Protokoll der Sitzung vom 24.04.2013

vor allem auch Prioritäten zu setzen und Aufgaben zu erfüllen. Da hat die Landesregierung noch viel zu tun und ich wünsche jetzt schon mal viel Spaß in der Debatte und in dem ausgesprochenen Ideenwettbewerb über Zukunft 2020.

Reden wir also über ZUKI 2.0. Sie wissen nicht so richtig, was das ist? Ich wollte auch mal eine kreative Wortschöpfung bringen.

(Beifall DIE LINKE)

ZUKI 2.0 klingt modern, dynamisch, zukunftsorientiert, eloquent, aber auch ein bisschen unverbindlich, so wie ThAFF, TAB, ThAK, ThllKO, ThEx, ThCM, ThEGA und ThEO, findet man alles hier drin, dazu kommt noch LAP und JAZ.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das kann ich Ihnen aber in fünf Minuten nicht erklären, aber wenn der Minister erst geredet hat, können wir ja vielleicht noch mal hier vor.

(Heiterkeit im Hause)

Ganz bestimmt, da kriegen wir noch ein bisschen Zeit.

Jetzt konkret, ich habe ja nur noch zwei Minuten.

Wachstumsphilosophie - großer Kernpunkt immer wieder, sollten wir ernsthaft diskutieren. Ich meine, wir müssen den sozialökologischen Umbau gestalten, das sind zwei Seiten einer Medaille. Vor allem müssen wir dafür sorgen, dass Wertschöpfung, die aus der Energiewende gebracht wird, hier auch in Thüringen bleibt, nämlich für Investitionen, für Anpassung und Veränderung der Infrastruktur

(Beifall DIE LINKE)

und auch für die Aufgaben aus dem demografischen Umbau. Wir brauchen gute Arbeit, das haben wir hier zigmal diskutiert, Fachkräftegewinnung, ein Thema für euch, damit ihr nicht abwandern müsst. Hier muss gute Arbeit organisiert werden. Das steht alles hier drin. Aber man muss noch mal sagen, im Kern geht es um die Steigerung des Lohnniveaus,

(Beifall DIE LINKE)

das hat oberste Priorität. Wenn sich hier nichts bei den Löhnen tut - und die Zahlen sind alle schon genannt -, dann wandern die jungen Leute ab. Ich sage noch mal: Tarifbindung, Mindestlohn sind Forderungen, die sich auch hier wiederfinden. Aber wir können das noch so viel hier immer sagen, das ist wie bei den Bienen, die ganz emsig sind, wenn zum Schluss kein Honig fließt, Pech gehabt. Deshalb eine Bemerkung vielleicht noch: Wenn Sie sich jetzt nun wieder aufregen, dass es einen neuen Tarifabschluss beim Frisörhandwerk gegeben hat, wo dann vielleicht doch ab 2015 ein Mindestlohn von 8,50 € gezahlt wird, und heute schon eine Panikmache stattfindet, wie teuer die Frisuren werden, sage ich, ist das nicht zeitgemäß.

Vielleicht noch zu den Erweiterungen der KMU, also Unterstützung des Mittelstandes, der kleinen und mittelständischen Unternehmen. Ich halte das für sehr wichtig, weil wir hier dafür sorgen müssen, dass Kleinstunternehmen ganz besonders unterstützt werden müssen, damit ihre Grundlage, auch die Finanzgrundlage, verbreitert wird. Aus ganz kleinen Unternehmen sollen eben doch Unternehmen werden mit mehr als 10 Beschäftigten, weil wir auch dort Forschung und Entwicklung brauchen. Das findet fast gar nicht statt, kann auch in den Kleinstunternehmen nicht sein, aber es wäre dringend nötig.

Ich habe das vorhin angesprochen, bei ThEx und ThAFF hätte ich auch noch zwei Fragen. Bei ThEx würde mich interessieren, wie diese neue Gesellschaft, die bei den IHKen ansässig ist, nun funktioniert. Was tun sie denn, was passiert denn dort? Und bei ThAFF, das ist der Fachkräfteservice, will ich gern fragen, ob Sie ernsthaft immer noch an der Ausschreibung und Gewinnung von sieben Mitarbeitern und Praktikanten für Bosch festhalten. Das kann man nämlich heute immer noch im Internet nachlesen. Entweder ist die Zeit da ein bisschen vorbeigegangen oder vielleicht stimmt es auch noch, dass wir immer noch Leute gewinnen, auch wenn wir nicht so richtig wissen, ob nicht in Kürze Massenentlassungen stattfinden.

Frau Abgeordnete, das mit der Zeit ist so, die ist zu Ende.

Genau, die Zeit ist um. Zukunft ist die Zeit, in der du bereust, dass du das, was du heute nicht tust, nicht getan hast. In diesem Sinne, danke.

(Beifall DIE LINKE)

Danke. Für die CDU-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Michael Heym.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Leukefeld, es ist nicht so oft, dass wir selbe Ansichten haben, aber in der Tat, Ihren Einstieg in Ihre Rede kann ich teilen. Als ich das Thema der Aktuellen Stunde gelesen habe, habe ich gedacht, was ist jetzt das Aktuelle bei Zukunft 2020. Zukunft ist immer aktuell, aber das in einer Aktuellen Stunde und damit für uns Parlamentarier in fünf Minuten hier abzuarbeiten, das ist eigentlich ein bisschen zu kurz gesprungen. Aber, das ist schon deutlich geworden, Ausgangspunkt ist das weitere blaue Papier, Herr Minister, das in der Regierung nicht abgestimmt ist. Also sind das für uns niedergeschriebene Gedanken des Wirtschaftsministeriums, des Ministers, die - das wird Sie sicherlich nicht wundern - natürlich von meiner Fraktion in wesentlichen Teilen und Bereichen nicht unbedingt geteilt werden können. Der erste Satz zumindest, der in dem Papier steht, der ist schon mal richtig. Die Menschen können stolz sein auf die Aufbauleistung der letzten 20 Jahre.

(Beifall CDU, FDP)

Weitere Analysen kann man sicher teilen, aber andere würde ich unter die Überschrift stellen: So ist Matthias Machnigs Welt. Es gibt Kreise in der Unternehmerschaft, die sagen, dieses Werk ist das SPD-Wirtschaftswahlprogramm. So weit würde ich nicht gehen, denn wirklich Neues, nichts, was nicht schon mal von Ihren Vorgängern im Amt oder in Gutachten von vielen Wirtschaftsinstituten in den letzten zwei Jahrzehnten als zukünftige Leitplanken unserer Wirtschaftspolitik niedergeschrieben und empfohlen wurde, findet man in diesem Werk. Natürlich brauchen wir Innovation als Schlüssel für künftiges Wachstum, natürlich ist Investition Schlüssel für Innovation, natürlich brauchen wir dafür eine moderne Infrastruktur und natürlich muss unsere Wirtschaft internationaler werden, weil dort die Wachstumschancen liegen. Natürlich - und da muss jetzt das Wort Integration herhalten - Integration von Fachkräften und Talenten ist ein Schlüsselwort. Sie erkennen, Herr Minister, das sind Ihre fünf „I“ aus dem Papier. Ich möchte ein weiteres hinzufügen. Natürlich ist das alles nicht so sehr neu.

(Beifall CDU, FDP)

Natürlich muss - und so haben es die Leute aus Ihrem Haus auch aufgeschrieben - Produktivitätszuwachs vor Lohnzuwachs stehen. Ich gebe Ihnen auch recht, dass wir da ein Problem in unserer Wirtschaft haben. Unsere Produktivität ist eben auch branchenspezifisch. Ein Chemiearbeiter bei BASF oder in Merseburg/Leuna hat einen um den Faktor 8 höhere Produktivität als der Fleischer im Schlachthof Nohra. Für Thüringen heißt das, eine regionale Wirtschaft mit 20 Prozent Wertschöpfungsanteil im Ernährungsgewerbe kann sich im Produktivitätsniveau nie mit Regionen wie zum Beispiel der Rhein-Main-Region oder Nordrhein-Westfalen messen. Es ist einfach unlauter, solche Sachverhalte, die im ersten Semester jedes VWL-Studiums gelehrt werden, den CDU-Vorgängerregierungen anzulasten.

(Beifall CDU, FDP)

Dieser Sprach- und Denkduktus einer angeblich verfehlten Vorgängerpolitik und auch von jetzigen CDU-Ministerien ist nicht angetan für einen konstruktiven Diskurs, so dass das Papier trotz guter Ansätze sich als politisch tendenziös präsentiert und sich einer soliden Wertigkeit entledigt.

(Zischenruf Machnig, Minister für Wirtschaft, Technologie und Arbeit: Steht da gar nicht drin.)

Viele unserer Unternehmen stehen viel zu weit am Anfang der Wertschöpfungsketten, sind Zulieferer ohne eine nennenswerte Marktmacht. Sie haben recht, wir haben keine großen Industrieeinheiten, nur halb so große Betriebsgrößen wie im Durchschnitt der alten Bundesländer. Das zu ändern, da hilft aber auch nicht Zalando, und wenn wir uns und das gestatten Sie mir als Südthüringer - in unserem Land zwei Spaß-Arenen leisten, dann geht das zulasten ansässiger Thüringer Unternehmen, denn denen entziehen wir einen erheblichen Teil möglicher Fördergelder.

(Beifall CDU)

Und wir sprechen uns wieder, wir werden perspektivisch auch die Steuerzahler dieses Landes mit diesen Spaßtempeln belasten. Dass Sie im Weiteren die Gedankengirlanden drehen, dass das Heil dieses Landes unter anderem in einer Verwaltungsund Gebietsreform liegt, verwundert mich. Verwaltungsreform ja, aber über den Rest haben wir uns an dieser Stelle auch schon oft gestritten, den Nachweis, dass größer gleich besser und wirtschaftlicher ist, hat bis heute noch keiner angetreten, eher das Gegenteil ist der Fall.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist vorbei.

Ich will zum Schluss kommen. Das Papier ist nicht durchweg falsch, es zeigt richtige Ansätze, wie wir uns zukünftig aufstellen müssen, aber nichts darin ist neu. Und um es ernsthaft tiefgründiger zu diskutieren, zu beleuchten, dazu ist - und das war mein Ausgangssatz - die Aktuelle Stunde nicht geeignet.

(Beifall CDU, FDP)

Vielen Dank. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Frau Abgeordnete Anja Siegesmund.

Ja, Herr Barth, seien Sie gespannt.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Ist aber ein bisschen viel …)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die gesammelten Werke, hier sind Sie alle. Herr Barth ist schon ganz aufgeregt, was jetzt alles verlesen werden soll, wird es nicht. Ich will ja erst einmal meiner großen Erleichterung Ausdruck verleihen, dass es sich nicht um den Auftakt zum koalitionsinternen Wahlkampf handelt, weil, als die SPD diese Aktuelle Stunde anmeldete, hatte ich so kurz den Eindruck, der Wahlkampf ist jetzt eröffnet, und ich hatte ihn noch einmal kurz, als ich eben Herrn Heym zuhörte. Aber nein, Herr Lemb, ich habe Sie so verstanden, es geht um eine Einladung zur Zukunftsdebatte Thüringens und nicht um Wahlkampfgeklingel. Tun wir das erst einmal unter dieser Vorbemerkung ab und schauen einmal, was hier inhaltlich kommt.

(Zwischenruf Abg. Lemb, SPD: Genau.)

Wie ich darauf gekommen bin, dass es sich um ein Wahlkampfvorgeklingel handeln könnte, sieht so aus: Der Kollege Bullerjahn, jetzt Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt, hat tatsächlich im Jahr 2006, das ist schon ein Weilchen her

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Der ist Fi- nanzminister)

- Entschuldigung Finanzminister -, Einsichten und Perspektiven Sachsen-Anhalts 2020 veröffentlicht und unter der Überschrift 2006 entsprechend Punkte zu veröffentlichen als SPD-Minister heute ein realistischer Blick auf die Entwicklungen, finde ich, ist zumindest die Überschrift erst einmal nicht so super neu, dass man sagen könnte, hier wurde etwas ganz Besonderes veröffentlicht. Im Gegenteil, da haben sich andere schon viele Jahre vor Ihnen entsprechend Gedanken gemacht.

Viel spannender an der Debatte finde ich aber die Frage, wie dieses Papier, was am Ende Zukunft 2020 heißt, in analytische Betrachtungen geht und die letzten Jahre reflektiert. Weil ich finde nämlich, dass die ersten Seiten dieses Papiers vor allen Dingen die ungeklärten Baustellen dieser Legislaturperiode der schwarz-roten Landesregierung beziffern, deutlich machen und zeigen, was noch zu tun ist. Ich will das gern an verschiedenen Punkten benennen. Da wird mit dem Niedriglohnland Thüringen abgerechnet. Und da heißt es, dass die Politik der vergangenen Jahre verheerende Folgen für die Qualität der Beschäftigungs- und Entlohnungsstrukturen heute hat.

(Zwischenruf Machnig, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Technologie: Das stimmt! Das ist wahr!)

Da geht es weiter mit der Frage, was ein Landesentwicklungsprogramm 2025 tun müsste, und da heißt es, dass wir davon wegkommen müssen, die demografische Entwicklung zu erleiden, und dass deswegen auch heutige Konzepte hinter dem zurückbleiben, was in der Vergangenheit beschlossen wurde. Dann geht es weiter über viele Punkte, es heißt - Zitat -, das hört die Koalition wahrscheinlich besonders gern: „Eine Konsequenz“. „Wir brauchen eine Gebiets- und Verwaltungsreform, die sich an den Anforderungen des Jahres 2030 und nicht“ jetzt kommt es, CDU zugehört - „an den politischen Kurzfristkalkülen des Jahres 2013 orientiert.“

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man berücksichtigt - Sachsen-Anhalt hat so ein ähnliches Papier 2006 geschrieben -, dass die Ministerpräsidentin vor einigen Jahren ihre Strategie Thüringen 2020 in Jena vorstellte, wenn man berücksichtigt, dass jetzt - drittens - der Wirtschaftsminister mit diesem Papier an diese Idee anknüpft, dann frage ich mich ernsthaft: Ist innerhalb der Regierung jetzt schon Opposition ausgebrochen oder nicht? Mein Eindruck ist, die Regierung ist ihre eigene Opposition.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wenn dem so ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist das deswegen so bemerkenswert, weil das zeigt, dass diese Regierung handlungsunfähig ist.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.)