Protokoll der Sitzung vom 22.11.2012

Es ist noch ein Schritt notwendig, den können wir leider von Thüringen recht wenig beeinflussen, wir werden ihn nach wie vor und weiterhin deutlich kritisieren, das ist die sogenannte Extremismusklausel, die vom Bund hier angewandt wird.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das muss weg, das sage ich so deutlich, wie ich hier stehe.

Ich will mich an dieser Stelle sehr deutlich und auch wirklich erfreut bei unserer Sozialministerin Heike Taubert bedanken, die sich wirklich engagiert für die Fortentwicklung des Programms eingesetzt hat. Es erscheint vor dem Hintergrund der Studie durchaus richtig, das Programm einzig auf die Förderung von Projekten gegen Rechts auszurichten. Es war ein richtiger Schritt, den sie da gegangen ist und er findet auch unsere ausdrückliche Unterstützung an dieser Stelle.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich müssen wir auch den Kampf gegen die extremen Rechte auf allen Gebieten verstärken. Ich möchte an dieser Stelle betonen, wir müssen alle rechtsstaatlichen Mittel ausschöpfen in diesem Kampf. Wir müssen zum Beispiel alles daran setzen, den Immobilienerwerb durch Rechtsextreme zu verhindern, ob es immer zu verhindern ist, zumindest zu erschweren, aber deutliche Zeichen dagegenzusetzen, wir müssen alles daran setzen, rechte Konzertveranstaltungen zu untersagen und, wo es möglich ist, Versammlungsverbote entschieden durchzusetzen. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich alle zuständigen Behörden ermuntern, sich nicht zu und nicht so vorsichtig, wie ich das gerade in den letzten Wochen erlebt habe, bei der Genehmigung von rechtsextremen Veranstaltungen zu verhalten. Wir glauben, damit auch ein deutliches Zeichen zu setzen. Natürlich muss dem rechtsstaatlichen Gebot der Versammlungsfreiheit Rechnung getragen werden, aber ich habe manchmal den Eindruck, bei Genehmigung von solchen Veranstaltungen wird es den Antragstellern oftmals zu leicht gemacht, das muss an dieser Stelle nicht sein.

(Beifall SPD)

Ebenso wichtig ist es, meine Damen und Herren, und das weiß man übrigens nicht erst nach dem Lesen dieser jetzt vorliegenden Studie, dass wir die Möglichkeiten für Bildung und Teilhabe, vor allen Dingen junger Menschen, stärker ausbauen müssen. Nachweislich ist das eines der besten Mittel, um rechtsextremen Denkweisen gar nicht erst den Weg zu ebnen. Wenn wir die Studie zur Hand neh

men, dann wird auffällig, dass es eine Anfälligkeit für rechtsextremes Gedankengut gibt, je niedriger der Bildungsabschluss der jungen Menschen ist. Das zeigt, dass wir den Menschen die Chancen zu besserer Bildung bieten müssen, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, unabhängig von ihrem Status. Es geht um Integration in und durch Bildungseinrichtungen und das meint auch Integration von Zuwanderern und Integration von sozial schwächeren Menschen mit Behinderungen. Es geht um Inklusion anstelle von Ausgrenzung. Wir müssen und wollen Andersartigkeit und gesellschaftliche Vielfalt erfahrbar und erlebbar machen, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD)

Unser Bildungsminister Christoph Matschie geht hier den richtigen Weg. Die Einführung der Thüringer Gemeinschaftsschule, das neue Kindertagesstättengesetz, verbunden mit einer besseren Betreuung und die verlässliche Finanzierung der Hochschulen sind einige Beispiele für eine zukunftsgewandte Bildungspolitik, die wir nicht nur weiterverfolgen sollten, sondern auch weiterverfolgen müssen.

Meine Damen und Herren, es bleibt uns allerdings nicht erspart, auf einige besorgniserregende Aspekte der Umfrage des Thüringen-Monitors an dieser Stelle einzugehen. Einerseits zeigt die Umfrage, dass die Thüringer - das verwundert mich als Südthüringer nun überhaupt nicht - sehr gastfreundlich und weltoffen sind. So sehen 87 Prozent der Thüringer Zuwanderung als kulturelle Bereicherung. Zwei Drittel der Befragten befürworten auch ein kommunales Wahlrecht für hier lebende Ausländer. Das ist erfreulich.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn in einer globalisierten und immer stärker vernetzten Welt bedarf es eben einer Grundhaltung, die dieser Tatsache Rechnung trägt. Aber auch wirtschaftlich ist diese Weltoffenheit von immenser Bedeutung. Deutschland und Thüringen leben vom ständigen Austausch mit anderen. Die Zeit der regionalen, die Zeit der nationalen Beschränkung ist längst vorbei, meine Damen und Herren. Klar ist, unser Wohlergehen vor Ort ist auch abhängig vom Wohlergehen andernorts, das sollten wir uns immer wieder vor Augen halten. Wirtschaftliche Verflechtung bedeutet mehr als den Austausch von Gütern. Es wandern auch Menschen und es wandern auch Ideen. Es bedarf nicht nur Fremdsprachenkenntnissen und es ist mehr als eine Erweiterung des Kreises möglicher Urlaubsziele, vielmehr geht es um interkulturelle Kompetenzen und interkulturelles Lernen. Damit verknüpft ist natürlich auch eine soziale Verantwortung. Wir brauchen ein offenes Thüringen nach außen wie nach innen, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU, SPD)

Frau Ministerpräsidentin hat in ihrer Rede deutlich gemacht, dass sie für eine offene, für eine wirklich umfassende Willkommenskultur hier bei uns in Thüringen eintritt. Das ist richtig und wird von uns - ich glaube, ich habe das schon erwähnt, ich will das gern noch einmal tun - ausdrücklich unterstützt. Ich nehme allerdings auch zur Kenntnis, nicht alle in Ihren Reihen, Frau Ministerpräsidentin, sehen das so. Auch die Thüringer Bevölkerung ist da offenbar ein Stück weiter. Die Studie sagt, die Thüringer stehen anderen Kulturen grundsätzlich offen gegenüber, sie begrüßen die Zuwanderung, sie treten mit großer Mehrheit für ein kommunales Wahlrecht ein, auch für Nicht-EU-Bürger - hört, hört an dieser Stelle. Kurzum, die Weltoffenheit der Thüringer ist offenbar größer als bei manch einem in diesem Hause, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt weitere Themen, die wir im Zusammenhang mit einer besseren Willkommenskultur für notwendig erachten. Noch immer gibt es etwa die diskriminierende Residenzpflicht, die endlich abgeschafft gehört, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erst vorgestern, wer hätte das gedacht, hat das CDU-geführte Hessen die Abschaffung der Residenzpflicht verkündet, und das unter einem Ministerpräsidenten, den man durchaus, zumindest was dieses Thema betrifft, in den eigenen Reihen schon früher als Hardliner bezeichnet hat. Sein Innenminister, und das ist für mich ein sehr deutliches Signal, der hessische Innenminister spricht von einem Schritt zu mehr Menschlichkeit und von vielen positiven Erfahrungen anderer Länder. Ja, meine Damen und Herren, inzwischen sind es nämlich 14 Bundesländer, die die Residenzpflicht abgeschafft haben. Wir fordern das ganz klar auch für Thüringen. Das ist eine Aufgabe, Herr Innenminister, der Sie sich stellen müssen.

(Beifall SPD)

Es ist angesprochen worden, zu dieser Menschlichkeit gehört natürlich auch die Frage des sogenannten Wintererlasses,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wenn es um die Abschiebung von Sinti und Roma und Ashkali in die Staaten der Balkanhalbinsel geht. Auch das ist in anderen Ländern gang und gäbe. Hinzu kommt die Novellierung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes, die sich momentan im Geschäftsgang des Innenausschusses befindet. Wir haben als Fraktion vorgeschlagen, dass in das Gesetz ein Passus eingefügt werden soll, der gewährleistet, dass soziale Organisationen nach Anmel

dung jederzeit Zugang zu den Gemeinschaftsunterkünften erhalten. Auch hier gibt es noch Widerstände. Da muss ich am Ende konstatieren, das ist nicht die Form von Willkommenskultur, die Thüringen gut zu Gesicht steht.

(Beifall SPD)

Hier muss sich Entscheidendes ändern, meine Damen und Herren. Es braucht eine substanzielle Verbesserung der Situation auch von Asylbewerbern. Ich sage ganz deutlich, meine Fraktion wird hier an dieser Stelle nicht nachlassen, diese Forderungen weiterhin zu erheben.

Es ist erwähnt worden, beim Wahlrecht für hier lebende Ausländer ergibt sich ein ähnliches Bild. Das Regionalwahlrecht, das heißt das Wahlrecht von EU-Bürgern bei Landtagswahlen für EU-Ausländer zum Beispiel, findet noch keine Mehrheit in diesem Hause. Ich hoffe, auch hier ergibt sich ein Wandlungsprozess. Ich habe es schon erwähnt, die Einstellung der Thüringer laut Thüringen-Monitor ist an dieser Stelle schon ein ganzes Stück weiter.

(Beifall SPD)

Frau Lieberknecht, Sie können auf uns, Sie können auf mich zählen, wenn es darum geht, die Förderung einer gelebten Willkommenskultur weiter voranzutreiben. Es ist erfreulich, für mich erfreulich, für uns erfreulich, dass Sie mit Ihrer Rede heute diesen Weg vorgezeichnet haben, den so manch ein anderer in diesem Hause noch gehen muss. Wir sollten und wir wollen Deutschland als Zuwanderungsland akzeptieren, Bedingungen für Integration verbessern und - wie man so schön sagt - eine Willkommenskultur auch wirklich leben.

(Beifall SPD)

Ich hoffe, wir können uns gemeinsam durchsetzen, meine Damen und Herren. Ihre Initiativen, Frau Ministerpräsidentin, aber auch die Initiative des Wirtschaftsministers zur Internationalisierung und Öffnung Thüringens, gerade auch im wirtschaftlichen Bereich, will ich an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen. Die in der letzten Zeit absolvierten Auslandsreisen haben gezeigt, dass es sich lohnt, für Thüringen in der Welt zu werben. Auch das zeigt eine Form von Weltoffenheit, von der wir am Ende hier in Thüringen und in Deutschland profitieren.

Meine Damen und Herren, es gibt noch einen Passus oder ein Ergebnis des Monitors zu erwähnen, der gerade für uns hier im Parlament nicht so wirklich erfreulich ist. Das politische Interesse der Thüringer ist so niedrig wie noch niemals zuvor, aber gerade der Bestand unserer demokratischen Ordnung beruht auf Zustimmung und er beruht auf Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Was heißt das? Das heißt für uns, wir müssen, wir sollten alles daran setzen, Politik- und Parteiverdrossenheit entschieden entgegenzuwirken. Wir müssen die

Menschen dazu ermuntern, sich mehr zu beteiligen. Da gibt es Möglichkeiten, die wir noch verstärken, die wir noch ausbauen können bei der Frage von Volksbegehren und Volksentscheiden auf Bundesebene oder auch an der Stelle ein konkretes Beispiel, nämlich die Einführung des Wahlrechts ab 16 bei Landtagswahlen. All das sind Vorschläge, die sind nicht erst seit heute oder seit gestern in der Welt, aber angesichts dieser Studie müssen wir diese Ergebnisse ernst nehmen und entsprechend als Politik darauf reagieren. Wie gesagt, unsere Unterstützung als Sozialdemokraten an dieser Stelle kann ich da nur noch betonen.

Last, but not least: Mein Kollege Mohring hat mich gelobt, das ist sehr erfreulich, dafür bedanke ich mich ausdrücklich. Das äußere Zeichen für Demokratie und Weltoffenheit - ich betone es ausdrücklich -, das äußere Zeichen eines Denkmals hier im Umfeld des Thüringer Landtags als Vorschlag. Wir sollten diese Idee fraktionsübergreifend gemeinsam mit der Präsidentin weiter aufgreifen. Die Initiative auch meinerseits wird dort fortgeführt werden, das kann ich an dieser Stelle schon sagen. Ich glaube, nicht nur uns als Parlament, in Gesamtthüringen würde uns ein solcher Gedenkort für Demokratie sehr gut zu Gesicht stehen.

Abschließend, meine sehr verehrten Damen und Herren, trotz aller in Teilen vorgebrachter Kritik, die Landesregierung beschreitet nach unserer Auffassung insgesamt einen guten Weg bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus und bei der Aufklärung der Mordserie. Erste Konsequenzen sind durchaus sichtbar. Wir haben - ich darf daran erinnern - in diesem Haus das Verfassungsschutzgesetz geändert und zum Beispiel auch schon für mehr parlamentarische Kontrolle gesorgt. Die wirtschaftliche Situation der Thüringer wird besser, ein Indikator dafür, die Arbeitslosenquote ist für Thüringen erfreulich, wenngleich auch in ihrer absoluten Zahl immer noch zu hoch, das muss man deutlich sagen. Auch das sind Ergebnisse der Politik dieser Koalition, die geeignet sind, dem Rechtsextremismus den Nährboden zu entziehen. Dennoch, meine Damen und Herren, macht die Studie eines sehr, sehr deutlich: Wir dürfen nicht nachlassen. Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Für die Fraktion der FDP spricht Abgeordneter Uwe Barth.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, nachdem im November des vergangenen Jahres die neonazistische Terrorzelle, die sich selbst NSU genannt hat, aufgeflogen ist, fand sich unser Land,

(Abg. Höhn)

fand sich Thüringen vor allem an einem Ort wieder, nämlich am öffentlichen Pranger. Um nicht falsch verstanden zu werden an der Stelle, die von diesem Trio begangenen Morde, die verübten Taten sind durch nichts zu rechtfertigen, sind heimtückisch und abscheulich.

(Beifall FDP)

Das Maß an Unprofessionalität, mit dem die Behörden die Sicherheit in unserem Land gewährleisten sollen, in diesem Zusammenhang gearbeitet haben, verlangt genauso nach Aufklärung und auch nach spürbaren Konsequenzen. Das haben alle Vorredner gesagt. An dieser Stelle gibt es in diesem Haus auch keine zwei Meinungen. Aber ein Jahr lang wird unser Thüringen landauf, landab als „Naziland“ dargestellt, und es ist meine feste Überzeugung - und da bin ich sehr eng bei Kollegen Mohring -, wenn ich sage, dieses Bild ist falsch, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Dieses falsche Bild schadet uns und unserem Land, weil es Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in Thüringen haben, in ein falsches Licht rückt, weil es Menschen, die nach Thüringen kommen wollen oder hier investieren wollen, abschreckt, es schadet uns, wenn das das Bild von Thüringen in der Öffentlichkeit ist.

(Beifall FDP)

Jeder Rechtsextreme ist einer zu viel, überhaupt keine Frage,

(Beifall FDP)

aber auch jeder Linksextreme und auch jeder religiös motivierte Extreme ist einer zu viel,

(Beifall CDU, FDP)

deshalb sind die Formulierung und der Titel des Landesprogramms „Für Demokratie und Weltoffenheit“ aus unserer Sicht genau der richtige.