Protokoll der Sitzung vom 18.07.2014

(Abg. Kummer)

Bernhard Vogel hat sich für uns eingesetzt und malt jetzt nicht nach 20 Jahren solche Gespinste in die Welt, bloß um irgendwelcher Presse bei irgendwelchen Interviews zu gefallen. Das können wir nun stecken lassen. Das tut den Kalileuten, die es betroffen hat, nun wirklich nicht gut, wenn man im Nachgang solchen Blödsinn macht. Das sage ich mal so deutlich, auch wenn es sich dabei um Rita Süssmuth handelt und sie sicherlich viele Verdienste in ihrer Zeit, als sie politisch tätig war, hatte, aber das sollte sie unterlassen. Das hilft uns überhaupt nicht weiter, meine Damen und Herren.

Ich begrüße an dieser Stelle auch, dass sich die Kumpel aus Unterbreizbach zu Wort melden und sagen: Passt mal bei der ganzen Diskussion auf, es geht hier immerhin nicht um 700 Arbeitsplätze in Thüringen, es geht um 1.600 Arbeitsplätze in der Kaliindustrie - nicht nur in unserem, sondern insgesamt im Kalirevier Werra und an jedem dieser Kaliarbeitsplätze hängen noch einmal viele Arbeitsplätze ringsrum dran. Bei aller Diskussion, so schön, wie man es haben möchte, man muss aufpassen, dass wir das nicht in Gefahr bringen, denn die Diskussion um Kali ist kein Spaß. Der Preis liegt am Boden, BASF hat sich völlig aus dieser Sparte zurückgezogen. Es wird immer vorgeworfen, BASF hätte das alles organisiert. Wo sind sie denn jetzt? Die sind raus, die haben kalte Füße bekommen. Schon seit Jahren sind sie da überhaupt nicht mehr vertreten. Dieses Argument ist aus meiner Sicht auch nicht zielführend. Ich meine, und wenn wir die Diskussion insgesamt führen, auch um Bischofferode, das tut uns alles weh, ich habe das mehrfach anschaulich versucht rüberzubringen, dürfen wir nicht vergessen, wenn wir diskutieren, geht es auch um Sondershausen, da geht es auch um Bleicherode, da geht es um Sollstedt, da geht es um Roßleben, da geht es um viel, viel mehr als nur um Bischofferode. Das muss man auch deutlich sagen. Die Leute vor Ort in Bleicherode sagen mir, hört nun endlich auf mit der Jammerei, uns hat keiner gefragt, als zugemacht wurde, was passiert. Wir haben uns auch auf die Straße gestellt und haben blockiert,

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Das hat doch damit nichts zu tun!)

haben 12 Mio. DM damals bekommen, haben Gewerbegebiete davon gebaut und uns bemüht, etwas Vernünftiges daraus zu machen. Das hätten andere auch machen können. Ich will überhaupt nicht wiederholen, was ich das letzte Mal schon gesagt habe, wie viel Geld auch in die Region um Bischofferode geflossen ist, um das wieder aufzufangen. Das will ich nicht wiederholen. Die Zahlen waren eindeutig. Die Arbeitsplätze in der Region - es sind immerhin 700, die wieder entstanden sind -, sprechen für sich; das ist schon so.

Meine Damen und Herren, was für uns wichtig ist: Die Aufarbeitung der Geschichte ist sicherlich für die Seele gut - auch das habe ich gesagt -, aber sie hilft nicht weiter. Sie bringt uns kein Stück weiter in die Zukunft. Was jetzt zählt und was uns wirklich interessiert, ist die Frage: Wie gehen wir denn mit dem um, was wir jetzt tun? Wie gehen wir denn mit den Lasten, die jetzt stehen, die sich ergeben aus was Kali+Salz jetzt gern noch verwahren möchte den Zahlen, die hier stehen, um? Wer soll es denn finanzieren? Die Frage ist, dass wir versuchen müssen, den Bund wieder mit ins Boot zu holen. Das wird überhaupt nicht leicht, aber ich bin der Auffassung, das muss gehen, denn insgesamt ist der Bund woanders auch für Bergbaufolgeschäden eingetreten. Ich erinnere mal an die Wismut, dort erfolgt die Finanzierung zu 100 Prozent über den Bund oder bei Braunkohle, da sind sie bei 75, das geht auch weiter. Wenn wir über diese Geschichten reden, müssen wir auch sagen, das, was wir 1999 unter Beteiligung des Landtags und des Finanzausschusses usw. usf. unterschrieben haben, war richtig. 1.000 Objekte konnten privatisiert werden, wo Arbeitsplätze geschaffen wurden. Bei Altlasten hätte sonst keiner die Flächen übernommen oder alte Betriebe, wenn nicht eine Freistellung der Altlasten passiert wäre. Es gibt zwei Großprojekte. Das ist Kali und das ist Rositz. Die gehen über den Preis hinaus. Aber das ist es doch nicht allein, sondern alles, was dazwischen liegt, was uns in Thüringen genutzt hat, können wir doch jetzt nicht schlechtreden, bloß weil bei diesen zwei Bereichen, was keiner voraussehen konnte, die Kosten so darübergehen. Jetzt sagt Kali+Salz voriges Jahr im Umweltausschuss zu uns, es kann 2 Mrd. mehr kosten. Das sagt Kali+Salz. Jetzt haben sie gesagt, es sind 300 Mio. Dann habe ich jetzt wieder gehört, sie sollen 4,6 gesagt haben. Prima, jetzt schätzt der eine 5 Mrd. und der andere 6 Mrd., das sind keine seriösen Zahlen. Die Überprüfung dessen, was gemacht werden muss, ist in Arbeit. Die Landesregierung hat das in Auftrag gegeben, das ist 2015 fertig. Da wollen wir doch mal abwarten, was am Ende wirklich übrig bleibt. Bei aller Diskussion und Schreierei über die Finanzierung müssen wir immer wissen, dass der Vertrag sagt, 20 Prozent müssen wir erst einmal darüber ausgegeben haben, um wieder zu verhandeln, das ist die Klausel. Wieder zu verhandeln, da sind wir noch lange nicht, da haben wir noch eine ganze Menge zu tun, bis wir überhaupt dahin kommen, dass der Bund uns ernst nimmt. Das will ich mal deutlich sagen, so weit sind wir noch nicht.

Wenn wir einen Untersuchungsausschuss machen wollen, Herr Weber, habe ich kein Problem. Frau Gleicke im Bund kann das machen, denn der Fusionsvertrag ist eine Bundesangelegenheit, wir hatten nichts damit zu tun und die sollen ruhig noch mal einen Untersuchungsausschuss machen. Sie hatten schon einen, es gab schon mal einen. Da

gibt es auch jetzt eine Beantwortung einer Anfrage von einem Linken-Abgeordneten im Bundestag, da wird noch einmal darauf Bezug genommen, dass dieser Treuhand-Untersuchungsausschuss alle Unterlagen hatte, getagt hat und nicht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass da irgendwas nicht in Ordnung ist. Das muss man auch immer wieder sagen. Wer meinte, es soll noch mal kontrolliert werden, muss es da kontrollieren lassen, wo es ist. Sagen Sie Frau Gleicke - die hat sich da in der Richtung geäußert -, macht doch den Untersuchungsausschuss beim Bund, macht den doch, wo er hingehört. Bitte sehr, warum denn nicht?

Meine Damen und Herren, ich will es dabei belassen. Wir haben uns im Umweltausschuss tatsächlich darauf verständigt, die wichtigsten Fragen klären zu wollen. Wir wollen nach wie vor den Fusionsvertrag mit allen Anlagen sehen. Bis jetzt haben wir die nicht. Da fehlt uns noch die Information, die wollen wir schon haben. Dabei bleiben wir. Wir wollen auch über den Rechnungshof geprüft haben ich will das nicht wiederholen, was der Ausschussvorsitzende gesagt hat -, da sind wir auch dabei, das hätten wir uns schon früher gewünscht. Für andere sind Kapazitäten zur Überprüfung da dort wäre es angebracht gewesen. Vielleicht hätte uns das etwas gebracht, Herr Präsident, wenn wir da mal geschaut hätten. Aber wir müssen aufpassen, wenn wir immer wieder fragen, gibt Kali+Salz das Geld wirklich für die Altlasten aus oder sichern sie damit den aktiven Bergbau oder so, bei diesen Spekulationen muss man immer aufpassen, dass wir dort nicht Verdächtigungen aussprechen, die nicht der Wahrheit entsprechen. Das schadet dem Unternehmen. Da muss man vorsichtig sein. Ich erinnere immer noch mal an die Kumpel; 1.600 Leute arbeiten da von uns. Das können wir nicht durch irgendwelche Spekulationen aufs Spiel setzen. Es soll alles geprüft werden, es soll alles gemacht werden, einverstanden, keine Frage, da bin ich sofort dabei, aber keine Spekulationen. Ich bitte Sie um Zustimmung zu der Beschlussvorlage des Ausschusses. Ich denke, da haben wir wieder gezeigt, dass wir in diesem Landtag gemeinsam etwas bewegen können. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Abgeordneter Dr. Augsten das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich danke erst einmal den beiden Vorrednern, dass sie noch mal dargelegt haben, worum es hier geht. Bei der kurzen Redezeit hätte es aus meiner Sicht gar

nicht dazu kommen dürfen oder sollen, dass man tiefer einsteigt, dazu ist die Tragweite des Problems viel zu groß. Noch mal vielen Dank dafür, dass wir jetzt wieder wissen, worüber wir reden. Es gibt große Einigkeit im Ausschuss, wie wir mit diesem Beschlussvorschlag umgehen, das ist schon deutlich geworden.

Ich möchte drei Dinge tun, wenn ich hier vorn stehe. Zum einen noch mal deutlich machen, dass diese öffentliche Anhörung oder diese Ausschuss-Anhörung das Beeindruckendste war, was ich in den fünf Jahren erlebt habe.

(Beifall SPD)

Tilo Kummer hat schon deutlich gemacht, wie es uns dabei ging. Das hat vielleicht damit zu tun, dass einige von uns damals diese Wiedervereinigung aus Sicht von Werktätigen oder damals Arbeitenden erlebt haben und selbst miterleben mussten, wie Betriebe abgewickelt wurden. Dann kommen solche Dinge wieder hoch. Ich bin damals und dazu hatte Herr Dr. Sklenar etwas gesagt - jeden Tag aus dem Haus und habe gehofft, dass nicht der politische Beschluss aus Bonn kommt, die Landwirtschaftsbetriebe abzuwickeln. Das stand damals auch in Rede, als man dann jeden Tag Angst haben musste, dass durch die lästige Konkurrenz für den Westen auch in diesem Bereich geschliffen wird. Insofern war das eine turbulente Zeit und das ist alles wieder hochgekommen, sehr beeindruckend. Ich glaube - und da will ich etwas zu dem Streit zwischen Herrn Weber und Herrn Primas sagen -, nach dieser Anhörung kann es gar keinen Zweifel geben, dass wir hier in Thüringen einen Untersuchungsausschuss brauchen, hundertprozentig.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn der Bund schon mal festgestellt hat, dass es keine Fragen mehr gibt und alles in Ordnung ist, dann habe ich einen völlig anderen Eindruck mitgenommen. Herr Primas, ich will Ihnen nicht zu nahe treten. Vielleicht, ich will nicht sagen rollen Köpfe, aber der Lack, der sehr glänzende Lack von einigen hochdotierten Leuten wird erheblichen Schaden nehmen, wenn dieser Untersuchungsausschuss Fragen beantwortet bekommt. Ich will nicht sagen, dass es Ihre Motivation ist, jetzt mit diesem Untersuchungsausschuss anders umzugehen, als es mal vor ein paar Wochen geklungen hat, aber wir brauchen diesen Untersuchungsausschuss, daran kann es keinen Zweifel geben.

(Beifall SPD)

Umso mehr, wenn jetzt in der Öffentlichkeit eine Debatte zwischen Frau Süssmuth und Herrn Vogel ausgetragen wird. Das liegt daran, dass ich Oppositionspolitiker bin, dass ich sage, ich bin da näher bei Frau Süssmuth. Aber, Herr Primas, wenn man

(Abg. Primas)

damals in der Landwirtschaft aktiv war und sich ein kleines bisschen entwicklungspolitisch aktiv beteiligt bzw. interessiert hat, dann sind die Dinge, die Herr Vogel in der Zeitung schreibt, dass alle Gutachten K+S bzw. der Kaliindustrie im Osten keine guten Zukunftschancen ausgestellt haben, fachlicher Unsinn.

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Völliger Quatsch! Das stimmt genau.)

Ich habe bei der Anhörung Herrn Sieckmann und Herrn Sklenar geglaubt, dass sie als Jungpolitiker, die das alles lernen mussten, große Probleme hatten, alldem zu folgen. Aber ein Herr Vogel, der mit so viel Erfahrung aus Rheinland-Pfalz hierherkommt und dort gute oder auch schlechte Erfahrungen mit Expertisen machen musste, dem nehme ich das nicht ab, dass er damals auf solche Studien reinfällt, die natürlich der Kaliindustrie im Osten keine Zukunftschancen bescheren und dort quasi als Vorschlag auf den Tisch legen, das alles dicht zu machen und dem K+S-Betrieb zuzuschlagen. Das glaube ich Herrn Vogel an dieser Stelle nicht, denn die Prognosen waren eindeutig. Der Kali+Salz-Industrie wurden hervorragende Prognosen ausgestellt. Welches Unternehmen trifft denn wirtschaftliche Entscheidungen auf der Grundlage dessen, was gerade aktuell ist? Man muss da 10 Jahre, 20 Jahre weiterdenken. Da war klar, dass gerade vor dem Hintergrund, dass die Schwellenländer heftig oder viel Geld in die Landwirtschaft investiert haben, dass der Bedarf an Kalisalz erheblich anwachsen wird. Die Prognosen waren eigentlich in der Fachwelt hervorragend und insofern waren das ganz liederliche Gutachten, die diesem Vorgehen den Weg bereitet haben.

Meine Damen und Herren, für uns als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird hier in Thüringen kein Weg an einem Untersuchungsausschuss vorbeiführen. Hier werden Dinge zu klären sein. Das wird für einige nicht lustig, das ist uns klar, aber das muss man dann an der Stelle aushalten.

Wichtig ist mir aber noch einmal ein Gedanke, den Kollege Primas geäußert hat. Hier geht es nicht nur um Vergangenheitsaufarbeitung, um die Segel zu beruhigen, wie er sagt, sondern natürlich muss dieser Untersuchungsausschuss nach vorn arbeiten. Das haben wir im Ausschuss auch getan. Das heißt, das Hauptaugenmerk in diesem Ausschuss muss darin liegen, Ergebnisse zu haben, die letzten Endes dafür sorgen, dass von Thüringen größtmöglicher Schaden abgehalten werden kann.

(Beifall DIE LINKE)

Da muss man jetzt nicht über 300 Mio. €, 2 Mrd. € und 4,5 Mrd. € reden, das sind alles Zahlen, die uns schwere Sorgen bereiten. Da geht es auch nicht um die letzte Milliarde, sondern es geht um den Fakt, dass auf Thüringen etwas zukommt, was

uns in große Schwierigkeiten bringen wird. Deswegen muss dieser Untersuchungsausschuss ganz gezielt das Ergebnis haben, Grundlagen für eine Bewertung von Vorgängen zu legen, die vielleicht nicht ganz in Ordnung waren, für eine Neuverhandlung vor allem mit dem Bund, wie er sich dort beteiligen kann, Kollege Primas hat das ausgeführt. Also das ist die herzliche Bitte an diejenigen, die den Untersuchungsausschuss, den es hoffentlich geben wird, dann auch mit Inhalt füllen, dass sie dort sehr stark strategisch arbeiten, um größtmöglichen Schaden oder überhaupt Schaden vom Land Thüringen abzuwenden. Das wäre meine herzliche Bitte und die unserer Fraktion und wir hoffen, dass es zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses kommt. Denn nur so sind die Probleme zu lösen, die auch bei der Anhörung noch einmal ganz offen diskutiert wurden. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für die SPD-Fraktion hat Abgeordneter Weber das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, wir haben im Ausschuss umfassend über das Thema Kalifusionsvertrag, Generalvertrag diskutiert und beraten und wir haben in der öffentlichen Anhörung, die, wie meine Vorredner schon gesagt haben, gezeigt hat, wie komplex das Thema ist, ein Ergebnis festgehalten. Das Ergebnis stellt fest, was wir heute im Haus beschließen werden. Es stellt aber auch fest, dass viele der Punkte, die in der Beratung aufgerufen wurden, mehr Fragen als Antworten liefern. Sie schaffen Handlungsbedarf für die kommende Landesregierung, sie schaffen Handlungsbedarf für das neue Parlament, für das kommende Parlament und deshalb ist es richtig und wichtig, dass die Spitzenkandidatin der SPD, Ministerin Heike Taubert, für die nächste Legislatur einen Untersuchungsausschuss angekündigt hat und ich freue mich auch, dass die Ministerpräsidentin im Gegensatz zu Herrn Primas diese Forderung unterstützt hat.

(Beifall SPD)

Hier werden wir uns oder diejenigen, die an unserer statt in diesem Haus sitzen werden, sich mit folgenden Fragen auseinandersetzen: Zum einen ist es die historische Aufarbeitung. Die Tatsache, dass der Treuhandvorstand, BASF oder Kali+Salz - ich sage immer wieder gerne zur historischen Wahrheit BASF zu dem Zeitpunkt - sowie die Bundesregierung gegen die Interessen, gegen besseres Wissen und zulasten von Menschen und deren Arbeitsplätzen gehandelt haben. So wird deutlich, dass die

(Abg. Dr. Augsten)

Landesregierung kapituliert hat, zumindest ab irgendeinem Zeitpunkt kapituliert hat. Nun ist die Frage: Hat die politische Klasse tatsächlich vor dem mächtigen Konzern BASF kapituliert - immerhin kamen der amtierende Bundeskanzler und auch der Ministerpräsident aus dem gleichen Bundesland wie der Konzern, über den wir reden - oder gibt es eine Interessenlage zwischen den Verantwortlichen, die moralisch und vielleicht auch rechtlich zu bewerten sein wird? Bei allem Respekt, Kollege Primas, die Kritik an Rita Süssmuth wundert mich dann schon. Ich bin jetzt niemand, der eine führende Unionspolitikerin zu verteidigen hat, aber Rita Süssmuth leidet nicht wie andere in der Frage an Amnesie,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

diese politische Demenz, die man zum Beispiel der Stellungnahme von Herrn Bohl entnehmen kann. Während der Ex-Bundeskanzler ein Buch nach dem anderen über sein Lebenswerk veröffentlicht, hat der entsprechende Verhandlungsführer solche Erinnerungslücken, dass er keine Zeile über die damalige Situation zu Papier bringt, obwohl sie bundesweite Tragweite hatte. Das ist die Situation, die wir im Sinne der Menschen, die sich damals und im Sinne der Kumpel von Bischofferode und an anderen Stellen eingesetzt haben, historisch aufklären müssen, aber auch die Aufklärung der tatsächlichen und der aktuellen Situation. Dazu gehört der Umfang der Freistellung. In unfassbarer Großzügigkeit hat der Bund Kali+Salz damals versorgt: 800 Mio. DM, von denen zumindest 624 Mio. DM mehr als fragwürdig sind.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn der Kollege Primas hier sagt, wir haben keine seriösen Zahlen, dann sei die Frage doch erlaubt, warum hat man denn einen Freistellungsvertrag in der Dimension gemacht, ohne seriöse Zahlen zu haben? Hätten Sie damals den Kumpeln in Bischofferode gesagt, wir haben keine seriösen und verlässlichen Zahlen, dann wäre die Diskussion eine ganz andere gewesen, aber damals hat man andere Töne angeschlagen, das gehört auch zur Wahrheit.

(Beifall SPD)

(Unruhe CDU)

Am Ende des Tages, liebe Frau Tasch, zahlen die Thüringer Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die Zeche für die Entscheidung, die Ihr Bundeskanzler und später Ihr Ministerpräsident getroffen haben.

(Unruhe CDU)

Das gehört doch zur Wahrheit dazu, tun Sie doch nicht so, als wäre das nicht die Wahrheit. Insbesondere im Bereich der Ewigkeitskosten, da müssen schon Fragen erlaubt sein.

(Unruhe CDU)

Zum Beispiel: Ist die umfassende Freistellung in diesem Umfang gerechtfertigt? Was passiert denn mit der Abbau-Situation in den jetzigen Bergwerken? Reicht es wirklich aus, dass man Merkers West Unterbreizbach Ost nennt und auf einmal ist es eine völlig andere geografische Lage? Ich sehe das nicht so. Damit werden wir uns oder die an unserer statt Verantwortlichen in der nächsten Legislatur auseinandersetzen.

Der dritte Punkt ist die Verantwortung des Bundes. Wenn der Bund schon so großzügig freistellt und wenn der Bund schon gegen erklärte Meinung von Experten und Fachleuten in diesem Bereich so großzügig ausstattet, ist es dann ganz unabhängig vom Generalvertrag rechtlich zulässig, dass er die Büchse der Pandora per Vertrag irgendwann mal an die Thüringer Steuerzahlerinnen und Steuerzahler weiterreicht und sagt, seht zu, wie ihr damit klarkommt? Ich glaube, hier ist es richtig und wichtig, zu verhandeln und es ist auch wichtig, wenn es in der Verhandlung zu keinem Ergebnis kommt, den Rechtsweg einzuschlagen und entsprechend rechtlich gegen den Bund vorzugehen, um die gerechtfertigte Position Thüringens in diesem Fall auch durchzusetzen.

(Beifall SPD)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, Frau Präsidentin, es geht hier am Ende - und ich komme auch zum Ende, weil ich meinem Kollegen Hans-Jürgen Döring versprochen habe, dass er noch etwas Zeit hat, um auch noch einmal aus der Sicht der damals direkt Beteiligten und aus der Region kommenden Menschen etwas zu sagen - nicht nur zu den politischen Maßnahmen; es geht am Ende um die Wahrheit. Wenn Rita Süssmuth die Situation so bewertet, wie sie sie bewertet hat, wenn Rita Süssmuth Dinge einräumt, bei denen wir im Ausschuss schon geglaubt haben, als wir sie von Peine gehört haben, dass wir unseren Ohren nicht trauen, wenn sie diese auch noch bestätigt, dann macht sie nichts anderes, als die Wahrheit zu sagen. Wenn ich jetzt die Hexenjagd auf Rita Süssmuth hier im Haus, aber auch in der Presse nachvollziehe, da fällt mir ein Zitat von Buffalo Bill ein, der hat nämlich mal gesagt: „Wer die Wahrheit sagt, der braucht ein verdammt schnelles Pferd.“ Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)