Protokoll der Sitzung vom 29.04.2010

(Beifall DIE LINKE)

Sehr geehrte Damen und Herren, was Thüringen am dringendsten braucht, ist ein Umbau der Wirtschaft. Wir sind noch lange nicht durch die Krise, sondern wir stehen am Anfang. Deshalb zieht sich durch unsere Entschließungs- und Änderungsanträge wie ein roter Faden, den Haushalt 2010 gegen die Auswirkungen dieser Krise aufzustellen. Ja, Herr Minister Machnig, wir denken, die Richtung stimmt. Wir brauchen Investitionen in eine zukunftsfähige Wirtschaft mit einer starken Infrastruktur. Deshalb unser Entschließungsantrag: „Den sozialökologischen Umbau der Wirtschaft einleiten - Arbeit schaffen.“ Wir wollen eine aktive Vernetzung von Wirtschafts-, Struktur-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik vorantreiben, um alle zur Verfügung stehenden Potenziale für die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen sowie den notwendigen sozialökologischen Umbau der Wirtschaft zu nutzen. Im Mittelpunkt sollen dabei stehen: erneuerbare Energien, Umwelttechnologie, Umwelt- und Energiepolitik, Umwelt- und Energietechnik, Kulturwirtschaft, Denkmalpflege und Tourismus, öffent

liche Daseinsvorsorge und der Gesundheits- und Pflegebereich. Diese Vernetzung ist gerade geboten, um angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise der globalen und demographischen Entwicklung eine selbsttragende und nachhaltige Wirtschaft mit der Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten zu befördern. Wir bekräftigen unsere Kritik an den Landesgesellschaften. Jahr für Jahr kommt es hier zu Mittelaufwüchsen und ein Ende ist nicht in Sicht. Für das Parlament bleiben die Gesellschaften intransparent. Angesichts der Haushaltslage des Freistaats Thüringen kommt ein Weiterso nicht infrage. Wir fordern deshalb die Landesregierung auf, dem Landtag bis zum 31. Dezember Konzeptionen über die geplante Entwicklung und den mittelfristigen Finanzbedarf von LEG, TAB, GFAW, Messe Erfurt, Flughafen Erfurt darzulegen.

Meine Damen und Herren, wir brauchen eine Energieoffensive für Thüringen. In einem weiteren Entschließungsantrag fordern wir deshalb die Landesregierung auf:

1. alle notwendigen Maßnahmen einzuleiten, um die Rückführung der Stromversorgungsnetze in Thüringen in mehrheitlich kommunales Eigentum zu erreichen;

(Beifall DIE LINKE)

2. alle kommunalen Initiativen, die auf eine eigenständige Energieerzeugung und -versorgung zielen, zu fördern;

3. innovative und Forschungsprojekte, die auf eine sparsame, rationelle und umweltfreundliche Energieerzeugung, -verteilung und -versorgung zielen, zu stärken und zu unterstützen.

In diesem Sektor liegt neben der Verantwortung für künftige Generationen ein erhebliches Arbeitsplatzpotenzial und es sichert außerdem die Erhöhung der Eigeneinnahmen von Land und Kommunen.

(Beifall DIE LINKE)

Erstmalig bringen wir in diesem Zusammenhang einen Entschließungsantrag in das Plenum, in dem wir die Landesregierung auch auffordern, ein Landeskonversionsprogramm zu erarbeiten. Auf zwei Weltkriege und die Phase des Kalten Krieges ist die Umstellung von Industrien, Forschungen und militärischen Nutzungen auf zivile und nachhaltige Ziele die notwendige Antwort. Auch Thüringer Unternehmen beliefern die Bundeswehr und andere Armeen mit Fahrzeugen und Technik. Angesichts der kürzlichen Begegnungen mit der deutschen Kriegsgeschichte in Buchenwald und Mittelbau Dora stehen wir als Land Thüringen in besonderer Verantwortung.

(Beifall DIE LINKE)

Sehr geehrte Damen und Herren, die deutliche Steigerung der Landesmittel für Kultur, insbesondere im investiven Bereich, sowie die Erhöhung der Landesmittel für Projektmanager und Projektmitarbeiter im jugendkulturellen Bereich sind überfällige Schritte, die wir hier durchaus anerkennen wollen. Einen deutlichen Mangel hat der Kulturetat aber doch und dieser Mangel ist nicht nur ein Schönheitsfehler. Zwar wurden die dringend notwendigen Erhöhungen der investiven Mittel für die Museen im Land endlich realisiert, aber eine schwammsanierte Hülle macht noch lange kein Museum aus. Die seit Jahren immer wieder reduzierte institutionelle Förderung und die Projektförderung der überregional bedeutsamen Museen im Land wurden nicht erhöht trotz massiver Klagen des Museumsverbandes. Inwieweit die Kommunen angesichts der jetzt schon mehrfach aufgeführten Probleme außerdem noch in der Lage sind, zur Verfügung stehende Landesmittel für die Kultur aus eigener Kraft anteilig zu finanzieren, steht ebenfalls in den Sternen. Für Breiten- und Soziokultur, Bibliotheken und Musikschulen werden ebenfalls keine positiven Zeichen oder nur mäßig gesetzt.

Wir stellen deshalb in einem Änderungsantrag die untersetzte Forderung nach einer zweckgebundenen Zuweisung an die Kommunen für Kultur in Höhe von 10 Mio. €. Es ist dringend notwendig, die schleichende kulturelle Verarmung im Land der Dichter und Denker zu beenden. Kultur auch im Kontext mit Wirtschaft und Arbeitsplätzen zu betrachten, scheint dringend geboten. Auch im Schulbereich sind weitere Änderungen nötig. Acht Jahre nach Gutenberg - der Jahrestag war erst in dieser Woche - ist die immer noch katastrophal geringe Zahl von Schulpsychologen einfach nicht mehr hinnehmbar. Wir brauchen eine Erhöhung der Zahl der Schulsozialarbeiter sowohl direkt in der Schule als auch als Angebot.

(Beifall DIE LINKE)

DIE LINKE hält es für einen Skandal, dass ein durch die EU aufgelegtes Programm zum Schulobst nicht durch das Land gegenfinanziert werden kann. Arm gegen Reich - die Kommunen, die es sich leisten können, setzen das Programm um. Das hat mit Gerechtigkeit nun wirklich gar nichts mehr zu tun.

(Beifall DIE LINKE)

Wer Ganztagsschule will, muss auch für entsprechende Ernährungsangebote an den Schulen sorgen und hat auch die Verantwortung für bezahlbares Essen an den Schulen. Hierzu liegen ebenfalls Änderungsanträge vor.

Sehr geehrte Damen und Herren, mit unseren Änderungs- und Entschließungsanträgen untersetzen wir unsere Auffassung, dass das Ziel einer sinnvollen Konsolidierungspolitik nur sein kann, neben der Überprüfung der Ausgabenseite die Einnahmenbasis der öffentlichen Haushalte zu stärken und so die Verschuldungsspirale zu durchbrechen.

Damit komme ich zum Ausgangspunkt meiner Ausführungen zurück. Voraussetzung für nachhaltige Einnahmen sind neben einer gerechten Steuerpolitik Investitionen in den Ausbau der sozialen Infrastruktur und für mehr Beschäftigung. Existenzsichernde Arbeitsplätze bringen höhere Steuereinnahmen und senken die angehäuften Defizite in den Kassen. Darauf richtet sich übrigens auch unser Antrag zur Aufstockung der Anzahl der Steuerprüfer bei den Finanzämtern um 120 Stellen. Allein im letzten Jahr konnten durch verstärkte Betriebsprüfungen 20,9 Mrd. € dem Fiskus zugeleitet werden. Auch in Thüringen könnten so die Steuereinnahmen verbessert werden. Es hätte auch etwas mit Steuergerechtigkeit zu tun und schließlich wäre dies ein wichtiger Beitrag zur Erleichterung der Arbeit der Steuerbeamten.

Und wenn Sie jetzt vielleicht denken, Sie kommen um das Thema Gebietsreform herum, nein, ich kann es Ihnen nicht ersparen.

(Beifall DIE LINKE)

Das Land braucht eine Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform. Deshalb auch dazu unseren Entschließungsantrag. Es ist dazu gestern hinlänglich durch uns debattiert worden. Wir wollen den Übergang zur Zweistufigkeit und die Stärkung der gemeindlichen Ebene durch die Schaffung bürgerorientierter und leistungsfähiger Gemeindestrukturen.

Sehr geehrte Damen und Herren, eines macht das vorliegende Zahlenwerk ganz deutlich, die Binnennachfrage, die in den letzten Jahren drastisch eingeschnürt wurde, muss wieder gesteigert werden. Die Instrumente dafür liegen bereit. Ein umfassendes Investitionsprogramm, Arbeitsplätze, Mindestlohn, Arbeitszeitverkürzung bei Lohnausgleich, deutliche Reallohnsteigerungen und mit Blick über Thüringen hinaus eine drastische Regulierung der Finanzmärkte. Um auf meinen eingangs geschilderten Patienten zurückzukommen, Herr Emde, wenn Sie den Bruch verhindern, dann brauchen Sie auch keinen Gips. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Für die FDP-Fraktion hat Abgeordneter Recknagel das Wort.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Frau Ministerpräsidentin, wir haben Ihre Rede gehört - gute Rede, würde ich sagen -, gespickt mit richtigen Erkenntnissen. Dem kann man, das hat meine Vorrednerin eben schon gesagt, an vielen Stellen zustimmen. Allerdings in dem Haushaltsentwurf, der uns hier vorliegt, finde ich keine Spur von Konsequenzen.

(Beifall FDP)

Frau Ministerin Walsmann, Sie haben einen Haushalt vorgelegt, in der ursprünglichen Vorlage 880 Mio. € Neuverschuldung. Dann kam in den Verhandlungen danach ein kleines Flämmchen der Verantwortung. Es gab einige Änderungen von der Seite der Koalition und nun sind wir bei 820 Mio. € neue Schulden, und das nach drei Jahren ohne Neuverschuldung.

Ich frage mich, Frau Ministerpräsidentin, wofür hat die alte CDU-Regierung eigentlich gespart, wenn Sie

(Beifall FDP)

nur in einem Jahr alles wieder raushauen, was in den Jahren davor eingespart wurde, was in den Jahren davor an richtiger Richtung eingeschlagen wurde.

(Beifall FDP)

Fast 10 Mrd. € Ausgabenvolumen. Warum geben Sie massiv mehr Geld aus, wo doch spürbar weniger eingeht?

(Beifall FDP)

Über 400 Mio. € der 600 Mio. € Ausgabensteigerung, die wir hier haben, also zwei Drittel, entfallen auf die Ressorts Wirtschaft, Bildung und Soziales. Es ist auffällig, das sind alles Ressorts der Sozialdemokraten.

(Zwischenruf Abg. Dr. Pidde, SPD: Jetzt hören Sie doch mit dem Märchen auf.)

(Beifall FDP)

Ist das Zufall -

(Zwischenruf Abg. Dr. Pidde, SPD: Sie wissen genau, warum das so ist.)

- oh, Sie sind getroffen - oder bestätigt sich hier wieder, dass Sozis nicht mit Geld umgehen können?

(Zwischenruf Abg. Dr. Pidde, SPD: Frechheit!)

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Und das von der Steuersparpartei im Bund.)

Frau Ministerpräsidentin, Sie haben gesagt, die Wirtschaftskrise - alles Ihre Minister, ja ich habe auch den Eindruck, dass die voll dahinterstehen - schlägt voll durch. Ich habe den Eindruck, die SPD schlägt hier voll durch.

(Beifall FDP)

Es handele sich bei diesem Haushalt um einen Übergangshaushalt. Das Wort des Übergangshaushalts prägt, glaube ich, diese Diskussion, diese ganze Debatte, diese ganze Haushaltsdebatte. Bis zum Ende des Jahrzehnts läuft der Solidarpakt aus, greift das Verschuldungsverbot des Grundgesetzes mit allen Übergangsregelungen fällt Thüringen aus der EUHöchstförderung heraus und muss - das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen - 2 bis 3 Mrd. € einsparen. Ihr Haushalt ist - wie Sie sagen - ein Übergangshaushalt. Aber ein Übergang wohin?

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das ist eine gute Frage.)

(Beifall FDP)

Wenn wir dahin kommen wollen, dass wir weniger Geld ausgeben, dann frage ich mich, warum jetzt in die andere Richtung? Warum ist Ihr erster Schritt derjenige, der in die völlig falsche Richtung weist? Ihre Richtung ist klar. Sie ignorieren die Finanzlage des Landes. Sie erkennen keinerlei Sparmöglichkeiten. Sie sorgen für Mehrverschuldung. Sie verspielen die Zukunft kommender Generationen, insbesondere in Thüringen.

(Beifall FDP)