Protokoll der Sitzung vom 16.07.2014

Nun zum eigentlichen Antrag oder zu den drei Gesetzen, die uns heute hier im Landtag abschließend zur Beratung vorliegen.

Werter Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zur Änderung sicherheitsrechtlicher Vorschriften war und ist ein Paradebeispiel, wie die Koalition aus CDU und SPD Politik dieses Parlaments jedweder inhaltlicher Auseinandersetzung entzogen hat. Ich sage ganz ehrlich, es ist ein Trauerspiel. Zweieinhalb Jahre nach der Selbstenttarnung des neonazistischen Terrornetzwerkes NSU - der Untersuchungsausschuss 5/1 hat heute einen über 1.700 Seiten starken Abschlussbericht beschlossen - reagiert die Landesregierung und werkelt am Thüringer Verfassungsschutzgesetz herum. Ja, sie hat reagiert. Was sie aber nicht macht, ist, Konsequenzen aus den offen zutage tretenden Verfehlungen, aus dem Versagen und der offenbar gewordenen Gefährlichkeit eines sich verselbstständigten und nicht kontrollierbaren Geheimdienstes ohne rechtsstaatlich kontrollierbare Eingriffshürden und ohne rechtsstaatlich begründbare Eingriffsbefugnisse zu ziehen. Das tut die Koalition auch nicht mit ihrem Änderungsantrag. Um es gleich vorweg zu sagen: Ohne Zweifel wurde in den letzten Jahren öffentlich sehr intensiv über den Verfassungsschutz als Geheimdienst diskutiert, insbesondere auch in Thüringen. Immer wieder wurde durch Journalisten Bürgerrechtlern und in der Auseinandersetzung mit Neonazismus Engagierten die Frage nach der Notwendigkeit eines Inlandsgeheimdienstes gestellt. Auch in der Anhörung des Innenausschusses haben wir die Angehörten danach gefragt. Wir haben die Gesetzentwürfe der Landesregierung und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aufmerksam gelesen. Was wir aber nicht in den Anhörungen gefunden und auch nicht gehört haben, ist ein Argument für die immer wieder vorgetragene Behauptung, dass es einen Geheimdienst brauche. Darin unterscheiden sich die Herren Geibert, Fiedler, Gentzel und auch Herr Adams nicht;

(Beifall DIE LINKE)

nicht ein einziges Argument außer der diffusen Darstellung, man müsse sich ja schließlich schützen. Beseelt von dieser Annahme negieren Sie die Funktion, Struktur und Aufgabenbeschreibung eines Geheimdienstes vollkommen. Ein Anzuhörender, kein grundsätzlicher Befürworter der Abschaffung des Verfassungsschutzes, hat den Abgeordneten des Innenausschusses dieses sehr deutlich vor Augen geführt. Prof. Dr. Hans Peter Bull, von der CDU und SPD vorgeschlagener Experte, führte

(Abg. Holbe)

in seiner Stellungnahme das rechtsstaatliche Dilemma der Geheimdienstbefürworter aus - mit Ihrer Genehmigung zitiere ich -: „Die Konzentration des Verfassungsschutzes auf gewaltorientierte Bestrebungen ist im Sinne einer Reduktion staatlicher Überwachung zu begrüßen; sie würde die unselige Gesinnungsschnüffelei beenden, die den Verfassungsschutz in der Vergangenheit in ein rechtsstaatliches Abseits gebracht hat.“ So weit, so gut. Weiter führt Prof. Bull aber aus - Zitat -: „Würden sich die Verfassungsschutzbehörden nun auf die Beobachtung der gewaltbereiten Szene beschränken, so träte noch deutlicher zutage, was heute schon ein zentrales Problem der Sicherheitsverwaltung darstellt: die Doppelzuständigkeit von Polizei und Geheimdiensten, die oft genug zu einem unkoordinierten Nebeneinander beider Behördenstränge geführt hat.“ Was haben wir? Wir können uns laut Herrn Bull zwischen Doppelzuständigkeit und darauf aufbauenden Begehrlichkeiten zum Informationsaustausch und damit der Verletzung des Trennungsgebots einerseits und andererseits einem Geheimdienst, der ausschließlich Gesinnungsschnüffelei betreibt, entscheiden. Oder aber wir entscheiden uns, dieses Dilemma dahin gehend aufzulösen, da es weder eine Doppelzuständigkeit braucht, diese eher rechtsstaatlichen Prinzipien infrage stellt, noch eine Behörde, die ausschließlich oder auch Gesinnungsschnüffelei betreibt, und schaffen das ganze Amt einfach ab.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, diese Frage aber wollen weder die Fraktionen von CDU und SPD noch die von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ernsthaft erörtert wissen. So unterblieb auch, wie so viele Male in dieser Legislatur, eine inhaltliche Auswertung der durchgeführten Anhörung im Innenausschuss. Die Änderung des Verfassungsschutzgesetzes wird zum Politikum, zum Gegenstand eines Machtpokers in einer Koalition, deren Partner sich lieber gegenseitig vorwerfen, einen Geist wie unter Honecker in Thüringen etabliert zu haben oder gleich völlig ungeeignet für ein Amt zu sein. Morgen werden wir wahrscheinlich eine Erfolgsgeschichte erzählt bekommen, was für eine tolle Regierung Thüringen in den letzten fünf Jahren ihr Eigen nennen konnte.

(Beifall CDU)

Beim Verfassungsschutzgesetz gieren die Sozialdemokraten nach besonderer Anerkennung und betonen noch vor Veröffentlichung des Änderungsantrags, dass dieser eine sozialdemokratische Handschrift tragen würde - wohl in der Hoffnung, dass am Ende keiner mehr überprüft, was man laut genug behauptet hat.

Aber schauen wir uns die sozialdemokratische Handschrift einmal an. Der SPD-Abgeordnete Hey wurde in der Nachrichtenagentur dpa wie folgt wie

dergegeben, dass der nun ausgehandelte Reformvorschlag unter anderem vorsieht - Zitat -, „… dass sich der Nachrichtendienst auf seine Kernaufgaben beschränkt. Dies sei in erster Linie der Kampf gegen gewaltbereite Bestrebungen. Die immer wieder von der CDU geforderte Übertragung von Präventionsaufgaben an den Verfassungsschutz sei mit dem gefundenen Kompromiss nun kein Thema mehr.“ Das Interessante dabei ist, dass der Änderungsantrag zu genau diesen Themen überhaupt keine Aussage trifft. Wie ist dann erst die Aussage Herrn Heys zu bewerten, dass sich die SPD in allen entscheidenden Punkten durchgesetzt habe. Aber auch für die CDU war die Einigung mit dem Koalitionspartner ein Erfolg und man ziehe nun die richtigen Konsequenzen.

Meine Damen und Herren, hier will uns ein jeder dieser Koalition ein X für ein U vormachen oder besser, man will einen Geheimdienst zur demokratischen Institution verklären und gesellschaftlich verankern und der weitgehend erfolgten öffentlichen Delegitimation durch einfach falsche Behauptungen begegnen.

Im Einzelnen zur Darstellung des Abgeordneten Hey: 1. § 1 Abs. 1 setzt in der allgemeinen Zweckbestimmung des Verfassungsschutzes tatsächlich den Schwerpunkt auf gewaltorientierte Bestrebungen, übrigens von Anfang an. Bei den eigentlichen Aufgaben in § 4 und § 5 bei den Eingriffsbefugnissen und Eingriffsschwellen und beim Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gibt es diese Grenzen gar nicht. Im Gegenteil, selbst § 1 beschreibt, dass dem Entstehen von Bestrebungen durch den Geheimdienst begegnet werden soll. Also der Geheimdienst soll Bestrebungen bekämpfen, die es noch gar nicht gibt. Damit verbleibt dieser Thüringer Verfassungsschutz und erfährt dadurch sogar noch eine Stärkung und, um mit den Worten von Prof. Bull zu sprechen, ist im Bereich der Gesinnungsschnüffelei tätig. Wenn nicht, wäre er bereits strukturell überflüssig, weil für die Gefahrenabwehr die Polizei zuständig ist; auch darauf verwies Prof. Bull.

In § 5 Abs. 1 und noch sehr viel deutlicher in Absatz 2 wird die Präventionsaufgabe des Geheimdienstes gestärkt und ausgebaut ganz im Sinne der Eingangsbemerkung zum Gesetzentwurf, dass die Landesregierung den Geheimdienst in der Mitte der Gesellschaft verankern möchte. Anders als Herr Hey verweisen andere in der Darstellung zur koalitionären Einigung auf die durchaus richtige Feststellung, man habe sich dazu verständigt, die Vorschläge der Parlamentarischen Kontrollkommission aufzunehmen - sicher nicht vollständig und auch nicht ausschließlich, aber zu einem großen Teil.

Ich möchte zuerst auf einen Punkt eingehen, der als Vorschlag der PKK nicht Einzug in den Änderungsantrag gehalten hat. Nach dem nun in diesem Punkt unverändert bleibenden Gesetzentwurf soll

der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel dann unzulässig sein, wenn allein Kenntnis aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt werden würde. Da es also praktisch ausreicht, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass nur eine Information jenseits des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung erlangt werden könnte, ist der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel in der Praxis immer zulässig. Das heißt de facto, in dem verfassungsrechtlich garantierten und vor dem staatlichen Zugriff unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung gilt es für den Geheimdienst nicht und soll es für das künftige Amt für Verfassungsschutz auch nicht gelten. Die PKK hat dies erkannt und zumindest vorgeschlagen, das Wort „allein“ durch „im Schwerpunkt“ zu ersetzen. Das hätte zwar nicht...

Herr Abgeordneter Kalich, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Haben wir nicht drei gesagt?

Es ist geteilt, in der zweiten und dritten Beratung gilt das dann noch. Wir sind jetzt in der ersten zur zweiten Beratung.

Dann gestatten Sie mir bitte noch einen Satz, da hatte ich jetzt ein Verständnisproblem. Das hätte zwar nicht wirklich den Kernbereich privater Lebensgestaltung vor dem Zugriff des Geheimdienstes geschützt,

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das wurde uns aber nicht signalisiert, Frau Präsidentin.)

aber die Hürden hätten ein klein wenig höher gelegen. Es stellt nach Ansicht des SPD-Abgeordneten Hey also eine sozialdemokratische Handschrift dar, bereits auf den Minimalschutz - den verfassungsrechtlich eigentlich unantastbaren Kern - zu verzichten. Ich habe einen Punkt gesetzt.

Herr Kalich, Moment, hier gibt es eine Unstimmigkeit, wie das signalisiert wurde. Herr Abgeordneter Kalich, es tut mir leid, wir haben jetzt die Einigung gefunden. So wie es ursprünglich signalisiert, aber dann nicht umgesetzt wurde, wir reden jetzt zu allen drei Teilen, das heißt, Sie haben dreimal die halbe Redezeit, sprich 27 Minuten.

Die werde ich nicht ausschöpfen.

(Beifall FDP)

Ich fahre dann fort, meine Damen und Herren. Dahin gehend Aufnahme gefunden hat ein Änderungsvorschlag der Parlamentarischen Kontrollkommission zu § 10 Abs. 2. Manch einer wird sich im Hohen Haus noch an die Beantwortung einer Mündlichen Anfrage durch den Staatssekretär Rieder erinnern, der in unnachahmlicher Art und Weise ausführte, dass Mitarbeiter von Abgeordneten für den Verfassungsschutz sakrosankt, das heißt also, Personen unantastbar werden. Anlass für seine Äußerung war, dass der Verfassungsschutz einen Mitarbeiter der Abgeordneten König als Informanten anwerben wollte. Sozialdemokratische Handschrift heißt in diesem Fall, hinter diese Aussage des Innenstaatssekretärs zurückzufallen, und bindet die gesetzliche Möglichkeit der Anwerbung eines Mitarbeiters eines verfassungsrechtlich geschützten Abgeordneten als inoffiziellen Mitarbeiter und Zuträger an die vorherige Information des Landtagspräsidenten und des Vorsitzenden der PKK. Völlig unberührt zeigt sie sich hier, sowohl die Abgeordneten als auch deren Mitarbeiter betreffend, von den zwischenzeitlich ergangenen Verfassungsgerichtsentscheidungen, die ihnen nicht folgenlose Informationspflichten an Geheimnisträger auferlegen, sondern enge Grenzen für den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gegen Parlamentarier an sich setzen. Aufgenommen wurden auch die Regelungsvorschläge der PKK zum Ausbau der parlamentarischen Kontrolle. Frau Holbe nennt dies die richtigen Konsequenzen. Sicher doch, erweitert sie die Kontrollmöglichkeiten und erweitert auch die Befugnisse der PKK und erleichtert deren Arbeit, aber sie sind keineswegs geeignet, die parlamentarische Kontrolle zu revolutionieren, weil sich der Grundsatz der Transparenz des Parlaments und der Grundsatz der Geheimhaltung eines Nachrichtendienstes grundsätzlich diametral gegenüberstehen. Das löst der Gesetzentwurf auch nicht unter Berücksichtigung des Änderungsantrags auf. Da er dies aber auch nicht kann, sollte auch nicht so getan werden. Es wäre unredlich, wenn man behaupten würde, Thüringen zieht damit die Konsequenzen aus der Arbeit des Verfassungsschutzes im Zusammenhang mit dem neonazistischen Terrornetzwerk NSU, denn die übergroße Mehrzahl der vorgenommenen Änderungen entsprechen einfach den Regelungen des seit 2009 geltenden Kontrollgremiumsgesetzes des Bundes. Wie wirksam die parlamentarische Kontrolle mit diesen in Thüringen nun eingeführten Instrumentarien auf Bundesebene funktioniert hat, zeigt die Arbeit des Untersuchungsausschusses des Bundes, die Vernichtung von Akten durch das Bundesamt für Verfassungsschutz, die die Arbeit selbst der Untersuchungsausschüsse erheblich erschwerte und behinderte, und zeigen die öffentlichen Äußerungen von Kontrollgremiumsmitgliedern darüber, über was sie alles nicht informiert wurden und was damit auch nicht zum Gegenstand ihrer Kontrolle wurde.

Um nicht falsch verstanden zu werden, die Anhebung der Kontrollbefugnisse in Thüringen auf das Niveau des Bundes ist im föderalen System kein falscher Schritt. Es ist nur keine Konsequenz, die es notwendig zu ziehen galt. Unbeeindruckt zeigt sich die Koalition auch bei den Fragen nach Wiederherstellung eines verfassungskonformen Zustands bei der funktionellen Trennung von Geheimdienst und Polizei. Das Trennungsgebot führt seit Jahrzehnten einen kontinuierlichen Verteidigungskampf, den es nun völlig zu verlieren droht. Das Trennungsgebot meint nicht allein eine rein organisatorisch-strukturelle Trennung von Überwachung und Repression. Es meint vor allem, dass Menschen durch den Staat nicht ohne Vorliegen von Anhaltspunkten einer Überwachung aufgrund ihrer politischen Betätigung und im Ergebnis staatlichen Repressivmaßnahmen unterzogen werden dürfen. Dies aber passiert dann, wenn zwar organisatorisch und personell die Trennung zwischen Geheimdienst und Polizei aufrechterhalten wird, der Informationsfluss aber weitestgehend barrierefrei ermöglicht wird, so wie das der vorliegende Gesetzentwurf schafft. Die Thüringer Informations- und Auswertungszentrale von Polizei und Verfassungsschutz erhält eine gesetzliche Grundlage und überdies dürften das Amt für Verfassungsschutz und andere Behörden, unter ihnen auch Polizeibehörden des Landes, gemeinsame Dateien projektbezogen führen können. Damit ist in der Konsequenz das Trennungsgebot nahezu vollständig aufgehoben - offenbar eine sozialdemokratische Handschrift.

Meine Damen und Herren, die Linke sieht keinerlei Grund, von der Forderung zur ersatzlosen Abschaffung des Landesamtes für Verfassungsschutz abzurücken.

(Beifall DIE LINKE)

Wir verstehen unter Verfassungsschutz eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung für den Schutz der Demokratie mit den Mitteln der Demokratie, wahrgenommen durch zivilgesellschaftliche Akteure bei Unterstützung staatlicher Institutionen. Im Februar 2012 haben wir Ihnen einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Die Argumente, die wir Ihnen damals hier vorgetragen und mit Sachverständigen diskutiert haben, sind auch heute noch richtig. Ihr Gesetzentwurf, dies gilt auch für den Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, zu dem ich mich in erster Beratung ausführlich geäußert habe, ist in erster Linie ein Bekenntnis zum Geheimdienst. Das wirklich Tragische daran ist, trotz NSU, trotz V-Leute-Skandal, trotz Beteiligung der Verfassungsschutzämter am Strukturaufbau und an politischen Aktionen von Neonazis gilt dies als ungebrochenes Bekenntnis zum Geheimdienst als solchem.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist, weil Sie immer nur schwarz-weiß sehen.)

Wir lehnen die Gesetzentwürfe der Landesregierung, also der Koalition aus SPD und CDU, sowie den der Grünen ab.

(Beifall DIE LINKE)

Danke, Herr Abgeordneter Kalich. Als Nächster hat Herr Abgeordneter Gentzel für die SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, genau das musste man befürchten, dass wir heute nicht die Debatte über ein Verfassungsschutzgesetz mit all den Klippen, die wir da zu umschiffen hatten, führen, sondern dass es hier fast Wahlkampf pur gibt. Es ging wohl mehr darum, ein bisschen hämisch über eine angeblich vorhandene oder nicht vorhandene sozialdemokratische Handschrift als über das Gesetz selbst zu diskutieren. Ich kann damit umgehen, dass Sie Schwierigkeiten haben, dass die Koalition zum Beispiel einen Anzuhörenden benannt hat, der mal eine andere Sichtweise als die von SPD und CDU auf die Sache hatte. Ich habe damit kein Problem gehabt und das entspricht genau dem,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Mei- nen Sie den Bundesvorsitzenden der MLPD?)

was wir vorher angesagt hatten; wir beschäftigen uns nämlich mit beiden Seiten der Medaille. Dass Sie sich nur einen Anzuhörenden herauspicken und die anderen, die Ihnen teilweise für Ihre Einstellung den Kopf gewaschen haben, nicht nennen, ist auch kein Problem. Was für mich ein ganz großes Problem ist, ist diese Diffamierung - und genau so muss man das nennen, Herr Kalich -, dass wir - ich will ganz deutlich werden - dieses Gesetz im Ausschuss nicht erörtert haben. Sie gehören im Ausschuss zu den ganz Ruhigen, um das ganz vorsichtig zu sagen. Das mag daran liegen, dass Sie dort kein Redemanuskript vorliegen haben, was Sie eins zu eins ablesen können. Aber die Debatte, zum Beispiel mit Herrn Adams und mir, über den Gesetzentwurf hat es gegeben. Die muss man natürlich initiieren. So wie Sie zu den Vorschlägen von der Koalition und von den Grünen geschwiegen haben und sich dann hier hinstellen und den dicken Max machen, das ist wirklich eine Nummer aus dem Tollhaus.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber, ich habe das schon gesagt, es ist eben Wahlkampf. Herr Kalich, Sie scheinen das sehr nötig zu

(Abg. Kalich)

haben, in dieser Art und Weise mit dieser Sache umzugehen. Jeder wählt seine Mittel und die Art und Weise, wie er solche wichtigen Gesetze diskutiert, selbst. Lang genug diskutieren wir über dieses Gesetz und deshalb will ich über die Vorlage der Landesregierung hier nicht in aller epischen Breite reden. Die Standpunkte sind klar und ausgetauscht. Die Kernfrage war und ist: Wie weiter mit dem Landesamt für Verfassungsschutz, ersatzlos auflösen oder in einer anderen Struktur weiterführen? Wir haben lange miteinander diskutiert und ich will deutlich für nicht wenige Abgeordnete auch in der CDU, mit denen ich anders über das Thema gesprochen habe als Sie, Herr Kalich, sagen, die Diskussion um die Auflösung des Landesamtes für Verfassungsschutz haben wir sehr offen - ich will da nicht ins Detail gehen - miteinander diskutiert. Das war bei uns überhaupt gar kein Tabuthema, deshalb war im Übrigen auch Herr Bull in der Anhörung. Aber wir sind - und ich kann nur für die SPD reden, das andere wird der Herr Kollege Fiedler tun -, zu dem Ergebnis gekommen, wir folgen dem Vorschlag der Landesregierung, auch was die Umstrukturierung betrifft. In der Anhörung hat es viele Hinweise, übrigens in beide Richtungen, Herr Kalich, gegeben. Aber das ist alles nicht so neu, deshalb will ich darauf nicht bis in die Tiefe gehen.

Neu ist der Änderungsantrag von der CDU- und der SPD-Fraktion, wo wir immerhin an elf Stellen, und das ist nicht allzu oft in dieser Legislaturperiode vorgekommen, wo wir an elf Stellen, lassen Sie es mich so sagen, ein wirklich gutes Gesetz noch besser machen. Was verändern wir mit unserem Änderungsantrag? Die Berichterstattung der Stabsstelle Controlling haben wir ein Stückchen neu strukturiert, weil wir einfach verhindern wollen, dass wir in Zukunft - lassen Sie es mich so sagen, wie wir in der PKK darüber sprechen - mit Belanglosem zugemüllt werden, um das Wichtige eventuell zu verschweigen. Wir haben die Dokumentationspflichten sehr erweitert, wir haben die Informationsmöglichkeiten für die Fraktionsvorsitzenden im Gesetz festgeschrieben. Wir haben, das war uns ganz wichtig, auch einen neuen Akzent gesetzt, was die Information zu Aus- und Fortbildung betrifft. Wir haben die Einvernehmensregelung der PKK beim Einsatz von Vertrauensleuten ersatzlos gestrichen. Ich will das noch einmal ganz deutlich sagen. Es gibt Aufgaben der Exekutive und der Legislative und die Verantwortung für die Frage V-Männer, die politische, tragen Sie weiter, Herr Innenminister, die können Sie nicht an das Parlament weitergeben. Da haben wir noch einmal eine klare Linie gezogen. Wir haben das Akteneinsichtsrecht der PKK noch einmal ein Stück ausgeweitet. Wir haben die Ausstattung der PKK neu beschrieben bzw. besser geregelt. Zur Redlichkeit gehört natürlich - das war sowohl ein Ergebnis der Anhörung, aber es war im Wesentlichen natürlich die Stellungnahme der PKK, die wir an dieser Stelle umgesetzt haben. So weit, so gut?

Ich sage, mitnichten. Es gibt neben dieser wichtigen und nach meiner Auffassung richtigen Gesetzesvorlage, die wir heute diskutieren, noch ein paar andere Punkte, die wie goldene Regeln zukünftig über diesem Haus hängen sollten. Die erste und die wichtigste ist - es ist traurig, dass man das sagen muss -, alle sind vor dem Gesetz gleich. Das gilt auch für die Mitarbeiter eines Landesamtes für Verfassungsschutz. Straftaten sind anzuzeigen und im besten Falle gar nicht erst zu begehen. Das Wissen um Straftaten muss immer dazu führen, dass diese auch angezeigt werden. Es ist traurig, dass man das noch sagen muss, aber das ist eine goldene Regel, die man natürlich so im Gesetz nicht beschreiben kann, weil es eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist. Aus- und Fortbildung müssen ein wesentlicher Bestandteil in der künftigen neuen Struktur in diesem Landesamt sein. Es ist gut, dass dort anders berichtet wird, aber wir brauchen mehr Qualität beim Personal; auch das kann man so nicht gesetzlich regeln. Ich will da auch nicht so verallgemeinern, wie das die Fraktion DIE LINKE teilweise tut. Viele, die wir in den unterschiedlichen Gremien angehört haben, da waren auch wirklich viele Gute, Engagierte dabei, das will ich auch einmal ganz deutlich sagen, aber gerade in Führungspositionen war das teilweise schon eine Zumutung, was wir uns da anhören mussten. Da ist noch einmal genau zu schauen, wir brauchen unbedingt mehr Qualität beim Personal. Und wir brauchen dann natürlich auch schnellstmöglich einen Behördenchef. Ich will ganz klar sagen: Welches Parteibuch er hat, ist uns vollkommen egal. Ich fände es gut, wenn wir einmal jemanden fänden, mit dem wir - ich sage das einmal hier, ich nenne das immer spaßeshalber - uns einmal ein bisschen aus der Inzucht dieser Ämter herauslösen. Wer irgendwo in Hessen oder Rheinland-Pfalz gescheitert und in die dritte Reihe aufgerückt ist, der rutscht dann in Berlin in die zweite Reihe und wir bekommen dann in Thüringen die vierte Reihe aus dem Bundesnachrichtendienst. Man kann mir nicht sagen, dass es ein paar intellektuell beschlagene Männer oder Frauen gibt, die trotz alldem, was passiert ist, noch Interesse an dem Job haben und die das mit einer anderen Intensität, mit einem anderen Intellekt und mit einem anderen Auftreten führen. Ich bin fest davon überzeugt, es hat in der letzten Zeit ein paar personelle Entscheidungen im Innenministerium gegeben, wo man sagt, es funktioniert vieles, und wenn wir da eine gute Entscheidung finden, haben wir einen großen Schritt gemacht.

Als Letztes noch einmal ein Aufruf ausdrücklich an alle Fraktionen: Es ist ja schön, über die Ressourcen und Stellenzuweisungen des Landtags an die PKK zu diskutieren, aber ganz klar gesagt, die PKK hat in den letzten Jahren leider einen ganz anderen Stellenwert bekommen und das wird so bleiben müssen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist also kein „So-nebenbei“-Ausschuss der zweimal im Jahr tagt und wo es am besten ist, man hört nichts davon, sondern der tagt mindestens genauso oft wie alle anderen Ausschüsse auch. Da sind auch die Fraktionen in der Pflicht, mal über eventuelle Ressourcen zu diskutieren, die man sich frei macht für ein doch so wichtiges Thema. Das ist Zukunftsmusik, aber ich wollte, wenn ich mit dem einen Finger ab und zu auf die Landesregierung zeige, deutlich machen, auch wir in den Fraktionen müssen sicherlich noch ein bisschen Überzeugungsarbeit in den Vorständen und Ähnlichem leisten, auch dort kann man noch etwas tun.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, ich will das zum Abschluss noch einmal deutlich sagen: Was uns einige leitende Verfassungsschützer, insbesondere hier in Thüringen, in den letzten Monaten und Jahren zugemutet haben, war teilweise grauenhaft. Dieses Gesetz, aber eben nicht nur dieses Gesetz, gibt uns die Möglichkeit für einen Neuanfang. Es ist aber, auch das muss deutlich gesagt werden, die letzte Chance. Ich bitte deshalb um Zustimmung zum Gesetz der Landesregierung im Zusammenhang mit der Beschlussempfehlung des Innenausschusses. Danke.

(Beifall CDU, SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Gentzel. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Bergner für die FDP-Fraktion.

Vielen Dank. Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, gerade die Debatte, wie sie vorhin verlaufen ist, zeigt, dass unsere Bedenken zum Umgang mit dem Untersuchungsausschuss mehr als berechtigt waren, wenn ich mir vorstelle, wie dieses Wahlkampfgetöse heute schon stattgefunden hat.