Protokoll der Sitzung vom 12.12.2012

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Für die SPD-Fraktion hat das Wort die Frau Abgeordnete Regine Kanis.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, nun erklärt sich auch ein bisschen, warum die Aktuelle Stunde sich doch für mich bisher auf die aktuelle Pressemitteilung bezogen hat. Seit dem 18. Juli wissen wir, dass richterlich festgestellt wurde, dass Leistungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz viel zu niedrig sind. Die Leistungen gemessen an den Lebensverhältnissen in Deutschland waren bisher nicht gegeben. Das heißt also, die Leistungen entsprachen in keiner Weise den Lebensverhältnissen. Das Bundesverfassungsgericht hat der Bundesregierung da nicht ganz getraut und selbst für eine schnelle Änderung gesorgt. Mit

(Abg. Dr. Augsten)

einer Übergangsregelung, den vom Asylbewerberleistungsgesetz Betroffenen - und ich sage hier mit Absicht nicht nur Asylbewerber, weil wir wissen, es ist hier eine ganze Reihe von Personengruppen davon betroffen - zu helfen. Die Höhe der Leistung ist aber nur eine Seite der Medaille. Die Leistungen, die den Menschen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen sollen, unterlagen ja zum großen Teil weiteren Beschränkungen. Die Auszahlung der Leistung obliegt im übertragenen Wirkungskreis den Landkreisen und kreisfreien Städten. Im Sommer - man kann es in der Begründung des Beschlusses noch mal nachlesen - gab es vier Kreise in Thüringen, die Geldleistungen statt Sachleistungen ausgezahlt haben. Seit Juli haben weitere Verwaltungen sich entschlossen, dies zu ändern und somit den Menschen ein kleines bisschen mehr Würde bei ihrem Leben hier bei uns zu geben. Die Gründe habe ich bereits mehrfach aufgezählt. Die Sonderstellung kann aufgegeben werden, z.B. an der Kasse beim Bezahlen, wo es immer wieder zu Auffälligkeiten kommt. Man guckt, na was machen die denn. Noch schlimmer ist es, wenn dann die Bezahlenden an der Kasse der deutschen Sprache noch nicht richtig mächtig sind. Einkäufe müssen oder mussten ganz exakt geplant werden, weil es ja kein oder nur ein ganz geringes Wechselgeld zurück gab. Und bei den Leistungen hatte man einfach nichts zu verschwenden.

Es gibt bei der Auszahlung von Geldleistungen deutlich mehr Freiheit, weil man die Geschäfte frei wählen kann, denn nicht alle Geschäfte nehmen ja die Gutscheine. Ein Einkauf im Supermarkt oder beim Bäcker um die Ecke ist somit fast unmöglich gewesen. Man kann Angebote schlecht nutzen, weil man ja auf bestimmte Geschäfte angewiesen ist und ein weiterer Teil, auch wenn es der eine oder andere nicht hören will, ist eine deutliche Entlastung der Verwaltung. Die Arbeitszeit kann für andere Dinge genutzt werden als für die Verteilung von Gutscheinen, für die Abrechnung mit den Einrichtungen, für die Überprüfung von Rechnungen, ob man auch ja nichts anderes dafür gekauft hat. Es ergibt sich in meinen Augen eine Kostenersparnis; bei der Übertragung der Abrechnung an Dritte wurde nämlich ein bestimmter Prozentsatz für deren Dienstleistung fällig. Die Betroffenen wurden nicht wie mündige Bürger behandelt, sondern bevormundet und in ihren Rechten eingeschränkt. Bis auf zwei Landkreise haben alle anderen jetzt die Vorteile der Geldleistung für die Betroffenen, aber auch für die Verwaltung erkannt. Nur Greiz und das Weimarer Land halten hartnäckig an dieser unwürdigen und diskriminierenden Regelung fest.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dies sehen wir als SPD-Fraktion als sehr bedenklich und fordern eine Änderung der Praxis. Wir wissen aber, dass wir es von hier aus nicht ändern können.

(Beifall SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE hat das Wort Frau Abgeordnete Sabine Berninger.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, insbesondere auch Damen und Herren Freundinnen der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, für die Fraktion DIE LINKE ist diese Aktuelle Stunde keine kommunalpolitische Aktuelle Stunde bezogen auf den Streit einiger weniger Bewohnerinnen eines bestimmten Landkreises. Für uns hat das tatsächlich eine Relevanz für den Freistaat Thüringen und das, was die Kompetenzen beispielsweise des Innenministeriums betrifft.

(Beifall DIE LINKE)

Wir haben es selbstverständlich sehr begrüßt, dass nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das gesagt hat, das menschenwürdige Existenzminimum gilt auch für Flüchtlinge, dann eine Mehrzahl der Landkreise und kreisfreien Städte entschieden hat, jetzt nun wirklich auf Bargeld statt Gutscheine umzustellen. Aber es hätte dieser Bundesverfassungsgerichtsentscheidung nicht bedurft. Das hatten andere Landkreise und kreisfreie Städte längst bewiesen, beispielsweise Eisenach und der Landkreis Nordhausen. Selbst Oberbürgermeister Wolf in Weimar hatte in seinem Wahlkampf zur Oberbürgermeisterkandidatur angekündigt, dass er umstellen will und er hat es auch schon, glaube ich, vor dem Bundesverfassungsgerichtsurteil angekündigt, dass er zum September meines Erachtens umstellen wird. Es hätte also dieses Bundesverfassungsgerichtsurteil nicht gebraucht und es sind damit langjährige Forderungen von Flüchtlingsorganisationen, Wohlfahrtsorganisationen etc. einfach umgesetzt worden. Da gilt den Flüchtlings- und Wohlfahrtsorganisationen ein großer Dank und insbesondere aus meiner Sicht auch dem Flüchtlingsrat Thüringen, der eine Art Rechtsberatung angeboten hat, beispielsweise für die kreisfreien Städte Jena und Erfurt, und das schon jahrelang und immer die rechtlichen Möglichkeiten aufgezeigt hat. Diese Umstellung hat nur bedingt mit diesem sogenannten Runderlass des Innenministers zu tun, der Mitte September erklärt hat, jetzt würde es möglich, in Thüringen Gutscheine abzuschaffen und Bargeld zu gewähren, weil er damit eine seit fünfzehn Jahren im Bundesrecht geltende Rechtslage endlich in Thüringen für anwendbar erklärt hat. Vor fünfzehn Jahren ist der entsprechende § 3 Abs. 2 im Asylbewerberleistungsgesetz entsprechend geändert worden, ist dieser Vorgang von Wertgutscheinen abgeschafft worden. Einen solchen Erlass - und damit kommen wir zur Landeskompetenz in Bezug auf diese beiden noch verbliebenen Landkreise Wei

(Abg. Kanis)

marer Land und Greiz - oder eine entsprechende Verwaltungsvorschrift, dass das vor fünfzehn Jahren geänderte Asylbewerberleistungsgesetz in Thüringen anzuwenden ist und dass das Landesverwaltungsamt jetzt nicht mehr negativ Einfluss nimmt und Landkreise sowie kreisfreie Städte disst, wenn sie Bargeld gewähren, sondern anders herum Einfluss nimmt. Es kann nicht sein, dass der Innenminister jetzt sagt, er hätte überhaupt keinen Einfluss. Ich will nur einmal erinnern, er hat jahrelang Erfurt, Jena, den Landkreis Nordhausen in der Ausübung ihres Ermessens, nämlich sie wollten bzw. haben Bargeld ausgegeben, bzw. in Nordhausen Konten eröffnet, seinen Einfluss geltend gemacht, z.B. zuletzt dadurch, dass der Landkreis Nordhausen beweisen musste, dass die Supermärkte keine Gutscheine annehmen. Diesen Beweis hat der Landkreis erbracht, und wenn er ihn aber nicht erbracht hätte, hätte er wieder auf Wertgutscheine umstellen müssen. Das ist doch Einfluss, den Sie haben, Herr Innenminister, den können Sie also auch positiv auf die Landkreise Greiz und Weimarer Land geltend machen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich möchte in dem Zusammenhang noch auf einen weiteren Sachverhalt im Zusammenhang mit dem Asylbewerberleistungsgesetz hinweisen, und zwar einen Erlass oder ein Rundschreiben, was wir auch vom Innenministerium erwarten, nämlich dass die Anwendung des § 1 a Asylbewerberleistungsgesetz spätestens jetzt mit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zu unterlassen ist. Sie haben da gerichtsfeste Argumentationsmuster, beispielsweise vom Sozialgericht in Altenburg, das schreibt, es gebe erhebliche Bedenken gegen die Leistungseinschränkung nach § 1 a AsylbLG, weil nämlich, wenn bereits als Grundleistung nur das zur Wahrung der Menschenwürde unbedingt Erforderliche gewährt wird, für eine Leistungseinschränkung ohne Verletzung der Menschenwürde kein Raum bleibt. Dem ist eigentlich nichts weiter hinzuzufügen. Man darf die Menschenwürde migrationspolitisch nicht relativieren und eine solche Relativierung ist der § 1 a Asylbewerberleistungsgesetz.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren, Thüringen hat - am Montag war der Tag der Menschenrechte - noch viele menschenrechtliche Baustellen, zwei davon sind die Landkreise Weimarer Land und Greiz, aber wir haben auch noch andere, beispielsweise was die Residenzpflicht angeht, das ist die Einschränkung der Bewegungsfreiheit, beispielsweise was das Flüchtlingsaufnahmegesetz angeht - alles Baustellen, die Sie beheben könnten, meine Damen und Herren der Regierungskoalition, und zwar in diesem Plenum. Wenn Sie sich nicht dieser Bau

stellen annehmen und diese schließen, dann machen Sie sich selbst zu Menschenrechtsverletzerinnen. Und ich kann einfach nur appellieren, machen Sie …

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich bin fertig.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für die CDU-Fraktion hat das Wort Frau Abgeordnete Gudrun Holbe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, liebe Besucher auf der Tribüne, Sie haben vieles hier schon gesagt. Ich will mich mal auf Kernpunkte dessen beschränken. Zum einen ist für uns ein wichtiger Baustein für alle, das ist hier erwähnt worden, das Bundesverfassungsgerichtsurteil, das festgestellt hat, dass die bisher ausgezahlten Kosten für Asylbewerber nach dem Asylbewerberleistungsgesetz menschenunwürdig sind, dass sie das Existenzminimum nicht absichern, dass sie dringend nachgebessert werden müssen. Dazu gibt es Übergangsregelungen, die nach den SGB-Sätzen bzw. Hartz-IV-Sätzen auch erfolgen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat aber in seiner Entscheidung - und ich darf, Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis zitieren: „die Entscheidung des Gesetzgebers in § 3 Abs. 2 Satz 1 Asylbewerberleistungsgesetz zur Deckung des existenzsichernden Bedarfs vorrangig Sachleistungen vorzusehen, nicht berührt.“ Also es ist demnach das Gesetz, Asylbewerberleistungsgesetz, in seiner jetzigen Form noch gültig: vorrangig zu gewährende Sachleistungen.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das sind Essenspakete, keine Wertgutschei- ne.)

Der Innenminister hat nach diesem Urteil umgehend die Aufgabenträger darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie entscheiden können, Geldleistungen oder Sachleistungen auszuzahlen.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Nein, eben nicht.)

Und ich muss sagen, wenn dann in den Kreisen Greiz und Weimarer Land die Landräte dies in der Form nicht umsetzen, dann denke ich mir,

(Abg. Berninger)

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Wertgutscheine sind keine Sachleistungen.)

dass gerade diese Erfahrungen gemacht haben, die dergestalt sind, dass es einfach auch ein gewisser Schutz derjenigen ist, die dieses Geld bekommen. Wir wissen von einigen Fällen, dass dann der Familienvorstand, die Väter, das Geld abholt

(Zwischenruf Abg. Skibbe, DIE LINKE: Sie stigmatisieren ja schon wieder.)

und letztendlich die Familie dann

(Unruhe DIE LINKE)

nicht bis Ende des Monats mit dem Geld auskommen kann. Auch diese Fälle gibt es. Und wenn es die gibt und man hat diese Erfahrungen in dem betreffenden Landkreis, dann, bitte schön, muss es doch der Leistungsträger auch entscheiden können, wie er da verfährt. Den Landrat Münchberg hier als Standortrisiko für Thüringen zu bezeichnen, ist ja eine bloße Frechheit, das kann ich ja gar nicht anders sagen,

(Beifall CDU)

ein Mann, der sich hier verdient gemacht hat in der Entwicklung des Weimarer Landes.

Sie wissen, dass die Überarbeitung des Asylbewerberleistungsgesetzes auf den Weg gebracht worden ist, und zwar befindet es sich im Referentenentwurf in der Ressortabstimmung. Ich denke, dass hier sicherlich auch zu dem Thema eventuell Regelungen getroffen werden. Diese sollten wir abwarten. Wenn ich sehe, dass dieses Gerichtsurteil im Juli erfolgt ist, der Innenminister sofort reagiert hat, da ist gerade eine Zeit von vier bis fünf Monaten vergangen, je nach Umsetzung in den einzelnen Kreisen und kreisfreien Städten. Ich denke, auch hier sollte man die neuen Erfahrungen der Ausländerbehörden abwarten und die Erkenntnisse dann auswerten. Ich gehe sicher nicht fehl darin, dass wir uns mit diesem Thema noch weiter befassen werden. Danke schön.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Für die FDP-Fraktion hat Abgeordneter Dirk Bergner das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, jawohl, es ist richtig, dass wir das Thema besprechen, wenn auch vielleicht etwas mehr Zeit als fünf Minuten einer Aktuellen Stunde dafür notwendig sind.

Das Asylbewerberleistungsgesetz wurde 1993 mit den Stimmen von CDU, CSU, FDP und auch SPD beschlossen. Aber, meine Damen und Herren von

den GRÜNEN, man darf dabei auch nicht vergessen, auch in den Regierungsjahren 1998 bis 2005, also in sieben Regierungsjahren, haben Sie keinen Versuch unternommen, diese von Ihnen bemängelten Menschenrechtsverletzungen zu ändern. So wichtig war Ihnen das damals! Deswegen, denke ich, dass wir mit Fug und Recht sagen können, im Gegensatz dazu handelt heute die Bundesregierung, handelt heute die christlich-liberale Koalition im Bund und sie handelt auch in den Ländern.

(Beifall FDP)

Die Residenzpflicht, die Rot-Grün immer unangetastet gelassen hat, ist jetzt in Hessen von Schwarz-Gelb abgeschafft worden auf der Fläche des gesamten Bundeslandes, meine Damen und Herren. Wir haben auf der Bundesebene den Einstieg in eine dauerhafte bundesgesetzliche Bleiberechtsregelung erreicht. Erstmals wurde für minderjährige und heranwachsende geduldete Ausländer ein vom Aufenthaltsrecht der Eltern unabhängiges Bleiberecht in einem Bundesgesetz geschaffen. Das, meine Damen und Herren, ist humanitäre Rechtssicherheit.

(Beifall FDP)

Wir haben auf Bundesebene erstmals ein eigenständiges Wiederkehr- bzw. Rückkehrrecht für ausländische Opfer von Zwangsverheiratungen geschaffen und den eigenständigen Straftatbestand der Zwangsheirat eingeführt. Das ist aktiver Opferschutz und ein klarer Appell, unsere freiheitliche Werteordnung zu achten.

(Beifall FDP)

Jetzt, meine Damen und Herren, haben DIE GRÜNEN eine Aktuelle Stunde gewählt, ich will auch mal den Titel nennen: „Bargeld statt Gutscheine Umsetzung des Asylbewerberleistungsgesetzes in Thüringen“. Das hat mich schon ein wenig irritiert, denn im letzten Plenum haben DIE GRÜNEN noch das Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen wollen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das wollen wir immer noch.)

Jetzt wollen Sie laut Titel eine Umsetzung in Thüringen. Noch unverständlicher wird es, wenn man im Titel „Bargeld statt Gutscheine“ im Zusammenhang mit der Umsetzung des Asylbewerberleistungsgesetzes fordert. Bisher ist es - und ich sage ausdrücklich - leider so, dass im Asylbewerberleistungsgesetz die Sachleistungen primär zu leisten und an zweiter oder sogar an dritter Stelle nach Gutscheinen Geldleistungen erfolgen können.