Protokoll der Sitzung vom 17.10.2013

(Abg. Meyer)

schreibt vor, dass Sie die aufgenommenen Schulden nur innerhalb von fünf Jahren zurückzahlen müssen. Sie haben in 2010 und 2011 weit über 600 Mio. € neue Schulden aufgenommen. Nicht Sie persönlich, aber die Regierung, deren Finanzminister Sie seitdem oder seit 2012 sind.

(Beifall FDP)

Herr Pidde, ich will an dieser Stelle mal zwei Ihrer Aussagen aus den bisherigen Debatten bringen, insbesondere aus der Aktuellen Stunde vom Februar, die auf Antrag der CDU-Fraktion stattgefunden hat, und die lautete: Schuldenbremse in die Thüringer Verfassung aufnehmen. Deswegen, Herr Meyer und auch Herr Pidde, sind das auch nicht immer dieselben Diskussionen. Es hat seither Bewegung gegeben, seit 2011. Selbst wenn es immer dieselben Diskussionen wären, noch mal 16,3 Mrd. € Schulden, 630 Mio. € Zinsen jedes Jahr. Darüber müssten wir jeden Tag reden, bis wir einen Weg gefunden haben, um aus dieser Nummer rauszukommen.

(Beifall FDP)

Und Ihnen ist es zu viel, wenn wir hier alle zwei Jahre mal einen Antrag stellen und Sie sind noch nicht einmal bereit, zu konzedieren und den Antrag so zu lesen - der Vorwurf geht auch an Frau Lehmann -, dass der sich deutlich verändert hat, und wir auf die wenigen Argumente, die gekommen sind, deutlich eingegangen sind. Das ist Verweigerungshaltung, was Sie hier machen.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Ihr könnt ja nicht mal einen Antrag richtig schreiben und müsst eine Neufassung verteilen.)

Ja, Sie haben immerhin den alten gelesen, haben gemerkt, dass es eine Neufassung brauchte, weil uns tatsächlich ein Fehler unterlaufen ist. Die anderen haben das noch nicht einmal gemerkt, warum die Neufassung nötig war. Aber, Herr Kollege Emde, schreien Sie nicht so laut. Ihre Mitarbeiter machen vielleicht auch mal einen Fehler. Ich bin froh darüber. Mir ist es lieber, wenn mal ein Fehler passiert, der korrigiert wird, als wenn gar nichts gemacht wird.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wo er recht hat, hat er recht.)

(Beifall FDP)

Pidde 1 vom 14. Februar: „...die stringenteste Schuldenbremse aller Bundesländer hat der Freistaat Thüringen, nämlich in der Landeshaushaltsordnung.“ Herr Pidde, ich widerspreche Ihnen ausdrücklich. Stringent wäre ein Neuverschuldungsverbot in der Verfassung,

(Beifall FDP)

denn das Verfahren 2010 und 2011 hat es doch gezeigt. Sie selbst haben zweimal in diesen Jahren Schulden gemacht, obwohl das Neuverschuldungsverbot in der Landeshaushaltsordnung stand. Das hat nämlich die CDU-Regierung, Alleinregierung, die Fraktion noch 2009 in die Landeshaushaltsordnung hineingeschrieben. Sie hat das einen Dreck geschert, was da drin steht, sie wussten überhaupt nicht, ob sie diese Schulden in den fünf Jahren irgendwie zurückzahlen können und sie haben es trotzdem gemacht.

(Beifall FDP)

So viel zum Thema stringentes Neuverschuldungsverbot. Ein einfach in der Verfassung verankertes Neuverschuldungsverbot, bei dem Sie nämlich eine Zweidrittelmehrheit bräuchten, um eine Ausnahme hinzubekommen, das wäre ein stringentes Neuverschuldungsverbot. Die Zweidrittelmehrheit hätten Sie 2010 nie bekommen.

(Beifall FDP)

Pidde 2 ist im Prinzip das, was der Kollege Meyer auch gesagt hat: „Deshalb wurde ein Mittel zur Disziplinierung der Abgeordneten gefunden, was eigentlich ein Armutszeugnis ist, weil ich sage, das müsste das selbstverständliche Anliegen eines jeden Abgeordneten sein, dass er mit dem Geld, was er zur Verfügung hat, auskommt.“ Das stimmt. Aber auch die Lehre 2010/2011 - Sie sind eben nicht in der Lage, mit dem Geld auszukommen. Kollege Mohring von der CDU-Fraktion hat 2010 gesagt, die eine Milliarde, die jetzt mehr ausgegeben wird, die sieht man gar nicht, wenn man durch das Land geht. Das war nur, um Ihre Wahlversprechen zu finanzieren, nur damit Ihre vier Minister nach Hause gehen konnten und sagen konnten, wir haben was erreicht, wir haben Geld ausgegeben. Nur dafür haben Sie 600 Mio. neue Schulden aufgenommen. Wie war das? „Das müsste das selbstverständliche Anliegen eines jeden Abgeordneten sein, dass er mit dem Geld, was er zur Verfügung hat, auskommt.“ Wir reden nicht über zu Hause, Herr Pidde, da weiß ich nicht, wie Sie haushalten, wahrscheinlich besser als hier. Hier tun Sie das jedenfalls nicht. Dieses selbstverständliche Anliegen haben Sie für sich in keiner Weise auch nur annähernd umgesetzt.

(Beifall FDP)

Deshalb brauchen wir nach meiner festen Überzeugung, nach unserer festen Überzeugung dieses Neuverschuldungsverbot in der Verfassung, um es eben mit einer entsprechend hohen Hürde einer parlamentarischen Mehrheit zu schützen und nur noch in Ausnahmesituationen, in klar definierten Ausnahmesituationen, die Möglichkeit zu eröffnen, neue Schulden aufzunehmen. Das Grundgesetz eröffnet genau diese Möglichkeit, dass die Länder eben von dieser Schuldenbremse, die im Grundge

setz festgeschrieben ist, Ausnahmeregelungen treffen.

Wir schlagen vor, deutlich in Änderung unseres Antrags aus dem Jahr 2011 genau zwei Ausnahmesituationen zuzulassen. Es geht zum einen um den Fall einer stark abweichenden konjunkturellen Entwicklung. Das ist einer der zentralen Punkte, Herr Pidde, den gerade Sie auch bei den letzten Beratungen kritisiert haben, einer der Punkte, an dem Sie Ihre Ablehnung festgemacht haben. Wir sind auf diesen Punkt eingegangen und sagen, dass, wenn wir eine konjunkturelle Delle haben, wenn die Steuereinnahmen sich um mindestens 3 Prozent gegenüber dem mittelfristigen Mittel der vergangenen vier Jahre nach unten entwickeln, dass dann in einer solchen Situation neue Schulden gemacht werden dürfen, aber auch nicht unbegrenzt natürlich. Es ist in unserem Vorschlag klar vorgesehen, dass der Ausgleich nur auf 99 Prozent dieses Durchschnitts erfolgen darf. Der klare Hintergrund ist natürlich, um in einer solchen Situation trotzdem Spardruck aufrecht zu erhalten, eben keinen unbegrenzten Ausgleich machen zu können, sondern genau diesen Grundsatz „wenn weniger Geld da ist, muss auch weniger ausgegeben werden“ in einer solchen Situation aufrecht zu erhalten. Herr Pidde, das ist das selbstverständliche Anliegen eines jeden Abgeordneten, dass er mit dem Geld, was er zur Verfügung hat, auch auskommt.

Die zweite Ausnahme soll im Fall von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen möglich sein, die drei Kriterien erfüllen müssen. Sie müssen außergewöhnlich sein, ihr Eintritt muss sich der Kontrolle des Staates entziehen und sie müssen den Haushalt erheblich beeinträchtigen. Das Hochwasser wäre so ein Fall gewesen. Herr Meyer, die Frage der Dämme ist es ausdrücklich nicht, weil die Dämme in den überwiegenden Fällen auf der Grundlage von Berechnungen von Experten für das durchschnittliche Hochwasser gebaut sind. Dass das nicht in jedem Fall funktioniert, ist auch klar, aber ein hundertjähriges Hochwasser ist nun einmal ein Extremereignis, wo man tatsächlich vor der Frage steht, sorgt man für so etwas langfristig vor. Oder nimmt man statistisch alle 100 Jahre

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Im Durchschnitt alle fünf Jahre.)

- und darum geht es, das kann auch fünf Jahre hintereinander passieren und dann statistisch eben die nächsten 500 Jahre nicht mehr

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das glauben Sie doch selber nicht.)

und nimmt man diese Schäden in Kauf, das ist schlicht und ergreifend eine Minimum-MaximumRechnung, die da gemacht wird. Deshalb sind es

die Deiche eben nicht. Da gibt es übrigens auch andere Maßnahmen, als nur Deiche zu bauen.

(Zwischenruf Abg. Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh, ja, die Umverlegung von Dei- chen zum Beispiel.)

Man kann auch Retentionsflächen vorhalten, man kann auch entsprechend mit Bebauungsverboten vorgehen. Die Stadt Dresden ist das beste Beispiel, seit August dem Starken darf der Uferstreifen an der Elbe nicht bebaut werden. Es gibt andere Länder, wir sehen jedes Jahr die Geschichten vom Rhein, wo die uferbebauten Anwohner dort jedes Jahr nasse Füße bekommen. Solche Dinge kosten viel weniger Geld und sind offenkundig viel nachhaltiger. Mit diesen beiden Ausnahmen, diesen Regelungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, würden wir genau den im Grundgesetz für die Länder ermöglichten Spielraum wahrnehmen.

(Beifall FDP)

Es macht natürlich Sinn, dass der Landtag darüber entscheidet, ob eine solche Ausnahmesituation gegeben ist. Auch das steht in dem Gesetzentwurf und ist auch eine Änderung gegenüber dem Entwurf aus dem Jahr 2011. Im Fall der sinkenden Einnahmen ist im Gesetzentwurf vorgesehen, dass der Landtag das mit einer einfachen Mehrheit feststellt. Hier reicht nach unserer Meinung die einfache Mehrheit aus, denn 3 Prozent oder mehr als 3 Prozent von einem vierjährigen Mittel, das kann man relativ einfach ausrechnen, der Parameter ist an sich relativ klar, so dass also hier aus unserer Sicht eine einfache Mehrheit ausreicht.

Etwas anders liegt die Sache im Fall der Naturkatastrophen bzw. außergewöhnlichen Notsituationen. In diesen beiden Punkten wird im Gesetzentwurf eine Zweidrittelmehrheit des Landtags vorgesehen, die das hier entsprechend beschließt. Damit wollen wir sichern, so der Vorschlag, dass der zugegebenermaßen durchaus unbestimmte Begriff einer außergewöhnlichen Notsituation oder auch einer Naturkatastrophe nicht von irgendeiner Landesregierung, völlig egal, wer in ihr sitzt, irgendwann einmal so weit ausgelegt wird, dass quasi jedes Gewitter eine Naturkatastrophe ist, nur, weil irgendwie noch ein paar Straßen oder ähnliche Dinge vielleicht nicht in den Haushalt hineingepasst haben. Hier also ausdrücklich eine Zweidrittelmehrheit, um üblicherweise zu sichern, dass zumindest auch Teile der Opposition der Einschätzung, dass es sich hier um ein entsprechendes Szenario handelt, mit folgen. Die Tilgung der Schulden soll jeweils innerhalb von fünf Jahren erfolgen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie ich schon bei der Einbringung gesagt habe, es ist kein jährliches Ritual, sondern es hat sich einiges bewegt in den zwei Jahren seit unserem letzten Antrag. Die CDUFraktion hat sich in einer Aktuellen Stunde zum

Thema bekannt. Frau Lehmann, ich weiß nicht, wo Sie damals waren, Ihre Rede heute hat jedenfalls irgendwie nahegelegt, dass Sie damals im Urlaub gewesen sind oder vielleicht bei den Kollegen von der SPD gesessen haben. Die Regierungschefin, Ihre Regierungschefin - die ist sogar in Ihrer Fraktion, Frau Lehmann - hat beim Tag der Deutschen Einheit in Sondershausen ausdrücklich die Forderung aufgemacht, eine Schuldenbremse in die Thüringer Verfassung aufzunehmen.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das ist doch unsere Forderung.)

Christine Lieberknecht hat das gemacht, diese Forderung.

(Unruhe CDU)

Sie ist Regierungschefin einer schwarz-roten Regierung und wenn sie eine Rede hält als Regierungschefin, dann ist es nicht die Privatperson Christine Lieberknecht und auch nicht die Abgeordnete, sondern dann ist es die Regierungschefin.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Ja und, das wissen wir doch.)

Sie können nachschauen, Herr Mohring, in den Einladungen und Ankündigungen war sie als Ministerpräsidentin angekündigt, sie hat also für die Regierung gesprochen, nicht für die CDU-Fraktion. So viel will ich an der Stelle einmal festhalten.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das ist doch unsere Beschlusslage.)

(Beifall FDP)

Ich habe das vorhin gesagt - Herr Mohring, Sie haben doch eine Redezeit, Sie können dann hier vorkommen, ich lasse mich auf das Spielchen nicht ein. Die Kollegen im Sächsischen Landtag haben mit großer Mehrheit - FDP, CDU, SPD, Grüne und selbst einige Kollegen von den Linken haben dort zugestimmt. Das Neuverschuldungsverbot, was dem Vorschlag, den wir hier unterbreitet haben, sehr ähnlich ist, wurde in die sächsische Verfassung aufgenommen. Deshalb glaube ich, dass wir gut beraten wären, wenn wir diese Gesetzentwürfe gut beraten würden.

(Beifall FDP)

Ich beantrage für meine Fraktion die Überweisung der Gesetzentwürfe an den Haushalts- und Finanzausschuss und den Justizausschuss und würde mich sehr freuen, wenn es den Koalitionsfraktionen gelänge, über diese Hürde zu gehen, um damit wenigstens zu demonstrieren, dass sie bei einem Thema, was für viele Hunderttausend junge Leute in den nächsten Jahren ein zentrales Zukunftsthema sein wird, denn die müssen die Schulden irgendwann zurückzahlen, die wir heute hier machen, die diese Koalition gemacht hat, die auch die Vorgän

gerkoalitionen gemacht haben, auch die Alleinregierung, die jungen Leute müssen das zurückzahlen. Ich glaube, das ist nicht nur anständig und angemessen, sondern das ist unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit, zumindest ernsthaft über diese Dinge zu debattieren und den jungen Leuten, aber auch den älteren in diesem Land die Sicherheit zu geben, dass wir es ernst meinen mit Haushaltsdisziplin, dass wir uns auch selbst disziplinieren, jawohl, Herr Pidde, auch selbst disziplinieren, wenn es eben nicht anders geht. Und dass es nicht anders geht, haben Sie bewiesen.

(Beifall FDP)

Deswegen appelliere ich an Sie: Überweisen Sie diese Anträge an den Haushaltsausschuss. Es geht nicht darum, die beiden Gesetzentwürfe unverändert hier beschließen zu lassen. Wir sind zu jeder Diskussion bereit. Allein die Tatsache, dass wir einen veränderten Gesetzentwurf noch einmal vorlegen, sollte Ihnen das deutlich machen, dass es uns nicht darum geht, hier am Ende recht zu haben, sondern dass es uns darum geht, mit einer geordneten Debatte, mit einer vernünftigen Debatte zu einem Beschluss zu kommen, der dieses Land endlich in die Perspektive versetzt, dass hier keine neuen Schulden ohne Not mehr gemacht werden. Das ist es, worum es geht.

(Beifall FDP)

Ich bitte Sie und fordere Sie auf, sich dieser Diskussion nicht zu verweigern. Vielen Dank.