Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, das hat mit der Aktuellen Stunde auch nichts zu tun. Üblicherweise haben wir drei Tage Plenum, wegen des Wahlkampfes verzichten wir auf einen. Die Dinge haben einfach nichts miteinander zu tun.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Jahr 2006 hat die damalige schwarz-rote Bundesregierung eine Regelung eingeführt, um die es heute geht, und zwar dass die Beiträge zur Sozialversicherung von den Unternehmen nicht mehr wie bis dahin üblich am 15. des Folgemonats - nachdem die Lohnabrechnungen fertig vorliegen, nachdem klar ist, wie viel Lohnsummen gezahlt worden sind - an die Sozialversicherungsträger zu überweisen sind, sondern bereits am drittletzten Arbeitstag des laufenden Monats. Das Ziel war damals, angesichts der Krise, angesichts auch einer schwierigen Arbeitsmarktlage den Sozialversicherungsträgern zur Liquidität zu verhelfen, die diese damals dringend gebraucht haben. Im Jahr 2012 haben die Sozialversicherungsträger Überschüsse von knapp 16 Mrd. € erwirtschaftet. Ich glaube, es ist hier zumindest der Punkt Konsens, dass Sozialversicherungskassen keine Sparkassen sind. Diejenigen, die nun das Problem mit der Regelung haben, sind insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen, bei denen das nämlich schlicht und ergreifend so wirkt, dass sie nicht mehr wie früher jeden Monat einmal eine Lohnabrechnung machen mussten, in der Jahressumme also 12, sondern jetzt zweimal im Monat, also 24-mal im Jahr ihren Monatslohn abrechnen müssen und entsprechend die Zahlungen vorleisten müssen und dann durch Korrekturbelege, wenn sich im Folgemonat herausstellt, dass die Lohnsummen doch ein bisschen anders gewesen sind, entsprechend nachberechnen.
Nun steht am Freitag, also übermorgen, im Bundesrat ein Antrag des Freistaats Sachsen auf der Tagesordnung, der genau zum Ziel hat, diese Regelung angesichts der gut gefüllten Sozialkassen wieder zurückzunehmen. Der Gesetzentwurf soll an die Ausschüsse überwiesen werden.
Es gibt heute einen entsprechenden Artikel in der „Ostthüringer Zeitung“, in der der Verband der Wirtschaft Thüringens, der Geschäftsführer Stephan Fauth zitiert wird - ich darf das vorlesen, Frau Präsidentin - und wörtlich sagt: „Wenn ein Gesetz sein (…) Ziel erfüllt hat, kann es getrost wieder abge
schafft werden. Angesichts der erheblichen Überschüsse der Sozialversicherungsträger und der positiven Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ist die Beibehaltung der vorgezogenen Fälligkeit von Sozialversicherungsbeiträgen nicht mehr notwendig.“ Die Regelung trifft vor allem kleine und mittlere Unternehmen, insbesondere auch in Thüringen, da hier mehr als 95 Prozent der Firmen weniger als 50 Beschäftigte haben. Durch die Rücknahme der Regelung würden diese Unternehmen von überflüssiger Bürokratie entlastet. Diese Entlastungen und Vereinfachungen setzen dann wieder Ressourcen frei, die anderweitig sinnvoll genutzt werden können.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, „anderweitig sinnvoll genutzt werden“ heißt, in kleinen und mittleren Betrieben genau das zu tun, womit sich die Betriebe eigentlich beschäftigen, nämlich ihre Produkte herzustellen, ihre Produkte zu verbessern
und ihre Produkte zu verkaufen. Im Gegensatz zu großen Firmen, die große Personalabteilungen haben, wo das ein ärgerlicher Mehraufwand ist, aber einer, den man verkraften kann, müssen die kleinen Betriebe das aus den kleinen und überschaubaren Ressourcen machen, die sie haben.
Nun hat - Sie werden sich an verschiedene Gelegenheiten erinnern - meine Fraktion hier gelegentlich auch die Angelegenheiten der kleinen und mittleren Unternehmen in Thüringen massiv verteidigt. Wir waren oft der Auffassung, dass in den letzten viereinhalb Jahren Wirtschaftspolitik aus dieser Regierung heraus an den kleinen und mittleren Betrieben in Thüringen vorbeigegangen ist. Das hat immer alles nicht gestimmt. Deswegen fanden wir eine Pressemitteilung des neuen Wirtschaftsministers besonders interessant, der vor etwa zwei Monaten verkündet hat, er wolle die Wirtschaftspolitik in Thüringen neu ausrichten. Es solle zu einer Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik kommen, insbesondere auf die Belange der kleinen und mittleren Unternehmen.
Vielen Dank. Nun haben wir gerade in dieser Woche einen ganz konkreten Anlass, wo sich diese Landesregierung in Beratungen im Bundesrat genau zu dieser Neuausrichtung positionieren kann, und ich glaube, dass es gut wäre, wenn dieser Landtag, wenn das Parlament, wenn diese Volksvertretung der Landesregierung genau den Auftrag mit in diese Beratungen geben würde, das Ziel des
Wirtschaftsministers, Wirtschaftspolitik für kleine und mittlere Unternehmen zu machen, tatkräftig zu unterstützen, indem man sich in den Beratungen im Bundesrat, auch in den Ausschüssen dort klar zu dieser sächsischen Initiative bekennt und damit auch den kleinen und mittleren Betrieben in Thüringen ein bisschen mehr Luft zum Atmen gibt, sie ein bisschen von Bürokratie entlastet und ein bisschen wieder das machen lässt, was sie machen sollen, nämlich ihre Produkte entwickeln, ihre Produkte verkaufen und sie vorher natürlich auch zu bauen. Das wäre mal ein toller Beitrag.
Wir freuen uns, dass Sie diesem Antrag dann auch zustimmen und die Landesregierung mit diesem Auftrag in den Bundesrat schicken. Vielen Dank.
Danke schön. Möchte jemand dagegen sprechen? Das sehe ich nicht. Dann stimmen wir darüber ab, ob der Tagesordnungspunkt 23 in jedem Fall in diesen beiden Plenartagen beraten wird. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen FDP und DIE LINKE. Wer ist dagegen? Dagegen sind die Fraktionen der CDU, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Hat Thüringen die besten Straßen?“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/7737
Jede Fraktion hat in der Aussprache eine Redezeit von 5 Minuten für das Thema. Die Redezeit der Landesregierung beträgt 10 Minuten. Hat die Landesregierung die Redezeit von mehr als 10 Minuten in Anspruch genommen, so verlängert sich die Aussprache für das Thema um die über 10 Minuten hinausgehende Zeit. Die Aufteilung der Verlängerungszeit auf jede Fraktion erfolgt zu gleichen Teilen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Zuschauer auf der Zuschauertribüne, liebe Internetnutzer, zu Beginn unserer Aktuellen Stunde möchte ich betonen, dass wir als FDP-Frak
tion jede parlamentarische Möglichkeit ergreifen, um Probleme des Landes zu beleuchten und zu erklären. Allerdings muss ich auch sagen, dass ich keinerlei Verständnis dafür habe, dass wir das Plenum am Freitag einfach so ausfallen lassen. Ich glaube, es gibt ausreichend Tagesordnungspunkte zu besprechen. Außerdem steht mit großer Wahrscheinlichkeit noch ein Sonderplenum zum Untersuchungsausschuss 5/1 an. Das wollte ich am Anfang meiner kurzen Rede betonen.
Das Thema der Aktuellen Stunde der FDP-Fraktion widmet sich dem maroden Zustand der Thüringer Landstraßen. So werden die meisten von Ihnen sagen, nichts Aktuelles, sondern das beschäftigt den Landtag schon seit vier Jahren. Ja, ich stelle fest, immer aktuell. Am 5. Mai dieses Jahres konnten wir in der TA die Behauptung lesen: Thüringen hat die besten Straßen. Hier wurde festgestellt: Der Anteil besonders gut sanierter Thüringer Landstraßen hat sich von 50 auf 62 Prozent erhöht. Thüringen rangiere im ostdeutschen Vergleich ganz oben. Eine Behauptung, die wir nicht nachvollziehen können. Die Aussage bezieht sich auf das Bundes- und Landesstraßennetz. Dass sich die 1.600 Kilometer Bundesstraßen in einem guten Zustand befinden, das mag wohl sein, aber das ist nicht der Verdienst des Landes. Denn für die Bundesstraßen ist, wie das Wort schon sagt, der Bund zuständig. Vielleicht hat sich der Anteil der sanierten Landesstraßen erhöht, doch trotzdem gibt es in Thüringen noch mehr als 40 Prozent schlechte und sehr schlechte Ortsdurchfahrten sowie freie Strecken.
38, okay. Das ist die erste Aussage, die im Vordergrund stehen muss. Mehr als 40 Prozent aller Landstraßen befinden sich in einem schlechten bis sehr schlechten Zustand, der Minister sagt 38.
Meine zweite Frage ist: Welche Maßnahmen wird das Bauministerium ergreifen, um diese mehr als 40 Prozent in einen vernünftigen Zustand zu setzen? Die Koalition hatte 50 Mio. € pro Jahr für den Erhalt der Landesstraßen versprochen und beschlossen. Wie sah die Realität in den letzten Jahren aus? Die Haushaltsmittel wurden auf durchschnittlich 30 Mio. € pro Jahr heruntergefahren.
Doch nicht nur marode Landesstraßen prägen das Bild, sondern auch der marode Zustand der Brücken im Landesstraßennetz und der schlechte Zustand der kommunalen Straßen. Die Kommunalfinanzen belassen den Kommunen kaum noch Spielräume, um ihre Ortsstraßen zu sanieren, Pflichtaufgaben haben hier den Vorrang. Es können nur notdürftig die großen Schlaglöcher ausgebessert werden. Hinzu kommen 1.800 Kilometer Lan
desstraßen, die abgestuft werden sollen. 1.150 Kilometer wurden in den letzten Jahren bereits den Kommunen übertragen.
Wenn auch immer gesagt wird, die Straßen sollen saniert werden - weniger Geld für mehr Straßen, diese Rechnung kann nicht aufgehen.
Der schlechte Straßenzustand ist eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite steht für mich der Wirtschaftsfaktor des Straßenbaus. In Thüringen wurden in den ersten zwei Monaten dieses Jahres im Bauhauptgewerbe insgesamt 14 Prozent weniger Aufträge abgeschlossen als im Vorjahr. Diese negative Entwicklung wurde durch den Rückbau und Rückgang der Bauleistung im öffentlichen Straßenbau verursacht. Seit den letzten vier Jahren stagnieren die Investitionen für den Erhalt und den Ausbau der Verkehrswege und sind unterhalb des notwendigen Bedarfs. Darum mein Appell: Wir dürfen die Sanierung unserer Straßen nicht vernachlässigen; von der Substanz zu leben bedeutet einen immensen Wertverzehr zulasten der nachfolgenden Generationen und der Wirtschaft in Kauf zu nehmen.
Der Erhalt der Straßeninfrastruktur muss durch eine angemessene Höhe an Haushaltsmitteln gesichert werden. Verspielen Sie nicht die infrastrukturelle Entwicklung unseres Landes, indem Sie auf eine nachhaltige Infrastrukturpolitik verzichten. Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, eigentlich wollten wir bei dieser Fragestellung nur sagen: Nein. Aber ich möchte hier noch ein paar Worte dazu darlegen. Und zwar ist an dieser Knallüberschrift „Thüringen hat die besten Straßen im Osten Deutschlands“ der Minister nicht ganz unschuldig. Denn auf einer Tagung bzw. in der Presse hatte er sich zum Zustand der Bundes- und Landesstraßen geäußert. Im Wesentlichen gibt es drei Gründe für die gute Wertung. Das ist einmal: Es war ein milder Winter, dadurch war die Schlaglochrate nicht so sehr groß. Zum Zweiten ist es die Tatsache, dass zum damaligen Zeitpunkt keine Daten zum Zustand von Kreis- und Gemeindestraßen zur Verfügung standen und außerdem die Statistik selbst. Herr Untermann hat schon einiges angeführt: 38 Prozent der Landesund Bundesstraßen sind also in sehr schlechtem
oder in schlechtem Zustand, denn in den schon erwähnten 62 Prozent guten sind die Straßen, die im mittleren Zustand sind, mit drin. Die Notenskala geht von 1 bis 3,45 - das ist noch gut bis mittel, jeder kennt die Zensurenskala. Schlecht ist von 3,5 bis 4,45 und sehr schlecht von 4,5 bis 5.
Aber nun genug der Statistik. Jeder kann sich noch an die Schlaglochverkäufe erinnern, die eine Thüringer Gemeinde bundesweit in die Presse gebracht haben. Jeder kennt noch die zahlreichen Anfragen von Abgeordneten aus ihren Wahlkreisen bzw. auch die Abstufungsmodalitäten, die jetzt Landesstraßen nicht mehr im sanierten, sondern nur noch im verkehrssicheren Zustand an die Kommune überantworten.
Ein Problem ist nach wie vor auch - und das steht dieser Überschrift konträr gegenüber - der Zustand der Brücken, die im weitesten Sinne zum Straßenbereich mit dazugehören. Hier hat Mitteldeutschland die schlechteste Qualität aufzuweisen, gerade bei den kommunalen Brücken.
Wir möchten aber trotzdem anregen, dass man nicht nur den Straßenzustand betrachtet, dass man nicht nur die Fragen, sind die Straßen gut oder schlecht, rein plakativ diskutiert, sondern man muss sich die Verkehrsinfrastruktur insgesamt ansehen. Deswegen bedauern wir es nach wie vor, dass die CDU- und die SPD-Fraktion einen zweijährigen Infrastrukturbericht abgelehnt haben, dass man es bei einer losen Folge von Erhebungen gelassen hat, obwohl die Landesregierung einen Infrastrukturbericht insgesamt vorbereitet und die Bundesregierung auch alle zwei Jahre über die Gesamtverkehrsinfrastruktur Deutschlands einen Bericht abgeben wird. Denn hier würde auffallen, dass man beim Straßenzustand auch die Verkehrsdichte mit berücksichtigen muss, dass man dazu übergehen muss, wesentlich mehr Verkehr als bisher auf die Schiene zu verlagern - das würde auch dem Straßenzustand zugute kommen -, dass man mehr Mittel für die ÖPNV-Finanzierung zur Verfügung stellen müsste und dass man sich insgesamt um die Verkehrssicherheit im Freistaat mehr kümmern müsste.
Sicher ist schon erwähnt worden, dass 2012 lediglich 17,5 Mio. € Landesmittel für den Erhalt von Landesstraßen zur Verfügung gestellt wurden. Das ist sicher nicht in erster Linie dem Ministerium anzulasten, sondern der Gesamtfinanzierungssituation im Freistaat. Im Moment sind es wieder 40 Mio. €. Zitierfähig ist aber an dieser Stelle der Koalitionsvertrag. Dort werden jährlich 50 Mio. € für Straßensanierungen von beiden Regierungsfraktionen festgeschrieben. Ich meine, Sie müssten einmal eine Analyse getroffen haben, die dieses notwendig macht. Es bringt uns aber nicht weiter, wenn wir hier relativ plakativ in einer Aktuellen Stunde über den Zustand der Infrastruktur im Frei
staat nach der Devise diskutieren, schön, dass wir es einmal erwähnt haben oder stimmt die Überschrift oder stimmt die Überschrift nicht? Wir müssten uns diesem Thema wesentlich ernsthafter widmen. Das beinhaltet dann aber auch einmal die Sicherung einer soliden Finanzierung für die gesamte Infrastruktur für Schiene und Straße, für Bundes-, Landes- und kommunale Straßen und vor allen Dingen für die Brücken. Das beinhaltet aber auch eine Qualitäts- und Aufgabenkontrolle und eine Wirtschaftlichkeitskontrolle, denn es bringt uns nicht weiter, wenn wir, außer bei Ortsumgehungen - das würde ich als Ausnahme stehen lassen -, inflationär Straßen bauen, die dann mit der Zeit in einen schlechten Zustand geraten und das bei abnehmender Bevölkerung. Wir sollten uns über die Infrastrukturpolitik und über die Verkehrspolitik des Freistaates an anderer Stelle unterhalten. Danke.