Herr Weber, zu Ihnen möchte ich sagen, manchmal ist es gut, wenn man sich vor Ort einfach informiert, bevor man hier die Rede hält.
Sie haben offensichtlich mit niemandem gesprochen. Sie haben offensichtlich sich nicht informiert. Sie haben offensichtlich nicht die Plakate - die haben wir nicht aufgehangen, beim besten Willen nicht - an den Gartenzäunen gesehen, die wirklich aus tiefer Verzweiflung heraus sprechen. Die Leute fühlen sich komplett allein gelassen. Sie fühlen sich komplett - ich sag das platt an der Stelle - von der Politik verarscht und an dieser Stelle ist Ihre Rede völlig unangemessen.
Wenn Sie sagen, wir diskutieren das Ganze ja im Ausschuss und bevor man was im Ausschuss abschließend geklärt hat, darf man es nicht ins Plenum holen. Herr Weber, die Leute brauchen im Moment Hilfe und sie brauchen im Moment das Zeichen, dass Politik ihre Probleme ernst nimmt und an ihrer Seite steht.
Da hilft es überhaupt nicht, dass wir bis zum Sanktnimmerleinstag diesen Antrag im Ausschuss beraten.
Das Leben ist manchmal konkret, meine Damen und Herren. Ich will das an der Stelle - und das kann ich Ihnen nicht ersparen - auch konkret machen. Frau Rösler ist 74 Jahre alt. Sie wohnt seit 51 Jahren gemeinsam mit Ehemann Rudi in ihrem gerade renovierten Haus. Familie Rösler hat ihr Haus verloren. Birgit Hoffmann lebt mit ihrer 80-jährigen Mutter Helga in ihrem Haus. Beide mussten jetzt in eine touristische Unterkunft am Schwimmbad ziehen. Vera und Rolf Peterhaus leben seit über 30 Jahren in ihrem Haus und haben wirklich alles da reininvestiert. Sie mussten nach Weilar ziehen. Die Liste ließe sich noch eine ganze Weile fortsetzen. Ich will Ihnen - und an der Stelle noch mal ausdrücklich dem Minister - damit nur nahebringen: Wir sprechen hier nicht von einem natürlichen zufälligen Ereignis - einem Erdfall oder es war dummerweise gerade eine Straße in der Nähe -, nein, wir sprechen hier über Leute und konkret über ganz klare Bedrohung ihrer Lebensexistenz. Sie haben über Nacht ihr gesamtes Hab und Gut ver
loren. Sie mussten über Nacht ihr Haus verlieren und ich bitte alle Kollegen an dieser Stelle, wenigstens einen Moment innezuhalten und zu überlegen, was wäre, wenn Sie heute Abend nach Hause kommen und Ihnen mitgeteilt würde, Sie könnten morgen nicht wieder in Ihr Haus gehen. Sie nennen das so schön geogene Gebiete, Sie haben damit in gewisser Weise recht, aber das ist eben nicht alles.
Ich möchte an dieser Stelle dazu sagen, gebaut wurden die Häuser in einer Zeit, zu der sich die Erde noch nicht auftat. Es ist nicht die Schuld der Leute, an diesen Stellen ihre Häuser gebaut zu haben, es ist nicht wie in einem Überschwemmungsgebiet, wo dann der Aufschrei kommt, jetzt kommt das Wasser und ich wusste aber eigentlich, dass ich in einem Überschwemmungsgebiet gebaut habe. Es ist wirklich an dem Punkt eine Situation, für die die Leute überhaupt gar nichts können. Es trifft sie keinerlei Schuld. Ich will das an der Stelle noch mal ausdrücklich sagen, mein Kollege Kummer wird das nachher auch noch mal deutlich in seiner Rede machen, wir sind davon überzeugt - und wir haben uns ausdrücklich, Herr Weber, wirklich ausdrücklich vor Ort informiert, wir haben uns die Risse angesehen im Untergrund, wir haben geschaut, wir haben uns alte Chroniken angeschaut -, dass die Situation durch die hundertzwanzigjährige Bergbautätigkeit in der direkten Region - und Herr Minister, das kann man nicht wegreden, es sind ja noch 500 Meter, es ist die direkte Region, es ist direkt in Tiefenort verpresst worden - verstärkt wurde.
Herr Weber, an dieser Stelle auch noch mal ausdrücklich: Sie sagten, wir können doch hier nicht alle Versicherungen übernehmen oder in Haftung treten oder wie auch immer Sie das ausgedrückt haben. Das wissen wir auch. Die Landesregierung ist sich sicher, es handelt sich um ein natürliches Ereignis und Sie sagen, dann muss man eben eine Versicherung haben. Das ist ein so grotesker Satz an dieser Stelle, weil die Leute alle eine Elementarschadenversicherung haben und da ist Erdfall versichert. Und wissen Sie, wie die Situation im Moment ist? Die Versicherungen sagen, keinen Pfennig kriegt ihr von uns. Wir treten nicht in die Leistung, es ist kein natürlicher Erdfall, sie sagen, es gibt zwei Ausschlusskriterien. Es muss ein natürliches Ereignis sein - und auch die Versicherungen sind nicht doof, die wissen auch, das ist eine Bergbauregion - und das Zweite ist, sie sagen, es darf nicht ein verändertes Ereignis sein. Die Behörden haben aus Unkenntnis - das will ich auch an der Stelle gar nicht bewerten - nach dem Erdfall 2002 eine 165-Tonnen-Betonplombe in dieses Loch eingebracht. Jetzt sind wir in der Situation, dass die Versicherung sagt, das ist kein natürliches Ereignis mehr und damit ist klar, dass auf die Betroffenen ein jahrelanger Rechtsstreit zukommt. Wir wollen nichts anderes als diesen Menschen diesen Rechtsstreit
Wir wollen, dass die Landesregierung eine Abtretung übernimmt für die Versicherungsverträge, selber in diesen Rechtsstreit geht. Wenn ich die Worte des Ministers gehört habe, ist doch alles klar, dann können wir gelassen in den Rechtsstreit mit den Versicherungen gehen, wir können gelassen dem Ganzen entgegensehen, weil wir sagen, wir sind der Überzeugung, die Versicherungen müssen leisten. Dann können wir heute die Zahlungen an die Geschädigten, an die Betroffenen leisten und können mit großer Leichtigkeit in den Rechtsstreit mit den Versicherungen gehen.
Ich habe mit Versicherungsexperten gesprochen. Sie sagen, wenn die Betroffenen Glück haben, wird es in zehn Jahren ein Ergebnis geben oder kann es passieren, wenn die Versicherungen die Instanzen durchgehen, es gibt keinen Präzedenzfall an der Stelle, dass es zehn Jahre dauert, bis ein Urteil gefasst wird. Wollen Sie das den Menschen zumuten? Wir sind wieder bei dem Punkt. Es handelt sich um 75-jährige, um 80-jährige Menschen. Wollen Sie denen sagen, vielleicht kriegt ihr in zehn Jahren von eurer Versicherung Geld? Das kann nicht Ihr Ernst sein, Herr Weber.
Ich habe es schon kurz angedeutet, dass ich der Überzeugung bin, dass es sich um kein natürliches Ereignis handelt. Wir haben - und wenn man sich damit ausführlich beschäftigt, kommt man zu dem Schluss - genug Anhaltspunkte, dass es bergbaubedingt ist. Wie gesagt, Herr Kummer wird das noch einmal ausführen. Ich bin wirklich der Überzeugung, wir können die Menschen nicht im Regen stehen lassen. Deswegen unser Antrag, das Land übernimmt die Versicherungsverträge, wir haften gegenüber den Betroffenen und das Land ficht den Streit mit den Versicherungen aus.
Sie haben sich so schön lustig gemacht über Politiker, die in den Krater schauen. Zu Recht - das will ich gar nicht kritisieren - war Ministerpräsidentin Lieberknecht - relativ spät, aber sie war - in Tiefenort vor Ort und sie hat eine 10.000-€-Soforthilfe zugesagt. Das klingt auf den ersten Blick nicht schlecht, aber wenn ich mir überlege, dass die Menschen von einem Tag auf den anderen ihr gesamtes Hab und Gut verloren haben, nehmen Sie es mir nicht übel, dann sind die 10.000 €, wenn überhaupt, ein Tropfen auf den heißen Stein.
Frau Kollegin Wolf, haben Sie eine Vorstellung, was die dort stehenden Häuser ungefähr im jetzigen Verkehrswert Wert wären?
Das haben wir, wir haben mit entsprechenden Menschen gesprochen. Ich kann Ihnen das nicht für jedes Haus konkret sagen, das ist auch nicht meine Aufgabe, Ihnen das konkret zu sagen. Ich weiß, dass natürlich Häuser auch dort stehen, die einen Wert über 200.000 € haben. Das ist mir klar.
Vielleicht kann er seine Frage noch einmal konkretisieren, wenn er mit meiner Antwort nicht zufrieden war.
Konkret würde mich interessieren, wie Sie glauben, dass eine Entschädigung in welcher Größenordnung des Verkehrswertes dann fallen müsste.
(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Hört sich an wie Hütchenspieler. Merkt Ihr gar nicht, wie zynisch Ihr seid?)
Das ist ausgesprochen zynisch. Im Übrigen, da sind wir an dem Punkt, da begeben Sie sich in die Denkweise...
(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Ich hoffe, dass das die Betroffenen gera- de auf dem Live-Stream anschauen.)
Das ist eine Denkweise, die auch genauso die Versicherungen machen. Die haben im Übrigen noch einen Punkt, warum sie nicht zahlen, nicht nur, weil da Bergbau ist, nicht nur, weil da eine Betonblombe die ganze Situation verändert hat, nein, die zahlen auch nicht, weil die Häuser noch stehen, weil sie sagen, die Häuser sind noch nicht kaputt und was können wir dafür, dass sie nicht nutzbar sind. Das ist genauso zynisch wie die Frage, die Sie gerade gestellt haben.
Wir haben es in unserem Antrag angesprochen, wir brauchen dringend verstärkte Untersuchungen - auch darauf wird Herr Kummer noch einmal eingehen -, das Frühwarnsystem allein ist zu wenig. An der Stelle meine ausdrückliche Kritik noch einmal, der Minister hat so nebenbei angedeutet, man konnte es zwischen den Zeilen lesen, seit dem Jahr 2005 ist nicht mehr wirklich etwas an Untersuchungen in Tiefenort passiert. Wie wir heute wissen, eine fatale Fehleinschätzung. Es wurde uns, als 2005 die Betonblombe dann endgültig in der jetzigen Größe noch eingebracht wurde - Herr Weber, nur mal so als Info -, im Umweltausschuss gesagt, die Betonblombe hat eine Stabilität, darauf kann man jetzt ein Haus bauen. An der Stelle, nehmen Sie es mir nicht übel, ist mein Vertrauen in die Aussagen der Landesregierung und auch ihrer beratenden Geologen einfach erschüttert.
Es geht nicht darum, das vorhersagen zu können, nein, darum geht es nicht. Es geht darum, wie man damit umgeht, Frau Tasch. Das ist die Frage.
Meine Damen und Herren, der Freistaat Thüringen ist in der Pflicht, Farbe zu bekennen, sich im Interesse der Menschen zu engagieren und ihnen tatsächlich zu helfen. Wir denken, es ist notwendig, die Grundstücke zu übernehmen und in die Verträge einzusteigen. Ich habe es angedeutet, eine 74-jährige Frau hat eben nicht die Zeit, sich über Jahre mit Versicherungen auseinanderzusetzen und hier am Ende möglicherweise doch im Regen zu stehen. Das Risiko beim Land - auch das habe ich versucht anzudeuten - ist aus Ihrer Sicht ja nahezu null. Sie sind von einer
absoluten Überzeugtheit, dass das Ganze ein natürliches Ereignis ist. Von daher können wir auch sicher sein, dass wir das Geld von den Versicherungen am Ende wiedererhalten. Es muss geklärt werden, wie es weitergeht, das ist gar keine Frage. Es müssen die Untersuchungen kommen, es müssen die Geologen an der Stelle ihre Arbeit tun, nur eins können wir nicht tun, wir können nicht weiter wegschauen, wir können nicht weiter die ganze Situation mit einer gewissen - gestatten Sie mir das, wenn ich das hier so sage, aber nach den Worten des Ministers, ist das mein Eindruck - Ignoranz betrachten, sondern es ist wirklich notwendig - und nicht nur für die fünf betroffenen Familien, sondern für ganz Tiefenort und am Ende für die ganze Region - mit großem Bedacht, mit großer Sorgfalt und mit großem Verantwortungsbewusstsein vorzugehen. Denn es sind nicht nur die fünf Familien - das sind die im Moment extrem Betroffenen, das ist gar keine Frage, aber Angst, das kann man ehrlich sagen und das weiß man, wenn man vor Ort aktiv ist, Angst haben in Tiefenort eigentlich fast alle. Alle haben das Gefühl, sie wissen nicht, auf welchem Grund sie gebaut haben, und sie wissen, dass, wenn es zu einer Situation kommt, wo sie auf Hilfe angewiesen sind, sie allein im Regen stehen gelassen werden. Ich danke Ihnen.
Vielen herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Wolf. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Primas von der CDU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin auch ein Stückchen fassungslos über das, was ich gerade gehört habe. Wie kann man denn Leuten draußen suggerieren, wir könnten ihnen das Problem lösen. Ich halte das einfach für unverantwortlich.
Ich sage Ihnen das offen. Ich halte das für unverantwortlich. Wenn ich das nachvollziehe, was Sie jetzt hier gesagt haben, ist der Minister schuld, dass da ein Erdfall ist. Glauben Sie - Sie haben nicht ein einziges Mal den Landkreis erwähnt, Sie haben nicht ein einziges Mal die Kommune erwähnt -,