Protokoll der Sitzung vom 18.08.2010

Ich will das aber für alle Schulen in Thüringen. Je mehr freie Schulen sich entwickeln, desto größer wird die Diskrepanz, umso größer wird die Schere aufgehen, weil das Geld natürlich dann für den staatlichen Sektor automatisch weniger wird. Wir wissen das, denn es ist schülerbezogen finanziert und deswegen bitte auch ich einfach um eine ehrliche Debatte. Ich weiß, dass die freien Schulen eine richtig gute Arbeit machen und mir tut es leid, dass die Bildungsreform ausgefallen ist und dass es wieder verstärkt Anträge gibt. Aber was ich nicht will, ist, dass ohne Bedingungen zu formulieren - die möchte ich noch gern nennen am Ende - sich die

freien Schulen dann gründen dürfen, zugelassen werden und wir dann doch das haben, was wir nicht wollen, nämlich ein geteiltes Bildungsland in Thüringen.

Meines Erachtens muss es sich an mehreren Bedingungen festmachen, um die Zulassung zu erhalten. Das heißt beispielsweise, dass freie Schulen sich in die kommunale Schulnetzplanung einpassen müssen, dass es einen Flächentarifvertrag für alle Pädagogen gibt, dass auch an freien Schulen vernünftig finanziert und bezahlt wird, und dass sich natürlich auch das Soziale widerspiegelt, dass es genügend Härtefallregeln gibt. Wenn das der Fall ist, dann müssten möglicherweise auch freie Schulen tatsächlich ausfinanziert werden. Aber diese Haltelinien müssen erst einmal formuliert werden, die muss ein Minister auch ansagen

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit geht zu Ende.

und dann kann man prüfen und kann feststellen, dass wir eigentlich alle in einem Boot sitzen, nämlich dass wir gute Bildung in Thüringen realisieren wollen und nicht wie die FDP freie Schulen, weil sie billiger sind, gut finden und bei dem staatlichen Sektor dann 90 Mio. € kürzen.

(Beifall DIE LINKE)

(Unruhe FDP)

Ja, das war doch Ihr Antrag.

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Sojka. Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Grob.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Schulen in freier Trägerschaft liegen uns sehr am Herzen.

(Beifall CDU)

Mehr oder weniger hat man das auch aus den Reden gehört. Die Schulen in freier Trägerschaft beleben mit ihren jeweiligen besonderen Prägungen nicht nur die Schullandschaft, sie bieten auch den öffentlichen Schulen Gelegenheit, im Wettbewerb ihre Stärken darzustellen und Schwachstellen zu erkennen und abzubauen. Sie sind ein Teil der pluralen Schullandschaft, die eine wichtige Basis für ein freiheitliches Schulwesen darstellt,

(Beifall FDP)

und tragen eigenverantwortlich neben den staatlichen Schulen zur Bildung und Erziehung junger

(Abg. Sojka)

Menschen in Thüringen bei. Wir haben uns im Koalitionsvertrag dazu verständigt, Schulen in freier Trägerschaft angemessen zu fördern. Die CDUFraktion steht weiter zu diesem Grundsatz.

Der Paradigmenwechsel bei der Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft, die Umstellung auf die Finanzierung des einzelnen Schülers, hat sich als ein zukunftsfähiges Finanzierungssystem erwiesen, und zwar deshalb, weil dabei das Land für jeden Schüler einer Schulart oder eines Bildungsgangs den gleichen Betrag zahlt, gleich, ob es sich um eine kleine oder große Schule handelt, gleich, wie die Schule ihre innere Wirtschaftlichkeit erreicht und unabhängig vom Schulstandort und vom pädagogischen Konzept. Die Reaktion der überwiegenden Zahl der freien Schulträger auf die schülerzentrierte Finanzierung hat deutlich gemacht, dass dies der richtige Weg ist. Die Schulen konnten so auf eine zukunftssichere Finanzierungsgrundlage gestellt werden. Es ist auch richtig, bei der Berechnung der Zuschüsse an die freien Träger die Kosten für einen Schüler im staatlichen Schulsystem zugrunde zu legen. Denn wenn ein freier Träger den staatlichen Bildungsauftrag erfüllt, dann soll er vom Grundsatz immer einen gewissen Prozentsatz von dem bekommen, was der Staat ansonsten für die Beschulung des Schülers hätte aufwenden müssen. Eine andere Wahrheit ist aber auch, dass in den letzten Jahren die Anzahl der Schulen in freier Trägerschaft in Thüringen ständig gestiegen ist. Das spricht zum einen für die hervorragende Arbeit der freien Schulen, andererseits führt es aber auch zu einem ständigen Ansteigen der Kosten, da das Land nicht im gleichen Maße Kosten im staatlichen Schulsystem einsparen kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Gesetz über Schulen in freier Trägerschaft, wie es schon gesagt wurde, läuft am 31. Dezember dieses Jahres aus. Im Rahmen der Landtagsbefassung zur Gesetzesnovelle werden wir Gelegenheit haben, Neuerungen auch hinsichtlich der Finanzierung ausführlich zu diskutieren. Die Angemessenheit der Förderung steht dabei außer Frage. Sie muss sich daran orientieren, was Schulen brauchen, um mit staatlichen Schulen vergleichbare Lernbedingungen zu realisieren. Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, uns liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich sehe, es gibt weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten. Frau Abgeordnete Siegesmund.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte nach der Debatte einfach noch zwei, drei Punkte zusammenführen. Als Erstes sehe ich einmal in Richtung der CDU. Herr Emde, warum haben Sie denn nicht gesprochen? Ich dachte, das ist eines Ihrer Leitthemen. Ich habe jetzt vermisst, dass Sie uns bildungspolitisch für die CDU ins Bild setzen.

(Zwischenruf Abg. Dr. Klaubert, DIE LINKE: Ich hätte jetzt auch gern den Minister mal da- zwischen gehört!)

Dann Richtung Frau Sojka: Ich bin in Altenburg beim Landrat gewesen, die Frage lässt sich ganz leicht beantworten, warum es niemals eine Gemeinschaftsschule im Altenburger Land geben wird, nämlich weil er es schlicht und ergreifend nicht will und dort auch nicht dafür gearbeitet wird, dass es diese gibt. Von daher kann man es leicht auflösen. Grundsätzlich möchte ich einfach sagen: Lassen Sie uns aufpassen, dass wir nichts vermischen. Das eine ist die Debatte um die freien Schulen, das andere ist die um die Gemeinschaftsschule und man sollte, finde ich, beides auseinanderhalten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Er vermischt es doch, der Minister vermischt es!)

Nichtsdestotrotz bin ich Ihnen, Herr Barth, und Ihrer Fraktion sehr dankbar, dass Sie das Thema heute hier hereingetragen haben in Form der Aktuellen Stunde, weil - ich weiß nicht mehr, wer es erwähnte - dieses geteilte Bildungsland Thüringen sich vertiefen wird, wenn es so weitergeht, wie im Augenblick das Kultusministerium arbeitet, weil der Fokus - da bin ich kurz bei der Gemeinschaftsschule - im Kultusministerium so unglaublich scharf auf der Gemeinschaftsschulidee liegt, dass sie vergessen, was links und rechts diese Bildungslandschaft bereichert, und das sind die freien Schulen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich verstehe es nicht, Herr Minister Matschie, Sie kommen aus Jena, Sie sehen, was für eine wunderbare Bildungslandschaft wir da haben, welche freien Schulen diese Bildungslandschaft bereichern und gehen einher und lassen über die Zeitung so eine Verunsicherung verkünden. Ich habe das wirklich nicht verstanden, ich halte es für einen großen Fehler.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will zum Schluss noch mit einem Vorurteil aufräumen, weil es immer auch vonseiten der SPD heißt, die freien Schulen seien eher etwas Elitäres, deswegen gehen die GRÜNEN und die FDP da so schön drauf, das hat was, wo die soziale Selektion

(Abg. Grob)

besonders unausgegoren ist. Falsch! Das ist falsch! Sehen Sie sich die Statistiken an, gerade freie Schulen achten bewusst darauf, dass es eine gute soziale Durchmischung gibt. Sehen Sie hier nach Erfurt, wo es auch einen besonders hohen Ausländeranteil im Erfurter Ratsgymnasium gibt.

Ich will dieses Ausrufezeichen hier ganz bewusst setzen, weil mich das ärgert, wie wir Lehrerinnen und Lehrer, wie wir Schülerinnen und Schüler an freien Schulen mit dieser Debatte verunsichern. Arbeiten Sie bitte sauber.

(Beifall FDP)

Vielen Dank. Wir haben noch vier Minuten Redezeit für die Abgeordneten. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen? Herr Minister Matschie hat sich zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Hitzing, Sie haben einmal wieder das Dilemma der FDP hier vorgeführt. Wenn es abstrakt ist, dann rufen Sie ganz laut „sparen“ und der Staat muss sich zurücknehmen und immer weniger ausgeben und auch Steuern sollen ja immer weniger gezahlt werden. Wenn es an irgendeiner Stelle konkret wird, dann - und wie haben Sie das so schön formuliert - müssen Sie sich schützend vor die Bürger schmeißen.

(Beifall SPD)

Ich glaube, dass das eine politische Haltung ist, die nicht der Wirklichkeit standhält. Denn wenn man Einsparungen vornehmen will, dann muss man auch den Mut haben, die politische Konsequenz haben, dann zu sparen, wenn es notwendig ist.

Wir haben eine Haushaltssituation, die Sie ja auch in dramatischen Farben selbst geschildert haben vonseiten der FDP, die es notwendig macht, dass wir alle Ausgaben, die wir haben, auf den Prüfstand stellen, dass wir uns das kritisch anschauen und fragen, wo es Effizienzreserven gibt. Davon nehme ich mein Ministerium ausdrücklich nicht aus. Bildung, Forschung, auch die Kultur, das sind Schwerpunkte und das müssen Schwerpunkte bleiben, aber trotzdem muss man auch in einem solch großen Haushalt, der insgesamt über 2 Mrd. € umfasst, schauen, wo gibt es Möglichkeiten, effizienter zu arbeiten, wo gibt es Möglichkeiten für die nächsten Jahre auch den Haushalt zu entlasten.

Für mich gibt es dabei einen Obersatz: Jedes Kind muss die Chance erhalten, bestmögliche Bildung zu erlangen, und zwar unabhängig von der sozialen Herkunft, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern, unabhängig von der ethnischen oder religiösen Zu

gehörigkeit. Die besten Chancen für alle, das ist der Auftrag, vor dem das Bildungssystem steht. Das gilt für die staatlichen Schulen ganz genauso wie für die Schulen in freier Trägerschaft.

Ich sage es noch mal ganz ausdrücklich: Die Schulen in freier Trägerschaft bereichern das Bildungssystem, sie sind Ausdruck eines vielfältigen Bildungsangebots und - das haben wir ausdrücklich im Koalitionsvertrag festgehalten - die freien Schulträger sollen auch in Zukunft angemessen gefördert werden.

In den vergangenen 20 Jahren ist viel für dieses Angebot getan worden. Wir haben mit Beginn dieses Schuljahres 153 Ersatzschulen in freier Trägerschaft, das sind 14 Prozent aller Schulen. Das ist mehr als in vielen anderen Bundesländern, eine Zahl, die auch über dem Bundesdurchschnitt liegt. Insgesamt gehen 9,5 Prozent aller Schüler in eine Schule in freier Trägerschaft.

Gerade mit Beginn dieses Schuljahres habe ich acht weitere Schulen in freier Trägerschaft genehmigt; sieben Grundschulen, ein Gymnasium und weitere Anträge liegen vor.

Wir haben die Schulen in freier Trägerschaft in den letzten Jahren gut finanziert. Im vergangenen Jahr haben wir 120 Mio. € eingesetzt, in diesem Jahr werden es 10 Mio. € mehr sein, etwa 130 Mio. €, und die Tendenz ist weiter steigend. Wir setzen darauf, dass die Schulen auch in Zukunft so gut ausgestattet sind, dass sie ihre Arbeit in hoher Qualität tun können. Aber auch wir kommen nicht umhin, uns dem Vergleich mit anderen Bundesländern in dieser Frage zu stellen, denn Thüringen ist ja nicht das einzige Land, das Förderbedingungen für Schulen in freier Trägerschaft formuliert, das tun auch andere Bundesländer. Ich will nur wenige Punkte zum Vergleich heranziehen. Thüringen hat im vergangenen Jahr einen Satz gezahlt pro Regelschüler von 5.128 €. Kein Bundesland hat so viel für einen Regelschüler an Schulen in freier Trägerschaft gezahlt. Jetzt nehme ich mal das Bundesland Hessen, Frau Hitzing, in dem auch die FDP politische Verantwortung trägt. Das Bundesland Hessen zahlt für einen Regelschüler gerade einmal die Hälfte dessen, was Thüringen für einen Regelschüler bezahlt. Deshalb bitte ich Sie, doch zunächst einmal auch darauf zu schauen, was Politik der FDP in anderen Bundesländern ist, bevor Sie hier vorsichtige Korrekturen, die wir vornehmen, in dieser Art und Weise angreifen. Oder ich nehme das Beispiel Gymnasien. Thüringen zahlt für Gymnasiasten 4.366 €. Das ist der vierthöchste Wert in Deutschland. Auch hier mal den Vergleichsbetrag Hessen - und Hessen ist ein Geberland -, von dem wir im Finanzausgleich Geld bekommen, Thüringen 4.366 € - Hessen 3.165 €. Die Liste lässt sich fortsetzen, ich will das jetzt nicht tun, nur eines geht nicht, dass wir uns dieser Auseinandersetzung mit

(Abg. Siegesmund)

den anderen Bundesländern nicht stellen. Wir sind hier in der Debatte, wir sind im Finanzausgleich und wir müssen uns dieser Diskussion stellen.

Klug sparen heißt für mich, dort zu Einsparungen kommen, wo es möglich ist, und zwar möglich ist, ohne die Qualität zu beeinträchtigen.

(Beifall SPD)

Das kann man eben auch sehen. Auch andere Bundesländer haben hervorragende Schulen in freier Trägerschaft, zum Teil mit niedrigeren Fördersätzen als wir sie hier in Thüringen möglich machen. Deshalb werden wir - und wir sind ja im Gespräch mit den freien Trägern - mit den freien Trägern darüber diskutieren, wie wir die Arbeit qualitativ hochwertig, möglicherweise mit geringeren Kosten bewerkstelligen können.

Das Gesetz muss bis zum Jahresende neu gefasst werden; dazu gehört diese Überprüfung. Ich will die Punkte nennen, die wir hier vorgesehen haben. Sie wissen, dass die Berechnungsgrundlage für die Zuschüsse pro Schüler an den Schulen in freier Trägerschaft die Kosten im staatlichen Schulsystem sind. Jetzt gab es - das wissen Sie - ein Gerichtsurteil, das die Kosten im staatlichen Schulsystem in die Höhe getrieben hat, nämlich das Urteil, dass verbeamtete Lehrer, die in Teilzeit verbeamtet waren, Vollzeit arbeiten dürfen. Viele haben das in Anspruch genommen, arbeiten wieder Vollzeit und deshalb haben wir sogenannte Überhänge, insbesondere in den Regelschulen und in den Gymnasien, die wir zusätzlich finanzieren müssen. Diese zusätzlichen Kosten gehen auch in die Berechnung dessen ein, was die Schulen in freier Trägerschaft bekommen. Nun frage ich Sie mal ganz ehrlich: Ist das wirklich sachgerecht? Muss man da so aufschreien, wenn wir sagen, wir wollen nicht mehr auch die Überhänge, die wir im staatlichen System notgedrungen finanzieren müssen, gleichzeitig weiterreichen in den Kosten für die Schulen in freier Trägerschaft, sondern wir wollen hier nur die notwendigen Kosten ansetzen. Oder auch die Frage: Wie gehen wir mit den Wartefristen um? Unser Nachbarland Sachsen zum Beispiel diskutiert gerade darüber, die Wartefristen auf vier Jahre zu verlängern. Wir bleiben ganz ausdrücklich bei der Wartfrist von drei Jahren, aber wir wollen die Ausnahmen einschränken. Es gibt kein Bundesland, das so viele Ausnahmen von der Wartefrist zulässt wie Thüringen. Deshalb ist es doch sinnvoll, darüber zu reden. Mein Vorschlag ist: Die Wartefrist muss für jede Schule gelten und sie wird nicht einfach ausgesetzt, wenn ein Träger schon eine Schule gleicher Schulart betreibt. Ich halte das für sinnvolle Diskussionspunkte. Der Referentenentwurf ist im Kabinett zur Kenntnis genommen worden, ist jetzt in die Anhörung gegangen und wir werden dann im September wahrscheinlich die zweite Kabinettsbefassung haben und dann dem