Protokoll der Sitzung vom 12.12.2012

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Eine Drei- vierteilstunde.)

keine Stunde Zeit, lieber Herr Mohring, darüber zu beraten. Die Unruhe in Ihren Reihen, weil Sie jetzt ertappt sind, ist ja allzu bezeichnend.

(Heiterkeit im Hause)

Sie haben sich bei einem so gewichtigen Gesetz einer ordentlichen Debatte entzogen, Sie klatschen heute um 11.03 Uhr - das kann jeder sehen - dem Parlament einen Änderungsantrag vor und dieser

Änderungsantrag ist nicht ausgegoren, deshalb unser Vorschlag, heute dringlich das alte Gesetz zu verlängern, einen hinreichenden Zeitraum zu haben, um es zu diskutieren. Und da, sehr geehrte Frau Präsidentin, möchte ich mich bei Ihnen ganz persönlich bedanken. Sie haben eine Plattform aufgestellt, mit der die Thüringerinnen und Thüringer demnächst an solchen Debatten,

(Unruhe CDU, SPD)

- Frau Präsidentin war das gewesen - teilnehmen können. Der Landtag bietet diese Möglichkeit jetzt und deshalb gilt mein Dank der Präsidentin dieses Hohen Hauses.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich würde mir wünschen, dass dieses Gesetz eines der ersten ist, das dort diskutiert wird. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Adams. Möchte jemand gegen die Dringlichkeit sprechen?

(Unruhe CDU)

Das sehe ich nicht. Dann kommen wir zur Abstimmung über die Dringlichkeit und über die Aufnahme in die Tagesordnung. Es bedarf keiner Zweidrittelmehrheit, wenn niemand widerspricht. Widerspricht jemand?

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Trotz Be- schimpfung stimmen wir dem zu.)

Es wird nicht widersprochen, damit genügt die einfache Mehrheit. Wer dafür ist, dass dieser Tagesordnungspunkt, das wäre dann am Freitag, gemeinsam mit der Empfehlung der Landesregierung und des Ausschusses beraten wird, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Ich sehe Zustimmung bei der FDP, der CDU, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion DIE LINKE. Wer ist dagegen? Ich sehe keine Gegenstimmen. Wer enthält sich? 3 Enthaltungen aus der CDU-Fraktion. Damit ist die Aufnahme am Freitag und die gemeinsame Beratung zu diesem Gesetzentwurf angenommen.

Ich sehe keine weiteren Änderungen zur Tagesordnung. Die erste und zweite Beratung, wenn ich Sie so richtig verstanden habe. Gut. Herr Dr. Seidel möchte, dass wir es noch einmal abstimmen. Das können wir auch noch tun, Herr Dr. Seidel, aber ich sehe Kopfnicken bei den Fraktionen, da ist das so angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 34 - Aktuelle Stunde. Die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben jeweils eine Aktuelle Stunde beantragt. Jede Fraktion hat in der Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten für jedes Thema. Die Redezeit der Landesregierung beträgt

(Abg. Adams)

grundsätzlich zehn Minuten für jedes Thema. Hat die Landesregierung eine Redezeit von mehr als zehn Minuten in Anspruch genommen, so verlängert sich die Aussprache für das jeweilige Thema um die über zehn Minuten hinausgehende Zeit. Die Aufteilung der Verlängerungszeit auf jede Fraktion erfolgt zu gleichen Teilen.

Ich rufe auf den ersten Teil

a) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema: „Erfolgte Bespitzelung, Herabwürdigung und Infiltration von Parlamentariern durch einen als V-Mann geführten führenden Neonazi mit Wissen und Zustimmung des Landesamtes für Verfassungsschutz und der Thüringer Landesregierung?“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/5337

Ich eröffne die Aussprache und das Wort hat Herr Abgeordneter Bodo Ramelow von der Fraktion DIE LINKE.

Liebe Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, es geht nicht um irgendeinen Vorfall, es geht nicht um das NPD-Verbotsverfahren, es geht nicht um den Untersuchungsausschuss und die Inhalte des Untersuchungsausschusses des NSU-Terrors, sondern es geht um ein Geschehen, an das viele hier im Hohen Haus sich noch sehr gut erinnern können, um die Jahre 2006, 2007, 2008, als Kolleginnen und Kollegen dieses Hohen Hauses sehr gezielt attackiert wurden durch Maßnahmen, Infiltration, Herabsetzung, Herabwürdigung, durch Beleidigungen, durch Formen der Attackierung, die permanent dazu geführt haben, dass einzelne Kollegen sich juristisch auseinandersetzen mussten mit ungeheuerlichen Vorwürfen, die ständig erhoben wurden. Der Kollege Korschewsky, damals der Landesvorsitzende und heute noch der Landesvorsitzende unserer Partei, erlebte eine seltsame Begegnung mit Kai-Uwe Trinkaus, der sich bei ihm privat vorgestellt hatte in einem Tauchkurs, und kurze Zeit später bekam er Besuch in seiner Geschäftsstelle. Was er nicht wusste, dass der „Stern“ mit Fotoreportern schon vor der Tür stand, das Ganze fotografierte und anschließend dann in der Zeitung ein Artikel stand, dass er mit Nazis kollaborieren würde. Er fiel aus allen Wolken. Jetzt, ein paar Jahre später, fallen wir aus allen Wolken, weil dieser Vorgang, den der Kollege Korschewsky erlebt hat, zu diesem Zeitpunkt im Landesamt für Verfassungsschutz schon aktenkundig war. Das heißt, be

vor es ihm passiert ist und bevor es tatsächlich in der Zeitung stand, lässt sich heute ein Aktenvermerk finden, dass das Landesamt für Verfassungsschutz den Vorgang kannte.

Deswegen würden wir bei der Formulierung der Aktuellen Stunde heute nicht mehr darauf bestehen, ob das Landesamt es initiiert oder inszeniert hat. Ich gehe davon aus, dass das Landesamt, und das ist schon schlimm genug, davon Kenntnis hatte. Und dass am 22. Januar 2007 das Landesamt für den Verfassungsschutz, vertreten durch den Präsidenten Herrn Sippel, den damaligen Innenminister, Herrn Gasser, davon in Kenntnis gesetzt hat, dass Kai-Uwe Trinkaus als bezahlter Spitzel vom Verfassungsschutz angeworben wird. Da hat er schon seit Wochen, seit Monaten, Geld von dem Amt bekommen und am 22. Januar 2007 nimmt an dem Gespräch der zuständige Abteilungsleiter für die Fachund Dienstaufsicht, Herr Rieder, teil. Der heutige Staatssekretär, der vor vier Wochen hier im Hohen Hause noch auf die Frage erklärt hat, ob es denn Anwerbungen gegeben haben könnte bei Mitarbeitern von Abgeordneten im Wahlkreis, mit der Bemerkung, es sei doch ganz klar sakrosankt, es sei doch ein unantastbarer Bereich, dass man Wahlkreisbüros und Mitarbeiter von Wahlkreisbüros von Abgeordneten nicht mit dem Landesamt für Verfassungsschutz versucht auszuspitzeln oder gar VLeute dort anzuwerben. Wenn das vor 4 Wochen so galt, wie galt das denn eigentlich 2007 - wenn fünf Kollegen hier im Hohen Haus attackiert werden von jemandem, der positiv wissend schon als Spitzel vom Geheimdienst bezahlt wird? Deswegen fordern wir Antworten. Es geht also nicht darum, das zu vermischen oder zu verwechseln mit dem NPDVerbotsverfahren, da gehört es überhaupt nicht hin. Mit NSU-Terror hat das auch nichts zu tun. Es hat nur mit uns etwas zu tun, mit diesem Hohen Haus, mit der Würde der parlamentarischen Demokratie, nicht mehr und nicht weniger. Da haben wir dringende Fragen an die Landesregierung und wir fragen nach Konsequenzen daraus.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen liebe Kolleginnen und Kollegen ist es gut, dass wir uns gestern im Ältestenrat, heute in einer nicht näher genannten Sitzung mit den Dingen beschäftigen, aber wir fordern Aufklärung und wir fordern eine Regelung, damit sich so etwas nie wieder wiederholt. Eine Frage bleibt mir: Der Kollege Primas von der CDU ist direkt tangiert gewesen, die Kollegin Pelke von der SPD, drei Kollegen von uns sind direkt tangiert gewesen. Meine Frage in diesem Zusammenhang ist dann schon: Wieso ist der Kollege Primas von Herrn Sippel in Kenntnis gesetzt worden? Wieso nicht das Parlament, wieso nicht die anderen Abgeordneten, wieso sind wir nicht in den Schutz mit einbezogen worden?

(Präsidentin Diezel)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Fragen hätten wir gern beantwortet.

Vielen Dank. Für die CDU-Fraktion hat das Wort Abgeordneter Egon Primas.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Presseveröffentlichungen: Ich fahre im Auto und höre er hat sich enttarnt, der Trinkaus. Ich vernehme, er hat den BDV unterwandert, er hat das gemacht. Ich habe vermisst, dass mich irgendeiner von den Journalisten angerufen und gefragt hätte: Ist das wirklich so? Setzt man so eine Behauptung in die Welt, das ist so? Das ist de facto einfach nicht so. Ich hätte mir gewünscht, dass einmal eine Rücksprache passiert wäre, dass man im Vorfeld einmal über solche Sachen reden könnte, die veröffentlich werden. Das ist nach innen zu unseren Mitgliedern im BDV - wir sind sie wohl doch nicht losgeworden und nach außen aha, da sind ja doch die Nazis drin, was ist das für ein verheerendes Bild, was da über die Presse läuft? Ich ärgere mich darüber ganz besonders. Wissen Sie, das kann nicht sein, wir haben die von Herrn Trinkaus angeworbenen Jugendlichen nicht aufgenommen im BDV, stimmt de facto nicht. Ein gewisser Herr Brachmanski hat sich selbst zum Vorsitzenden erklärt in Erfurt. Dann habe ich ihn rausgeschmissen, die Schlösser verändert. Ihr wisst das alles, das habe ich alles erzählt, das ist alles passiert. Und was passiert? Er gibt eine eidesstattliche Erklärung ab beim Gericht, dass er Kreisvorsitzender ist, eingetragener Vorsitzender und ich werde verurteilt als Landesvorsitzender mit der einstweiligen Verfügung, den wieder hereinzulassen - ich habe sie mit - mit der Androhung von 500 € und 1.000 € Geldstrafe, wenn ich ihn nicht wieder hereinlasse. Das heißt, mit amtsgerichtlicher Unterstützung ist das Büro ausgeräumt worden und das Büro der NPD eingerichtet. Das ärgert mich wahnsinnig. Wissen Sie, dann geht der Herr Brachmanski, immer im Schlepptau den Herrn Trinkaus, zur Hypovereinsbank, ich habe hier das Sparbuch vom Kreisverband Erfurt, und erklärt dort, er hätte das Sparbuch verloren und die Hypovereinsbank zahlt ihm das ersparte Geld der Vertriebenen aus. Ich habe hier den Hefter mitgebracht, das ist nur der Hefter der Rechtsanwälte in diesem Fall. Glaubt irgendeiner, dass das Spaß macht? Aus meiner Sicht sind das Lumpen, die so etwas tun.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Da frage ich ernsthaft, wenn die sich enttarnen, heute da, morgen da, wie ernst können wir diese Leute eigentlich nehmen und wie weit müssen wir

darüber diskutieren? Es sind Lumpen und es bleiben Lumpen und es ändert sich nichts. Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht zerfleischen, weil die meinen, sie müssen uns verarschen, Entschuldigung. Danke.

(Beifall im Hause)

Das letzte Wort habe ich jetzt nicht gehört.

(Beifall CDU, SPD)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Ich aber, das war richtig so.)

Als Nächstes zu Wort gemeldet hat sich der Abgeordnete Dirk Bergner von der Fraktion der FDP.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte natürlich eines vorweg unterstützen: Man darf sich nicht von entsprechenden Leuten auf den Leim führen lassen. Aber ich glaube, die Informationen, um die es hier geht, sind doch zu brisant, als nur zu sagen, wir wären hier veralbert worden. Trinkaus war, den aktuellen Kenntnissen zufolge, im Zeitraum Mai 2006 bis September 2007 offiziell als V-Mann tätig. Dieser Zeitraum wurde vom LfV bestätigt. Trinkaus selbst geht dabei von 2006 bis 2010 aus. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat Trinkaus ca. 14.700 € für seine Tätigkeit bezahlt und in diesem Zeitraum war er einer der aktivsten Neonazis in Thüringen und ein führender Neonazi. Nach Presseangaben wussten der Präsident Sippel sowie der damalige Innenminister Gasser ebenfalls von Trinkaus und Ende August 2007 wird Andy Freitag durch Trinkaus in die Fraktion DIE LINKE eingeschleust sowie bei den Jusos, angeblich mit Kenntnis und Befürwortung des V-Mann-Führers, meine Damen und Herren.

Ich sage, das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung des Freistaats Thüringens garantieren allen Bürgerinnen und Bürgern ein hohes Maß an Freiheit. Freiheit und Sicherheit sind zwei elementare Voraussetzungen unseres freiheitlichen offenen Gesellschaftssystems und tragende Säulen unseres Rechtssystems. Die Thüringer Verfassung legt daher nicht nur die Prinzipien des freiheitlichen demokratischen Rechtsstaats fest, sondern sie trifft auch Vorkehrungen zu seinem Schutz. Eine dieser Schutzmechanismen soll Artikel 97 der Thüringer Verfassung mit sich bringen. Zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung ist eine Landesbehörde einzurichten. Die Aufgabe des Landesamts für Verfassungsschutz ist es, den zuständigen Stellen zu ermöglichen, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die freiheitliche demokra

(Abg. Ramelow)

tische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder sowie gegen Bestrebungen und Tätigkeiten der organisierten Kriminalität zu treffen.

Meine Damen und Herren, was wir in der letzten Zeit erfahren durften, erfahren mussten, hat mich erschüttert und ist Wasser auf die Mühlen derer, die unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung feindlich entgegenstehen. Ein Verfassungsschutz, der sich nicht an die Spielregeln hält

(Beifall FDP)

und die primären Spielregeln sind in Thüringen nun mal das Grundgesetz und die Thüringer Verfassung -, ist nicht geeignet, unsere freiheitliche demokratische Grundordnung zu schützen.

(Beifall DIE LINKE, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade wo die Grenzen des Rechts scheinbar verschwimmen, brauchen wir Institutionen, die sich an Recht und Gesetz halten und nicht der Meinung sind, über allem stehen zu können.

(Beifall DIE LINKE, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)