Protokoll der Sitzung vom 18.07.2014

Machen Sie weiter, Herr Minister.

Wenn Sie meinen, die Ausrichtung der Rahmenbedingungen für die Wirtschaftspolitik, die ich nun in den letzten Monaten seit März, ich weiß nicht wie oft schon, sowohl der Öffentlichkeit als auch diesem Hohen Hause dargelegt habe, wäre nur deshalb geschehen, weil die Wirtschaftspolitik der Vergangenheit falsch gewesen sei, da muss ich Ihnen zunächst einmal sagen, dass Sie damit natürlich die Wirtschaftspolitik der Landesregierungen der letzten 15 oder 20 Jahre an dieser Stelle in den Senkel stellen, und das kann man ganz einfach nicht so stehen lassen. Wir haben sicherlich schwierige Zeiten hinter uns bringen müssen, aber die aktuellen Wirtschaftsdaten für unseren Freistaat sprechen da eine ganz andere Sprache. Wenn Sie davon ausgehen, dass wir bei dieser Neuausrichtung darauf reagieren, dass es erstens weniger Geld gibt und zweitens bei dem Weniger an Geld auch andere Rahmenbedingungen von Brüssel gestellt werden, wesentlich stringentere Rahmenbedingungen, und wir deshalb die regionale Innovationsstrategie auf den Weg gebracht haben - übrigens haben wir das getan, ich glaube, Sie waren sogar selbst dabei, im Konsens mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern, genauso wie die Neuausrichtung der GRW-Förderung im Konsens mit den Wirtschaftsverbänden, mit den Kammern und auch mit den Gewerkschaften.

Ich darf an dieser Stelle, Herr Kollege Kemmerich, den Hauptgeschäftsführer und den Präsidenten der Industrie- und Handelskammer Südthüringen zitieren, die mehrfach zu öffentlichen Gelegenheiten gesagt haben, dass die jetzt von uns vorgenommene Justierung der Wirtschaftspolitik genau der richtige Weg gewesen ist, dass es nach den Jahren der Massenarbeitslosigkeit, wo es darauf ankam, wirklich Arbeitsplätze zu schaffen, nunmehr unter den neuen Rahmenbedingungen dieser Neujustierung bedarf und dass das von den Kammern ausdrücklich mitgetragen wird.

(Beifall SPD)

Und wenn Sie davon sprechen, liebe Kollegen von der FDP,

(Zwischenruf Abg. Baumann, SPD: Hör zu!)

dass die Wirtschaftspolitik bislang einen falschen Ansatz dargestellt hat, dann will ich Ihnen ein paar Zahlen entgegenhalten, die Sie aber genauso gut hätten selbst recherchieren können, wenn Sie sich ein bisschen mehr Mühe gegeben hätten.

(Unruhe FDP)

Ein paar Punkte, zum einen ist das in gewisser Weise Bilanz dessen, was passiert ist, aber zum anderen dient es natürlich auch dazu, Ihnen zu sagen, dass Sie mit Ihrer These, die Sie hier in Form Ihres Antrags aufstellen, völlig daneben liegen.

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Völlig.)

Allein im wichtigsten Investitionsförderprogramm, der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, also der guten alten GRW, haben wir in der vergangenen Förderperiode, also von 2007 bis 2013, insgesamt 1.408 Vorhaben in der GRW gefördert. Davon sind über 1.100 Vorhaben, also über 81 Prozent, auf kleine und mittlere Unternehmen entfallen. Das kann man leicht nachlesen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Aber sagen Sie doch mal die Summe, die dahinter steht, nicht die Fälle.)

(Unruhe SPD)

Das Thüringen-Invest, das ist unser zweitgrößtes Investitionsförderprogramm, ist ausschließlich auf die KMU ausgerichtet. In den Jahren 2009 bis 2013 haben wir hier über 2.000 Projekte gefördert.

Ihr Antrag stellt darauf ab, dass die Technologieförderung so im Argen läge. Da will ich Ihnen auch ein paar Zahlen entgegenhalten. In der Technologieförderung haben wir es genauso mit der ähnlichen Quote zu tun. Über 81 Prozent der im Rahmen der einzelbetrieblichen Technologieförderung geförderten Unternehmen waren KMU. Die haben, weil Sie auf die Fördersumme abstellen, exakt zwei Drittel der Gesamtfördersumme erhalten, 67,6 Prozent der bewilligten Mittel entfielen allein auf die KMU.

(Beifall SPD)

Insofern sind Ihre Thesen nicht mehr haltbar.

Das, was Sie fordern, die mittelstandsorientierte Innovations- und Wachstumspolitik, das ist nun wirklich schon längst Maßstab. Das haben meine Vorgänger im Amt,

(Unruhe FDP)

und da meine ich nicht nur den in dieser Legislaturperiode, auch die anderen Wirtschaftsminister, schon verfolgt und da braucht es nun wirklich nicht Ihre in dem Fall wirklich unqualifizierten Ratschläge.

(Beifall SPD)

Ich will ergänzend, meine Damen und Herren, noch ein paar Instrumente und Initiativen anführen, die direkt an den Thüringer Mittelstand gerichtet sind. Zum einen haben wir in der zu Ende gegangenen EU-Förderperiode Innovationsaktivitäten in den Unternehmen zum Beispiel über den weiteren Aufund Ausbau von Infrastruktureinrichtungen oder die Förderung von F&E-Personal direkt mit insgesamt

(Vizepräsident Gentzel)

340 Mio. € flankiert, meine Damen und Herren. In der neuen Förderperiode bis 2020 wollen wir 400 Mio. € in die Entwicklung neuer Produkte, Verfahren und Dienstleistungen stecken

(Beifall SPD)

und das damit unterstützen. Wir wissen natürlich, dass die Kleinteiligkeit unserer Wirtschaft insgesamt natürlich auch gewisse Risiken birgt, das ist bekannt - darüber muss man uns nicht belehren. Wir investieren in gut funktionierende Cluster und Netzwerkstrukturen, um genau das fortzuführen, was bisher einer unserer Vorteile war. Thüringen gilt nämlich als das Land, von dem es heißt, hier herrschen kurze Wege zwischen Forschung und Wirtschaft. Wir finanzieren Cluster und Netzwerkstrukturen, damit die KMU einen noch besseren Zugang zu Innovationen und Forschungsergebnissen bekommen. Auch das ist etwas, da brauchen wir keine Belehrungen, meinen Damen und Herren.

(Beifall SPD)

Darüber hinaus haben wir mit dem Thüringen-Invest-Darlehen und mit Thüringen-Dynamik zwei revolvierende Fonds aufgelegt, mit denen den Unternehmen in der Tat zinsgünstige Darlehen zur Verfügung gestellt werden. Ich erlebe übrigens oft in Diskussionen mit Unternehmerinnen und Unternehmern, dass ihnen dieses Mittel oftmals lieber ist, als den in der Vergangenheit durchaus aufwendigen verwaltungsmäßigen Weg eines Zuschussprogramms in Anspruch zu nehmen. Aber dazu sage ich noch ein paar Sätze, auch da wird es Veränderungen geben. Wir haben allein aus diesen beiden Fonds - und wie gesagt, die sind nur dem Mittelstand zugutegekommen - 40,8 Mio. € ausgereicht, meine Damen und Herren. Das ist ein Punkt, den hat Frau Kollegin Siegesmund vorhin angesprochen, weil es in der Tat nach unserer Auffassung durchaus Potenzial gibt, unsere Potenziale im Bereich von Existenzgründungen zu bündeln. Das ist erkannt und wir haben uns gemeinsam mit den Kammern auf den Weg gemacht, das Thüringer Zentrum für Existenzgründungen und Unternehmertum, kurz ThEx, als zentrale Anlaufstelle für Gründer zu schaffen. Irgendjemand hat in der Vergangenheit den Begriff des Schweizer Taschenmessers für Existenzgründungen geprägt, soll heißen, dass wir alle Angebote passgenau und bedarfsgerecht für die Gründer bündeln und die teilweise jungen Leute, die sich als Start-up auf den Weg machen, an die Hand genommen werden, um mit ihnen gemeinsam unternehmerischen Erfolg zu garantieren. Auch das wird etwas sein, was in der Zukunft noch stärker im Fokus steht.

(Beifall SPD)

Darüber hinaus, meine Damen und Herren, steht mit der Aufbaubank allen Investoren ein einheitlicher Ansprechpartner in Fragen von Inanspruch

nahme von Fördermitteln gegenüber. Ich erlebe es fast täglich, wie von Investoren, die sich in Thüringen niederlassen wollen bzw. schon niedergelassen haben, das Wirken der Thüringer Aufbaubank in den höchsten Tönen gelobt wird, immer im Zusammenhang mit unseren anderen Instrumenten, mit der Landesentwicklungsgesellschaft. Das sind Instrumente, mit denen wir es erreicht haben, dass wir solche guten Quoten in den Wirtschaftsdaten auch erreichen können. Die Landesentwicklungsgesellschaft bietet wirklich eine umfassende Unternehmensbetreuung an, von der Bereitstellung von Gewerbeflächen bis hin zur Vermittlung von Fachkräften. Wie mir die Leute hin und wieder unter der Hand sagen, müssen sie sich manchmal auch darum kümmern, dass die Ehefrauen von Unternehmensgründern hier in Thüringen entsprechend ihre Betätigung finden; auch das gehört zu einem Komplettangebot, die kümmern sich wirklich um alles.

Meine Damen und Herren, gemeinsam - ich habe es angesprochen - mit der Thüringer Wirtschaft und der Wissenschaft haben wir die regionale Innovationsstrategie erweitert, die RIS3-Strategie. Die ist überhaupt die Voraussetzung dafür, dass wir in Zukunft Fördermittel aus Brüssel bekommen. Wenn wir eine solche Strategie nicht nachweisen, gibt es kein Geld. Deswegen sind wir auf einem Weg und ich bin wirklich sehr dankbar, dass wir das im Konsens mit allen Partnern auf den Weg bringen konnten.

Last, but not least, ich habe es angesprochen, in der Vergangenheit ist die Beantragung von Fördermitteln durchaus - das will ich gar nicht in Abrede stellen - mit einem gewissen bürokratischen oder mit einem manchmal auch sehr hohen bürokratischen Aufwand verbunden gewesen. Dadurch leiden natürlich kleine und mittlere Betriebe, das ist uns vollkommen klar. Deshalb haben wir mit einer eigens gegründeten Arbeitsgruppe alle ESF-geförderten Arbeitsprogramme und alle Richtlinien einer Prüfung unterzogen, um bürokratische Belastungen möglichst zu minimieren. Im Übrigen sei noch daran erinnert, ich habe das auch schon mehrfach ausgeführt, in der GRW-Förderung wird durch den Verzicht auf EFRE-Mittel der Bewilligungsvorgang in Zukunft im Vergleich zur Vergangenheit deutlich vereinfacht werden.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, die Thüringer Wirtschaftspolitik ist jetzt schon auf den Mittelstand und die Steigerung der Innovationstätigkeit ausgerichtet und wird es natürlich in Zukunft noch stärker sein. Die Schwerpunkte werden erhalten, sie werden ausgebaut. Insoweit, meine Damen und Herren, möchte ich vielleicht - ich weiß nicht, na ja, ich will nicht unbedingt neue Redezeit generieren, ich denke, ich habe die wichtigsten Eckpunkte unserer Strategie dargelegt und bedanke mich trotzdem bei den Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses für die Diskussion. Herzlichen Dank.

(Minister Höhn)

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Minister. Die Frage nach einer Nachfrage war noch nicht geklärt. Sie würden sie jetzt zulassen?

Ja.

Herr Abgeordneter Barth, ist das noch aktuell?

(Zuruf Abg. Barth, FDP: Nein.)

Nein. Ich frage noch einmal nach Wortmeldungen. Das ist nicht der Fall. Dann kann ich die Debatte schließen. Es gibt einen Antrag zur Geschäftsordnung.

Herr Präsident, ich beantrage namentliche Abstimmung.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Danke schön. Die Debatte habe ich geschlossen, Sie haben das selbst gehört. Ausschussüberweisung wurde aus nahe liegenden Gründen nicht beantragt.

Wir stimmen deshalb direkt über diesen Antrag ab, den Antrag der Fraktion der FDP in der Drucksache 5/7393. Sie haben es gehört, wir tun es namentlich. Da bitte ich die beiden Schriftführer als Wahlhelfer nach vorn und eröffne den Wahlgang.

Ich frage: Hatte jeder Abgeordnete die Möglichkeit, seine Stimme abzugeben? Ich höre keinen Widerspruch. Ich schließe den Wahlgang und bitte um Auszählung der Stimmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gebe das Abstimmungsergebnis zum angesprochenen Antrag der FDP-Fraktion bekannt. Es wurden 65 Stimmen abgegeben. Mit Ja stimmten 5 Abgeordnete, mit Nein stimmten 43 Abgeordnete und 17 Abgeordnete enthielten sich. Damit ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt (namentliche Abstimmung siehe Anlage). Dann schließe ich diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf den Tagesordnungspunkt 15

Europäisches Schutzgebietsnetz NATURA 2000 in Thüringen sichern

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 5/7394

Abgeordneter Dr. Augsten wird für die antragstellende Fraktion die Begründung geben.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, für die, die es hier hoffentlich nicht gibt, aber außerhalb des Raumes, die mit dem Begriff NATURA 2000 nichts anfangen können, ein kleiner Rückblick: Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts war geprägt von einem sehr starken Wirtschaftsaufschwung. Die entwickelten Länder haben heftig in Industrie, Wirtschaft, Infrastruktur investiert, das alles ging zulasten von Landschaft, von Lebensraum von Flora und Fauna und insofern gab es dramatische Entwicklungen. Ich wollte hier eigentlich das Beispiel DDT anbringen, was nach dem Zweiten Weltkrieg eingesetzt wurde und bei Greifvögeln zu richtig schweren Verlusten geführt hat, weil die Eierschalen nicht mehr dick genug waren. Aber weil Hochwasserschutz heute eine Rolle gespielt hat und sicher vielen von uns dieses Thema viel näher liegt, möchte ich da ein Beispiel nennen. Viele von uns - das ist gar nicht despektierlich gemeint - haben in den 60er/ 70er-Jahren die Meliorationsmaßnahmen miterlebt, haben erlebt, wie sich ganze Landschaften verändert haben. Ich selbst komme aus einer Gegend, in der im Frühjahr weite Teile des Grünlands immer überschwemmt waren. Da gab es nur Grünland, weil man dort keinen Ackerbau betreiben konnte. Dann wurden in den 60er/70er-Jahren die Meliorationsmaßnahmen durchgeführt und man hat gemerkt, wie dort das Wasser nicht mehr im Frühjahr kam und die Landwirtschaft natürlich sehr stark davon profitiert hat; sie konnte mit den schweren Maschinen auf das Feld, konnte das umackern, konnte Getreide anbauen. Das ist ein typisches Beispiel dafür, wie aus einer wirtschaftlichen Entwicklung heraus Wohlstand erzeugt wurde, aber gleichzeitig Lebensraum mit dramatischen Folgen für Flora und Fauna verschwunden ist.