Protokoll der Sitzung vom 27.05.2010

Notwendig ist nach Ansicht der LINKEN daher auch die Einführung einer Karenzzeit - ich sprach davon - zwischen dem Ausscheiden aus dem Ministeramt und der Aufnahme einer neuen Tätigkeit, insbesondere in der Wirtschaft. Hier möchte ich bloß entgegenhalten, dass auch von Prof. Hans Mayer, Rechtswissenschaftler der Humboldt-Uni Berlin, deutlich gesagt wird: „Wobei ich noch einmal betonen will; es bedeutet kein Berufsverbot für Leute, sondern nur ein Berufsverbot auf den Feldern, auf denen sie vorher gearbeitet haben, weil die Gefahr besteht, dass sie vorher Entscheidungen treffen mit dem Auge darauf, dass sie demnächst übernommen werden.“ Das ist der entscheidende Punkt. Ich weise hier noch einmal darauf hin, weil das in der letzten Woche in den Medien doch eine bedeutende Rolle gespielt hat, dass die Aussagen der LINKEN, dass wir eine Karenzzeit fordern, einem Berufsverbot gleich käme. Das ist mitnichten so an dieser Stelle. Es geht hier einfach darum, genau diese Verquickung, die direkte Verquickung auf nur einer einzigen Ebene geradezustellen und nicht auf den Ebenen über den gesamten Komplex hinweg. Karenzzeit ist ein wirksames Instrument, dem Wirtschaftslobbyismus entgegenzuwirken. Dass Thüringen mit Blick auf dieses Problem keine Idylle fernab der rauen Welt ist, zeigt der Fall Althaus zu Magna. Als Ministerpräsident gerade noch in Verhandlungen mit Magna wegen Opel und bald darauf in Lohn und Brot als Wirtschaftsberater beim Opelinteressenten. Auf Bundesebene war dem als vergleichbarer Fall der Gang des ehe

maligen Bundeskanzlers Schröder zu einem Unternehmen, mit dem er zuvor als Kanzler das Projekt der Ostseegaspipeline unter Dach und Fach gebracht hat. Im Bundestag wurde im Juni 2009 - ich zitierte bereits aus der Anhörung - eine intensive Diskussion um solche gesetzlichen Antilobbymaßnahmen geführt,

(Beifall DIE LINKE)

auch um die Einführung einer Karenzzeit für Ministerinnen und Minister. Die Fraktion DIE LINKE im Bundestag erneuerte in diesem Zusammenhang ihre Forderung nach gesetzlichen Regelungen für eine Karenzzeit von fünf Jahren. Wir als Landtagsfraktion DIE LINKE schließen uns diesen Forderungen für Thüringen an, auch im Wissen, dass eine solche Forderung nichts Revolutionäres ist, denn für Beamte, Richter und Soldaten gibt es diese schon vergleichbaren Regelungen. Ich möchte hier auch noch einmal einen Journalisten zitieren aus der Anhörung des Bundestages, nämlich Hans-Martin Tillack, Journalist in Berlin, der zu Antilobbyismusregelungen gesprochen und hier noch einmal deutlich gemacht hat, dass diese Antilobbyismusregelungen keine Besonderheit sind, auch keine Besonderheit in Deutschland. Zitat: „Ich kann über Recherchen berichten, die ich für eine Buchveröffentlichung gemacht habe, wonach man sagen kann, dass Deutschland mit der Nichtregelung der Frage der Karenzzeit für Minister und auch Beamte, die ohne Versorgungsbezüge ausscheiden, zunehmend auf einen Sonderweg gerät. Sie können sich ansehen, was der Europarat sagt. Die Arbeitsgruppe des Europarats gegen Korruption, die sogenannte Group of States against Corruption GRECO hat bereits vor einigen Jahren die Bundesregierung aufgefordert, Regelungen im Bereich Karenzzeiten zu schließen. Die OECD sagt, dass es sinnvollerweise so sein sollte, dass, je höherrangiger ein Amtsinhaber ist, es desto eher Sinn macht, die Frage des Wechsels aus dem Amt in die Privatwirtschaft zu regeln. Paradoxerweise haben wir in Deutschland für niedrigrangige Amtsinhaber, z.B. beamtete Staatssekretäre, schärfere Regeln als für Minister. Das kann man merkwürdig finden. Sie werden sehen, dass es gerade in den USA, Canada und Großbritannien Regelungen gibt, die wir nicht haben, obwohl diese Staaten eher als die Heimatländer des regellosen Neoliberalismus erscheinen. Dennoch ist es so, dass zum Beispiel Kanada Regelungen hat mit fünf Jahren Karenzzeit, die USA haben zwei Jahre und in Großbritannien gibt es ebenfalls Regeln, wonach auch Tony Blair nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Premierministers seine neue Tätigkeit von einem Ethikkomitee genehmigen lassen musste.“

Die LINKE wird entsprechende Änderungsanträge in den Ausschussberatungen bzw. in die zweite Le

sung einbringen. Infrage käme aus unserer Sicht hierbei eine Änderung des § 5 des Thüringer Ministergesetzes. Im Dezember 2005, im zeitlichen Umfeld zum Schröderwechsel zum Gaspipeline-Konsortium, forderte Bundestagspräsident Thierse, SPD, öffentlich die Einführung einer Karenzzeit. Die konkrete Dauer ließ er allerdings offen. Daher geht die LINKEFraktion davon aus, dass es für die Grundsatzforderung „Karenzzeit für Ministerinnen und Minister“ auch von der Thüringer SPD-Fraktion Zustimmung gibt, auch für die Thüringer SPD-Minister.

(Beifall DIE LINKE)

Im Bundestag wurden aber auch die Einführung eines Verhaltenskodexes und die Einrichtung eines Lobbyregisters diskutiert. Beide Instrumente sollten vom Landtag geprüft werden, in welcher Form sie in Thüringen wirksam umzusetzen sind. Ich meine, dass eine Verpflichtung sinnvoll ist, und glaube nicht, dass freiwillige Regelungen im Endeffekt etwas bringen.

(Beifall DIE LINKE)

Das Lobbyregister, das es in Brüssel gibt, hat nichts gebracht. Diese Ergebnisse liegen seit einem Jahr vor. Nur 23 Prozent der Lobbyisten haben sich dort eingetragen. Wir plädieren grundsätzlich für eine Verpflichtung, sich in ein Lobbyregister einzutragen, denn die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, wer mit Geld gewissermaßen Geld unterstützt, um Einfluss zu nehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Die Fälle Schröder und Althaus machen auch deutlich, dass die Frage der Anrechnung von Nebeneinkünften, zum Beispiel aus Wirtschaftsberatertätigkeiten auf die Ministergehälter ebenfalls in den Blick genommen werden muss. Auch unter diesem Gesichtspunkt muss der Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nochmals auf Ergänzungsbedarf abgeklopft werden.

An dieser Stelle will ich eine Parallele zu den Abgeordneten ziehen. Nach Ansicht der LINKEN muss es auch eine Karenzzeit für Abgeordnete geben. Nun könnte man einwenden: Wieso an dieser Stelle über die Reform des Abgeordnetenrechts, dessen Entrümpelung von Privilegien und die Einfügung von Antikorruptionsinstrumenten reden? Es geht hier doch um den Bereich der Landesregierung als Teil der Exekutive. Der Landtag ist die Legislative. Da kann die LINKE nur antworten: Wenn es, wie es der Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN tut, um Entprivilegierung geht, um solidarisches Handeln gegenüber den Bürgern, dann müssen die Abgeordneten sich auch selbstkritisch unter die Lupe nehmen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Es ist ziemlich unglaubwürdig, wenn die Abgeordneten gegenüber den Ministern den moralischen Zeigefinger heben, zum Beispiel bei steuerfreien Aufwandspauschalen, selbst aber dieses fragwürdige Modell der Steuerpauschalierung beibehalten. Deshalb ein Vorschlag: Lassen Sie uns die Debatte um Änderungen bei Absicherung und Versorgung von ehemaligen Ministerinnen und Ministern auch zum Ausgangspunkt machen für die grundlegende Reform des Thüringer Abgeordnetenrechts.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das bedeutet unter anderem, um nur einige Stichpunkte zu nennen, Abschaffung steuerfreier Aufwandspauschalen, stattdessen Nachweispflicht beim Finanzamt über mandatsbedingte Ausgaben oder Abschaffung der automatischen Diätenanpassung nach § 54 - von den LINKEN im Übrigen schon lange gefordert - oder eigene Absicherung der Abgeordneten für das Alter über ein Versorgungswerk oder besser noch Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung und soziale Absicherung der Hinterbliebenen auf gleiche Weise.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, DIE LINKE wird es Ihnen nicht ersparen, auch in dieser Legislaturperiode wieder den Finger in diese Wunde zu legen und sich mit diesem Thema zu befassen. Sie wird damit natürlich auch dieses Haus befassen. Sie werden sich alle dazu verhalten müssen und die Öffentlichkeit wird wahrnehmen, wie Sie sich dazu verhalten.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wenn Politiker von Bürgerinnen und Bürgern Verzicht verlangen, müssen sie diesen auch selber leisten.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Blanker Populismus.)

Das hat, sehr geehrter Herr Mohring, wenig mit Populismus zu tun, sondern eher mit anderen Dingen an dieser Stelle.

(Unruhe CDU)

Politiker und Amtsträger sind nichts besseres als der normale Bürger. Das gilt aber für Minister und Staats

sekretäre ebenso wie für Abgeordnete des Landtags. Leider wurden in der vorigen Wahlperiode die Reformvorschläge der LINKEN für das Abgeordnetenrecht von einer damals schon faktisch agierenden schwarz-roten Koalition aus CDU und SPD abgelehnt.

(Beifall DIE LINKE)

Aber wir lassen uns von diesem Reformvorhaben nicht abbringen, wir werden nicht müde sein, dieses immer wieder einzubringen, zumal - wie auch von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, von Frau Siegesmund schon benannt - in anderen Ländern wie Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein diese schon lange verwirklicht sind. Mit Blick auf diese Vorgeschichte ist es nicht verwunderlich, dass die LINKE auch die Abschaffung von steuerfreien Aufwandspauschalen von Ministerinnen und Ministern, wie im Gesetzentwurf der GRÜNEN gefordert, befürwortet.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Doch zurück noch einmal zum vorliegenden Gesetzentwurf, zur Änderung des Ministergesetzes oder besser gesagt zu Inhalten, die nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE fehlen und unbedingt enthalten sein müssten. Das betrifft zum Beispiel die möglichst umfassende gegenseitige Anrechnung von Ministerbezügen und Einkünften aus Nebentätigkeiten und die Offenlegung dieser Tätigkeiten und Einkünfte gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Hier sehen wir noch Nachbesserungsbedarf für Thüringen. Politische Entscheidungen müssen am Allgemeinwohl, an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger ausgerichtet sein, nicht an Unternehmens- und Konzerninteressen.

(Beifall DIE LINKE)

Als weitere Antikorruptions- und Antilobbyismusbremse gibt es in anderen Staaten, zum Beispiel den USA, auch Vorschriften, die Amtsträgern, aber auch Parlamentariern vorschreiben, dass sie während ihrer Zeit in einer Funktion keine Unternehmensbeteiligungen, zum Beispiel Gesellschaftsanteile, Aktien, etc., halten dürfen. Das Verbot betrifft sogar nahe Angehörige und Ehepartner und Ehepartnerinnen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die Frage ist natürlich immer, wie wirksam so etwas in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden kann. Ich will auch die Verhältnisse in den USA nicht verklären, die sich in anderer Beziehung, Stichwort Finanzmärkte, als höchst unverantwortlich erwiesen haben, um es einmal sehr diplomatisch auszudrücken. In Deutschland wird bisher nicht einmal im Grund

satz ernsthaft über solche Antilobbyismusmechanismen diskutiert. Das muss sich nach Ansicht der LINKEN grundlegend ändern.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Der erzählt ein Zeug!)

(Beifall DIE LINKE)

Für die Ebene der Landesregierung muss es eine Offenlegung von Nebentätigkeiten und Nebeneinkünften geben. Die Bürgerinnen und Bürger haben Anspruch zu sehen, welche möglichen Interessenverstrickungen auch, aber nicht nur, mit wirtschaftlichen Akteuren die politischen Entscheidungen der Amtsträger beeinflusst haben könnten. Ohne solche Transparenz kann eine demokratische Gesellschaft eigentlich wenig, ich glaube, eher gar nicht funktionieren. Hingegen wird der Lobbbyismus auch als undemokratische Schattenpolitik bezeichnet. Auch bei Offenlegung von Nebentätigkeiten und Nebeneinkünften will ich die Parallele zu den Abgeordnete ziehen. Die Fraktion DIE LINKE hatte dazu ebenfalls in der vergangenen Wahlperiode einen Gesetzentwurf eingebracht, der leider abgelehnt wurde.

Auch über die Anrechnung von Nebeneinkünften auf die Diäten sollte man noch mal im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf der GRÜNEN diskutieren. In anderen demokratischen Staaten gibt es so etwas schon lange und auch in Thüringen sollte es so etwas zukünftig geben.

(Beifall DIE LINKE)

Unsere Fraktion befürwortet ausdrücklich die Diskussion des Gesetzentwurfs der GRÜNEN in den genannten Ausschüssen und beantragt zusätzlich die Diskussion im Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Danke schön. Als Nächster spricht Abgeordneter Gustav Bergemann für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, vorab Herr Korschewsky, Sie haben jetzt alles in einem Konglomerat zusammengemischt, Ministergesetz, Abgeordnetengesetz, usw. Ich empfehle Ihnen, lesen Sie mal bitte nach, was die Fachexperten, die Sie bestellt hatten, zur Sache Abgeordnetengesetz gesagt haben. Es ist interessant, das mal nachzulesen. Da

können Sie sich diesen Populismus tatsächlich sparen, den Sie vorhin hier vom Pult losgelassen haben.

(Beifall CDU, SPD)

Vielleicht noch mal eine kleine Bemerkung aus eigener Erfahrung, die Sie ja auch kennen und viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen auch, wie die Verquickung in der Zeit, in der Sie Jahrzehnte Verantwortung getragen haben, zwischen Wirtschaft und Politik war. Da brauchen Sie nicht zu gähnen, genau das war der Punkt.

(Beifall CDU, FDP)

Das kann ich aus eigenem Erleben nachvollziehen, was Sie mit Menschen gemacht haben, die nicht Ihrer Partei zugehörig waren, sondern die sich auf wirtschaftliche oder auf fachliche Kompetenzen konzentriert haben.

(Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: Das ist aber was anderes.)

Das ist nichts anderes.

(Beifall CDU, FDP)