Ich frage die Fraktion DIE LINKE: Wünschen Sie das Wort zur Begründung? Nein, das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich an dieser Stelle die Beratung. Mir liegt eine Rednerliste vor und das Wort hat der Herr Abgeordnete Matthias Hey für die SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, vielen Dank. Jetzt bin ich der erste Redner, das überrascht mich ein wenig.
Ich will Ihnen auch gleich sagen, warum. Wir behandeln hier ja eine Große Anfrage, die, wenn man sich das durchschaut, mal mit 177 Fragen gespickt ist, und selbst wenn ich auf jede einzelne Frage nur mit einer Minute eingehen würde, würde die Redezeit gar nicht ausreichen.
(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Sie können ja einen Antrag auf Verlängerung der Redezeit stellen.)
Schon in der Beantwortung durch das Thüringer Innenministerium ist das in - ich nenne das jetzt mal so - neun Themenkomplexe einklassifiziert worden, also von kommunaler Selbstverwaltung über Gebietsstrukturen, interkommunale Zusammenarbeit bis zur medizinischen Versorgung. Im Grunde ist diese Große Anfrage auch, zumindest was das statistische Material betrifft, sehr interessant. Es gibt da so ein paar Zahlen, die ich in der Form so auch noch nicht kannte und die sicherlich im Verlauf der Debatte noch eine Rolle spielen werden. Aber ich habe mich immer gefragt, wohin soll eigentlich, wenn jemand 177 Fragen stellt und die dann auch beantwortet bekommt, dann noch die Debatte gehen? Das kann ich im Moment noch nicht so klar erkennen, weil ich, wie gesagt, hier der erste Redner bin und leider nicht die Ausführungen von, ich nehme an, Herrn Kuschel, der zu diesem Thema reden wird, kenne. Aber vielleicht ist es so: Wir haben am Sonntag Kommunalwahlen und da will man eventuell, das muss ich jetzt mal so vermuten, ohne dass das in den Bereich der Unterstellung rücken soll, noch mal so das ganz große Rad drehen. Vielleicht will man auch mit so einer Großen Anfrage, zumindest was den kommunalen Bereich betrifft, noch mal so eine Art Bilanz ziehen oder auf bestimmte Schwerpunkte, auf die es politisch hier in diesem Hohen Hause in den letzten fünf Jahren ankam, hinweisen.
Ja, das werden wir dann sehen. Wie gesagt, ich kenne jetzt den Fortgang der Debatte noch nicht so genau.
Ich will aber gern, weil die Gelegenheit auch bei solch einer Großen Anfrage gegeben ist, mal auf den Zustand und die Situation der Kommunen eingehen, wie wir das sehen, also unsere Sichtweise, und damit - das ist vielleicht legitim, wenn man so eine Große Anfrage mit ihrer Beantwortung auf dem Tisch liegen hat - auch eine kleine Replik geben auf die letzten viereinhalb, fast fünf Jahre und was hier in Thüringen geschehen ist. Und dann können wir ja in die Diskussion einsteigen. Aber ein Teilbereich, der hier von Herrn Kuschel bzw. von der Fraktion DIE LINKE mit angesprochen wurde, war ja die Frage der kommunalen Strukturen und deren Neugliederungen. Da haben wir seit 2009 schon einen gewaltigen Ruck in der Neuordnung der gemeindlichen Struktur in Thüringen erlebt. Es gab insgesamt fünf Gesetzgebungsverfahren, bei denen diese Verwaltungsstruktur auf gemeindlicher Ebene sehr umfangreichen Anpassungen unterzogen wurde. An den Neugliederungsmaßnahmen waren im Übrigen, auch das ist ganz interessant, 298 Städte und Gemeinden beteiligt und dabei ist meist der Gestaltungswille vor Ort weitgehend berücksichtigt worden. Das ist so dieses Gemeinwohl, das immer auch in der Thüringer Kommunalordnung eine gewisse Rolle spielt, und auch der Wunsch bei solchen, ich sage mal sehr salopp, Hochzeiten, bei Gemeindefusionen, die da vonstatten gegangen sind. Am 31. Dezember, so vermeldet zumindest eine Antwort in dieser Großen Anfrage, am 31. Dezember 2013 gab es noch 849 Gemeinden hier in Thüringen. Die Gemeindeebene heute ist geprägt von 75 Verwaltungsgemeinschaften mit insgesamt 630 Mitgliedsgemeinden. Fast alle Verwaltungseinheiten - egal wohin wir schauen verfügen heute über mehr als 5.000 Einwohner. Das ist eine interessante Zahl, die uns immer mal auch in den Debatten hier im Landtag über den Weg gelaufen ist.
Sie haben kritisch nachgefragt in Ihrer Großen Anfrage nach den Bewertungen der Landesregierung zum Expertengutachten in Bezug auf die Funktional- und Gebietsreform. Es gibt zumindest mehrere Fragen, die sich mit diesem Komplex beschäftigen. Sie wissen, das ist nach wie vor auch ein Streitpunkt hier im Hause gewesen. Die Antworten - das nehme ich zumindest an -, die vom Innenministerium auf diese Große Anfrage an den Fragesteller gegeben worden sind, sind vielleicht zumindest aus Sicht der Linken nicht immer unbedingt befriedigend.
Wie hältst du es mit der Funktional- und der Gebietsstrukturreform hier in Thüringen? Ich erinnere mich da an eine Begebenheit und ich glaube, man kann an dieser Stelle auch mal ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern: Wir haben mal - das ist zwei, zweieinhalb, drei Jahre her - eine Gebietsstruktur angefasst in der Nähe von Altenburg, Sie erinnern sich vielleicht, Saara-Nobitz. Die haben sich auf den Weg gemacht, diese beiden Kommunen wollten heiraten und auf keinen Fall in irgendeiner Form später mal zu der Stadt, die vor ihren Toren der Gemeinde zu finden war, nämlich Altenburg, gehören. Deswegen gab es diesen Antrag und es gab sehr, sehr hitzige Diskussionen, weil Teile des Hauses hier gesagt haben, das legt sich quasi wie so ein Kragen um Altenburg und das ist für die weitere Fortentwicklung der Stadt Altenburg in zukünftiger Perspektive vielleicht nicht ganz so gut und ganz so positiv. Ich war mit meiner Fraktion damals zufällig zu einer Fraktionsklausur vor Ort, wo uns also Saaraer und Nobitzer eindringlich gebeten haben, um Gottes Willen dieser Gemeindefusion oder dieser Hochzeit zuzustimmen. Uns wurde gesagt, wenn das hier von der SPD in diesem Hause aufgehalten wird, dann werden sich gesamte Ortsverbände in Saara und Nobitz von den Sozialdemokraten lösen und dann würden wir schon sehen. Genau einen Tag später - wir hatten dann Gelegenheit, auch mit Altenburger Vertretern zu reden, haben die zu uns gesagt: Solchen Wahnsinn könnt ihr doch nie im Leben hier im Thüringer Parlament beschließen, ihr wisst, das ist genau vor unseren Toren der Stadt und wenn die sich zusammenschließen und wenn das so kommt, liebe SPD, dann werden in Altenburg so und so viele Leute ihr Parteibuch abgeben und nicht mehr zu den Sozialdemokraten gehören wollen.
Da sehen Sie, wie diffizil manchmal diese Diskussion vor Ort und natürlich auch mit uns als Vertreter hier im Parlament geführt wird. Deswegen haben wir immer gesagt und wir sagen es gern noch einmal: Es bedarf in der kommunalen Familie klarer Spielregeln. Die sind im Moment in der Thüringer Kommunalordnung nicht so klar gefasst, wie wir uns das wünschen würden, weil eben, wie gesagt, dieses öffentliche Wohl, dieses Gemeinwohl als einziges Merkmal bei einer Gemeindefusion immer wieder herangezogen wird. Das ist natürlich - das haben Sie in den letzten Wochen, Monaten und Jahren hier auch während des Gesetzgebungsverfahrens bestimmt festgestellt - immer sehr unterschiedlich. Was ist denn Gemeinwohl? Ist das Gemeinwohl beispielsweise der Stadt Altenburg gemeint oder der Saaraer und der Nobitzer? Da kann man sich trefflich darüber streiten. Ich will nur gleich sagen, wir haben mit diesen fünf neuen Gesetzesregelungen, die sich immer mit der gemeindlichen Struktur befasst haben, auch dafür gesorgt, dass zumindest in diesen Regionen Klarheit ist, und das hat natürlich wehgetan.
Ich will aber auch gleich sagen: Wenn Sie möglicherweise nachher in der Diskussion darauf abstellen, dass das alles unvollständig war oder die SPD da vielleicht zu schnell eingeknickt ist oder was auch immer, ich will Ihnen sagen, solche Diskussionen werden - egal welches Farbenspiel hier nach dem 14. September in diesem Hause vorherrschen wird - alle Parteien letzten Endes einholen, egal wo Sie vor Ort in kommunaler Verantwortung oder auch hier im Abgeordnetenhaus letzten Endes auch als Mandatsträger stehen werden. Sie werden immer solche Diskussionen haben wie wir beispielsweise in Saara-Nobitz und in Altenburg. Da zieht sich beispielsweise eine klare Linie, die Sie in Ihrem Parteiprogramm versuchen festzulegen, irgendwann vor Ort in eine Diskussion, die mitunter sehr, sehr schwierig werden kann. Das will ich gleich mal sagen, weil ich annehme, dass das heute vielleicht noch mal eine große Rolle spielen könnte.
Wir haben dafür gesorgt, dass die Kommunen besser zusammenarbeiten und ihre Aufgaben im Rahmen der interkommunalen Kooperation oder interkommunalen Zusammenarbeit effizienter wahrnehmen können. Es gibt jetzt in Thüringen dieses Zentrum für interkommunale Kooperation, das eingerichtet wurde. Finanzielle Hilfe in Höhe von 1 Mio. € zur Förderung dieser interkommunalen Zusammenarbeit ist dafür in Aussicht gestellt worden. Es ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts, über die ist hier auch trefflich schon debattiert worden. Aber das ist eine weitere Möglichkeit, um diese kommunale Zusammenarbeit mit zu fördern. Mit diesen Maßnahmen, glaube ich, haben wir den Kommunen auch geholfen, zum Teil zumindest, ihre Gestaltungsfähigkeit zu sichern und neue Handlungsspielräume zu gewinnen.
Wir haben im Rahmen unserer Demografiepolitik, die in Thüringen auch eine immer größere Rolle spielt, den Kommunen eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Wir unterstützen Städte und Gemeinden, die vom Bevölkerungsverlust in einem besonderen Ausmaß betroffen sind, zum Beispiel nenne ich nur das Thema des kommunalen Hilfspakets, mit investiven Maßnahmen. Da haben wir in diesem Hilfspaket 35,6 Mio. € Finanzhilfen zur Verfügung gestellt.
Damit bin ich gleich bei einem der Themenkomplexe, die auch vom Fragesteller, von der Fraktion DIE LINKE, hier mit angepackt wurden. Es geht um die Kommunalfinanzierung an sich. Nun ist es so, das mag ein kommunales Thema sein, es ist im Moment zumindest auch durch die Ressortverteilung nicht mehr unbedingt ein innenpolitisches, weil das Ganze zum Finanzminister gewechselt ist. Aber wie das so ist, die kleinste Gruppe ist der Schizophrene. Ich bin nicht nur gleichzeitig kommunalpolitischer Sprecher meiner Fraktion, sondern auch noch Mitglied des Haushalts- und Finanzausschus
ses und habe das deswegen von beiden Seiten immer wieder mit verfolgen können. Es geht, wie gesagt, bei dieser Kommunalfinanzierung um die Gretchenfrage: Ist dieser Kommunale Finanzausgleich überhaupt bedarfsgerecht und kann er dem, was die Kommunen zur Bewältigung ihrer Aufgaben benötigen, um diese Aufgaben zu erfüllen, gerecht werden? Ich sage, auch wenn wir in den Zeitungen im Moment eine hitzige Debatte darüber haben, dieser Kommunale Finanzausgleich ist in der Tat, da muss man genau hinhören, besser als sein Ruf. Denn wir haben hier einen Paradigmenwechsel herbeigeführt, den die Koalition gemeinsam mitgetragen hat. Es ist jetzt also weg von einem System, das uns vorher auch so nicht gefallen hat. Da müssen wir uns als Parlamentarier tief in die Augen gucken, und zwar aller Couleur. Auch da hat es riesige Proteste gegeben bei der kommunalen Familie. Wir haben das geändert zu diesem atmenden System mit ein paar Planken, die dazwischen gezogen wurden. Wir haben, um diesen Paradigmenwechsel abfedern zu können, auch einen Ausgleichsmechanismus eingezogen. Natürlich muss man immer vor Ort schauen, da bin ich durchaus auch bei einigen Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen, die jetzt im Moment wieder darauf hinweisen, dass es zum Teil Unterfinanzierung gibt, aber man muss vor Ort auch genau schauen, wo denn beispielsweise die Brennpunkte in der kommunalen Familie sind. Wir haben zum Beispiel mit dem Kulturlastenausgleich, auch das ist eine Errungenschaft der letzten fünf Jahre hier in der Koalition, dafür gesorgt, dass in den Kommunen, in denen besondere kulturelle Aufgaben aufgrund der Tatsache, dass dort besonders große Schlösser oder Parkanlagen oder auch Orchester, also etwas, was zum kulturellen Erbe dieses Freistaats gehört, ansässig sind, dass die gesondert unterstützt werden müssen.
Wie unterschiedlich das mit diesem Kulturlastenausgleich in Thüringen bewertet wird, will ich an einer kleinen Geschichte mit kolportieren. Ich war von einem meiner Fraktionskollegen in diesem Ort östlich von Erfurt eingeladen, wo Goethe und Schiller eine Zeit lang gelebt haben. Dort habe ich an einer sehr interessanten Runde, einer Bürgerrunde teilgenommen, da waren interessierte Bürger vor Ort. Wir haben also diesen Kulturlastenausgleich vorgestellt. Ich habe den Bürgern dort gesagt, dass jetzt 9 Mio. € bereitgestellt werden, damit solche Städte und Gemeinden, die besondere kulturelle Aufgaben zu schultern haben, dadurch unterstützt werden. Da meldete sich in dieser Diskussion, und das fand ich hoch interessant, ein Bürger in Weimar - jetzt fällt es mir wieder ein, Weimar hieß der Ort - und sagte: Können Sie noch mal etwas sagen zu diesem Kulturausgleich, den Sie da eben vorgestellt haben? Da sagte ich, ja, das Land Thüringen stellt 9 Mio. € bereit und das fließt sogar in diese Orte. Dann sagte er, er möchte jetzt gern mal wissen oder können
Sie uns sagen, Herr Hey, wie sich denn diese 9 Mio. € auf die Weimarer Einrichtungen verteilen. Nur einmal so vom Selbstverständnis, was manche Leute an manchen Orten in Thüringen eben auch vom Geldausgeben so halten. Da habe ich ihm erklärt, das war eine große Verblüffung damals in dem Raum, nein, die 9 Mio. sind nicht nur für Weimar, die sind für das ganze Land. Das konnten die sich dort nicht vorstellen, weil 9 Mio., das ist in Weimar ja nicht allzu viel, das ist schon klar. Aber da sehen Sie, wie unterschiedlich auch das Handeln und das zähe Ringen um solche besonderen Leistungen, die wir auch verschlüsselt oder unverschlüsselt mit und ohne Kommunalen Finanzausgleich hier in diesem Hause mit beschließen, dann vor Ort gesehen werden. Das einmal nur so am Rande, denn das, fand ich, war für mich zumindest ein sehr prägendes Erlebnis, das ich an diesem Abend hatte.
Wir haben, auch das ist ein Teil Ihrer Anfrage der Fraktion DIE LINKE, mit einer Neuregelung des Gemeindewirtschaftsrechts die Wettbewerbsfähigkeit der kommunalen Unternehmen verbessert. Auch das ist hier in diesem Hause letzten Endes so verabschiedet worden. Das ist in der Thüringer Kommunalordnung festgezurrt worden, dass die Betätigung der Kommunen in den Bereichen Strom-, Gas-, Wasser- und Wärmeversorgung, aber auch der Abfallentsorgung und der Abwasserbeseitigung, des öffentlichen Verkehrs einem öffentlichen Zweck dient. Diese Neuregelungen fördern die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen, sie stärken ihre Leistungsfähigkeit und reduzieren die Abgabenlast der Bevölkerung. Die Kreditaufnahme - auch das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt -, die zum Zweck der Energiegewinnung aus erneuerbaren Energien erfolgen soll, die haben wir erleichtert und so auch die wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten der Kommunen im Bereich der erneuerbaren Energien erweitert. So könnte ich nun ein paar Beispiele bringen. Ich warte aber jetzt ab - und hebe mir ein bisschen von meiner Redezeit auf, es ist Donnerstag nach 19.00 Uhr und im Moment auch die Aufmerksamkeit ein bisschen heruntergepegelt -, was die Debatte jetzt bringt und was vor allem in diese Debatte vom Fragesteller auf die Antworten der 177 Fragen dann noch auf uns zukommt. Wenn ich meine, dass es notwendig ist, dann noch einmal vorn an das Pult zu gehen, sehen wir uns heute Abend noch einmal wieder. Ansonsten danke ich Ihnen für die Aufmerksamkeit. Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hey. Das wären dann noch knapp 2 Minuten. Es hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Bergner für die FDP-Fraktion.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE zu Kommunen in Thüringen hätte nicht besser getimt sein können. Ich muss trotzdem gestehen, dass ich von den Antworten und teilweise auch von den Fragen ein wenig enttäuscht gewesen bin. Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass eine Große Anfrage mit viel Arbeit auf der Fragestellerseite, aber natürlich auch auf der Seite der Antwortenden verbunden ist. Aber eine Große Anfrage hat nicht nur den Sinn, möglichst viele Fragen zu stellen, sondern ein Thema aufzuarbeiten, zu hinterfragen, um dadurch einen Erkenntnisgewinn zu erzielen. Aus meiner Sicht bringt die Große Anfrage leider nicht viel Neues. Zum Teil liegt das an den Antworten, da einige Fragen nur spärlich oder gar nicht beantwortet worden sind, aber auch an den Fragen. Der Erkenntnisgewinn der Großen Anfrage ist leider auch nicht so hoch, da viele Fragen schon Bestandteil von Kleinen Anfragen oder anderen Berichten der Landesregierung gewesen sind.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich will auf einige wichtige Punkte eingehen. Wenn die Landesregierung wieder schematisch das Lied des Standardabbaus singt oder von der Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit spricht, dann frage ich mich, warum in dieser Legislaturperiode, gerade was den Bereich Standardabbau angeht, außer Sprücheklopfen nicht viel passiert ist. Die FDP-Fraktion hat in diesem Bereich mehrere Initiativen eingebracht. Um ein paar Beispiele zu nennen: Wir haben dem Landtag in dieser Legislaturperiode ein Standarderprobungsgesetz vorgelegt.
Der Gesetzentwurf zur Standarderprobung sah vor, dass zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung und der Subsidiarität den Kommunen ermöglicht werden sollte, von Standards abzuweichen, um neue, effektivere Formen der Aufgabenerledigung zu erproben. Der Gesetzentwurf hätte dabei geholfen, die Erfahrung und Kreativität der Thüringer Kommunen bei der Reduzierung von Standards zu nutzen, um landesweit für Bürger und Verwaltung erfolgreiche Verbesserungen umzusetzen. Hier war man aufseiten der Koalition noch nicht einmal bereit, den Gesetzentwurf im Ausschuss zu diskutieren. Wir sind gern bereit, unseren Gesetzentwurf noch einmal in die Diskussion zu geben, wenn es dabei hilft, endlich Aufgaben auf der Landes- und auf der Kommunalebene zu überprüfen und zu reduzieren.
Weiterhin, meine Damen und Herren, haben wir einen Antrag zur Förderung der interkommunalen Zusammenarbeit im Plenum gestellt. Auch dieser Antrag wurde abgelehnt. Alle diese Punkte finde ich in den Antworten der Landesregierung wieder.
Wenn die Landesregierung diese Punkte auch als wichtig erkannt hat, frage ich mich, warum man nicht endlich anfängt, diese Erkenntnisse auch in Taten umzusetzen. Die Möglichkeiten, die wir in den Landtagssitzungen dazu hatten, hat man jedenfalls ungenutzt verstreichen lassen. Was ich aber sehr erstaunlich fand, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ist die Antwort der Landesregierung, dass sie keine Ahnung vom Aufgabenbestand und der Aufgabenentwicklung bei den Thüringer Kommunen hat. Wenn es die Landesregierung nicht weiß, dann frage ich mich, wer es wissen sollte. Die Landesregierung friemelt geradezu die ganze Legislaturperiode an einem Gutachten oder an einem Expertenbericht für eine Funktionalreform herum. Wenn wir das Wichtigste aber gar nicht überprüfen, ist jetzt auch klar, warum wir die Herausforderungen in Thüringen nicht lösen können, sondern immer nur Flickschusterei betreiben.
Am Anfang einer wirklichen Funktional- und Verwaltungsreform steht eine umfassende Aufgabenkritik und Aufgabenüberprüfung.
Danach kann man erst feststellen, welche Aufgaben man wirklich wahrnehmen muss, welche Aufgaben verlagert oder effizienter gestaltet werden können. Wenn die CDU keine Zwangsgebietsreformen will, dann sollte sie daran interessiert sein, dass schnellstmöglich eine Aufgabenkritik angesetzt wird, die Aufgaben überprüft werden und dass wir es dann schaffen, die Strukturen zu entschlacken. Klar ist auch, meine verehrten Damen und Herren, dass die einzige Partei, die klar sortiert für Freiheit auch kleiner Kommunen und Gebietskörperschaften steht, die FDP ist.
Ja, das ist so. All diejenigen, die entgegen in Landkreisen von 200.000 Einwohnern oder Gemeinden von 10.000 Einwohnern schwärmen, haben einen wesentlichen Punkt vergessen:
Unsere Gemeinden sind der Ausgangspunkt unserer Demokratie. In kleineren Gemeinden wird den Bürgern ermöglicht, sich vor Ort zu engagieren, konkrete Probleme vor Ort zu lösen und auch gestalterisch mitzubestimmen.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich bin mir nicht sicher, ob allen bewusst ist, welch hohes Gut sie mit einer Zwangsgebietsreform aufs Spiel setzen.
Meine Damen und Herren, ich will aber auch zu einem weiteren Thema kommen: Die Finanzsituation der Kommunen beschäftigt uns nicht nur vor den Kommunalwahlen, sondern schon über die gesamte Legislaturperiode. Und dass die Finanzsituation nicht so rosig ist, wie es gern von der Landesregierung dargestellt wird, ist relativ offensichtlich. Dies zeigt auch, dass schnell noch ohne einen Nachtragshaushalt ein kommunales Hilfspaket über 136 Mio. € für die Kommunen zusammengeschustert worden ist. Und 136 Mio. € hören sich auch erst einmal viel an und das ist auch eine Menge Geld, das will ich nicht in Abrede stellen. Man muss aber dazu wissen, dass die FAG-Masse seit 2009 bis 2014 um 310 Mio. € gesenkt wurde. Allein von 2012 zu 2013, und somit mit der Umstellung des KFA, erfolgte eine Senkung um 123 Mio. €. Wenn man jetzt also die 136 Mio. € aus dem Hilfspaket nimmt, dann ist das eigentlich so, als ob man erst vorher jemandem eine notwendige Essensration entzieht und kurz bevor er zu verhungern droht, ihm so viel gibt, dass er sich gerade noch an die Wahlurne schleifen kann.
Die Große Anfrage zeigt deutlich, dass die Kommunen aufgrund ihrer Finanzsituation ihre Investitionen in den letzten Jahren immer weiter zurückgefahren haben bzw. zurückfahren mussten. Gleichzeitig hat sich in den letzten Jahren aber auch die Kreisumlage immer weiter erhöht. Genau das Szenarium, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, bringt eine erhebliche Abwärtsspirale für die Kommunen mit sich. Durch die wegbrechenden Investitionen der Kommunen bekommen auch kleine und mittelständische Unternehmen vor Ort Probleme. Diese schauen sich bestenfalls nach anderen Einnahmequellen um, im schlechtesten Fall ziehen sie um oder gehen pleite. Damit bricht den Kommunen neben den sinkenden Zuschüssen vom Land auch noch die Gewerbesteuer weg und vor Ort verschwinden Arbeitsplätze.