Werfen wir aber mal einen Blick auf das Podest der olympischen Disziplin im Aufblähen von Haushalten: auf Platz 1 das Kultusministerium mit einem Plus von 260 Mio. €, auf Platz 2 das Wirtschaftsministerium mit einem Plus von 110 Mio. €
Frau Ministerin Walsmann, Sie haben sich zwar bemüht, mit gutem Beispiel voranzugehen, absolut und auch prozentual haben Sie die geringsten Zuwächse, aber das Beispiel ist offenbar nicht das, an dem man sich orientiert in der Koalition. Voran marschieren drei SPD-geführte Ministerien: Kultus, Wirtschaft und Soziales. Diese drei Häuser, meine Damen und Herren, sind verantwortlich für 450 Mio. € an zusätzlichen Ausgaben, für 450 Mio. € an neuen Schulden. Das ist mehr als die Hälfte der Neuverschuldung, die insgesamt vorgesehen ist, und mehr als zwei Drittel der Mehrausgaben gegenüber dem Jahr 2009. Wenn das die solide Finanzierung des Staates ist, die auch im Zukunftsinnovationsprogramm gepredigt wird, meine Damen und Herren, Herr Minister, dann sage ich Ihnen, auf derart Zukunfts- und Innovationspolitik kann und sollte Thüringen auch und gerade im Sinne seiner Zukunft verzichten.
Jeder einzelne Haushalt trägt nun dazu bei, dass Thüringens Verschuldung weiter wächst. Der aktuelle Pegelstand der Verschuldung liegt bei 17,5 Mrd. €. Jeder Einzelhaushalt trägt dazu bei, dass durch zu
sätzliche Zinsverpflichtungen der finanzielle Spielraum in Zukunft weiter sinkt. Schon heute müssen die Thüringer Steuerzahler, denn die müssen das alles bezahlen, mehr als 700 Mio. € pro Jahr allein für den Schuldendienst aufbringen. Mit dem vorgelegten Etatentwurf kämen 40 Mio. € zusätzlich hinzu. Das, liebe Kollegen, kann nicht Ihr Ernst sein. Lassen Sie sich das bitte mal auf der Zunge zergehen. Wir sind mittlerweile bei einer Dreiviertelmilliarde Euro angekommen, die Thüringen Jahr für Jahr für Zinsen ausgeben muss. Das ist dann fast jeder zehnte Euro, wohlgemerkt für Zinsen, da ist noch kein einziger Euro Tilgung dabei.
Gerade weil in - das haben die Ministerin und auch Herr Mohring hier ausgeführt - den nächsten Jahren die Zuflüsse aus dem Bund und der EU so drastisch sinken werden, gerade deshalb ist diese Zahl doppelt dramatisch. Da muss man den Kollegen Vorsitzenden der CDU-Fraktion ja fast noch als Hüter des Glaubens bezeichnen, wenn er zu Beginn des Jahres gefordert hat, die Neuverschuldung auf unter 500 Mio. € zu begrenzen. Das stand übrigens auch mal so in Ihrem Koalitionsvertrag. Aber auch das war schon ein Bruch von selbst gesteckten Zielen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Noch im Frühjahr 2009 hatte nämlich die damals noch CDU-Alleinregierung schon eine Schuldenbremse in der Landeshaushaltsordnung verankert. Der Haushaltsplan ist ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Das gilt erst ab 01.01.2011 und deswegen genehmigt man sich jetzt noch einmal einen Schluck aus der Pulle. Aber ich glaube, Frau Ministerin, dass Sie in Wahrheit ganz froh sind, dass das mit der Verfassungsänderung nicht geklappt hat, denn ansonsten wäre der Haushalt schon auf den ersten Blick ein glatter Verfassungsbruch.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Mohring, frage ich mich, was Sie mit Ihrem Bild von der Einlaufkurve an dieser Stelle sagen wollen. Eine Kurve ist, wenn ich das mal so ein bisschen naturwissenschaftlich-mathematisch sage, als Bild eines Weges sozusagen eine stetige Abbildung eines Intervalls. Ein Sprung von null auf 880 Mio. € Neuverschuldung, das ist nichts Stetiges, das ist eine Sprungfunktion bestenfalls. Vielleicht ist es eine Singularität, das heißt eine einmalige Ausnahme, um das zu übersetzen. Wenn dem so wäre, dann würde ich im nächsten Jahr mich auch hier hinstellen und Abbitte leisten, aber bis dahin müssen Sie sich die Frage gefallen lassen, insbesondere die Kollegen von der Union, ob das das war, wofür Sie in den letzten Jahren gespart haben. Ob das tatsächlich der Sinn gewesen ist, drei Jahre keine neue Schulden zu ma
In Ihren Reihen sitzt ein ehemaliger Ministerpräsident, dort oben sitzt die ehemalige Finanzministerin, die haben sich das als Lorbeeren angerechnet, drei Jahre ohne Neuverschuldung hintereinander hinzubekommen, ja sogar Überschüsse erwirtschaftet zu haben in wirtschaftlich guten Zeiten. Alles umsonst.
Herr Mohring, Sie haben von Dankbarkeit gegenüber dem Bund gesprochen, gegenüber den Ländern, die aus dem Länderfinanzausgleich erhebliche Mittel in den letzten 20 Jahren aufgebracht haben, knapp 50 Mrd. € haben Sie hier genannt. Wenn man das mal ganz grob zusammenrechnet, ist das zusammen mit der Neuverschuldung, die Thüringen bisher angehäuft hat, fast die Hälfte aller Landeshaushalte, die wir in den vergangenen 20 Jahren hatten. Das heißt, die Hälfte unserer Ausgaben sind fremdfinanziert, und da ist Dankbarkeit natürlich ein Stück weit angebracht, aber Dankbarkeit heißt eben auch, sich gerade in schwierigen Zeiten erkenntlich zu zeigen, sich gerade in schwierigen Zeiten auf das Nötige zu beschränken, und nicht das Machbare gleich noch mit fremdfinanzieren zu lassen. Das ist nicht die Dankbarkeit, die bei den Zuwendungsgebern auch als Dankbarkeit verstanden wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Landesregierung gibt in allen Bereichen mehr Geld aus, in allen Ministerien, und das, obwohl alle Vorredner auch richtigerweise dargestellt haben, dass weniger Geld zur Verfügung steht, dass auch weniger Einnahmen zur Verfügung stehen. 900 Mio. € hat die Ministerin gesagt als Mindereinnahmen und als logische Folge sozusagen von 900 Mio. € Mindereinnahmen macht man nun 880 Mio. € neue Schulden, leistet man sich 600 Mio. € Mehrausgaben.
Herr Kollege Mohring, Sie haben vor einem guten Dreivierteljahr den Vorstoß der Landesregierung zum Verschuldungsverbot in der Landeshaushaltsordnung gepriesen und gerühmt mit den Worten „Wir wollen einer Politik auf Pump einen Riegel vorschieben“. Der Riegel klemmt, Herr Mohring, und der klemmt an neun Stellen. Neun Ministerien geben mehr aus, obwohl sie insgesamt weniger einnehmen. Würde einer von Ihnen in einer vergleichbaren Situation mit einer solchen Idee zu Hause vorstellig werden, bei weniger Einnahmen mehr auszugeben, Sie würden Fragen gestellt bekommen, für die ich hier ausnahmslos Ordnungsrufe kassieren würde
Was macht denn der Normalbürger, der Normalverbraucher, wenn er weniger Geld zur Verfügung hat? Er spart. Wie entscheidet sich denn die viel zitierte Merkelsche schwäbische Hausfrau, wenn sie weiß, dass sie im nächsten Monat weniger Geld im Portemonnaie hat? Klar, sie spart, wo sie nur kann. Was macht die Thüringer Landesregierung angesichts von enormen Einnahmeausfällen? Sie gibt mit vollen Händen Geld aus, obwohl sie es gar nicht hat.
Das kann nur jemand tun, meine Damen und Herren, der das Geld nicht selbst erarbeitet hat und der es auch nicht selbst erarbeiten muss. Das kann nur tun, wer das Geld anderer Leute verteilt und dabei glaubt, dass er besser weiß, was für die Menschen gut ist, als die Menschen selbst das wissen.
Das kann nur jemand tun, meine Damen und Herren, dem es egal ist, dass dieses Geld von Menschen in unserem Land erarbeitet wird, und dem es egal ist, ob diese Menschen von ihrem Erarbeiteten am Ende so viel übrig haben, dass sie sich und ihre Familien davon auch ernähren können und nach ihren Vorstellungen glücklich werden können.
Uns ist genau das nicht egal und deswegen halten wir diesen Haushaltsentwurf auch nicht nur für an der Grenze der Verfassungsmäßigkeit - bis auf den Cent, hat Herr Mohring gesagt -, sondern wir halten ihn vor allem für verantwortungslos.
Deshalb fordere ich Sie auf, sich auch an Ihre eigenen Ziele zu erinnern, Ihre eigenen Ziele wieder voranzustellen und sich im Ausgeben zu beschränken.
Aber, meine Damen und Herren, ein wenig ein schlechtes Gewissen haben Sie immerhin doch, denn anders ist es gar nicht zu erklären, dass Sie auch zwischendurch mal auf die Suche nach Schuldigen, auf die Suche nach Verantwortlichen gegangen sind, denen Sie die Schuld für die horrende Neuverschuldung in die Schuhe schieben können. Das von der Bundesregierung verabschiedete Wachstumsbeschleunigungsgesetz kam da wie gerufen. Das war scheinbar der willkommene Sündenbock, hinter dem Sie glaubten, sich hier in Erfurt bequem verstecken zu können. Dabei ist die Rechnung leider nicht ganz aufgegangen. Die Landesregierung musste auf eine Kleine Anfrage - des Kollegen Kuschel übrigens - vor wenigen Wochen einräumen, dass die Minder
einnahmen, die auf das Wachstumsbeschleunigungsgesetz zurückzuführen sind, sich im Landeshaushalt auf 40 Mio. € summieren. 40 Mio. € weniger Steuereinnahmen durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Das ist viel Geld, aber es kann mit Sicherheit nicht der Grund dafür sein, das können Sie nicht ernsthaft behaupten, dass Sie das 22-fache an neuen Schulden aufnehmen wollen. Das ist nicht nur lächerlich, meine Damen und Herren, das ist Volksverdummung. Ich sage, für derartige Behauptungen müssen Sie sich Dümmere suchen und ich bezweifele allerdings, dass Sie die außerhalb Ihrer eigenen Reihen finden werden.
Herr Abgeordneter Barth, das war jetzt grenzwertig. Ehe Sie sich weiter verrennen, sage ich es schon mal an.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Ursachen für die Neuverschuldung liegen ganz woanders. Die Ursachen für die Neuverschuldung liegen in ganz vielen einzelnen Punkten, an denen die Landesregierung, ich sage jetzt mal, die restlichen 840 Mio. € ausgibt. Wir werden in den Ausschüssen natürlich spannende Diskussionen haben und es wird für uns gerade als neue Fraktion natürlich eine besondere Herausforderung sein, sich dieser Diskussion zu stellen. Aber einige Punkte, die uns schon aufgefallen sind, möchte ich durchaus hier nennen.
Da gibt es eine Diskussion um neue Stellen, 700 sind im Gespräch. Das wird ein hoher zweistelliger Millionenbetrag, der dafür anfällt, der dafür notwendig ist, ihn auszugeben. Geld, das Sie in Wahrheit nicht haben.
Zweiter Punkt - Ihre Außendarstellung: Frei nach dem Motto, wenn wir schon schlechte Politik machen, dann wollen wir sie wenigstens gut verkaufen, geben, liebe Frau Kollegin Keller, nicht nur das Wirtschaftsministerium, sondern mehrere Häuser im laufenden Haushaltsjahr insgesamt 3 Mio. € aus für Öffentlichkeitsarbeit und insgesamt summieren sich die Mehrausgaben an der Front auf rund 600.000 €. Da ist nicht nur das Wirtschaftsministerium betroffen, sondern da sind noch eine ganz Reihe anderer Häuser, die sich da mehr leisten.
Ein dritter Punkt - Umbenennung von Ministerien: Auch hier lieferte uns das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie ein beeindruckendes Beispiel. Nur besonders aufmerksamen Bürgern dürfte aufgefallen sein, dass das Ministerium - jetzt muss ich nachlesen - für Wirtschaft, Technologie und Arbeit
seit November 2009 in Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie umbenannt wurde; Wirtschaft, Technologie und Arbeit und jetzt Wirtschaft, Arbeit und Technologie. Bezifferte Kosten 5.600 €, da gibt es in unserem Land Familien, die müssen dafür monatelang arbeiten gehen.
Die Anfrage meiner Fraktion, meine Damen und Herren, nach dem Grund für diese fundamentale Umbenennung des Hauses beantwortete die Landesregierung wie folgt: „Jede Ressortbezeichnung hat das Ziel, in knapper Form den jeweiligen Zuständigkeitsbereich zu beschreiben und gleichzeitig die Schwerpunkte des jeweiligen Hauses auch in der Reihenfolge der Darstellung zu verdeutlichen.“ Soll heißen: Aus welchen Gründen auch immer haben sich wohl die Prioritäten im Ministerium so sehr verschoben, dass diese Ausgabe für die Umbenennung gerechtfertigt erschien.
Wenn ich diesen Maßstab mal hernehme, auch in Ihren Koalitionsvertrag schaue und im Koalitionsvertrag dann eine Ausführung finde, die sich mit dem Naturschutz beschäftigt, dann heißt es dort: „Um die Rolle des Naturschutzes zu stärken, ist ihm im Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt ein größeres Gewicht zu verleihen.“ Jetzt schauen wir, was dort passiert ist. Das Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt hatte also bisher an zweiter Priorität den Naturschutz. Dieses Ministerium wurde umbenannt in Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz. Der Naturschutz ist also, um die Rolle des Naturschutzes zu stärken - noch mal Koalitionsvertrag -, nunmehr auf die letzte Position im Namen gerückt.
Ich gestehe, dass ich im Lichte dieser Antwort nicht wirklich verstehe, was uns die Künstler damit sagen wollen, aber egal wie, Hauptsache es hat Geld gekostet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, schließlich - und auch das ist hier schon angesprochen worden - werden Millionenbeträge ausgegeben für die mannigfaltigsten Spielarten von Leitbildern, Sonderbeauftragten, Katastern, Analysen und Agenturen. Der Koalitionsvertrag - ich habe das in meiner Antwort auf die Regierungserklärung schon gesagt - bietet ja hier ein buntes Potpourri von verschiedenen Dingen, die die Landesregierung Posten für Posten erarbeitet. Einige Auszüge will ich Ihnen nicht vorenthalten. Die Kosten für die Sachmittel der Geschäftsstelle „Akademie ländlicher Raum“ belaufen sich im Ansatz auf 25.000 €. Die Kosten für Sachverständige zur Erarbeitung eines Zukunftsatlasses 2020 sind mit 1 Mio. € veranschlagt, Kosten für Sachverständige zur Erarbeitung eines Energiekonzepts mit vergleichsweise bescheidenen 100.000 €, Kosten für ein Gutachten zu einem Energieeffizienzprogramm für 150.000 €, Kosten für ein Gutachten zur Rekommunalisierung der Netze 250.000 € und - mein persönlicher Favorit - der Aufbau einer Energie-, Klima- und Green-Tec-Agentur, der mit 2 Mio. € zu Buche schlägt. In der Summe sind allein diese Punkte, die ich genannt habe, über 3,5 Mio. €.
Meine Damen und Herren, diese Art des Umgangs mit Steuermitteln, die diesen Haushaltsentwurf prägt, kann nicht unsere Zustimmung finden. Notwendig wäre es maßzuhalten.
Notwendig wäre es, das richtige Maß zu finden, sich nicht einer zügellosen Völlerei hinzugeben, sondern das zu tun, was im Lande jeder Haushaltsvorstand, jeder verantwortungsvolle Haushaltsvorstand bei sinkenden Einnahmen tun würde und tun muss: Sich auf das Notwendige konzentrieren und das Wünschenswerte gegebenenfalls zu verschieben. Das wäre zeitgemäß. Das wäre verantwortungsvoll. Beides kann ich diesem Haushaltsentwurf nicht attestieren. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Begriff prägte die Debatte bislang zu diesem Etatentwurf des Thüringer Haushalts, das war der Begriff „schwierige Zeiten“. Den hat Frau Finanzministerin berechtigterweise benutzt, auch andere meiner Vorredner gingen darauf ein. Schwierige Zeiten zeichnen sich aber oftmals dadurch aus, dass