Herr Barth, da sind wir wieder bei diesen Sachen, wie Sie sich das ausmalen und wie es tatsächlich ist. Schauen Sie doch mal in die Rettungsleitstellen, wie viele ältere Rettungsassistenten sie da sehen.
Da sehen sie ganz viele junge Leute. Es ist nicht so, dass die Rettungsleitstellen tatsächlich das Altenbrot für verbrauchte Rettungsassistenten sind.
(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Ich habe doch gesagt, das betrifft nur wenige, habe ich doch ausdrücklich gesagt.)
Es würden alle die, die jetzt eventuell von dieser Regel mit Mitte 50 betroffen sind, auch so nicht in den Leitstellen unterkommen. Sie werden sich also irgendwann alle die Frage stellen müssen, was soll aus mir die letzten Jahre in meinem Berufsleben werden. Das ist das eine. Das andere ist, wer heute 60 ist, muss die Ausbildung sowieso nicht machen. Die braucht er nicht.
Ja. Am Ende sagten Sie 60, deswegen. Wer 55 ist, der muss es sich gut überlegen, was er machen will. Aber selbst wenn wir hier diese Übergangsfrist nicht haben, wie gesagt, die kommen nicht alle in der Leitstelle unter. Jetzt kommen wir zu dem Thema, was dürfen die. Ich finde es schon eine ziemliche Frechheit, dass Sie sich hier hinstellen und sagen, Rettungsassistenten dürften nicht viel mehr als stabile Seitenlage.
Das ist eine Unverschämtheit. Ganz klar, ein Rettungsassistent darf Medikamente verabreichen in Rücksprache mit der Leitstelle und dem vielleicht kommenden Notarzt.
In der Notfallkompetenz macht ein guter Rettungsassistent sogar in einer Notfallsituation eine Intubation. Das machen die. Ich kenne keinen einzigen, der dafür danach wegen Kompetenzüberschreitung ins Gefängnis gebracht worden ist. Hier zu sagen, die dürfen nicht viel mehr als stabile Seitenlage und deswegen machen wir ihnen mal ein kleines Schutzgebiet, damit sie auch in Zukunft keine bessere Qualität bringen müssen, das ist eine Frechheit.
Nicht umsonst, Herr Barth, ist es so, dass Menschen mit einer fünfjährigen Berufserfahrung nur eine Prüfung ablegen müssen. Dass es da einen Vorbereitungskurs geben muss, das ist eine andere Sache, aber sie müssen nicht noch einmal zur Schule.
Herr Dr. Hartung, es gibt den Wunsch auf eine Zwischenfrage von Ihrem Kollegen Herrn Barth. Herr Barth, bitte.
Lieber Herr Dr. Hartung, ich will jetzt auf diese Polemik gar nicht eingehen, dass es eine Unverschämtheit ist - es war ein Symbol, es sollte ein Bild sein. Aber wenn das alles so ist, wenn die Rettungsassistenten so viel dürfen, und das ist vernünftig, dass es dann wenig Klagen und Verurteilungen sowieso nicht gibt, aber wenn die so viel dürfen, dann erklären Sie mir doch bitte, warum wir das ganze Gesetz überhaupt brauchen.
Das will ich gerne machen, Herr Barth, und wenn Sie mir zugehört hätten, würden Sie es schon wissen. Sie dürfen es jetzt im Rahmen von Notfallkompetenzen und Ausnahmeregelungen und sie werden in Zukunft genau dazu ausgebildet. Das ist ein Unterschied.
Es ist ein Unterschied, ob ich in einer Ausnahmesituation etwas einmal im Jahr mache, weil kein Arzt schnell genug kommt, oder ob ich es von der Pike auf lerne. Das ist ein qualitativer Unterschied. Deswegen wollen wir diese Ausbildung einführen, deswegen wollen wir diese bessere Qualität am Ende auch bitte im Rettungsdienst sich niederschlagen lassen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin ein bisschen erschrocken über die Diskussion, die wir hier führen, denn wir sollten immer davon ausgehen, es geht um Menschenleben bei dem, über was wir reden.
Es geht darum, wie wir Menschen in einer Notsituation, in einer lebensbedrohlichen Situation schnellstens versorgen können. Das muss an dieser Stelle unser Anliegen sein.
Da will ich jetzt nichts zu diesen Übergangsfristen und dergleichen mehr sagen. Auch wir haben darüber debattiert, aber vom Bundesgesetz ist dazu
Aber ich glaube, insgesamt, was das Problem betrifft, müssen wir auch perspektivisch darüber nachdenken - ob ich das jetzt gut finde oder nicht, das sage ich an der Stelle -, wie wir effektiver, schneller Rettung in einer hohen Qualität an den Einsatzort bringen. Und wenn ich heute sehe - ich komme nun, Herr Innenminister, aus einem ganz klammen Landkreis -, da rast der Rettungswagen los und da rast zeitgleich der Notarztwagen los, der Rettungswagen wird bezahlt vom Kostenträger, der Notarztwagen von uns. Habe ich gut ausgebildete Leute auf diesem Rettungswagen, was dann der Rettungsassistent sein wird, dann kann ich vielleicht einmal darüber nachdenken, wann ist es dann notwendig, den Notarzt noch loszuschicken an dieser Stelle. Da sage ich einmal, wir werden auch solche Diskussionen führen müssen. Im ersten Moment schockiert das vielleicht, aber wichtig ist doch, dass schnellstmöglich qualifizierte Hilfe bei den Verunfallten oder dem, der in der lebensbedrohlichen Situation ist, ankommt und da gehandelt werden muss. Was mich ein bisschen verwundert hat, Herr Barth, das haben Sie - das billige ich Ihnen zu - unbeabsichtigt gemacht und wollten das nicht.
Aber für mich leistet der Mensch, der in der Rettungszentrale, in der Einsatzleitstelle am Telefon sitzt, den Einsatz koordiniert - das ist für mich kein Telefonist, der einen Anruf entgegennimmt und ihn dann im Prinzip weiterleitet, Sie können mich ja korrigieren. Für mich braucht der Mann, der in der Rettungsleitstelle sitzt, eine genauso hohe Qualifizierung, weil der die Meldung als Erster entgegennimmt und entscheiden muss, welche Hilfe leiste ich jetzt und welche Hilfsmaßnahmen leite ich ein. Da muss ich ganz ehrlich sagen, da ist einerseits Erfahrung vonnöten, das ist richtig, aber andererseits ist auch das Wissen vom neuesten Stand oder ich sage einmal so, die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse im Rettungswesen sind dort wichtig. Deshalb braucht auch dieser Mann eine sehr hohe Ausbildung. Wir sollten nicht diese Stelle durch so eine Diskussion abqualifizieren, denn die ist meiner Meinung nach für die Rettungsleitstelle sehr, sehr wichtig; hier beginnt der Einsatz und vor allem muss der mit dem Notfallpatienten vielleicht sogar kommunizieren, der muss erfragen, was er hat. Dazu muss er wissen, nach welchen Symptomen und dergleichen fragt man. Ich würde mir so etwas nicht zutrauen. Wenn ich in so einer Situation wäre, wäre ich froh, wenn ich jemanden in der Leitung hätte, der dann mein Gestammel von der Straße versteht. Ich hoffe, ich komme nie in so eine Situation, vor allem, wenn dann hier noch solche Diskussionen geführt werden. Danke.
Lieber Herr Kubitzki und lieber Herr Dr. Hartung, die Notwendigkeit, dass Leute, die in so einem Einsatzwagen vor Ort sind, eine bessere und auch rechtlich besser abgesicherte Ausbildung und Stellung erhalten, war Ziel des Notfallsanitätergesetzes. Das hat übrigens Schwarz-Gelb auf den Weg gebracht. Der Gesundheitsminister, der das gemacht hat, hieß Daniel Bahr. Also es ist bei den Kompetenzfragen so, auch bei der FDP gibt es Leute, die davon Ahnung haben und die das Richtige wollen. So.
Es geht nicht um die Frage, Herr Kubitzki, dass Leute vor Ort gehen und Menschenleben retten, die ordentlich ausgebildet sind und die auch gesetzlich abgesichert sind, auch nicht um junge Leute, sondern es geht ausdrücklich um einige wenige, nicht Tausende - Sie müssen mir auch zuhören -, die in der Situation, mit der Lebenssituation, in der sie sind, vielleicht zufrieden sind und einfach nur in einer Rettungsstelle, wo die meines Wissens, Herr Kubitzki, keine Ferndiagnose machen, sondern sie müssen einen Einsatz koordinieren. Und das können sie jetzt aufgrund ihrer Erfahrungen - die sind auch nicht Ziel, diese Situation war nicht Gegenstand des Notfallsanitätergesetzes, sondern das sind die Leute, die an den Unfallort rausfahren. Den einigen wenigen älteren Menschen Mitte 50 die Möglichkeit zu nehmen, sie zu zwingen, eine zusätzliche Nachbildung, eine Prüfung mit entsprechender zusätzlicher Bildung zu machen, ohne dass sie das wollen, ohne dass die für sich auch einen Nutzen davon hätten oder einen Nutzen davon ziehen wollen, das ist schlicht und ergreifend der Punkt, den wir kritisieren. Es gibt in dem Notfallsanitätergesetz - Herr Kubitzki hat es richtig erkannt - auch keine Verpflichtung, so eine Übergangsfrist in irgendeiner Form zu setzen. Andere Länder kommen auch ohne aus. Vielen Dank.
Herr Barth, noch einmal zum Verständnis, weil mir das wichtig ist, dass wir hier nicht auseinandergehen und das nicht verstehen. Ich glaube, der Mann, der das in der Leitstelle disponiert, der macht sehr wohl auch Diagnosen. Er muss drei Entscheidungen treffen. Die Entscheidung Nummer eins: Rettungsdienst oder kassenärztlicher Notfalldienst? Da kann man schon viel falsch machen. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede. Ich bin schon bei Einsätzen gewesen, die eher etwas für den Rettungsdienst gewesen sind. Zweite Entscheidung: Rettungsdienst nur mit Rettungswagen oder Rettungsdienst mit Notarzt? Dann die Dritte: Rettungsdienst mit Notarzt reicht oder ich brauche einen Hubschrauber. Diese Entscheidung, die braucht die höchste Qualifikation, die wir haben können.
Das ist eine Bestrebung, ja, es gibt Bundesländer, die in ihr Gesetz reinschreiben, da muss ein Notarzt sitzen. Wir machen das nicht so. Aber das rechtfertigt doch nicht, dass wir nicht versuchen, die kompetentesten Leute, die wir am Markt verfügbar haben, in diese Leitstellen hereinzubekommen. Das sind dann 2022 flächendeckend die Notfallsanitäter.
Die Übergangsfrist zur Weiterbildung endet für die Notfallsanitäter 2022. Dass wir diese Frist hineingeschrieben haben - und auch da rede ich aus eigener Erfahrung, ich rede ja mit den Leuten noch regelmäßig und jeden Tag -, wir wollen auch einen gewissen Druck gerade auf diese Leute ausüben, die noch ein bisschen Arbeit vor sich haben. Denn wenn wir irgendwann am Sankt Nimmerleinstag die Situation haben, dass man vielleicht mal Notfallsanitäter auf dem Auto braucht, hat keiner wirklich, Sie haben es ja selber gesagt, die Notwendigkeit, sich auf den Hosenboden zu setzen und seine Weiterbildung zu machen. Genau das wollen wir nicht. Wir wollen klarmachen: Der Zug für die Weiterbildung der Rettungsassistenten zum Notfallsanitäter fährt nach Bundesgesetz ab. Da können wir gar nichts dran machen. Je kürzer wir die Übergangsfrist wählen, umso größer ist der Druck auf die Leute zu sagen, ja, ich muss mich jetzt dahinter klemmen und muss das machen. Und glauben Sie mir, die meisten Rettungsassistenten, die ich kenne, die auf die 60 zugehen, die suchen sich sowieso einen anderen Job. Die machen Krankentransport, die machen Krankentaxi, die wollen auch nicht unbedingt in die Leitstelle. Das ist nicht weniger stressig als draußen auf der Straße. Das Problem ist tatsächlich, Sie haben recht, diese Leute können als Notfallsanitäter mit 63 eher schwierig ihre Leistung erbringen. Aber das heißt nicht, dass das wirklich in der Rettungsleitstelle immer einfacher ist. Ich glau
be, dass es wichtig ist, für diese Leute eine Option zu schaffen, das ist richtig. Aber sie deswegen aus der Regelung herauszunehmen, halte ich für vollkommen falsch. Vielen Dank.
Danke, Herr Abgeordneter. Ich schaue noch mal in die Runde. Im Augenblick liegen mir vonseiten der Abgeordneten keine Wortmeldungen vor. Für die Landesregierung hat Herr Innenminister Geibert um das Wort gebeten.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, seit der grundlegenden Novelle des Thüringer Rettungsdienstgesetzes im Jahr 2008 haben sich die Rahmenbedingungen für den Rettungsdienst durch neue Rechtsvorschriften und veränderte Rechtsprechung in mehrfacher Hinsicht geändert. Dies betrifft zunächst den gesamten Bereich der Vergabe rettungsdienstlicher Leistungen. Hierzu gab es Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs, nach denen bei der Beauftragung Dritter im sogenannten Submissionsmodell das deutsche bzw. europäische Vergaberecht anzuwenden ist. Zudem hat sich der Europäische Gerichtshof in einer weiteren wichtigen Entscheidung speziell mit der Frage der Zulässigkeit des sogenannten Konzessionsmodells im Rettungsdienst auseinandergesetzt und kürzlich wurde auf der EU-Ebene die Auftragsvergaberichtlinie überarbeitet sowie eine neue Konzessionsrichtlinie beschlossen, die in den nächsten zwei Jahren in das nationale Vergaberecht umgesetzt werden müssen.
Am 1. Januar dieses Jahres trat das neue Notfallsanitätergesetz mit der dazugehörigen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung in Kraft, mit dem auf der Bundesebene ein neuer Gesundheitsfachberuf eingeführt wird. Der Beruf des Notfallsanitäters unterscheidet sich unter anderem wesentlich in der Ausbildungsdauer von der bisherigen Ausbildung zum Beruf des Rettungsassistenten, um zukünftig der anspruchsvollen Aufgabenstellung des Berufs und seinem breiten Tätigkeitsspektrum noch besser gerecht zu werden. Schließlich gab es eine grundlegende Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur rechtlichen Einordnung der Benutzungsentgelte im öffentlichen Rettungsdienst. All diese Veränderungen hat die Landesregierung zum Anlass genommen, das Thüringer Rettungsdienstgesetz auf den Prüfstand zu stellen und im Wesentlichen in drei Punkten fortzuentwickeln. Der erste Punkt betrifft die vergaberechtliche Verzahnung des Rettungsdienstes mit dem ehrenamtlichen Katastrophenschutz. Den Aufgabenträgern des Rettungs
dienstes soll künftig ermöglicht werden, bei der Auswahl des Durchführenden die Verpflichtung zur erforderlichen personellen Mitwirkung im Katastrophenschutz angemessen zu berücksichtigen. Ohne ein solches landesseitiges Gegensteuern würde die Anwendung des Vergaberechts dazu führen, dass der Rettungsdienst als vornehmlich öffentliche Aufgabe der Gefahrenabwehr aus dem vernetzten Hilfeleistungssystem Feuerwehr, Rettungsdienst, Katastrophenschutz herausgelöst und einseitig unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit betrachtet wird. Dies kann sich mittelbar negativ auf den ehrenamtlich geprägten Katastrophenschutz auswirken. Deshalb soll den Landkreisen und kreisfreien Städten, die zugleich untere Katastrophenschutzbehörden sind, ein Steuerungselement an die Hand gegeben werden, um weiterhin beide Aufgabenbereiche sicherzustellen.
Als zweite Änderung ist vorgesehen, dass die zentralen Leitstellen und die in der Notfallrettung eingesetzten Rettungsfahrzeuge künftig auch mit Notfallsanitätern besetzt werden können. Zugleich sollen zum Zwecke der Qualitätssteigerung bis spätestens Ende 2022 die bisher tätigen Rettungsassistenten durch die besser ausgebildeten und mit mehr Kompetenzen ausgestatteten Notfallsanitäter ersetzt werden. Damit ist Thüringen - soweit ersichtlich das erste Land, dass dieses neue Berufsbild im Rettungsdienst einführt.
Drittens soll die Abrechnung der rettungsdienstlichen Leistungen auf öffentlich-rechtliche Handlungsformen umgestellt werden. Dies hat in der Praxis zur Folge, dass die Aufgabenträger gegenüber nicht gesetzlich versicherten Personen, wie insbesondere Privatpatienten, anstelle der bisherigen Rechnungen Verwaltungsakte erlassen. Gleichzeitig soll die Möglichkeit geschaffen werden, die Durchführenden zum Zweck einer eigenständigen Abrechnung insoweit zu beleihen.