Herr Kollege Emde, ein guter Wein, den man, weil man ihn als gut einschätzt, zu lange im Keller liegen lässt, kann gegebenenfalls umkippen. Das wäre eine Möglichkeit, um Gutes zu konservieren.
Die andere Variante ist, es noch besser zu machen und weiterzuentwickeln. Wir und vor allem die Pädagoginnen und Pädagogen, die Eltern und ganz besonders die Schülerinnen und Schüler selbst brauchen Antworten auf vielerlei Fragen, die im Zusammenhang mit diesem Entwicklungskonzept stehen. Zum Beispiel: Wie viele Schulen müssen umgebaut werden, damit sie wirklich barrierefrei sind? Schulbaufördermittel sind in diesem Konzept eingestellt worden bzw. vorgesehen mit einer Summe von circa 150.000 € pro Schule. Wir wissen aus Jena, dass diese Summe viel höher ist, man spricht von 250.000 bis 300.000 €, um eine Schule so vorzubereiten, dass sie entsprechend den Anforderungen genügt. Stichwort Lehrerbildung: Wie steht es mit der Weiterbildung bzw. mit der Ausbildung in sonderpädagogischen Fragen? Oder eine andere Frage: Wie wird die sonderpädagogische Unterstützung in allen Schulen weiter ausgebaut? Wir sind der Auffassung, dass eine halbe Stelle pro Grundschule nicht ausreicht.
Wie viele Lehrerstellen können die Akteure vor Ort einplanen? Da ist die Frage: Was ist der Bezugspunkt, die bis jetzt geplanten Lehrerstellen, oder gibt es zusätzliche Stellen, die sich mit diesem Thema Inklusion beschäftigen? Und natürlich die Frage: Welche Entwicklungsperspektiven werden den Förderschulen ermöglicht?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch das müssen wir feststellen: Inklusion mit den jetzigen Rahmenbedingungen ist und bleibt zum Scheitern verurteilt. Geht man diese Rahmenbedingungen nicht an, werden nur Ressentiments geschürt und dies dient nicht mehr dem Anliegen einer wirklichen Gleichberechtigung und Chancengleichheit im Thüringer Bildungswesen. Dann ist es natürlich verständlich, dass Pädagoginnen und Pädagogen und Eltern gleichermaßen Befürchtungen haben, solche Entwicklungen und Herausforderungen in die Praxis umzusetzen, immer mit dem Anspruch, zum Wohle des Kindes zu handeln. Wie soll denn eine bedarfsgerechte Bildung an unseren Schulen stattfinden, wenn alles unter ein Finanzdiktat gestellt wird und der Wunsch nach einer Schuldenbremse bei manchem Politiker auch hier im Hause immer noch vor einer Zukunftsinvestition Bildung steht?
Es ist gerade für diese Debatte bezeichnend, wenn im Kabinett bei einem Inklusionskonzept, ich erwähnte es bereits, gerade der Bau- und der Finanzminister ihr Veto einlegen. Die SPD hat sich sehr mühsam gezeigt bzw. zeigt Erleichterung, dass dieses Konzept inzwischen existiert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren in der Koalition, besonders die Kolleginnen und Kollegen der SPD, mit Ihrer Wahl des Koalitionspartners vor nunmehr fast vier Jahren hat die SPD bewusst einen Weg des Minimalkompromisses eingeschlagen. Kant nennt dies „selbst verschuldete Unmündigkeit“.
Ich will Sie nur noch einmal daran erinnern, dass bei vielen bildungspolitischen Schwerpunkten aber auch ganz besonders bei diesem Thema - andere Mehrheiten in diesem Saal existieren.
Noch eine Bemerkung zum Zeitplan: Heute, 12.48 Uhr wurde Vollzug gemeldet. Eine Mail erreichte die Abgeordneten, dass uns das Konzept rechtzeitig vor diesem Tagesordnungspunkt erreichen würde.
Vielen Dank für die Erinnerung. Wir können also arbeiten, der kleine Unterschied zum Juno mag vielleicht nachgesehen werden, aber Zeitpläne einzuhalten, sieht anders aus. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, die UN-Behindertenrechtskonvention gibt uns keineswegs den Auftrag, alle Schüler mit und ohne Behinderungen und ohne Rücksicht auf Verluste in die nächstbeste Schule zu geben und dort zu beschulen.
Frau Kanis, Sie sprachen davon, dass man auch Fehler macht, wenn man neue Dinge angeht. Aber das können wir uns nicht leisten. Fehler zulasten der Kinder zu machen, ist meines Erachtens etwas, das niemals passieren darf.
Es geht darum, Menschen mit Behinderungen nicht von vornherein aus dem allgemeinen Bildungssystem auszuschließen, so die UN-Behindertenrechtskonvention,
Gleichzeitig ist das Wohl des Kindes mit Behinderung in den Mittelpunkt zu stellen, Artikel 7 der Konvention. Die Verwirklichung der UN-Konvention gibt uns also den ganz klaren Auftrag, die Persönlichkeit des Kindes im Mittelpunkt zu sehen und demzufolge auch eine Wahlfreiheit zuzulassen und das Elternrecht zu respektieren.
Förderschulen und auch kooperative Angebote wie beispielsweise das Angebot „Lernen unter einem Dach“ sind genau dann erfolgreich, wenn sie dem Kind helfen, sich weiterzuentwickeln, und auch die Eltern davon überzeugt sind, dass ihre Kinder an dieser Stelle gefördert werden.
Das ist meines Erachtens viel wichtiger als jede Statistik. Da interessieren mich die Zahlen wirklich wenig.
Meine Damen und Herren, nicht jede Schule passt zu jedem Kind und Ziel eines Bildungssystems im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention muss es doch sein, dass die volle Entfaltung der Persönlichkeit des Kindes möglich ist und alle Begabungen, Fähigkeiten und Stärken entwickelt werden können. Deshalb brauchen wir ein begabungsorientiertes und auch leistungsorientiertes Schulsystem.
Das ist das gegliederte Schulsystem mit Grundschule, Regelschule, Gymnasium - wie es die Landesverfassung vorschreibt - und eben auch die Bereicherung durch andere Schulformen und da auch speziell genannt die Förderschule.
Das ist auch vernünftig, meine Damen und Herren, denn ich glaube, es ist schon schwierig, als Mutter zu erleben, wenn ein Kind in die Grundschule eingeschult wird und es mit Sprachschwierigkeiten dort nicht weiter gefördert werden kann, es Gutachten gibt und das Kind partout keine Möglichkeit bekommen soll, zu einer Förderschule zu gehen.
Ein Beispiel aus der heutigen Presse von Tristan Spitze ist für meine Begriffe sehr schlimm. So etwas darf in Thüringen nicht passieren, dass sich eine Mutter bittend an den Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur wendet und ihn um das Mindeste bittet: Bitte sorgen Sie dafür, dass Tristan zumindest begutachtet wird. Das ist schlimm!
Hier frage ich mich: Wo bleibt die Hingabe für unsere Kinder oder das Herz, wie Herr Busch das gesagt hat? Es können nach unserem Förderschulgesetz in Thüringen Eltern ihre Kinder direkt an Förderschulen anmelden. Es muss ein Gutachten erstellt werden. Diese Gutachten - so sehr oft bekannt geworden - werden verzögert, zeitlich verzögert oder behindert. Es werden Lehrer unter Druck gesetzt und betroffene Eltern und Familien müssen ihr Recht einklagen vor Gericht. Auch so etwas darf meines Erachtens nicht in Thüringen passieren.
Hier frage ich mich ernsthaft: Wo haben wir denn den Blick noch für das Wesentliche, nämlich im Sinne der Kinder zu arbeiten und auszubilden?
Ich möchte an dieser Stelle auch eine Resolution noch ins Gespräch bringen, nämlich die Resolution des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt, die sich genau mit diesem Thema beschäftigt und eben darum bittet, den Erhalt der Förderschulen zu sichern und außerdem wieder Rahmenbedingungen herzustellen, die es den betroffenen Eltern und Kindern ermöglichen, mithilfe der unterstützenden Einrichtungen frei zu entscheiden, wann, wo und wie ihren Kindern am besten geholfen werden kann.
Ich muss sagen, wir sind an einer Stelle angekommen, ich kann die öffentliche Meinung verstehen, dass mehr Angst und Unsicherheit zum Thema Inklusion vorhanden ist als Sicherheit und positive Zusage.
Und sehr verehrter Herr Kollege Emde, ich muss Ihnen auch sagen, Sie sind der größere Teil der regierungstragenden Koalition und haben es zugelassen, dass wir an der Stelle heute sind. Vielen Dank.