Protokoll der Sitzung vom 28.02.2014

(Beifall CDU)

Und ich möchte mich auch bei allen Fraktionen hier im Thüringer Landtag bedanken, dass sie unserem Antrag beigetreten sind und dass wir heute hier einen gemeinsamen Antrag zu Europa vorlegen können,

(Beifall DIE LINKE)

vor allem auch als ein Zeichen, dass die Parteien des Thüringer Landtags, die im Thüringer Landtag vertreten sind, zu Europa stehen, dass sie europäisch sind und dass wir von dieser Bühne aus die Thüringerinnen und Thüringer auffordern, zur Europawahl zu gehen. Herr Minister, auch wenn Sie sagen, 2009 lagen wir in der Wahlbeteiligung weit über dem Bundesdurchschnitt und auch über dem Europäischen Durchschnitt, natürlich müssen wir da auch der Fairness halber sagen, das haben wir unter anderem dem Umstand mit zu verdanken, dass wir schon 2009 die Verknüpfung des Wahltermins mit der Kommunalwahl hatten, was auch dieses Jahr wieder der Fall ist. Da fällt natürlich die Mobilisierung, in das Wahllokal zu gehen, etwas leichter als in Ländern, wo nur die Europawahl stattfindet. Wir müssen aber feststellen, dass 2009 trotzdem die Stimmabgabe, was Europa betraf, niedriger war als die Stimmabgabe für die Kommunalwahlen. Das heißt also, wir dürfen das nicht dem Automatismus überlassen. Die Zahlen, die im Eurobarometer enthalten sind - das sind alles Erhebungen aus dem Jahr 2013 -, da ist es schon bedenklich, wenn nur 32 Prozent der Befragten in dieser Republik wussten, dass im Jahr 2014 Europawahlen stattfinden - 32 Prozent. Das ist doch eine niedrige Zahl, wo wir wirklich noch wirksam daran arbeiten müssen, dass wir den Menschen klarmachen müssen, was Europawahlen sind, warum sie zur Europawahl gehen sollen. Wichtig dabei ist, wie wird Europa dargestellt. Oft ist die mediale, aber ich muss auch sagen, die politische Darstellung von Europa so, dass sie nicht zu einer Motivation, sich für Europa einzusetzen, einlädt. Wenn der Bürger Nachrichten über Europa hört, was hört er in erster Linie: Krise, Krise, Krise - also viele negative Sachen. Was natürlich klar ist, diese Krise gibt es, diese Krise ist da und sie wirkt sich auf die Bürger aus. Er liest und hört etwas vom bankrotten Griechenland, von südeuropäischen Staaten, die pleite sind. Er hört solche Diskussionen, die Deutschen müssen alles bezahlen für diese Staaten. Wir kennen die Diskussion, mit dem Euro wird alles teurer, und es gibt noch weitere gruselige Diskussionen in der Beziehung. Auch das wird im Eurobarometer deutlich. Die Mehrheit der im Eurobarometer Befragten hat eins aber hervorgebracht, und das ist doch be

merkenswert: Die Europäer und auch die Befragten in der Bundesrepublik wollen mehr Demokratie in Europa haben und sie wollen mehr Befugnisse für das Europäische Parlament. Eine Frage war auch, und dafür hat sich eine Mehrheit ausgesprochen, die Direktwahl des Ratspräsidenten durch die Europäerinnen und Europäer. Sie wollen nicht, dass dann über Regierungschefs im Europäischen Rat oder nur im Parlament der Ratspräsident gewählt wird, nein, sie wollen, dass das die Europäer selbst entscheiden.

Eins hat das letzte Jahr auch deutlich gemacht: Wenn die europäischen Bürger zu einer Entscheidung aufgerufen werden, dann wissen sie sehr wohl, wie sie sich zu entscheiden haben. Ich spreche hier vom Europäischen Bürgerentscheid „Wasser ist ein Menschenrecht“. Das war der erste Europäische Bürgerentscheid und der hat maßgeblichen Einfluss gehabt, dass es verhindert werden konnte, dass die Trinkwasserversorgung privatisiert wurde. Ich glaube, das ist doch ein Erfolg und diesen Erfolg müssen wir den Menschen deutlich machen: Mischt euch ein und das ist auch ein Grund, zur Europawahl zu gehen.

(Beifall DIE LINKE)

Bemerkenswert, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist auch eins, die Mehrheit der Befragten hat sich für eine Angleichung der sozialen Sicherungssysteme ausgesprochen. Hört, hört, kann ich an dieser Stelle sagen. Die Menschen wollen eben nicht nur die Macht der Banken und die Macht des Rates, nein, sie sprechen davon, wir müssen die Lebensverhältnisse in Europa weitestgehend angleichen und vor allem, wir brauchen eine Angleichung der sozialen Sicherungssysteme. Wo sahen die Europäer vor allem mehr Einsatz durch die Europäische Union? Das war in der Armutsbekämpfung, das war in der Bildung und das war bei der Bewahrung der sozialen Sicherungssysteme. Da möchte ich hier wirklich sagen, wir brauchen nicht nur eine Wirtschaftsunion oder eine Bankenunion. Da erhebe ich auch die Forderung namens meiner Partei, wir brauchen in Europa vor allem an erster Stelle eine Sozialunion.

(Beifall DIE LINKE)

Und deutlich, dass wir so eine Sozialunion brauchen, ist auch die Tatsache aus dem Eurobarometer, dass es mehr Zustimmung für die EU in starken europäischen Staaten der EU - Deutschland, Großbritannien, Frankreich - und es in südeuropäischen Staaten weniger Akzeptanz für die EU gab. Das hat ganz einfach etwas mit den Lebensverhältnissen in den Ländern zu tun und vor allem auch mit den Ursachen bei den Auswirkungen der Krise auf diese Staaten, wo nun einmal die südeuropäischen Staaten am meisten betroffen sind, wo aber die starken Staaten in Europa einen wesentlichen Anteil daran haben, dass es unter anderem zu diesen Krisen gekommen ist. Bemerkenswert war im letzten Jahr

auch, dass zum Beispiel Deutschland durch die Kommission auch den erhobenen Zeigefinger gezeigt bekommen hat, nämlich was die Frage des Exportüberschusses betrifft. Da muss ich auch aus unserer Sicht feststellen, die niedrigen Löhne bei uns haben dazu beigetragen, dass Deutschland Exportweltmeister ist, und haben dazu beigetragen, dass unsere Waren in diesen Ländern angeboten, verkauft wurden und dass damit auch die Produktionskraft in diesen Ländern eingeschränkt war. Im Prinzip haben wir auf Kosten dieser Länder gelebt.

Ich möchte auch an dieser Stelle sagen, die Menschen wollen selbst entscheiden und sie wollen nicht, dass das Recht dieser Staaten durch die Troika bestimmt wird und die Selbstbestimmung eingeschränkt wird. Ich möchte das natürlich sagen, weil ich hier Diskussionen höre. Auch wenn wir sagen, wir stehen alle für Europa, da muss es uns gestattet sein, dass wir trotzdem zu den einen oder anderen politischen Fragen in Europa natürlich unterschiedliche Ansichten haben. Das ist normal. Wichtig ist, was uns einen sollte, ist, dass wir auf alle Fälle für die europäische Integration sind. Deshalb sage ich, wir brauchen auch ein solidarisches Europa.

Ein Ausdruck dafür ist zum Beispiel auch die Strukturförderung - und das sollte auch unseren Menschen klargemacht werden: Thüringen hat seit der Wende über 8 Mrd. € an Strukturförderung aus dem ESF und EFRE erhalten. Auch wir erkennen, ohne diese Mittel wäre die Schaffung einer sozialen Infrastruktur in Thüringen nicht möglich gewesen. Und ohne diese Mittel wäre in den Jahren 1990 und den folgenden Jahren die Arbeitslosigkeit noch höher gewesen und es wäre keine Arbeitsmarktpolitik möglich gewesen. Deshalb brauchten wir auch weiterhin diese Strukturförderung und die Strukturförderung hat auch etwas mit europäischer Integration zu tun.

Was wir aber nicht brauchen, ist in Europa eine Sozialneiddiskussion, das möchte ich an dieser Stelle auch sagen. Herr Minister, Sie haben gesagt, wir müssen alles tun, dass rechtspopulistische Kräfte und rechte Kräfte nicht die Oberhand gewinnen, wenn es um europapolitische Fragen geht. Das ist richtig. Deshalb ist es eben auch sehr schädlich, muss ich an dieser Stelle sagen, wenn wir aus Bayern eben Diskussionen bekommen: Armutszuwanderung, Sozialtourismus nach Deutschland hinein. Das ist eine Diskussion, die können wir überhaupt nicht gebrauchen und vor allem erzeugt sie Sozialneid und geht an der Realität in diesem Land vorbei. Es muss endlich Schluss sein, dass wirklich Arbeitnehmer aus Deutschland gegen Arbeitnehmer aus Italien oder weiteren osteuropäischen Ländern ausgespielt werden. Im Gegenteil, wir brauchen auch hier bei uns die Integration von europäischen Mitbürgern. Gerade wenn ich an unsere Fachkräftesituation in Thüringen denke, brauchen wir Zuwan

derung, brauchen wir die Hilfe auch aus anderen europäischen Ländern.

Sie sprachen davon - und das finde ich gut -, was auf der Informationsveranstaltung bekannt gegeben wurde, vor allem welche Veranstaltungen durchgeführt werden durch das Europäische Informationszentrum - das ist gut und richtig. Ich möchte einschätzen, das letzte Jahr hieß das Europäische Jahr der Bürgerinnen und Bürger, dazu muss ich sagen, das war ein bisschen dünn, was an dieser Stelle in Thüringen stattfand. Ich kann mich an eine Veranstaltung erinnern, das war die Eröffnungsveranstaltung in Jena. Und dann kann ich mich wenig an Veranstaltungen, die auch vonseiten der Landesregierung durchgeführt wurden, erinnern. Das war aus meiner Sicht nicht das Europäische Jahr der Bürgerinnen und Bürger, wie wir uns das eigentlich vorgestellt hatten.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Das liegt nur an Ihrem mangelnden Erinnerungsvermögen, Herr Kollege.)

Deshalb ist es wichtig, dass jetzt wirklich auch die Mitarbeiter des Informationszentrums Veranstaltungen draußen durchführen, aber ich möchte jeden hier in diesem Hause auffordern, sich an diesen Veranstaltungen mit zu beteiligen. Wir müssen hinaus und müssen den Menschen erklären, was ist Europa, wie schaffen wir ein Europa, was für alle Menschen da ist. Ich muss feststellen - und Sie haben davon gesprochen, wo die Veranstaltungen stattfinden sollen, an Schulen, bei Jugendlichen und dergleichen mehr -, ich muss täglich draußen feststellen, ich weiß nicht, wie es anderen geht, die Jugend ist, was den europäischen Gedanken betrifft, schon weit. Das kommt unter anderem davon, wir haben Europaschulen, wir haben Schüleraustausch, wir haben die ERASMUS-Programme und dergleichen mehr. Ich glaube, bei der Jugend sind Potenzen eines europäischen Gedankens und Austausches vorhanden. Das muss ich an dieser Stelle feststellen. Aber bei unseren älteren Menschen gibt es noch viele, viele Fragen zu Europa und auch eine Europaskepsis. Ob das nun aus ihren Lebenserfahrungen resultiert, möchte ich hier nicht einschätzen. Ich will damit sagen, wir müssen uns auf die Jugend konzentrieren, aber nicht nur auf die Jugend. Ich glaube, wir müssen uns auf die gesamte Bevölkerung hier in Thüringen konzentrieren, wenn es darum geht, dass wir sie mobilisieren wollen und dass wir vor allem den Integrationsgedanken, den europäischen Gedanken in die Bevölkerung hineintragen wollen.

Wichtig ist aber bei all dem, wenn wir die Menschen für die Europawahlen mobilisieren wollen, müssen wir ihnen erklären, was Europa für sie bringt, und wir müssen vor allem Antworten auf soziale Fragen finden, die die Menschen in Europa betreffen. Ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE)

Für die FDP-Fraktion hat Abgeordneter Koppe das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, bevor ich mich zum eigentlichen Inhalt des Eurobarometers 79.5, wie es richtig heißt, äußern möchte, vielleicht trotzdem zwei, drei Bemerkungen zum Kollegen Kubitzki.

Lieber Kollege Kubitzki, ich achte dich als Vorsitzenden des Europaausschusses, das habe ich auch schon ein paar Mal gesagt. Ich kann mich auch nicht erinnern, als wir zu Europa geredet haben, dass solche Punkte wie heute zur Sprache gekommen sind, auch hier gefallen sind. Wenn man sich hier vorn hinstellt und erzählt, dass wir in Deutschland als Niedriglohnland davon profitieren, dass es anderen schlecht geht, dann habe ich erstens den Inhalt nicht verstanden. Und zweitens: Wenn wir Niedriglohnland sind, warum ist es denn so, dass viele Menschen auch aus Europa nach Deutschland kommen möchten und auch kommen und relativ wenig Deutsche nach Südeuropa gehen?

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Weil sie gar nichts haben.)

Genau. Und deswegen sind wir Niedriglohnland? Das müsste mir vielleicht noch einmal jemand erklären, das habe ich so nicht richtig verstanden,

(Unruhe DIE LINKE)

aber ich würde es mir lieber vom Kollegen Kubitzki erklären lassen, Frau Scheringer-Wright. Aber gleichwohl ist das ein Punkt, vielleicht kann mir das noch mal jemand erklären. Ein Punkt noch, es ist vom Kollegen Kubitzki gesagt worden, dass nur 32 Prozent der Deutschen im Jahr 2013, also in dem Jahr, als dieses Barometer erstellt worden ist, gewusst haben, dass im Jahr 2014 Europawahlen sind. Ich würde dagegenhalten, mich hätte auch interessiert, wie das Ergebnis ausgesehen hätte, wenn wir im Jahr 2013 in Thüringen gefragt hätten, wie viele Menschen gewusst hätten, dass im Jahr 2014 Landtagswahlen in Thüringen sind. Das eine mit dem anderen so zu vermischen, ich glaube, das tut auch dem Thema nicht gut. Der dritte Punkt, eine Sozialneiddebatte, da bin ich bei Ihnen, sollten wir grundsätzlich nicht anzetteln, aber dann gehört auch dazu, dass man nicht selbst noch Öl ins Feuer gießt mit Begriffen wie „Niedriglohnland“ und „wir profitieren von den schlechten Zuständen, zum Beispiel in Südeuropa“. Ich glaube, das ist der falsche Weg. Wenn wir gemeinsames Interesse auch unter den Menschen in Thüringen und auch in

Deutschland erreichen wollen, sollten wir uns das zumindest in dem Zusammenhang nicht antun.

(Beifall FDP)

Nun zum Barometer. Laut den Umfrageergebnissen des Eurobarometers in Deutschland ist es allen Unkenrufen zum Trotz positiv und in Kernbotschaften besetzt. Diese Botschaft will ich an dieser Stelle auch noch einmal eindrücklich betonen, denn ich glaube, das ist ganz wichtig. Die Mehrheit der Deutschen weiß laut diesem Barometer, dass Europa gut ist, und sagt es dort auch. Das gilt gerade für diejenigen, die meinen, aus kritikwürdigen Einzelpunkten eine generelle Europaablehnung herauszulesen. Auch hier zeigt sich, und das will ich an der Stelle auch noch einmal betonen, dass die Menschen durchaus klüger sind, als ihnen das so mancher Politiker und so manche politische Gruppierung zutrauen würde.

Danke, Herr Minister, auch an der Stelle noch einmal, für den ausführlichen Bericht, auch für Ihre positive Grundeinstellung zum Thema, denn das ist das, was ich am Anfang gemeint habe, wenn wir Menschen gewinnen wollen für ein gutes, für ein positives und auch für alle ertragreiches Europa, dann sollten wir zumindest auch mit gutem Beispiel vorangehen. Ob und inwieweit die Ergebnisse der Studie tatsächlich in die Europastrategie der Landesregierung einfließen können, muss man anhand der noch reichlich globalen Fragestellungen im Einzelnen jedoch abwarten. Aber dafür - und jetzt kommt das Lob an den Vorsitzenden - haben wir den Ausschuss und einen aus meiner Sicht emsigen Vorsitzenden, der hier sicherlich zeitnah den Bericht der Landesregierung erwarten wird.

Lassen Sie mich noch auf zwei, drei Punkte eingehen. Die Mehrzahl der Deutschen ist der Meinung, dass der Euro wichtig ist für Deutschland. Im Zusammenhang, dass 68 Prozent der Überzeugung sind, dass die Mitgliedschaft der Bundesrepublik in der EU positive Auswirkungen auf unser Land hat, kann man erkennen, dass europäische Institutionen doch nicht so negativ besetzt sind, wie es im Allgemeinen kolportiert wird. Aber es gibt auch einen hohen Bedarf, sich stärker in die Europapolitik einzumischen. Hier reicht der Hinweis darauf, dass die meisten den Präsidenten der Europäischen Kommission gern direkt wählen würden. Ich sage an der Stelle auch ganz deutlich, hier sollten wir durchaus das Drängen der Bürger nach mehr Mitwirkung und Beteiligung ernst nehmen.

(Beifall FDP)

Dass die Mehrheit der Deutschen zudem die Schulden, die Staatsschuldenkrise und die Zukunft der öffentlichen Haushalte als drängendstes Problem wahrnimmt, sollte der Thüringer Landesregierung der Finanzminister ist gerade nicht da, aber vielleicht richtet es ihm der Europaminister aus - tat

(Abg. Kubitzki)

sächlich Anlass zum Handeln sein, vor allem in Fragen der Konsolidierung des eigenen Haushaltes.

Zum Schluss noch der Hinweis, dass - darüber freue ich mich ganz besonders - Europa in diesem Barometer gerade über die gemeinsamen Werte für Demokratie und Freiheit definiert wird.

(Beifall FDP)

Dies ist eine Erkenntnis des Eurobarometers, das mich hoffnungsvoll in die Zukunft blicken lässt. Daher geht mein Appell an dieser Stelle auch an alle, die bisher gute gemeinsame Zusammenarbeit im Europaausschuss über Fraktions- und Parteigrenzen hinweg zum Wohle des Freistaats Thüringen fortzusetzen. Wir jedenfalls sind dazu bereit und freuen uns darauf. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Für die CDU-Fraktion hat Abgeordneter Bergemann das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie sagte meine Kollegin Beate gerade - „über Europa reden heißt, Europa erleben“. Genau das ist der Punkt. Wir können hier heute in der Debatte natürlich alle Zahlen noch einmal hoch und runter deklinieren, aber die Wirklichkeit ist eben oft eine andere. Ich bin dem Minister auch dankbar, dass er einmal einen weiteren Blick gegeben hat, was aus dem Eurobarometer heraus entsteht, das übrigens, Herr Kubitzki hat es gesagt, vor einem Jahr in 34 Ländern gestartet ist. Da waren 27 EU-Staaten dabei, inzwischen ist Kroatien auch in der EU. Aber da wurden Kroatien, Mazedonien, Serbien, die Türkei, die Beitrittskandidaten befragt, aufbauend auf einer Umfrage, die schon seit 1973 durchgeführt wird. Deshalb wäre es interessant, wenn man einmal so eine Bilanz ziehen würde über die vielen Jahre. Es sollte uns vermitteln, was wir oder die Menschen tatsächlich jetzt im Rahmen des europäischen Projektes, im Rahmen der Europäischen Union und im Hinblick auf die Wahlen in gut drei Monaten erwarten von diesem Barometer. Ich habe auch einmal ein bisschen intensiver durchgeschaut, will das auch nicht wiederholen, was schon gesagt wurde, aber die größten Errungenschaften sind die Freizügigkeit, das ist unstrittig, und der Frieden zwischen den Mitgliedstaaten. Das bewerten die Menschen mit einer absoluten Mehrheit.

(Beifall CDU)

Da spielt in der Frage der Euro eine völlig untergeordnete Rolle, unterscheidet sich noch im Euroraum und im Nicht-Euroraum. Als wichtigster Faktor bei der europäischen Identität steht allerdings der Euro wieder ganz vorn an. Da sind also

solche wichtigen Fragen wie Werte der Freiheit nachgeordnet, Kultur, Geschichte hintenan. Also man sieht schon, dass sich das tatsächlich auch ein bisschen je nach Zugehörigkeit dort verändert und wandelt. Bei der Mehrheit der Europäer ist es in puncto Identität so, dass national und europäisch gedacht wird. Aber auch nur ein Drittel von den Leuten insgesamt. Man kann das jetzt einmal in Prozentzahlen ausdrücken, da sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Aber man kann auch einmal die Anzahl der Befragten hinstellen und da muss man einfach sagen: Wie ist das Gefühl der Bürger?

Lieber Kollege Kubitzki, das ist wohl richtig, da geht es um Alltagsthemen. Und als Alltagsthemen sind genannt worden vor allem ein europäisches Sozialschutzsystem, nicht ein vereinheitlichtes Sozialsystem, das ist ein feiner Unterschied.

(Zwischenruf Abg. Kubitzki, DIE LINKE: Ich habe „Sicherungssystem“ gesagt.)

Ja, ja, du hast gesagt: Sozialsystem. Ich bin sehr dafür, dass man europaweit schaut, welche Standards können wir wo und wie angleichen. Aber ein gemeinsames Sozialsystem in Europa herzustellen, da gehöre ich nicht ins Wolkenkuckucksheim, beim besten Willen nicht, sondern das muss vernünftig in den unterschiedlichen Ländern ausgewogen werden.

(Beifall CDU, FDP)

Das sind auch die Fragen, Standards zu setzen. Und übrigens, auch da haben die Leute gesagt, ist alles eine tolle Geschichte, dass ich mich im Rentenalter in allen Ländern Europas niederlassen kann. Das gefällt mir auch ganz gut, ich bin auch bald Rentner, ich kann mich dann auch überall in Europa niederlassen. Das ist eine Errungenschaft, die die Menschen auch schätzen. Natürlich steigt auch das Zugehörigkeitsgefühl an bei den Bürgern, das merkt man deutlich, wenn es um ihre eigene Gemeinde geht, wenn es um ihre Stadt geht, wenn es um ihr Land geht. Da sagen neun von zehn Teilnehmern, ich fühle mich europäisch. Das ist auch gut so. Die meisten sagen auch, die EU ist eine gute Sache, keine Frage. Drei von zehn Europäern sind überzeugt, dass ihre Stimme in der EU zählt. Das heißt im Umkehrschluss, ich will es einmal in Prozentzahlen sagen, da ist es nämlich genau: 66 Prozent haben gesagt, nein, meine Stimme zählt nicht, und 29 Prozent haben gesagt, ja, meine Stimme zählt. Aber ihre Stimme in ihrem Land oder die Stimme ihres Landes in der EU, die zählt wieder deutlich höher als das, was der einzelne Bürger empfindet. Man muss, glaube ich, einmal darüber nachdenken, warum das so ist. Da haben wir auch Ansatzpunkte. Es sind vorhin schon ein paar Sachen genannt worden, wo man sich verbessern kann. Über die Funktionsweise der Demokratie ist gesprochen worden. Da sind vier von zehn Befrag

(Abg. Koppe)