Und so schlecht kann die nicht sein, die arbeitet jetzt bei Ihrem Wirtschaftsminister. Von daher ist es nicht so wild.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir möchten gern Informationsfreiheit und Datenschutz in Thüringer Jobcentern verwirklichen.
Sie haben das schon richtig erkannt, der Hintergrund dieses Antrags ist natürlich das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig. Worum ging es? Das wurde schon erläutert, dass nämlich diejenigen, die von Hartz IV betroffen sind, dass die Erwerbslosen auch die Möglichkeit bekommen, direkte Durchwahlnummern, beispielsweise für die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter, zu erhalten. In diesem Zusammenhang sind Datenschutz und Informationsfreiheit Probleme ein und derselben Medaille. Die Erwerbslosen - das hat Frau Leukefeld schon angedeutet, aber Sie, Herr Baumann, möchten das einfach nicht zur Kenntnis nehmen - werden oftmals bevormundet und vielmals schikaniert.
Diejenigen von Ihnen, die das Glück haben, im Petitionsausschuss zu sitzen, beispielsweise der Kollege Heym, aber auch andere, werden, wenn Sie sich mit den Petitionen allein aus diesem Bereich SGB II auseinandersetzen, feststellen, wie oft Unterlagen wegkommen, wie oft Termine vereinbart werden und dass es eben nicht nur um bedauerliche Einzelfälle geht, sondern dass an diesem gesamten System etwas nicht stimmt.
Herr Heym, wir können gern mal miteinander in Dialog treten, ich lade Sie gern mal zu unserem Wahlkreisbüro ein, ins RedRoXX, dort bieten wir regelmäßig Sprechstunden an. Das RedRoXX ist ja
nicht nur ein Hort von linksextremistischen Pseudoterroristen, wie Sie es manchmal so an die Wand malen, sondern wir sind ein Bürgerbüro, an das sich Bürgerinnen und Bürger, die zum Beispiel Probleme mit Jobcentern haben, wenden und ich bin durchaus regelmäßig Gast in Jobcentern und habe da auch das Vergnügen, mir anzuschauen, wie mit Betroffenen umgegangen wird und nicht nur ich als Abgeordneter der LINKEN, sondern ich glaube, dass alle 26 Abgeordneten unserer Fraktion regelmäßig mit Jobcentern zu tun haben und regelmäßig mit den Auswirkungen von Hartz IV zu tun haben. Genau diese Auswirkungen, genau diese Kenntnis, das hat uns bewogen, hier diesen Detailantrag zu stellen, weil wir der Meinung sind, dass Informationsfreiheit und Datenschutz eine der Grundvoraussetzungen sind, damit überhaupt eine menschenwürdige Existenz stattfinden kann. Ich weiß nicht, wer von Ihnen es gesagt hat, ich glaube, Sie waren es, Herr Heym, dass die Kunden - selbst der Begriff Kunde ist sozusagen schon im Jobcenter eher Zynismus - im Jobcenter ganz viele Möglichkeiten haben, sich mit Bürgerbeauftragten, Datenschutzbeauftragten usw. auseinanderzusetzen und dass wir so eine bürgerfreundliche Verwaltung haben. Ich habe eine Frage: Wenn ich in das Umweltamt gehe, dann bekomme ich alle möglichen Informationen, wenn ich in das Ordnungsamt gehe, bekomme ich alle möglichen Informationen, da kann ich mir sogar auf der Internetseite der Stadtverwaltung Erfurt anschauen, welche Leute dort arbeiten, wie ihre Durchwahlen sind. Ausgerechnet in der Verwaltung der Arbeitslosen, ausgerechnet in den Jobcentern, da ist diese Transparenz, da ist diese Bürgerfreundlichkeit meilenweit entfernt. Da frage ich mich: Warum ist das so, warum ist das ausgerechnet dort so, wo die Menschen ihre Existenz sichern wollen?
Das ist doch die Frage. Für uns ist das ein ganz wichtiges Problem und wir sind der Auffassung, dass wir hier die Rechte umkehren müssen. Herr Staatssekretär, Sie hatten in Ihrem Bericht viele Sachen angesprochen und man hat so ein bisschen den Eindruck, dass Sie so ein bisschen Schwarzer Peter spielen nach dem Motto: Das ist so vielschichtig, da ist die Bundesebene, da ist die Bundesagentur für Arbeit, da gibt es eine Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen und so richtig wissen Sie nichts. Wir als Fraktion DIE LINKE hatten vor Kurzem ein Gespräch mit der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen.
(Zwischenruf Staschewski, Staatssekretär: Es ist vielschichtig, aber wir wissen das und wir wissen auch, wer Fachaufsicht hat, und wir wissen auch, wer die Rechte hat des Durchgriffs und wer nicht. Das ist, glaube ich, auch einmal klarzustellen.)
Herr Staatssekretär, das mag ja alles sein, aber jetzt versetzen Sie sich doch einmal in die Lage der Betroffenen. Die Betroffenen werden hier von Pontius zu Pilatus geschickt,
wissen nicht, wie sie und wann sie irgendwelche Anträge bewilligt bekommen oder nicht, und dann stellen Sie sich - natürlich, Sie sind Staatssekretär in der Landesregierung, das ist ja alles in Ordnung, dass Sie da auf die Zuständigkeiten verweisen, aber den Betroffen ist es am Ende schnurzpiepegal,
weshalb er Sanktionen bekommt und weshalb seine Daten nicht da ankommen, wo sie sind. Das ist zum Beispiel einer der Punkte, da möchte ich Sie gern berichtigen oder aufklären vielmehr. Sie hatten zum Beispiel gesagt, na ja, Beweispflichtumkehr bei Datenverlust, Sie wissen damit nicht so richtig etwas anzufangen. Das, worum es uns geht in diesem Fall, ist Folgendes: Wir haben regelmäßig Menschen bei uns in den Sprechstunden oder auch in den Petitionen kann man das nachverfolgen, die Daten abgeben beim Jobcenter und die sind dann mit einem Mal verloren. Dann heißt es, der Mitwirkungspflicht nach SGB II ist nicht Genüge getan worden und dann folgen Sanktionen. Wenn Sie, Herr Baumann, sich hier hinstellen und sagen, dass wir hier diesen Antrag nur populistisch gemacht haben, von hohen Betroffenenzahlen sprechen und niemand wüsste etwas dazu - Herr Baumann, ich sage Ihnen etwas, ich habe dazu eine Anfrage gemacht, ich habe dazu eine Anfrage an die Thüringer Landesregierung gestellt, wie sehen die Sanktionen in Thüringen konkret aus, wie viele Betroffene sind es, welche Sanktionen gibt es und vor allem aus welchen Gründen gibt es die Sanktionen. Wissen Sie, was Ihre Landesregierung geantwortet hat? „Dazu liegen der Landesregierung leider keine Erkenntnisse vor.“
Das ist doch zynisch, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, wir hätten keine Zahlen, und jedes Mal, wenn wir versuchen, Zahlen zu eruieren, sagt uns die Landesregierung, ach, darüber wissen wir aber nicht viel. Das wird auch im Wirtschaftsausschuss bei der Novellierung des SGB-II-Ausführungsgesetzes eine Rolle spielen müssen. Wir müssen diese Zahlverwaltung an dieser Stelle viel mehr kontrollieren, damit wir eben die Rechte der Erwerbslosen stärken können.
Ich möchte gern noch einmal auf ein anderes Thema zu sprechen kommen, was damit unmittelbar zusammenhängt. Sie hatten ja auch ein bisschen von Agenda 2010 gesprochen. Da will ich Ihnen einfach noch einmal - die Aktuelle Stunde war in der Tat viel zu kurz, um zu diesem Thema zu sprechen - sagen, Sie hatten sich hier hingestellt und gesagt, ja, die Agenda 2010, die war richtig, das war ja hier der fraktionsübergreifende Konsens mit Ausnahme der Linksfraktion und mit Abstrichen bei den GRÜNEN, was mich unter Umständen auch sehr gefreut hat. Aber das, was mit der Agenda 2010 einhergeht, und das macht sich am Beispiel Hartz IV doch so wunderbar deutlich, Sie bezeichnen die Hartz-IV-Betroffenen, die Erwerbslosen zwar als Kunden, aber Sie sind doch gar nicht in der Lage, wie in einem Geschäft zu sagen, „Der Kunde ist König“, das findet doch gar nicht statt,
sondern das, was Sie gemacht haben, Sie haben die gesellschaftlichen Risiken privatisiert und individualisiert, jeder ist jetzt für sich selber verantwortlich, Sie haben beispielsweise die Altersvorsorge privatisiert, haben dort großen Sozialabbau betrieben, auch im Bereich Gesundheitspolitik haben Sie viel Mist gebaut. Das, was sozusagen dem innewohnt, ist ja dieser neoliberale Geist von Standortlogik und Wettbewerb. Dazu gehört eben Konkurrenz und dazu gehört es auch, nicht nur die Erwerbslosen zu unterdrücken und ihnen das Leben schwer zu machen, sondern das wirkt sich doch dann natürlich auch auf die Beschäftigten aus. Das ist unser Ansatz, zu sagen, wenn wir die Beschäftigten stärken wollen, müssen wir auch die Erwerbslosen stärken. Deshalb ist Ihre ganze Lobhudelei der Agenda 2010 und dieses Unkritische, was Sie hier gesprochen haben, der Sozialdemokratie, denke ich, wirklich nicht würdig. Aus unserer Sicht muss man diesen ganzen Prozess der Agenda 2010 vom Grunde auf kritisieren. Es ist auch nicht so, dass DIE LINKE das 2003/2004 nicht gemacht hätte. Ich meine, es ist nicht so, dass es nicht vorher schon Gutachten, Stellungnahmen gegeben hätte, so dass Sie sich hinstellen können, DIE LINKE sagt jetzt, das war alles schlecht zur Agenda 2010. Nein, wir haben uns vorher Gedanken gemacht, wie geht das aus, wenn Sie umverteilen, wie geht das aus, wenn Sie eine Verarmung der Massen herbeiführen. Mit den Folgen haben wir heute zu kämpfen. Das, was Sie mit Agenda 2010 eingeführt haben, ist nichts anderes, als „teile und herrsche“.
Wenn Sie sagen, die Agenda 2010 war richtig, dann möchte ich an Sie die Frage richten, für wen war die Agenda 2010 richtig und gut. Für die Erwerbslosen bestimmt nicht. Für die Beschäftigten
im Niedriglohnbereich, für die Beschäftigten in der Leiharbeit war die Agenda garantiert nicht richtig.
Die Agenda 2010 war richtig für die obersten 10 Prozent in diesem Land. Die Agenda 2010 war richtig für die Versicherungskonzerne, die sich jetzt mit der Riester-Rente ordentlich etwas dazuverdienen können. Für die war die Agenda 2010 sicherlich richtig, aber die Betroffenen sehen das anders.
Wenn man mal reflektiert, was eigentlich passiert ist - es ist am 01.01.2005 das Hartz-IV-Gesetz eingeführt worden. Wenn man mal reflektiert, wie überhaupt auch die Leistungen der Betroffenen, der Erwerbslosen immer weiter zurückgefahren wurden - und da werden Sie als Arbeitsmarktpolitiker, Herr Baumann, auch nicht dran vorbeikommen -, ich will es nur mal sagen,...
(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Immer schön dazwischen Luft holen, wir wollen doch, dass es Ihnen gut geht.)
Herr Emde, ich hole schon Luft, ab und zu trinke ich noch mal was. Mir geht es gut, ich fühle mich hier sehr wohl. Glauben Sie mir, ich habe noch ein bisschen Munition, es wird noch ein bisschen reichen.
Herr Baumann, über Sie habe ich mich besonders geärgert, weil Sie so viel an der Realität ausblenden, beispielsweise die Frage: Was wollen wir eigentlich mit Hartz IV erreichen? Der Ursprung, die Argumentation, wir führen Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammen und mobilisieren die Menschen dann auf dem Arbeitsmarkt, das hat doch am Ende gar nicht großartig stattgefunden. Zum einen haben wir 40.000 Menschen in Thüringen,
die seit 2005 ununterbrochen in Arbeitslosigkeit sind, 40.000 Menschen, die mit Hartz IV nie wieder aus diesem System herausgekommen sind. Selbst für diejenigen, bei denen man sagt, na ja, die sind nicht ganz so arbeitsmarktfern, die können wir hier mobilisieren, sind die Rechte und auch die Mittel zusammengestrichen worden. Allein der Eingliederungstitel, also die Frage, welches Geld ist für Maßnahmen vorhanden und welches nicht, wurde von 400 Mio. € im Jahre 2007 auf 180 Mio. € im Jahre 2012 zusammengestrichen. Das sind 220 Mio. €,
die nicht mehr zur Verfügung stehen für diese Menschen. Oder beispielsweise die Mehrbedarfe für die Ernährung von HIV-Erkrankten. Das war früher mal ein festgelegter Mehrbedarf, heute ist es nur noch eine Ermessensleistung. Das heißt, da steht irgendjemand und sagt, es ist angemessen oder es ist nicht angemessen. Das war früher mal ein Rechtsanspruch. In diesem Geiste funktioniert die Agenda 2010. Auch die Instrumentenreform, die jetzt im letzten Jahr abgeschlossen wurde, selbst dort hat man wieder viele, viele Pflichtleistungen, die für die Erwerbslosen galten, zu Ermessensleistungen umgewandelt, womit auch wieder stattfindet, dass Erwerbslose sich nackig machen müssen, dass Erwerbslose darlegen müssen, warum sie diese Leistung erhalten sollen und warum nicht. Dieser Geist, dieser bevormundende und nicht sich vertrauende Geist, das ist das, was wir dem entgegenstellen wollen. Die Agenda 2010 war falsch und das müssen wir hier erkennen.
Herr Kemmerich, wenn Sie sich mit Betroffenen, mit Erwerbslosen auseinandersetzen, dann werden Sie relativ zügig zu dieser Erkenntnis kommen. Sie können sich mit Ihren eigenen Beschäftigten auseinandersetzen, die neben der Friseurtätigkeit auch noch zum Jobcenter gehen müssen und sich dort eben auch wieder nackig machen müssen und sich dort eben auch wieder