von anderen Dingen ab. Aber es geht uns auch darum, deswegen haben die Beteiligten, die diesen Pflegepakt unterschrieben haben, sich auch darauf geeinigt, dass die Arbeitsbedingungen, die Ausbildungsbedingungen und die Entlohnung rasch verbessert werden müssen. Die Pflegekassen haben ebenso wie die kommunalen Spitzenverbände deutlich signalisiert, dass sie mit der Erhöhung der Pflegesätze dann einverstanden sind, wenn diese Erhöhung den Beschäftigten zugute kommt. Auch da will ich noch einmal auf Herrn Koppe eingehen. Ich bin fassungslos, das sage ich Ihnen ganz ehrlich, wieso Sie auf einmal gegen Tarifverträge sind.
Dann habe ich Sie missverstanden, ich habe aber etwas anderes gehört. Wir lesen im Protokoll noch einmal nach, was Herr Koppe gesagt hat. Die Frau Ministerin hat verstanden, dass Sie gegen Tarifverträge in dem Bereich sind, dass Sie gesagt haben, die sind entbehrlich.