Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Aufklärung von Pharmaversuchen in der DDR ist ein wichtiges Thema, aber ich bin mir sehr sicher, dass es kein Thema für eine Aktuelle Stunde ist.
Das erkennen wir ganz klar daran, dass jetzt alle drei Redner, die vor mir gesprochen haben, im Prinzip alle gesagt haben, okay, totale Aufklärung, in die Zukunft schauen. Im Prinzip hat keiner tatsächlich einen Akzent gesetzt, der dem anderen widersprochen hätte. Das kann man ja mal machen, aber wenn ich jetzt dieses Thema wirklich sachdienlich erörtern würde, dann muss ich ja zu diesen vier Grundfeldern irgendetwas sagen. Das eine ist die Situation der Patienten in der damaligen DDR oder eben heute in anderen Schwellenländern. Ich muss etwas zu der Situation von Ärzten und Kliniken in diesem Bereich sagen, ich muss etwas zu dem Verhältnis zwischen Pharmafirmen und damaliger DDR oder anderen Staaten heute sagen und ich muss vor allem Konsequenzen formulieren. Keines dieser Themen kann man tatsächlich in fünf Minuten hier so nachhaltig erörtern, dass man sagt, okay, jetzt haben wir darüber mit einer gewissen Tiefgründigkeit gesprochen. Das ist genau das Problem in einer Aktuellen Stunde, so etwas zu thematisieren. Ich glaube nicht, dass das der Rahmen ist, der tatsächlich dem Bürger das Signal gibt, was wir eigentlich aussenden wollen. Wir wollen dem Bürger sagen, ja, wir werden wissenschaftlich, wir werden historisch aufarbeiten, was ist damals passiert, und wir werden für jeden einzelnen Betroffenen, wenn das noch möglich ist anhand der Aktenlage, sagen, was mit ihm geschehen ist oder eben was nicht mit ihm geschehen ist. Dieses Signal, dieses ruhige, besonnene Signal kann man in so einem Parforceritt durch diese Themen im Prinzip nicht geben. Das Hauptproblem, vor dem wir uns hüten müssen, ist der Vorschub irgendwelcher skandalisierender oder spekulativer Medien, Boulevardmedien oder auch Nachrichtenmagazine, die sich in Vermutungen ergehen, was denn alles gewesen ist. Als ich am Wochenende lesen durfte, dass in der DDR Ärzte mit Zigarettenstangen und Sektflaschen
und der üblichen Kosmetik gefügig gemacht worden sind, bin ich vor Lachen fast vom Stuhl gefallen, denn so billig wäre ein westdeutscher Arzt nie zu haben gewesen. Und genau dieses Spekulieren, dieses Skandalisieren von Verhältnissen müssen wir dadurch abblocken, indem wir sagen, wir stellen diese Vorgänge in einen historischen Kontext. Wir müssen sehen, was ist in der DDR überhaupt Gesetzeslage gewesen. Bis 1986 gab es diese Aufklärungspflichten überhaupt nicht in der Form, auch nicht in der Bundesrepublik. Das ist 1986 erst eingeführt worden. Wir werden auch, was zwischen 1983 und 1986 gewesen ist, gar nicht mehr in Gänze fassen können. All das bedarf einer ruhigen, einer sachlichen Argumentation, die ist in fünf Minuten mit Sicherheit nicht zu leisten. Deswegen werde ich an dieser Stelle auch abbrechen und werde die Rede, die man eigentlich dazu halten müsste, entsprechend morgen beim Antrag halten. Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch vielen Dank an die letzten drei Redner zu dieser Aktuellen Stunde, weil zum einen die inhaltlichen Punkte angerissen worden sind, zum Zweiten - auch das ist mir wichtig explizit darauf hingewiesen wurde, dass wir dieses Thema noch ausführlich in dieser Plenarwoche behandeln werden. Dass uns das Thema wichtig ist, sehen Sie daran, dass wir frühzeitig einen Antrag zu diesem Thema auf die Tagesordnung gesetzt haben und dass wir auch dort Punkte angesprochen haben, die uns bei der Aufklärung wichtig sind.
Es geht in der Tat hier bei diesem Thema darum, dass wir nüchtern, erfolgsorientiert und sachlich die Punkte beleuchten, die damals dazu geführt haben, dass Menschen - und das ist bewiesen, es ist nicht das Ausmaß bewiesen und es ist auch nicht bewiesen, wie, wann und durch wen dort Patienten Schaden zugefügt worden ist, aber dass Schaden entstanden ist, das steht außer Frage. Und das ist für uns wichtig, dass das Ergebnis offen, aber vor allen Dingen konsequent zu Ende ermittelt wird. Die Kommission des Bundes wird eingesetzt. Im Übrigen verweise ich auch darauf, dass das zuständige Bundesgesundheitsministerium rein fachlich zuständig ist und sich dazu auch ausführlich geäußert hat, dass das BMG mit Minister Bahr zugesichert hat, alles zur Aufklärung beizutragen, was beizutra
gen ist und dass die Bundesregierung ganz klar Stellung genommen hat, dass diese Fälle, die da vorgekommen sind, lückenlos aufgeklärt werden.
Ich schließe mich meinem Kollegen Hartung an, dass das jetzt hier nicht der richtige Zeitpunkt und auch nicht der richtige Rahmen ist, inhaltlich zu den wichtigen Vorkommnissen zu sprechen. Eines sei mir noch gestattet: Ich halte es schon für einen bemerkenswerten Vorgang, dass aus einer Fraktion, die hier regelmäßig bei Aktuellen Stunden am Anfang ihrer Rede damit beginnt, dass sie nicht erkennen kann, was an diesem Thema aktuell ist, dass sie auch nicht erkennen kann, was inhaltlich dazu beizutragen ist, sondern im allermeisten Fall hier damit anfängt zu sagen, diejenigen, die eine Aktuellen Stunde beantragt haben zu dem Thema am liebsten Öffentlichkeit herstellen wollen. Und genau das ist der Punkt, Frau Siegesmund. Wir haben frühzeitig - und ich habe es am Anfang schon mal gesagt - zu diesem Thema einen Antrag in das Plenum eingebracht. Ich habe alle Fraktionen schriftlich gebeten, darüber nachzudenken, ob wir aus der Vorlage nach Diskussionen einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen hier im Hohen Haus machen können. Es ist dazu gekommen, dass die Fraktionen CDU, SPD und FDP sich an den Tisch gesetzt haben und überlegt haben, wie man gemeinsam ein Zeichen auch nach draußen setzen kann, dass man dieses Thema erstens für wichtig erachtet, zweitens sachlich bezogen gemeinsam aufwertend betreiben will und was nicht passiert ist, Frau Siegesmund, ich habe keine Rückmeldung Ihrer Fraktion erhalten. Was ich mitbekommen habe, das ist das Thema, was ich gerade angesprochen habe, dass es Ihnen anscheinend wichtiger ist, öffentlichkeitswirksam ein Thema nach draußen zu tragen. Zwei Tage nach dem Antrag haben Sie eine Aktuelle Stunde hier in dem Haus beantragt und das ist für mich das Zeichen, Ihnen ist es nicht an sachlicher Aufklärung gelegen, Sie wollen Öffentlichkeit herstellen, Sie wollen die sein, die die Guten sind und deswegen finde ich es schade - und auch dieses Signal soll nach draußen tragen -, wir, die drei Fraktionen CDU, SPD und FDP, sind an einer sachlichen Aufklärung sehr interessiert, wir werden das Thema sachgerecht auch im Ausschuss weiterbehandeln und Sie mögen machen, was Sie denken. Ihre Vorgehensweise finde ich absolut falsch. Ich sage es noch einmal hier in diesem Hohen Hause, wir werden uns solchem Gebaren nicht anschließen. Vielen Dank.
Vielen Dank. Gibt es weitere Wortmeldungen? Ich sehe, das ist nicht der Fall. Seitens der Regierung auch nicht, dann schließe ich diesen Teil der Aktu
ellen Stunde und rufe auf den zweiten Teil der Aktuellen Stunde auf Antrag der SPD zum Thema „Neue Chancen für die Solarstandorte in Thüringen vor dem Hintergrund der Anti-Dumping-Entscheidung der EU“. Dazu liegt Ihnen eine Unterrichtung in Drucksache 5/6084 vor.
(Zwischenruf Taubert, Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit: Sie waren so schnell. Ich wollte reden.)
Die Regierung kann jederzeit reden. Wenn Sie jetzt noch einmal sprechen möchten, dann sprechen Sie doch bitte. Aber Sie hatten da nicht reagiert, waren im Gespräch.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, ich bitte um Entschuldigung, aber mir ging es zu schnell heute Morgen.
Es war so, ich bin in Feierlaune, Herr Barth, es ist halt so. Herzlichen Dank auch für alle Glückwünsche, die die SPD heute hier schon bekommen hat.
Damit eröffne ich diesen Tagesordnungspunkt noch einmal für das Protokoll und wir beginnen dann mit dem zweiten Teil später.
Es ist schön, Herr Mohring? Ich freue mich, dass der Landtag heute so großzügig zu mir ist. Ich habe Ihre Pressemitteilung schon gelesen dazu. Ja, ja, richtig gut. Wir sind halt gute Koalitionspartner.
Aber wir wollen ja zu Medikamententest heute sprechen. Deswegen bin ich ja nach vorn gekommen. Ich möchte als Ministerin für das zuständige Ressort nochmals klarstellen, dass natürlich die Notwendigkeit besteht, zunächst erst einmal Aufklärung vorzunehmen. Es ist gut, dass die aktuelle Diskussion und auch das Melden von Betroffnen dazu geführt hat, dass auch die Stasi-UnterlagenBeauftragten sich mit der Thematik beschäftigen. Es ist wichtig - auch das ist schon erwähnt wor
den -, dass wir mit aller Sorgfalt an das Thema herangehen müssen. Es ist zum einen eine historische Aufarbeitung. Mir als Ministerin für Gesundheit ist natürlich ganz besonders wichtig, was ist dort medizinisch abgelaufen, was ist vereinbart gewesen. Die Deklaration von Helsinki zur Patientensicherheit ist ja seit 1964 in verschiedenen Varianten verändert worden, auch in den 80er-Jahren, auch jetzt im Jahr 2008 das letzte Mal, wo man versucht hat, weltweit einen Ärzteethikstandard festzulegen, mit dem auch Patientenversuche stattfinden können. Insofern bewegen wir uns nicht nur in diesem historischen Kontext, was in der DDR passiert ist, sondern auch in diesem medizinischen Kontext, der mir wichtig ist. Wir müssen und wir wollen das auch, wir wollen mithelfen, dass Aufklärung möglich ist. Ich möchte mich ausdrücklich noch einmal bei meinem Kollegen Herrn Matschie bedanken, der mit dem Universitätsklinikum in Jena die Gespräche dazu geführt hat, was dazu geführt hat, dass auch dort eine Arbeitsgruppe eingesetzt wird, dass man sich von dort aus auch verpflichtet hat, die Unterlagen, die im Hause vorhanden sind, zu sichern. Wir haben auch alle anderen Krankenhäuser aufgerufen, ihre Akten so aufzubereiten, dass sie auch einer wissenschaftlichen Aufarbeitung zugänglich sind. Ich glaube, das ist das, was wir als Freistaat Thüringen machen können. Wir sind, das ist erwähnt worden, nicht Rechtsnachfolgerin, sondern das Bundesgesundheitsministerium ist Rechtsnachfolger des damaligen Ministeriums für Gesundheitswesen der DDR und damit auch in der Pflicht. Herr Koppe hat es erwähnt, dass sein Parteikollege Herr Bahr sich dazu auch schon verständigt hat. Er hat uns auch mitgeteilt, dass er da an der Aufklärung mit aktiv teilnehmen möchte und das Ministerium helfen möchte. Und das, glaube ich, ist auch die richtige Lösung. Wenn wir dieses Thema komplex aufarbeiten wollen, das habe ich von allen Fraktionen gehört, dann ist es erst mal wichtig, auch über die ganze DDR zu schauen und nicht nur kleinklein in jedes einzelne ostdeutsche Bundesland und dann auch gegebenenfalls bestimmte Verbindungen herzustellen, wenn das so ist. Auch ich bin völlig dagegen, dass man vorher eine Verurteilung vornimmt. Da sage ich auch, Herr Koppe, wenn wir offen rangehen wollen, dann dürfen wir auch nicht sagen, es ist Schaden entstanden. Das mag ja im Einzelfall sein und auch den muss man wirklich intensiv betrachten, warum ist das so passiert. Ich selbst bin auch in der Kindheit erkrankt und habe Medikamente aus Westdeutschland bekommen und ich kann mich nicht entsinnen, dass meine Familie da nicht dankbar war, so etwas zu bekommen. Es geht um die Frage, wer ist ohne sein Wissen für Medikamententests missbraucht worden. Wenn das feststeht, dann müssen wir hier auch im Landtag noch mal darüber reden, da stehe ich Ihnen auch gern zur Verfügung, dass wir dann beschreiben, was wir tun.
Und insofern - auch das will ich deutlich sagen in Richtung DIE LINKE -, ich fand es jetzt nicht besonders gut, gleich zu sagen, da muss ein Entschädigungsfonds her. Wir müssen erst einmal eingrenzen, was überhaupt passiert ist und welche Schäden entstanden sind. Erst wenn das passiert ist, dann können wir uns gemeinsam zusammensetzen und können sagen, müssen wir und in welcher Höhe müssen wir dann tatsächlich als Staat hier eintreten und den Betroffenen helfen. Das wollen wir gern tun, wenn das so ist, auch das will ich klar sagen, aber einfach nur nach Entschädigung rufen, das war mir in der Kürze der Zeit dann doch auch zu kurz gesprungen.
Insofern, glaube ich, sind wir uns einig. Mich freut es auch, dass zumindest vier der fünf Fraktionen gesagt haben, Sie würden sich diesem gemeinsamen Antrag anschließen. Und, Herr Koppe, das verkneife ich mir heute nicht, der erste Antrag, der war so ähnlich wie das, was Sie von dem GRÜNEN-Antrag beschrieben haben. Aber ich finde es gut, dass Sie jetzt gesagt haben, wir wollen auch ein Stück zurückgehen und sachlich an diesem Thema arbeiten. Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, auch an die alte Dame SPD, ertragt das ruhig die Minute. Meine Damen und Herren, ich wollte nur eins noch mal deutlich machen, es ist heute mehrfach von Unterschiedlichen auf die GRÜNEN hier eingegangen worden, warum sie das zur Aktuellen Stunde gemacht haben. Also ich stimme den GRÜNEN ausdrücklich zu, das ist eine Aktuelle Stunde wert.
Was ist denn aktuell? Es ist doch so, die Menschen bewegt das alles, und dass man das in einer Aktuellen Stunde durchaus erst mal anreißen kann und dann natürlich vertieft, indem man das mit einem Antrag macht, und deswegen möchte ich ausdrücklich sagen, ich hätte auch gerne eine Aktuelle Stun
de gesehen und ich finde nichts Verwerfliches daran, dass man so ein aktuelles Thema hier auch aktuell im Hause diskutiert.
Ich sehe keine Wortmeldungen mehr. Dann schließe ich endgültig den ersten Teil der Aktuellen Stunde und rufe auf den zweiten Teil
b) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Neue Chancen für die Solarstandorte in Thüringen vor dem Hintergrund der AntiDumping-Entscheidung der EU“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/6084