Protokoll der Sitzung vom 17.07.2014

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin dankbar für all jene, die heute gemeinsam draußen vor dem Landtag klargemacht haben, dass wir unser Gemeinwesen,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

unsere Kultur, unsere Demokratie lebendig halten und stärken, wenn wir gegen die NPD auftreten und für Demokratie eintreten. Es ist uns schon aufgefallen, dass in den letzten viereinhalb Jahren, wenn es um das Stichwort Willkommenskultur ging, wir als Stichwortgeber auch offenbar jemand waren, der da durchdringen konnte. Von Willkommenskultur reden inzwischen ganz viele in diesem Land, aber ich sage Ihnen auch, der Weg ist noch weit. Der Weg ist noch sehr weit und damit, Frau Ministerpräsidentin, dass Sie Stichworte übernehmen, kommen Sie nicht weiter. Wenn man wirklich Willkommenskultur will, gehört auch dazu, ehrlich Bilanz zu ziehen und in Richtung SPD zu schauen. Herr Pidde, das war vorhin auch ein bisschen Verhöhnung der Flüchtlinge, denen wir immer helfen wollten in diesem Land.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wenn man Willkommenskultur will, muss man bei einem Antrag zum Winterabschiebestopp auch mal Rückgrat zeigen und dem Koalitionspartner zeigen, was Humanität ist und nicht jedes Mal kneifen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wenn man Willkommenskultur will, wenn man eine humane Gesellschaft will, muss man sich hier vorn auch hinstellen und muss sich von Nützlichkeitsdebatten distanzieren.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Lass doch mal den Werner in Ruhe.)

Herr Pidde, auch das haben Sie nicht gemacht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und wenn man Willkommenskultur will, muss man auch mal das Rückgrat haben zu sagen, wir sagen Nein in den zwei Landkreisen zu dieser Praxis, dass es nach wie vor Gutscheine statt Bargeld gibt.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist entwürdigend, meine sehr geehrten Damen und Herren, und ich bin froh und dankbar dafür, dass die sieben Länder, in denen Grüne in der Landesregierung sitzen, es geschafft haben, im Bundesrat die Verschärfung des Asylrechts, die die CDU auf Bundesebene wieder durchdrücken wollte, aufzuhalten. Das ist ein gutes Zeichen, weil es darum geht, dass nämlich das Motto der evangelischen Kirche, Nächstenliebe, Klarheit verlangt und an der Stelle muss man auch ein klares Zeichen setzen und das war richtig so.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da sind wir auf dem richtigen Weg.

Ich komme zum Ländervergleich Ihrer Bilanz, nämlich der Frage, die Sie vorhin immer wieder angesprochen haben: Sind wir jetzt eigentlich Klassenprimus oder sind wir Durchschnitt? Da zieht man natürlich als Landesregierung gern vor allen Dingen Punkte heran, bei denen man immer besser ist als die anderen. Die CDU rühmt sich sehr gern, solide beim Haushalten zu sein und angesichts von 16 Mrd. € Schulden in den letzten Jahren Regierungsverantwortung ist das eine ziemlich mutige These. Ist ja völlig richtig, dass Thüringen angefangen hat, Schulden abzubauen, wie es übrigens das Gesetz verlangt, und es ist auch lobenswert, dass es einen entsprechenden Überschuss gab. Dazu muss man aber auch sagen - das war wieder nur die halbe Wahrheit -, dass die konjunkturelle Lage das Ganze auch begünstigt hat, und dafür hat Politik weiß Gott nicht gesorgt, sondern es ist Ihnen in den Schoß gefallen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist aber nicht nur, meine sehr geehrten Damen und Herren - es geht noch weiter, hören Sie mal zu - Thüringen in den Schoß gefallen. Man hat in Thüringen 340 Mio. € erwirtschaftet, das ist der Überschuss, in Sachsen waren das 820 Mio. €, in Mecklenburg-Vorpommern 320 Mio. €, Sachsen-Anhalt 250 Mio. € und jetzt kommt es, alle halten sich an ihren Stühlen fest, Rot-Rot, Brandenburg hat 700 Mio. € Überschuss geschafft.

(Zwischenruf Dr. Voß, Finanzminister: 500.)

Da sieht man, dass offensichtlich an vielen Stellen Haushaltspolitik wenig mit einem Parteibuch, jedenfalls an dieser Stelle, zu tun hat,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sondern einfach mit haushaltspolitischer Vernunft, einer guten Konjunkturlage und der Tatsache, dass man Wahrheiten ausspricht. Bei den Finanzen war Thüringen deswegen im ostdeutschen Ländervergleich okay, aber keine Spitze. Herr Voß, das muss man Ihnen auch so klar sagen. Nicht mehr und nicht weniger.

Die Ministerpräsidentin hat zwei weitere Kernthemen ihrer derzeitigen Regierung genannt: Wirtschaft und Arbeit. Die wirtschaftliche Erholung Thüringens war seit 2009 natürlich, nach dem Tiefpunkt, den wir 2009 hatten, rasant, aber wenn man sich das BIP anguckt, ist ganz klar, dass wir auch hier im Vergleich zu anderen Ländern einfach wieder nur Mittelfeld sind. Denn diese Zahlen muss man sich sehr genau ansehen gegenüber den anderen Ländern. Das Plus unterscheidet sich einfach nicht so sehr von den Ergebnissen in anderen ostdeutschen Ländern, dass Sie sich die Medaille ans Revers heften können und sagen können, wir waren es. Sie waren es eben nicht, weil in anderen ostdeutschen Ländern die Entwicklung ähnlich war. Deswegen ist das auch nicht etwas, was Sie in Ih

rer Bilanz auf der Habenseite für sich verbuchen können. Ich will noch einen Blick in die alten Länder werfen. Im grün-rot regierten Baden-Württemberg ist das Plus sogar deutlich größer, was bedeutet, dass sich der Abstand zwischen Ost und West 25 Jahre nach der friedlichen Revolution zum Teil auch wieder vergrößert. Das muss man sich sehr genau ansehen und darüber auch zwischen den Ländern diskutieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was dementsprechend nicht geht und worauf man nicht stolz sein kann, wenn das Land wirtschaftlich, wenn der Motor wieder „angesprungen“ ist, ist, dass Sie dann auch sehenden Auges die Investitionsquote auf 13 Prozent gesenkt haben. Somit werden wir jedenfalls den Aufholprozess, der in den letzten zwei, drei Jahren gestartet ist, nicht beibehalten können. Darüber müssen Sie auch nachdenken und diskutieren, wenn es darum geht, eine echte Bilanz zu ziehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zu einer Bilanz gehört eben auch zu sagen, worüber Sie nicht geredet haben - ich habe es am Anfang schon gesagt -, der schwarze Himmel über der Staatskanzlei, schwärzer geht es nicht, das sind die Versorgungsskandale, Filz und Korruption. Es gehört natürlich auch dazu, diese lange Liste weiterzuführen, was eigentlich diese Koalition nicht geschafft hat. Ich habe vorhin insbesondere von Herrn Pidde ganz viele Projekte gehört, die ab 2015 zum Tragen kommen sollen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie dann nicht in dieser Koalition in Verantwortung stehen, um die durchzuführen, damit Sie dann fünf Jahre später wieder hier stehen und sagen, übrigens fünf Jahre später wollen wir Folgendes tun. Überlegen Sie genau, ob Sie das möchten, Herr Pidde, denn viel geschafft haben Sie tatsächlich nicht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn was doch mal sehr klar ist: Große Koalitionen lösen doch keine großen Aufgaben. Die großen Aufgaben sind für die nächste Legislatur allesamt übrig geblieben.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Die machen vor allem große Probleme.)

Große Koalitionen erzeugen große Probleme, Versorgungsskandale und Große Koalitionen finden in der Regel den kleinsten gemeinsamen Nenner. Mir reicht das nicht. Ich finde, Thüringen hat 24 Jahre nach der friedlichen Revolution mehr verdient, weil wir eine lebendige Demokratie

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- da gehört ein Politikwechsel dazu - mit frischen, grünen Ideen dabei haben. Darum geht es in der Tat, um eine lebendige Demokratie, viel lebendiger als jede der einzelnen Ideen, Frau Ministerpräsi

dentin, die Sie vielleicht in den Koalitionsvertrag geschrieben haben, aber wo Sie die Kraft nicht hatten, auch nur 10 Prozent davon entschlossen umzusetzen. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt Abgeordneter Mohring von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, am 14. September dieses Jahres wählt Thüringen einen neuen Landtag in freier, in geheimer, in gleicher und in unmittelbarer Wahl. Dass wir das machen können, das ist dem Mut der Frauen und Männer zu verdanken, die sich im friedlichen Herbst des Jahres 1989 aufgemacht haben, um für Freiheit zu kämpfen. Das haben wir denen zu verdanken.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Diesen Wert sollten wir schätzen. Wir, weil wir wieder kandidieren, aber auch die, die die Möglichkeit haben, am 14. September wählen zu gehen. Dass wir heute Bilanz ziehen, ist nur der Rückblick auf die letzten fünf Jahre. Wenn wir wählen gehen, blicken wir nach vorn, um dafür zu werben, mit den besten Ideen für den Freistaat Thüringen und seine Zukunft zu streiten. Viele Frauen und Männer aus den ersten Stunden nach dem friedlichen Herbst 1989 haben sich in die Pflicht nehmen lassen und haben von Anfang an in Thüringen mitgeholfen, Politik zu gestalten. Einige von denen scheiden jetzt aus dem Thüringer Landtag aus. Ich will gern diese Stunde und diesen Tag nutzen, auszugsweise einigen Danke zu sagen: Hans-Jürgen Döring, Heiko Gentzel, der Präsident hinter mir, Fritz Schröter, Siegfried Wetzel, Gustav Bergemann. Ob als Abgeordnete seit 1990 hier in diesem Landtag oder als Mitarbeiter in der Landesverwaltung oder als Volkskammerabgeordnete der ersten frei gewählten Volkskammer, dann als Landräte - diese Fünf stehen stellvertretend für viele, die sich in diesen 25 Jahren engagiert haben, Demokratie und parlamentarische Demokratie aufzubauen. Danke diesen Vertretern für ihren Dienst für unseren Freistaat Thüringen!

(Beifall im Hause)

Und ich will auch ganz persönlich Klaus von der Krone, Horst Krauße und Gerhard Günther, der uns am Internet zuschaut, Danke sagen, die gerne ihren Dienst weitermachen würden, aber krankheitsbedingt ausscheiden aus ihrem Dienst. Wir sind euch als CDU-Fraktion ganz persönlich verbunden und dankbar, dass ihr viele Jahre Politik für diesen Freistaat mitgestaltet habt. Wir wünschen euch

ganz persönlich alles Gute und viel Kraft und viel Gesundheit.

(Beifall im Hause)

Meine Damen und Herren, vielen Dank will ich namens unserer Fraktion der Ministerpräsidentin sagen für ihre Regierungserklärung und damit auch dem gesamten Kabinett für die fünf Jahre gemeinsame Arbeit, für die Erklärung dazu und für die Bilanz, die gezogen wurde. Wir unterstützen ausdrücklich diese gemeinsame Erklärung als Arbeit von CDU und SPD in diesen fünf Jahren. Und ich will sagen, rückblickend auf diese fünf Jahre: Thüringen ist ein gutes, starkes Stück Deutschland. Wir können stolz darauf sein, dass wir dieses Land weiter gemeinsam voranbringen konnten.

(Beifall CDU, SPD)

Wir können uns die finanzielle Basis anschauen, die Ministerpräsidentin hat davon gesprochen: Sie ist solide, sie ist nachhaltig aufgestellt. Wir sind gerüstet für die Zukunft. Unsere Wirtschaftsdaten sind in Ordnung. Wir haben dafür, aufbauend auf den Grundlagen der letzten Jahrzehnte, jetzt gemeinsam weitergearbeitet. Thüringen steht solide da. Wir haben ein Land, in dem sich die Menschen wohlfühlen, gern da sind, in dem gute Schule stattfinden kann, in dem die Einheit von Stadt und Land, in der Landwirtschaft, aber auch von städtischer Entwicklung berücksichtigt wird, in dem die Infrastruktur vorangekommen ist. Wir haben im Rahmen der Möglichkeiten, wie sie einem kleinen Nehmerland gesetzt sind, Bestmögliches geleistet. Wir sind solide aufgestellt. Es ist das gemeinsame Werk von CDU und SPD. Ich bin dankbar, dass wir das so gut in dieser Gemeinsamkeit tun konnten.

(Beifall CDU, SPD)

So eine Bilanzziehung ist auch eine gute Gelegenheit, zu sehen, für was stehen die einen, für was stehen die anderen, wo gibt es gemeinsame Schnittpunkte und wo hat man offensichtlich eine Fehleinschätzung. Ich bin froh, dass sich heute auch Mitbewerber der Ministerpräsidentin zu Wort gemeldet haben. Bodo Ramelow, auch wenn er jetzt nicht im Saal ist, aber ich rufe es ihm gern zu, will ich eines sagen: Gut, dass Sie geredet haben und gut, dass hoffentlich viele Thüringer zugeschaut haben. Nach Ihrer Rede ist eines klar: Sie, Herr Ramelow, sind ungeeignet, dieses Land zu führen.

(Beifall CDU, FDP)

Sie haben sich disqualifiziert und vor allen Dingen haben Sie eines gezeigt, lieber Herr Ramelow, das rufe ich Ihnen gerne auch im Protokoll zu: Mit Ihrer persönlichen Arroganz scheitern Sie an jeglichen Ansprüchen, Verantwortung für dieses Land übernehmen zu dürfen.

(Abg. Siegesmund)

(Heiterkeit DIE LINKE)