Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wurde hier mehrfach - von Herrn Hey auch noch mal und von anderen - auf die Enquetekommission verwiesen. Ich muss sagen, bei allen Problemen, der Leiter der Enquetekommission ist jetzt Minister dieser Regierung, Herr Carius. Er hatte den Auftrag, im Wesentlichen alle Veränderungen zu blockieren - das
war eben System Althaus -, aber trotzdem hatte die Enquetekommission eine Vielzahl von Daten zusammengetragen. Insofern müssen Sie, Herr Innenminister, wirklich noch mal sagen, was denn Gegenstand des Gutachtens sein soll, weil die Enquetekommission eigentlich nahezu alle Bereiche beleuchtet hat. Sowohl was die Faktenlage betrifft als auch die Situation in anderen Bundesländern, was die Zielrichtung betrifft, Herausforderungen an Landes- und Kommunalpolitik, alles das hat die Enquetekommission erfasst. Dass das unterschiedlich interpretiert wurde, das ist eine andere Frage. Sie wissen ja, neben dem Bericht gab es auch ein Minderheitenvotum meiner Fraktion. Da wurde das schon deutlich gemacht. Da geht es um die Interpretation von Fakten.
Vielleicht können Sie noch einmal darlegen, was mit dem Gutachten erreicht werden soll. Herr Hey hat hier überzeugende Argumente dargelegt für die Notwendigkeit derartiger Reformen. Diese Argumente gehen uns nicht weit genug, aber sie sind eine Facette. Wir sagen es noch einmal: Wir können nicht die Landkreise oder die Gemeinden für sich betrachtet analysieren und daraus Schlussfolgerungen für effiziente, bürgernahe Strukturen ableiten, sondern wir können nur Landesverwaltung und kommunale Ebene gemeinsam betrachten. Unser Hauptproblem ist die Landesverwaltung. Die Landesverwaltung ist aus unserer Sicht mit ihrer Dreigliedrigkeit nicht mehr zeitgemäß. Wenn wir da ansetzen, dann hat das automatisch Konsequenzen auf die kommunale Ebene und dann müssen wir uns mit der kommunalen Ebene beschäftigen.
Ich sage noch einmal, wir wollen nicht größere Landkreise, sondern wir wollen andere Landkreise mit einem anderen Aufgabenzuschnitt und einer anderen Funktionsweise. Darauf werde ich noch einmal eingehen.
Ich bedauere, Herr Prof. Huber, dass Sie in Ihrer Berichterstattung beispielsweise zu den Herausforderungen an die Landkreise und kreisfreien Städte überhaupt nichts gesagt haben. Vielleicht können Sie dies noch einmal in der Debatte hier tun. Ich habe das Gefühl, diese neue Regierung, wo man dachte, auch die Öffentlichkeit, da kommen jetzt Impulse, was das Erkennen von Problemen und die rechtzeitige Reaktion auf Probleme betrifft, aber da kommt nichts. Zumindest Ihre Berichterstattung hatte den Anschein der Hilflosigkeit, sowohl das Problem überhaupt zu fassen, worum es geht. Wenn die Landesregierung schon an der Problemerfassung scheitert, dann ist es vorprogrammiert, dass natürlich auch kein Konzept präsentiert werden kann. Dann wäre ich auf Ihrer Seite, wenn dieses Konzept überhaupt noch nicht ausgereift ist. Sie müssen doch als Landesregierung irgendeine Vision haben. Eine Vision, wie
denn dieses Land in einigen Jahren aussehen soll. Oder Sie verstehen sich nur noch als Sachverwalter der gegenwärtigen Zustände. Dann sollen Sie dies aber auch der Bevölkerung, der Öffentlichkeit sagen. Aber jede Regierung, die nur noch Sachverwalter ist, ist überflüssig, da brauchen wir auch keine Regierung mehr. Das können wir einem Beamtenapparat überlassen. Die können das viel besser. Im Verharren in vorhandenen Strukturen, da sind die Beamten geschult.
Wir leisten uns eine Landesregierung, damit nicht nur jetzige Zustände verwaltet werden, sondern Visionen angedacht und weiterentwickelt werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Fiedler hat noch einmal darauf verwiesen, im Koalitionsvertrag steht nichts. Wir interpretieren den Koalitionsvertrag anders. Er hat heute hier vermisst, dass in unserem Antrag es nicht um den Landtag geht, sondern dass wir die Landesregierung aufgefordert haben. Offenbar hat Herr Fiedler immer noch nicht die Wechselbeziehung zwischen Landtag und Landesregierung so richtig erfasst. Unsere Aufgabe ist natürlich nicht die Selbstbefassung mit uns, das können wir auch machen, sondern unsere Aufgabe ist natürlich, die Landesregierung auch aufzufordern, zu handeln, wenn wir das Gefühl haben, dass sie aus sich selbst heraus zu stark im Bestehenden verharrt. Darüber hinaus kommt natürlich Kontrolle. Wir wollen schon wissen, was will die Landesregierung.
Unser Anliegen ist es, ich sage es noch einmal: Mit welcher Zielrichtung ist das Gutachten in Auftrag gegeben worden? Welche eigenen Visionen hat die Landesregierung, was die künftigen Strukturen betrifft? Wir wissen, Ihre eigene Vision wird in diesen Gutachterauftrag einfließen. Der Gutachter muss wissen, in welche Richtung er bestimmte Dinge begutachten soll. Sie werden das nicht völlig offengelassen und gesagt haben, da schreib mal etwas auf. Das glaube ich nicht, da kenne ich Sie zu gut. Da wird es eine konkrete Aufgabenstellung geben. Die kann es aber nur geben, wenn zum Beispiel klar ist, wohin die Reise gehen soll.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Fiedler hat dann den Vorwurf erhoben, selbst unsere eigenen Leute, Kommunalpolitiker, stünden nicht hinter unserem Konzept. Sie haben die Wirkungsmechanismen unserer Partei noch nicht so durchschaut, deswegen will ich es noch einmal erläutern. Wir haben im Jahr 2005 in Bad Langensalza zu dem Problemkreis einen Landesparteitag gemacht. Da wurde ein Diskussionspapier verabschiedet, und zwar mit
ohne Gegenstimmen, aber eben als Diskussionspapier, weil es bei uns nicht mehr so ist, was notiert ist, dass das dann dogmatisch auch umgesetzt werden kann, sondern es ist eine Einladung an die Partei selbst, aber auch an die Öffentlichkeit, mit uns zu diskutieren. Wir haben eines erreicht, nämlich seitdem wird in diesem Land heftigst diskutiert. Wir fordern doch von der Landesregierung und den Regierungsparteien nichts anderes, als dass sie ihre Positionen offenlegen. Da kennen wir jetzt die der CDU, verkündet von Herrn Fiedler, die gesagt haben: Es ändert sich überhaupt nichts, es soll sich nichts ändern. Wir haben ansatzweise das Konzept der SPD, die gesagt haben, wir können uns das eine oder andere vorstellen. Aber da sind die Vorstellungen noch nicht weiter untersetzt.
Dann kommt immer der Vorwurf, wir hätten ein VierKreise-Modell vorgeschlagen. Auch dazu möchte ich noch mal sagen, um Irritationen auszuschließen. Es ist ein Diskussionsmodell. Wir haben einfach überlegt, wenn wir die gemeindliche Ebene stärken, die Landesverwaltung optimieren, demokratisieren, die Mittelbehörden auflösen, was geschieht dann mit den Landkreisen. Da sage ich Ihnen ehrlich, ich persönlich halte die Landkreise für überhaupt nicht mehr zeitgemäß. Ich würde sie ganz abschaffen,
denn der kreisfreie Raum macht ja deutlich, wir brauchen die Landkreise gar nicht. Wir brauchen sie nicht. Allerdings wäre das eine zu radikale Reform, das gebe ich zu, aber es ist ein interessantes Denkmodell. Die Landkreise haben zu viele, ich nenne das immer Konstruktionsfehler, das geht bei der Finanzierung los, keine eigene Steuerkompetenz und, und, und. Das wissen Sie alles. Insofern müsste man wirklich mal darüber nachdenken: Sind die Landkreise noch zeitgemäß? Wobei Sie ja als CDU und die FDP diese Landkreise in diese missliche Situation gebracht haben. Sie haben nämlich die Ausgleichs- und Ergänzungsfunktion, die es bis 1994 gab, zum Beispiel aus der Kommunalordnung herausgestrichen. Dann würden Landkreise noch einen Sinn machen, wenn sie wenigstens eine Ausgleichs- und Ergänzungsfunktion hätten, also zwischen den Gemeinden sozusagen noch moderierend wirken dürften. Aber nein, Sie haben sie zur reinen Verwaltungsebene, zu einer Landräterepublik entwickelt. Ich sage es noch einmal, 80 Prozent der Aufgaben übertragener Wirkungskreis ohne Beteiligung des Kreistags. Erst 25 Prozent der Kreistagsmitglieder haben
im eigenen Wirkungskreis überhaupt ein Informationsrecht. Das müssen Sie sich mal überlegen. Das einzelne Kreistagsmitglied hat nicht einmal ein Informationsrecht in diesem Land. Wo leben wir denn? Dann wollen Sie diese Struktur noch aufrechterhalten.
Wir sagen also: andere Landkreise. Da haben wir einfach überlegt, ob wir auf eine Struktur abstellen können, die schon besteht. Da haben wir uns einfach an den vier Planungsregionen orientiert, die auch wieder CDU und FDP 1993 eingeführt haben, bei denen ich das Gefühl habe, das ist eine Struktur, die durchaus in den Bereichen, in denen sie Zuständigkeiten hat, als optimal angesehen werden kann. Da machen wir mal Vergleiche zu anderen Regionalkreismodellen, die es in der Bundesrepublik gibt und welche Größenordnungen wir dort vorfinden. Da gibt es das Regionalkreismodell in Hannover - 1,1 Mio. Einwohner; Stuttgart - 2,7 Mio. Einwohner, das sind mehr Einwohner als in Thüringen, die dort in einem Regionalkreis zusammengefasst sind, Braunschweig - 1,2 Mio., selbst Halle in Sachsen-Anhalt mit dem Saale-Kreis immerhin noch 600.000. Wir sind an der unteren Grenze mit unserem - noch mal - Diskussionsmodell. Wir haben ein Diskussionspapier verabschiedet. Sie können ein anderes Diskussionspapier gern dagegenstellen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, heute war das Interview des FDP-Fraktions- und Landesvorsitzenden, Herrn Barth, in einer Zeitung nachzulesen. Er hat wieder die üblichen Argumente vorgetragen: Also keine Kosteneinsparung, die Bürgernähe geht verloren, die Entfernung für die Kreistagsmitglieder wird zu groß und die Identität mit den Landkreisen geht verloren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Paradigmenwechsel bei der FDP ist schon erstaunlich, aber er hat natürlich einen Grund, eine Motivation, das ist die Anbiederung an die CDU.
Na freilich, die einzige. Ich hatte Ihnen schon in der Aktuellen Stunde gesagt, wir haben nicht mal von Ihrer kommunalen Ebene eine Reflexion bekommen, die das Umdenken dort begründen würde, sondern das ist die einzige Begründung. Aber das ist Ihre Sache, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Nur eins, Herr Bergner, wenn Sie darauf verweisen, die kommunale Gemeinschaftsarbeit wäre eine Brücke, da bin ich bei Ihnen, aber nicht auf Grundlage des jetzigen Gesetzes über die kommunale Gemeinschaftsarbeit, denn dieses Gesetz schafft auch einen entdemokratisierten Raum. Welche Probleme wir dort haben, zeigt allein der Bereich Wasser/Abwasser, wie weit diese Zweckverbände von den Bürgern entfernt sind und dass es kaum Einflussnahmen gibt, dass es selbst ganz schwer ist, Rückkopplungen zwischen den Gemeinden, ihren Verbandsräten und dem Zweckverband herzustellen. Die Zweckverbände haben sich völlig losgelöst und als eigene Gebilde entwickelt. Von daher ist das für uns nicht die Lösung.
Was Freiwilligkeit betrifft, meine Damen und Herren, sind wir auf Ihrer Seite. Aber Freiwilligkeit braucht auch eine Zielorientierung, und die fehlt. Es ist keine Zielorientierung da. Wenn Gemeinden oder Landkreise nicht wissen, wohin denn die Reise geht, wie soll da Freiwilligkeit funktionieren? Sie instrumentalisieren die Freiwilligkeit, um sich vor der Verantwortung zu drücken.
Ich will Ihnen an zwei Beispielen aufzeigen, wo der Handlungsbedarf ganz offensichtlich wird. Das hat erst mal überhaupt nichts mit parteipolitischen Überlegungen und mit Gesellschaftsmodellen zu tun, also weder mit Ihrem Modell der radikalen Marktwirtschaft noch mit unserem Modell einer sozial gerechten Gesellschaft, sondern ist einfach nur pragmatisch. Das können Sie mit Kommunalpolitikern diskutieren.
Das Beispiel Verwaltungsgemeinschaft: Dort ist das Problem bei den Verwaltungsgemeinschaften, die Verwaltungen sind abgekoppelt von den Gemeinden. Die Verwaltungsgemeinschaften sind nur damit beschäftigt, die Mitgliedsgemeinden in irgendeiner Art und Weise als Behörde zu betreuen. Sie müssen das Ortsrecht mehrfach gestalten. Eine Verwaltungsgemeinschaft mit neun Mitgliedsgemeinden - so ist in Thüringen etwa der Durchschnitt - muss zehn Haushaltspläne aufstellen, zehn Haushaltspläne bewirtschaften, zehn Friedhofssatzungen, zehn Straßenausbaubeitragssatzungen, und, und, und.
Die durchschnittliche Verwaltungsgröße beträgt 12 bis 14 Mitarbeiter. Damit ist die gesamte personelle Ressource allein durch diese Formalitäten gebunden. Was wir wollen, ist, einfach Potenziale zu entwickeln, dass sich die Verwaltungen wieder dem Bürger zuwenden können und nicht der Friedhofssatzung.
Von daher fordern wir die Umwandlung der Verwaltungsgemeinschaften in Einheitsgemeinden, weil das Potenziale freisetzen würde.
Das wissen Sie auch, Herr Innenminister. Eine Verwaltung kann erst eine Spezialisierung beim Personal vornehmen - und das brauchen wir unbedingt - etwa ab einer Größe von 20 Mitarbeitern, unter dem geht es überhaupt nicht. Das heißt, bei 20 Mitarbeitern, wenn ich mal den Personalschlüssel von 1,9 Beschäftigten pro 1.000 Einwohner heranziehe, bräuchten wir Gemeindestrukturen von etwa 10.000 Einwohnern, um überhaupt eine Verwaltung zu haben, die sich den neuen Herausforderungen widmen kann. Zurzeit können die Verwaltungen das gar nicht, wie gesagt, weil sie völlig in den Fesseln dieses Formalismus der Funktionsweise der einzelnen Mitgliedsgemeinden gebunden sind. Das ist das Erste. Das zweite Problem bei der Verwaltungsgemeinschaft ist natürlich die Finanzierung.
Ahnung hat jeder Mensch, aber es kommt natürlich auf Kenntnisse an. Aber Sie werden sicherlich hier vom Rednerpult aus Ihre Position darlegen. Ich hätte gern auf Sie reagiert, aber da müssen Sie mir die Chance geben. Ohne Mikrofon kann ich das leider nicht nachvollziehen. Mich freut, dass Sie sich so mit Emotionen diesem Thema widmen.