Protokoll der Sitzung vom 26.06.2014

Meine sehr geehrten Damen und Herren, natürlich ist auch meine Fraktion froh, dass wir überhaupt einmal darüber reden. Man muss das leider in aller Deutlichkeit sagen. Allerdings kann man die Augen nicht davor schließen, dass eine echte Debatte Thomas Hartung hat eben den Begriff der Augenhöhe bemüht - nur bedingt möglich ist, wenn keinerlei Mitsprache mehr an einem Papier gelingen kann, was uns mit vielen Monaten Verspätung dann doch noch erreicht hat. Das kann man schlicht nicht schönreden. Da hilft auch die weichgespülte Koalitionsrhetorik, auf die man sich hier kurz vor der Wahl offenkundig verständigt hat, nicht wirklich weiter. Wir mussten zunächst viele Jahre darum kämpfen, dass es überhaupt eine Planung gibt. Ich will daran erinnern, uns ist vorgeworfen worden, insbesondere auch von Ihnen, lieber Herr Minister Matschie, die Zeit der Fünfjahrespläne wäre vorbei,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wir bräuchten keine solchen Planungen mehr.

(Beifall DIE LINKE)

Und erst, nachdem am 21. Juni 2013, also vor einem Jahr, alle Fraktionen gemeinsam beschlossen haben, dass die Landesregierung bis Ende 2013 ein Konzept zur strategischen Entwicklung der Thüringer Hochschulen und eigentlich noch sehr viel weitergehend, meine Kollegin, Frau Dr. Kaschuba, hat es ausgeführt, vorzulegen hat, dann hat tatsächlich auch die Arbeit begonnen. Nun könnte man auch meinen, was lange währt, wird endlich gut. In dem Fall ist es leider nicht so, meine sehr geehrten Damen und Herren. Denn ich glaube, es gehört auch zur Ehrlichkeit dazu, dass wir uns diese Hochschulstrategie mit diesem doch recht hochtrabenden Namen einmal genauer anschauen und hinterfragen müssen. Etwas relativiert hat sie eben selbst schon mein Kollege Dr. Hartung aus der SPD-Fraktion, er ist jetzt leider nicht mehr da. Er hat den Satz gesagt: Für die Gesamtstrategie zeigt uns die Hochschulstrategie wichtige Einzelschritte auf. Ja, was denn nun, ist es jetzt eine Strategie oder ist es keine Strategie? Sie müssen gerade schmunzeln. Genauso ging es mir auch. Aber eigentlich ist die Lage schon relativ ernst. Und wenn Herr Dr. Voigt dann in seinem Redebeitrag formuliert hat, wir müssten aber jetzt ganz zügig vorangehen und dürfen keine Zeit verlieren und können uns hier beispielsweise keine Enquetekommission mehr leisten, dann frage ich mich schon, worum es hier eigentlich geht. Geht es darum, jetzt etwas durchzupeitschen, ich sage es einmal so deutlich, und von oben zu verordnen? Das Gegenteil hat Herr Dr. Voigt in seinem Redebeitrag ausgeführt. Er hat gesagt, wir wollen nichts von oben verordnen, wir wollen keine Direktiven geben. Oder geht es hier darum, tatsächlich auf Augenhöhe gemeinsam zu überlegen, wie die hochschulpolitische Strategie für Thüringen aussehen kann? Diese Frage stelle ich hier ganz ernsthaft. Diese Frage stelle ich angesichts eines ausgesprochen dicken Papiers, das wir lediglich zur Kenntnis bekommen, worüber wir heute reden dürfen, aber an dem wir nichts ändern können. Hier, meine sehr geehrten Damen und Herren, will ich schon die Frage stellen, wenn wir es ernst meinen mit dem Miteinander, mit der Einbeziehung selbstverständlich auch der Universitäten, im Übrigen auch über die Ziel- und Leistungsvereinbarungen hinaus, die sie, glaube ich, viel gekostet haben - ich werde dann im Einzelnen noch einmal darauf eingehen. Dann brauchen wir, glaube ich, tatsächlich den Mut, zu Beginn der neuen Legislatur mit einer Enquetekommission beispielsweise zu starten,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

um daraus hervorgehend mit einem guten Gesetz 2016 tatsächlich, ich sage es einmal, auf dem Stand der Debatte zu sein. Denn diese Hochschul

(Abg. Dr. Hartung)

strategie kann, da gebe ich Herrn Dr. Hartung recht, nur ein Schritt auf dem Weg hin zu einer Strategie sein. Da sind aber noch viele weitere Schritte zu tun. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich muss natürlich auch noch etwas Grundsätzliches zu dieser Hochschulstrategie sagen. Wir glauben, die Landesregierung ist auf dem Weg dahin mehr oder weniger zum Jagen getragen worden. Eine Hochschulstrategie und eine ernst gemeinte Hochschulentwicklungsplanung müssen regelmäßig im Thüringer Landtag diskutiert und auch beschlossen werden. Beschließen werden wir hier heute nichts. Wir reden heute zwar viel darüber, aber es resultiert eigentlich nicht wirklich etwas daraus. Ich möchte für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vehement für ein neues demokratisches Miteinander von Parlament, Landesregierung und Hochschulen werben, weil ich glaube, nur gemeinsam können wir an dieser Stelle tatsächlich vorankommen.

Jetzt will ich auf einzelne Punkte noch einmal etwas genauer eingehen. Da ist der wichtigste Punkt immer die Frage der Finanzierung. Die Landesregierung hat sich, ich nenne es einmal vorsichtig, nach langem Ringen - wir hatten gestern den parlamentarischen Abend des Sports - mit Finanzminister Dr. Voß darauf geeinigt, ab 2016 zumindest alle wissenschaftsspezifischen Kostensteigerungen zu übernehmen und ein zusätzliches Strategiebudget das ist auch von meinen Kolleginnen schon angesprochen worden - von einem Prozent Aufwuchs zur Verfügung zu stellen. Damit folgt die Landesregierung zumindest dem Vorschlag des Wissenschaftsrats. Das erkennen wir auch an. Allerdings muss ich auch noch einmal sagen, es war ein Trauerspiel, was die Koalition monatelang abgeliefert hat. Finanzminister Dr. Voß hat sich als Bildungsfinanzierungsbremse erwiesen. Es wurden immer wieder die Schuldzuweisungen von der einen zur anderen Seite getätigt. Und, lieber Christoph Matschie, wenn Sie vorhin in Ihrer Regierungserklärung formuliert haben, ich zitiere: „Ich will, dass die Anzahl der Hochschullehrer Schritt für Schritt erhöht wird“, dann muss das schon wie ein Hohn in den Ohren derjenigen klingen, die an den Thüringer Hochschulen beschäftigt sind. Denn schauen wir einmal in die Ziel- und Leistungsvereinbarung hinein, dann haben wir vor uns im Moment einen massiven Stellenabbau: 300 Stellen sind das in den nächsten Jahren, darunter allein 50 Professuren und die Anzahl der zur Streichung stehenden Studiengänge gilt es auch noch zu erwähnen. Ich mache es noch einmal ganz konkret: An der FriedrichSchiller-Universität werden 125 Stellen wegfallen, an der Technischen Universität Ilmenau sind es 52, an der Uni Erfurt fallen 50 Stellen weg, an der Bauhaus-Uni Weimar 55 Stellen, an der Hochschule für Musik 9,2 Stellen, an der Fachhochschule in Jena 30,6, an der Fachhochschule Erfurt sind es 15 Stellen, in Nordhausen soll man künftig auf 13 Stellen

verzichten und an der Fachhochschule Schmalkalden auf 3 Stellen. So viel Ehrlichkeit hätte ich von Ihnen in Ihrer Regierungserklärung auch einmal erwartet, sehr geehrter Herr Minister, da helfen solche Sätze wie „Ich will, dass die Anzahl der Hochschullehrer Schritt für Schritt erhöht wird.“ nicht wirklich weiter. Hier hätte ich einen ganz konkreten Vorschlag: Die 28 Mio. €, die wir ja nun aufgrund der Kostenübernahme für das BAföG durch den Bund einsparen, könnte man sicher sehr gut in den Erhalt dieser Stellen stecken, wenn man das wollen würde, aber von all dem habe ich weder von Ihnen etwas gehört, geschweige denn etwas lesen können. Wir sagen ganz deutlich: Jede Stellenstreichung ist eine Stellenstreichung zu viel, weil wir nämlich keine schlechteren, sondern bessere Studienbedingungen brauchen und da kann ich auch nur müde lächeln, wenn Sie in Weltmeisterschaftszeiten hier die Champions League bemühen. Unter den realen Bedingungen, das muss allen klar sein, wird es eher schwieriger als besser, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Streichung von Studiengängen, der zunehmende Personalabbau, der Anstieg prekärer Beschäftigung - darüber können Sie lachen, ich glaube, der Mittelbau hat diesbezüglich nichts zu lachen, wir haben die Große Anfrage zu dem Thema ja recht umfangreich diskutiert, zumindest die Oppositionsfraktionen, im Ausschuss und auch bei der Anhörung - sollte uns zu denken geben. Hinzu kommt eine Raumknappheit an den Hochschulen. Wir sind von einer auskömmlichen Grundfinanzierung der Hochschulen noch meilenweit entfernt, lieber Herr Minister Matschie, und da können Sie auch mit solchen Regierungserklärungen, glaube ich, nicht darüber hinwegtäuschen. Allein um den Durchschnitt der Ausgaben für die Hochschulen der Flächenländer in Westdeutschland zu erreichen, würde es erfordern, dass Thüringen 100 Mio. € jährlich mehr investiert. Das ist vielleicht auch eine Zahl, die man sich immer mal wieder vor Augen führt, wenn man davon träumt, ganz oben oder aber auch in Stanford mitspielen zu können, lieber Herr Dr. Voigt. Investitionen in unsere Hochschulen und in Forschung sind gut angelegtes Geld und jeder Euro, den das Land hier investiert, rechnet sich vielfach. Wir fordern weiterhin eine aufgabengerechte Ausfinanzierung unserer Hochschulen und dafür, das hat Kollegin Hitzing vorhin erwähnt, braucht es endlich die Aufhebung des Kooperationsverbots, allerdings, und das will ich ganz deutlich sagen, für den gesamten Bildungsbereich und nicht nur für die Hochschulen. Hier dürfen wir uns auch kein faules Ei ins Nest legen lassen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich nun ein paar Ausführungen zur prekären Beschäftigung an den Hochschulen machen. Wir erkennen hier, und in der Hochschulstrategie schon gar nicht, keine belastbare Strategie, und wenn dann ein bloßer Verweis auf die Leitlinien der Hochschulrektorenkonferenz erfolgt und auf die Notwendigkeit von Bundesgesetzen, ich nenne hier das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, dann ist das noch lange keine Strategie, die von Thüringen aus irgendetwas Neues oder gar Besseres hervorbringt. Befristungen, Teilzeit, schlechte Bezahlung sind in unseren Hochschulen an der Tagesordnung und haben in den letzten Jahren auch immer mehr zugenommen. Lesen Sie einfach noch einmal die Große Anfrage dazu. Nur rund zwei Drittel des Hochschulpersonals haben überhaupt eine volle Stelle, zwei Drittel der unter 35-jährigen wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten in Teilzeit und etwa 94 Prozent, 94 Prozent von ihnen, sind befristet und haben teilweise Befristungen, über die kaum jemand nachdenken möchte, weil sie so kurz sind, dass sie uns die Schamesröte ins Gesicht treiben müssen. Selbstständige Forschung und Lehre ist für den wissenschaftlichen Nachwuchs, der oft bis ins fünfte Lebensjahrzehnt reicht, lieber Herr Minister, dagegen kaum vorgesehen. Wir vermissen belastbare Strategien, wie wir mehr reguläre und unbefristete Arbeitsplätze in der Wissenschaft schaffen können, und genau so etwas gehört selbstverständlich ganz elementar zu einer Hochschulstrategie mit dazu. Außerdem vermissen wir eine grundsätzliche Umsteuerung in der Personalpolitik. Es kann nicht darum gehen, möglichst viel Personal für möglichst wenig Geld einzustellen, sondern wir müssen dafür sorgen, dass wir mehr reguläre und unbefristete Arbeitsplätze schaffen, vor allem dort, wo dauerhaft Lehr- und Prüfungsaufgaben erfüllt werden müssen, und da hilft auch kein Verweis auf mögliche Drittmittel, die man irgendwoher auch noch generieren möchte. Wir vermissen verbindliche Vereinbarungen zum Abbau prekärer Arbeitsverhältnisse und für gute Arbeit mit den Hochschulen und da sind die Ziel- und Leistungsvereinbarungen, das will ich ganz deutlich sagen, viel zu wenig aussagefähig, aber all das findet sich leider in der Hochschulstrategie nicht wieder. Genauso wenig findet sich eine klare Aussage, wie es mit der Entlohnung von bestimmten Beschäftigungsgruppen weiter gehen soll. Ich benenne hier einmal die Lehrkräfte für die besonderen Aufgaben beispielsweise an den Fachhochschulen, die eine sehr hohe Lehrbelastung mitbringen und nur in der Tarifgruppe E 11 entlohnt werden. Ich meine, das muss vielleicht auch jede und jeder noch einmal für sich reflektieren, was das bedeutet und wie es um die Attraktivität dieser Stellen bestellt ist. Auch die Bezahlung oder gar die personalrechtliche Vertretung von studentischen Hilfskräften spielt keine Rolle in Ihren Überlegungen. Für einen Sozialdemokraten, das muss ich so

sagen, ist das insgesamt eine ganz schön schwache Leistung, Herr Minister.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Thema Gleichstellung: Da sind Sie heute auch groß zitiert in einer Thüringer Tageszeitung, Herr Minister, dass Ihnen Gleichstellung so wichtig ist. Wir sind hier mehr oder weniger Schlusslicht, das wissen Sie auch. Der Anteil an weiblichen Professoren liegt gerade einmal bei 16 Prozent und das neu geschaffene „Thüringer Kompetenznetzwerk Gleichstellung“ ist eine der Maßnahmen, die wir durchaus positiv sehen. Es bleibt aber abzuwarten, was hier tatsächlich passiert. Viel mehr findet sich in der Hochschulstrategie dazu leider auch nicht. Es fehlt eine verpflichtende Frauenförderung. In Anbetracht der Tatsache, dass Gleichstellung an den Hochschulen in Thüringen bisher nur eine recht untergeordnete Rolle spielt, fragen wir uns zum Beispiel - das haben wir im Übrigen auch in der Anhörung schon getan und auch in der Debatte im Ausschuss -, warum nicht verbindliche Zielquoten oder das Kaskadenmodell in den Ziel- und Leistungsvereinbarungen festgeschrieben worden sind. Und: Warum wurden die Kompetenzen der Gleichstellungsbeauftragten nicht ausgeweitet? Wir haben hier in den Anhörungen erleben müssen, wie sie uns ihr Leid geklagt haben, dass sie kaum Mitsprachemöglichkeiten, geschweige denn Spielräume haben, um sich einzubringen.

Wenn wir gerade bei der Beteiligung sind, bin ich beim Thema „Demokratisierung von Hochschulen“. Auch da Fehlanzeige, sehr geehrter Herr Minister. Was Herr Dr. Voigt darüber denkt, haben wir alle hören können, auch zur Frage der Parität. Ich bedaure das ausdrücklich, ich kann das nicht nachvollziehen. Meines Erachtens dürfen niedrige Wahlquoten niemals dazu führen, dass wir weniger Beteiligung wünschen. Es sollte uns vielmehr dazu auffordern, an den Hochschulen zu Beteiligung einzuladen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Deshalb frage ich: Wo ist denn die Strategie der Landesregierung, wie wir zu einem neuen Miteinander von Studierenden, von Professorinnen und Professoren, von Mitarbeitenden im Mittelbau gelangen?

Insgesamt fehlen fast alle Wege zu mehr Mitbestimmung in den Hochschulen. Warum bauen wir denn nicht beispielsweise die Kompetenzen und Mitwirkungsrechte des Senats aus? Die Hochschulstrategie deutet das so ein bisschen an, aber festlegen will man sich auch an dieser Stelle nicht. Auch die Hochschulräte müssen in den Blick genommen werden. Wir diskutieren durchaus kontrovers in unserer Partei darüber, Hochschulräte wieder abzuschaffen. Das ist sicher eine Frage, die man auch

hier im Parlament einmal diskutieren müsste, aber auch die wichtige Frage der Profilbildung von Hochschulen, die Schwerpunktsetzung in Forschung und Lehre und die Weiterentwicklung des Studienangebots müssen zurück in die demokratischen internen Hochschulgremien verlegt werden

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

davon sind wir jedenfalls überzeugt -, auch und gerade, wenn wir es ernst meinen mit Autonomie von Hochschulen. Diese kann nur funktionieren, wenn dort Beteiligung gelebt wird.

Zur dualen Hochschule: Herr Dr. Voigt, Sie haben gesagt, das Bekenntnis zur dualen Hochschule ist so wichtig. Leider geht es über das Bekenntnis aber nicht hinaus. Die Berufsakademie ist zwar aufgenommen worden in das Hochschulgesetz - das unterstützen wir auch, und zwar ausdrücklich -, aber was das genau heißt für die personellen, für die räumlichen und für die finanziellen Rahmenbedingungen, das ist völlig unklar, da bleiben Sie sämtliche Antworten schuldig.

Zur Problematik der Hochschulbibliotheken: Hier habe ich auch eine Mündliche Anfrage gestellt, auf deren Beantwortung ich schon sehr gespannt bin. Es ist eine vollkommen unklare Strategie. Warum wird einerseits auf regionale Verbündete gesetzt, andererseits sollen ortsübergreifende serviceorientierte Dienstleistungsverbünde agieren, die gemeinsame Leistungen anbieten? Zudem soll es unter dem Dach der Friedrich-Schiller-Universität eine rechtliche Teilverselbstständigung der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek geben. Das alles erscheint uns jedenfalls wenig einleuchtend. Warum wird hier nicht das Modell der sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek verfolgt? Wir haben sie mit dem Ausschuss besucht; uns hat das jedenfalls durchaus überzeugt. Ich glaube, auch die Universität in Jena und die Bibliothek würden sich das selbst wünschen. Allerdings hier bleibt man im Vagen, im Ungefähren und bei vielen, vielen Worthülsen. Das ist jedenfalls noch lange keine Strategie. Ähnlich ist das übrigens auch bei den Kooperationen bei Verwaltungen und Rechenzentren. Die sind natürlich längst überfällig, das haben wir hier auch immer wieder gesagt, Thüringen hat schließlich eine relativ überschaubare Hochschullandschaft. Die Frage ist allerdings, wie Synergiepotenziale tatsächlich genutzt werden können, so dass sie auch allen zugute kommen. Dazu finden wir im Text dann wenig.

Frau Hitzing, sie ist jetzt leider nicht hier, ist auf die Problematik der Einschränkung von Fachkombinationen bei der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung eingegangen. Auch ich will dieses Thema noch einmal ansprechen. Die Einschränkungen der Fachkombinationen, so wie sie jetzt vorgesehen sind, halten wir für falsch. Zudem erscheint uns die Einordnung mancher Fächer in die Fächergruppen

mindestens fragwürdig. Vielleicht kann hier noch einmal jemand erklären, im Ausschuss ist dies nicht so recht gelungen, warum zum Beispiel Russisch und Sport in der Fächergruppe 1 einsortiert sind und Musik in der Fächergruppe 2. Das hat sich mir jedenfalls bis jetzt nicht erschlossen. Außerdem müssen wir bedenken, dass selbstverständlich danach geschaut wird, dass wir Lehrerinnen und Lehrer auch und gerade in den Fächern ausbilden, wo wir Mangel haben. Thüringen ist allerdings auch keine einsame Insel. Man muss ein Stück weit über den Tellerrand schauen und kann nicht nur allein für den Bedarf vor Ort ausbilden. Wichtiger ist hier eine umfassende Studienberatung der Studierenden bereits zu Beginn, darauf haben auch die Anzuhörenden übrigens immer wieder hingewiesen, auch und gerade die Vertreterinnen und Vertreter der Lehramtsstudiengänge.

Zum Thema Forschung: Hier besteht die - das ist jetzt Ironie - wegweisende Strategie der Landesregierung im Wesentlichen in einem „Weiter so“. So habe ich das jedenfalls verstanden. Und in der Neuauflage des ProExzellenz-Programms mit der Förderung von Forschungsclustern und ProExzellenz-Professuren, Frau Dr. Kaschuba hat das vorhin in ihrer Rede recht eindrücklich geschildert. Hurra, hurra: die Überraschung ist ausgeblieben. Anders kann ich das leider nicht zusammenfassen. Inwieweit nämlich beispielsweise die in den letzten Jahren neu geschaffenen Innovationszentren wirklich so wegweisend sind, bleibt mindestens noch abzuwarten. Der Beweis wurde hier jedenfalls noch nicht angetreten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hätten uns zudem gewünscht, dass für Thüringen insgesamt auch das Thema Nachhaltigkeit in Lehre und Forschung eine größere Rolle spielt. Da geht es zum Beispiel um Strategien, wie eine Wissenschaftskultur in Thüringen gefördert werden kann, die auch über Grenzen der Fachdisziplin hinweg gemeinsam an den großen Zukunftsproblemen der Gesellschaft arbeitet. Da geht es ganz zentral, Frau Dr. Kaschuba hat das völlig zu Recht gesagt, um die Frage des Bildungsbegriffs, der dahintersteht. Welchen Bildungsbegriff haben wir denn? Wohin wollen wir hier? Genau solche Antworten werden Sie allerdings in dieser Hochschulstrategie leider nicht finden.

Ich nenne hier mal ein Vorbild: Baden-Württemberg. Dort sind sogenannte Reallabore eingerichtet worden, die transdisziplinäre Forschungsarbeiten auf regionaler Ebene unterstützen, die konkrete gesellschaftliche Herausforderungen aufgreifen und auch als Innovationskerne fungieren sollen mit einer Anschubfinanzierung durch das Land. Denn klar ist, zum Nulltarif kann es so etwas auch nicht geben.

Abschließend muss ich leider zusammenfassen: Diese Hochschulstrategie enthält insgesamt wenig Wegweisendes. Viele wichtige Baustellen sind schlicht außer Acht gelassen worden. Es bleiben sehr viele Fragen offen, die in der nächsten Legislatur geklärt werden müssen. Wir sind dazu bereit, uns hier ernsthaft zusammenzusetzen, auf Augenhöhe, gern auch in einer Enquetekommission, um für 2016 dann nicht nur so eine Aneinanderreihung von Bestandsanalysen vorlegen zu können, sondern eine Hochschulgesetzesnovelle, die ihren Namen auch verdient und die Demokratie, Nachhaltigkeit und Inklusion als Leitgedanken formuliert. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für die Fraktion DIE LINKE hat Frau Abgeordnete Hennig-Wellsow das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten, liebe Gäste, liebe Hochschulvertreterinnen und -vertreter, ich begrüße Sie heute herzlich zu einer Debatte, die endlich im Thüringer Landtag stattfindet, aber im Grunde eigentlich auch umsonst stattfindet.

Ich will ein paar Anmerkungen machen, es sind schon viele Sachen gesagt worden, aber ein paar Anmerkungen müssen noch sein. Zum Beispiel die, das Bild der Champions League ist eigentlich ganz charmant, aber je mehr man darüber nachdenkt, fällt einem natürlich auf, dass es Profivereine sind, die in der Champions League spielen, und unsere Hochschulen sind weiß Gott nicht ausgestattet wie Profivereine oder könnten auch nur in die Nähe dieser finanziellen Ausstattung kommen, um diese Leistungen auch international zu erbringen.

Zum Zweiten, warum ich sage, wir führen eine Diskussion, die im Grunde bei dieser Diskussion bleibt. Wir haben im Landtag nicht einmal eine Drucksache zur Hochschulstrategie in Thüringen. Das heißt, wir können heute nur über die Strategie sprechen, als Abgeordnete Anmerkungen machen, aber es wird im Grunde keine Konsequenz haben, weil die Strategie nur in der Landesregierung beschlossen ist. Da habe ich durchaus noch einmal die Frage an die Koalitionäre: Ist es eigentlich eine gemeinsame Strategie oder ist es ein Bekenntnis, was man abgeben musste, weil es einen Beschluss des Landtags gab? Oder warum traut man sich nicht, im Landtag die Hochschulstrategie zu besprechen?

Meine dritte Anmerkung: Herr Dr. Hartung, die Linke hat einen eigenen Beitrag geleistet, um die Hochschulentwicklung in Thüringen voranzubringen. Wir haben ein Gutachten in Auftrag gegeben

von Prof. Dr. Benjamin Hoff aus Berlin, ehemaliger Staatssekretär. Herr Dr. Voigt bezeichnet es als „das ferne Berlin“. Ich wusste gar nicht, dass Sie so sehr in Thüringen verhaftet sind, dass Berlin so fern ist, dass man da keine Anmerkungen zur Thüringer Politik machen kann. Ja, es gibt die Formulierung „in der bisherigen Form wird die Hochschulstruktur infrage gestellt“. Jeder, der Hochschulentwicklung ernsthaft betreibt und auch ernsthaft diskutiert, der muss doch alles infrage stellen, um am Ende auf die Schlussfolgerung kommen zu können: Ja, wir erhalten alle Standorte. Auch das haben wir im Gutachten formuliert, wenn Sie das Gutachten gelesen haben. Alle Standorte werden erhalten, wir schlagen lediglich Kooperationen vor. Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen und da hilft auch jede billige Polemik nicht weiter.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Einfach nur lesen.)

Meine vierte Anmerkung: Wer verfasste Studierendenschaften infrage stellt, der hat einfach nicht verstanden,

(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: Das ist ein Unterschied.)

dass auch Hochschulen ein demokratisches System sind und Studierende sich selbst vertreten können müssen.

Meine fünfte Anmerkung - und dann komme ich schon gleich auf meine Äußerung: Hochschulentwicklung ist ein Prozess. Auch die Hochschulentwicklung, die wir heute diskutieren, ist in Teilen veraltet und ist in Teilen schon umgesetzt und wird erst nachträglich mit dem legitimiert, was wir heute tun.

Wir haben zum Beispiel in unserem Gutachten die Kooperation der Fachhochschule Nordhausen mit Wernigerode usw. vorgeschlagen. Da gibt es unterschiedliche Formen der Kooperation. Aber im gemeinsamen Gespräch mussten wir auch feststellen - und das finde ich sehr positiv -, dass sich die Fachhochschule Nordhausen selbstverständlich mit Wernigerode und den Sachsen-Anhaltinern verständigt und ihre eigene Form der Zusammenarbeit findet. Genau so muss es sein. Da läuft auch das Gutachten, auch die Strategie der Landesregierung hinterher.

Jetzt komme ich zu dem eigentlichen Punkt, was Frau Dr. Kaschuba schon angekündigt hat, die Beschäftigungsverhältnisse. Hier werden große Reden geschwungen, wie ausfinanziert die Hochschulen sind. Wir haben als Fraktion zusammen mit der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft eine Große Anfrage an die Landesregierung erarbeitet, die im vergangenen Jahr in einer mündlichen Anhörung endete. Das, was uns auch die Vertreter

(Abg. Rothe-Beinlich)

und Vertreterinnen der Landesrektorenkonferenz mit auf den Weg gegeben haben, ist ziemlich deutlich. Die Beschäftigungsverhältnisse können nur in den Griff bekommen werden, wenn wir das Hochschulbudget um 15 bis 20 Prozent erhöhen. Jetzt wissen wir alle, das Geld wächst nicht auf den Bäumen, und wir alle wissen, dass wir auch in den nächsten Jahren über finanzielle Mittel für die Hochschulen streiten müssen. Aber zu behaupten, 4 Prozent Erhöhung löse irgendein Problem der Hochschulen und sei nicht die Finanzierung des Status quo, halte ich für nicht legitim. Was die Beschäftigungsverhältnisse an Thüringer Hochschulen angeht, da gibt es eindeutige Zahlen. Das eine Problem besteht beim wissenschaftlichen Mittelbau. Wir reden da von über 80 Prozent Befristungsverhältnissen. Wir haben Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, das sind die, die Lehre in den Hochschulen tragen, die zum Teil sieben Verträge in einem Jahr haben. Das ist doch kein Zustand und das ist auch keine Kontinuität von Wissensbearbeitung.