Aber wir haben auch in einzelnen Gemeinden fast 100 Prozent erreicht. Herr Fiedler, da komme ich auf Sie; in Ihrer Gemeinde Tröbnitz
Deswegen ist diese Leistung noch bemerkenswerter. Vielleicht ergibt sich ja auch mal ein Gegenkandidat für Ihr Amt aus dieser bemerkenswerten Unterschriftensammlung.
Meine Damen und Herren, der Trägerkreis, und hier ganz besonders die Eltern, sind die eigentlichen Sie
ger dieses Tages und natürlich die Kinder. Ihnen ist es gelungen, deutliche Verbesserungen für unsere Kleinsten im Lande durchzusetzen. Um die Zukunft unserer Kinder geht es. Dafür, wie gesagt, noch mal meinen ausdrücklichen Dank.
Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass die CDU allein aus Gründen des Machterhalts über diese vor allem ideologische Hürde springt. Jahrelang mussten wir uns anhören, wie gut die Thüringer Kitas ausgestattet seien, dass wir im bundesdeutschen Vergleich einen Spitzenplatz innehätten und es überhaupt keinen Grund gebe, wesentliche Korrekturen am Familienfördergesetz vorzunehmen. Offensichtlich haben das Wahlergebnis mit dem hohen Verlust und die Notwendigkeit eines Koalitionspartners einen Gesinnungswandel herbeigeführt, der sich besonders in diesem Gesetz niederschlägt.
Herr Kellner, Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit, sagten Sie. Sie hätten schneller sein können, wenn Sie den Gesetzentwurf von den Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als Grundlage genommen
und nicht unter einer eigenen Überschrift wieder eingereicht hätten, denn über 95 Prozent des Gesetzentwurfs findet sich jetzt in Ihrem Gesetzentwurf wieder. Aber diese ideologische Hürde konnten Sie nicht überspringen.
Für uns ist der Name, der darauf steht, nicht dafür zuständig, ob wir einem Inhalt unsere Zustimmung geben können oder nicht.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns noch einmal in Kurzform einen Blick zurückwerfen, denn das ist auch ein wichtiger Teil der Wahrheit. Die Situation in Thüringer Kindertagesstätten war schon einmal deutlich besser, denn mit der Familienoffensive 2005 traten zahlreiche Verschlechterungen ein.
Schon im Jahr 2004 verkündete der damalige Ministerpräsident und Parteivorsitzende Dieter Althaus auf einem Parteitag seine Familienoffensive, mit der - so die verkündete Absicht - die Familienförderung verbessert werden sollte. Gemeint war die besondere Förderung von Eltern mit einem traditionellen Familienbild, die über einen veränderten Bezug des Erziehungsgeldes dafür belohnt werden sollten, dass
sie gemäß den ideologischen Vorstellungen des Herrn Ministerpräsidenten lebten. Unterstützt werden sollten nun nicht mehr die einkommensschwächeren Eltern, sondern diejenigen, die ihre Kinder länger zu Hause betreuen, unabhängig davon, über welches Einkommen sie verfügen. Diese Umsteuerung rief lauten Protest hervor, der auch von uns getragen wurde. Wir befürchteten, dass der finanzielle Anreiz der Zuhausebetreuung besonders ärmere Familien dazu bringen würde, ihren Kindern erst später eine frühkindliche Betreuung zugutekommen zu lassen, weil sie das Geld einfach für ihre Familienkassen benötigen würden. Es hat sich erwiesen, dass unsere Befürchtungen sich nicht in größerem Ausmaß bestätigt haben. Ich will es an dieser Stelle ausdrücklich noch einmal betonen, dass wir als LINKE prinzipiell nicht gegen ein Erziehungsgeld sind, aber eben nicht als diese sogenannte Wahlfreiheit Erziehungsgeld oder Kita.
Abgesehen von dem Bonus für CDU-ideologiekonforme Familien stellte es sich im Laufe der Gesetzesanhörung im Sommer 2005 heraus, dass besonders das Thüringer Kita-Gesetz ein Einspargesetz sein sollte, das mit der abenteuerlichen Erklärung von scheinbaren Überkapazitäten schöngeredet wurde. Diese allzu durchsichtige Erklärung konnte jedoch von Anfang an niemanden überzeugen, so dass neben zahlreichen Protesten die LIGA im Herbst 2005 ein Moratorium forderte, um über die konkrete Ausgestaltung des Gesetzes weiter zu diskutieren. Sie erinnern sich wahrscheinlich zum großen Teil noch daran, was mit dieser Forderung geschah. Sie wurde damals von der alleinherrschenden CDU ebenso zurückgewiesen wie alle weiteren Proteste.
Mit der Bilderbuchaktion, an die ich auch noch mal erinnern will, Aktion „Paul und Paula“, versuchte die CDU, sogar die Kindergartenkinder zu beeinflussen.
Na, ich nicht. Ich denke, Herr Fiedler, Sie haben nicht gesehen, dass ich irgendein Kind herangeschleppt hätte oder getragen hätte.
Nicht verhindert werden konnten jedoch ein zum Teil leichtfertiger Kapazitätsabbau, eine Verschlechterung der Rahmenbedingungen und eine letztlich ständig größer werdende Unterschiedlichkeit in den Belas
tungen der Eltern durch steigende Elternbeiträge in Thüringen. Für die Kinder war es zunehmend nicht nur wichtig, im richtigen Elternhaus geboren zu werden, sondern auch in einer armen oder reichen Kommune. Deswegen haben wir auch einen Entschließungsantrag eingereicht, in dem wir fordern, dass die Elterngebühren nicht aufgrund dieses Kita-Gesetzes angehoben werden. Mit diesem Antrag dokumentieren wir, dass eine andere Haushaltsarchitektur helfen würde, weder die Kommunen noch mit deren Folgen die Eltern zu belasten. Wir wissen, dass zahlreichen Kommunen aufgrund von Steuerausfällen und nicht ausreichenden Schlüsselzuweisungen des Landes Mittel im kommunalen Haushalt fehlen. Rechtzeitig zur Verabschiedung des Gesetzes hat der Gemeinde- und Städtebund, und das wurde bereits erwähnt, am gestrigen Mittwoch erklärt, den Thüringer Kommunen bliebe gar nichts anderes übrig, als die Elterngebühren zu erhöhen.
Die Pressemitteilung des Geschäftsführers bestätigt die Befürchtung, dass bei der Ausreichung der Mittel für das Kita-Gesetz über den kommunalen Haushalt die Gefahr besteht, dass die Kommunen die geringen Einnahmen mit dem Kita-Gesetz verrechnen. So können sie zu der bereits von Herrn Rusch angekündigten Schlussfolgerung kommen, dass sie die Kassen über die Erhöhung der Elterngebühren auffüllen müssen. Diese Gefahr bestünde aus unserer Sicht nicht, wenn das Geld direkt vom Land über den Haushalt des Kultusministeriums ausgereicht
und die Kommunen darüber hinaus über den KFA mit ausreichenden Mitteln ausgestattet würden. Vielleicht hätte es ausgereicht, wenn Sie, Herr Minister, oder auch die Fraktionen sich mit dem Gemeinde- und Städtebund, dem Landkreistag einfach ausführlicher über das Gesetz und vor allen Dingen die Verfahren unterhalten hätten und nicht einen sehr geringen Zeitaufwand darauf verwendet hätten.
Zurück von den Kommunen zu dem vorliegenden Gesetzentwurf. Ich will es noch mal ausdrücklich betonen, dass wir uns als LINKE mit unserem Gesetzentwurf immer als Teil des Volksbegehrens und als sein parlamentarischer Arm verstanden haben. Deswegen haben wir den Gesetzentwurf eingebracht. Dennoch haben wir auf der Grundlage dieses Entwurfs und der Ergebnisse der Anhörung im parlamentarischen Verfahren weitere Verbesserungsvorschläge gemacht. Hierzu gehörten neben den im Entschließungsantrag vorliegenden Bestandteilen auch die bessere Integration von Kindern mit Behinderungen und eine bessere Absicherung von kleinen Kindertagesstätten besonders in ländlichen Gemeinden. Hier sei noch einmal daran erinnert, dass auch
die LIGA mit ihrer Kampagne „Sechs Minuten sind zu wenig“ weitergehende Forderungen hatte als das, was jetzt durch das Gesetz verwirklicht werden soll. Deshalb ist die Novellierung wirklich zu begrüßen, aber noch nicht das Ende der Fahnenstange. Auch wir als LINKE wollen grundsätzlich mehr und streben dauerhaft eine andere Einbindung der Kindertagesstätten in das Bildungssystem an. Kindertagesstätten sind Bildungseinrichtungen. Wir halten daran fest, dass Bildung als frei und für jedermann zugängliches öffentliches Gut eine zwingend notwendige Grundvoraussetzung für ein Minimum an Chancengleichheit in dieser Gesellschaft ist; ein unverzichtbarer Bestandteil des europäischen Sozialstaats, den wir verteidigen. Das Wissen um die zentrale Bedeutung der frühkindlichen Bildung in einer Kindertagesstätte erfordert in der Logik dieses europäischen Sozialstaats heute ein kostenfreies oder zumindest einen sehr kostengünstigen Zugang zur Kindertagesbetreuung, wie es ihn anderswo in Nord- und Westeuropa bereits gibt. Wir wollen eine grundsätzliche Integration der Kindertagesstätten in das Bildungssystem und damit die Übernahme der Kosten wie in anderen Bildungsbereichen auch.
Damit können wir eine qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung für alle Kinder anbieten, ohne dass Eltern darüber nachdenken müssen, ob sie sich diese auch leisten können. Hier sei wieder auf unseren Entschließungsantrag verwiesen, mit dem wir beantragen, dass die Kosten der Verpflegung als Teil der Elterngebühren angesehen werden. Dadurch wird gewährleistet, dass die Verpflegung als Teil der Sorge für das körperliche Wohlbefinden der Kinder integraler Bestandteil des Betreuungsangebotes einer Kita ist.
Dadurch wird gesichert, und das ist das Wichtigste an dem Antrag, dass Kinder über den Tag mit ausreichend gesunder Nahrung versorgt werden, was eine Voraussetzung für eine kind- und altersgerechte Entwicklung ist, und dass sie nicht wegen der Verpflegungskosten aus der Kita genommen werden.
Meine Damen und Herren, trotz aller Wege, die noch vor uns liegen, ist mit diesem Gesetzentwurf ein großer Schritt getan worden. Der von CDU und SPD vorgelegte Gesetzentwurf mit seinen Änderungen, und das sagte ich bereits, stimmt zu großen Teilen mit den Forderungen des Volksbegehrens überein. Die Forderungen sind heute alle schon mal genannt worden und ich darf mich nur auf ein paar wesentliche noch mal beziehen. Über 2.000 neue Stellen für Erzieherinnen soll es mit dem Gesetz geben. Das bedeutet vor allem, mehr Qualität in den Kindertages
stätten, das bedeutet mehr Vor- und Nachbereitungszeit und es bedeutet auch das Ende des Leidens unserer Erzieherinnen, die unter den jetzigen Rahmenbedingungen wirklich gelitten haben.
Kinder werden in den Kindertagesstätten perspektivisch auch mehr Platz haben, das ist eine sehr wesentliche Forderung gewesen, und der Rechtsanspruch überall in Thüringen ab einem Jahr ebenfalls. Kinder mit und ohne Behinderung können wieder gemeinsam lernen und werden zusammen gefördert und die Fortbildung für die Erzieherinnen wird verbessert. Ein sehr wesentlicher Punkt ist, dass die Elternmitwirkung gestärkt wird; der Landeselternverband war ja hier schon einmal erwähnt. Darüber hinaus begrüßen wir die Anerkennung der freien Träger, die in der Trägerlandschaft einen wichtigen Bestandteil hochwertiger Kita-Angebote bereitstellen. Die Pluralität in der Trägerlandschaft sollte beibehalten werden, da sie einen wesentlichen Bestandteil des Qualitätszuwaches ausmacht.
Meine Damen und Herren, DIE LINKE wird sich auch in Zukunft weiter dafür einsetzen, die Kindertagesstätten als Bildungseinrichtungen zu erhalten und auszubauen, sie gebührenfrei zugänglich zu machen. Und wir wollen mehr und besser ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher. Wir streiten für eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf, damit auch dafür, dass für alle Kinder ein Krippenplatz vorgehalten wird.
Dabei sind Bildungsaufgaben Zukunftsinvestitionen. Angesichts des schrumpfenden, des sich rapide verändernden Arbeitsmarkts tragen sie wesentlich dazu bei, der steigenden Last der Sozialausgaben entgegenzutreten. Es gilt, bei der Bildungsfinanzierung umzudenken und möglichst früh anzufangen. Es kann kein Dienst an der sozialen Gerechtigkeit sein, das Studium aus dem Steuertopf zu finanzieren, für den Platz im Kindergarten hingegen die Eltern zur Kasse zu bitten. Die Finanzpolitik darf nicht Inhalte der Familienpolitik bestimmen.
Meine Damen und Herren, wir werden dem Gesetzentwurf unsere Zustimmung geben und damit - um mit den Worten des Ministers zu sprechen - eventuell zu einer Sternstunde des Thüringer Landtags, aber vor allen Dingen für unsere Kinder mit beitragen helfen. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ja, es ist heute ein guter Tag für Familien, Kinder, Erzieher und Erzieherinnen in Thüringen, und ja, es war ein langer Weg bis hierher.
Zunächst noch mal ein kleiner Widerspruch: Nein, liebe Kollegin Astrid Rothe-Beinlich und Kollegin Jung, wir haben uns nicht zu viel Zeit genommen in der Koalition, um ein sach- und fachgerechtes Gesetz auf den Tisch zu legen. Im Grunde genommen - und der Koalitionspartner mag mir das nicht übel nehmen -, Sie selber haben davon geredet, wie groß die Unterschiede seinerzeit gewesen sind. Sie haben es an Zwischenrufen noch mal belegt. Und ich gestehe offen ein, es war schon eine harte, aber eine sachliche und eine faire Diskussion in der Koalition, bis wir das auf den Tisch legen konnten, was wir heute hier haben, und dafür bin ich dankbar.