Protokoll der Sitzung vom 08.09.2010

(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es war der für die Energie zuständige Minister dabei. Ich denke mal, dass im Rahmen der Kabinettsdisziplin und des Anstandes man davon ausgehen kann, dass er Meinungsäußerungen dann auch schon überlegt und abstimmt.

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie hätten auch kommen können.)

Dabei kann ich natürlich die Verletztheit gerade bei Rot-Grün verstehen, dass die sicher geglaubte Deutungshoheit über Energie- und Umweltfragen so gar nicht gegeben ist. Es gibt eine aktuelle Umfrage, die belegt, dass drei Viertel der Deutschen Laufzeitverlängerungen zustimmen, wenn aus den Gewinnen auch der Ausbau der erneuerbaren Energien finanziert wird.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Nicht „auch“.)

Nicht mehr und nicht weniger soll jetzt geschehen.

(Beifall FDP)

Im Übrigen hat diese Umfrage nicht die KonradAdenauer-Stiftung, auch nicht die Friedrich-Naumann-Stiftung gemacht, sondern Infratest dimap im Auftrag der ARD.

(Beifall FDP)

Im Übrigen sollte auch jeder, der hier aus dem Hohen Haus schon mal in erneuerbare Energien investiert hat, zugeben, dass auch diese sichere Geldanlage das Ergebnis von interessenorientierter Politik zugunsten der erneuerbaren Energie ist, eine Politik, die übrigens auch Rot-Grün nicht erfunden hat;

(Beifall SPD)

man hat lediglich auf den Ausstieg verzichtet.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mit langen Renditezeiträumen.)

Meine Damen und Herren, zur Brücke in das Zeitalter der erneuerbaren Energien gehören neben der Kernenergie auch Fragen nach einer besseren Verfügbarkeit erneuerbarer Energien durch Netzintegration, durch bessere Speichertechnologien. Hier gibt es, wie auch bei Fragen der Effizienz diverser Technologien, erheblichen Forschungsbedarf, der natürlich auch finanziert werden muss. Wenn nun als ein Ergebnis des Energiekonzepts bis zu 15 Mrd. € in einen Fonds eingezahlt werden, aus dem dann Investitionen beispielsweise in die Erforschung von Speichertechnologien finanziert werden können, dann ist es ein riesiger Fortschritt im Sinne eines geordneten Überganges hin zu den erneuerbaren Energien.

(Beifall FDP)

Speicherforschung ist zwingend notwendig, weil erneuerbare Energien eben nicht permanent verfügbar sind. Wir brauchen Energien, damit auch erneuerbare Energie grundlastfähig wird. Wir brauchen Speicher und allein ein Goldisthal wird da nicht reichen, auch wenn es natürlich ein großer Speicher ist. Man kann die Stromversorgung einer Industrienation nicht der Verfügbarkeit von Sonne und Wind anheimstellen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Weil die Frage der Sicherheit auch in den Ausführungen, die ich verfolgt habe, indirekt auf der Pressekonferenz vorhin eine Rolle gespielt hat, will ich einfach noch mal daran erinnern, dass der Herr Minister …

Herr Abgeordneter, aber bitte kurz daran erinnern, die Redezeit.

Ganz kurz. Ich hatte auch eine kleine Unterbrechung, Frau Präsidentin.

(Unruhe im Hause)

Wenn ich nur kurz daran erinnern darf, dass Herr Machnig in seiner Vorverwendung - wenn ich das militärisch ausdrücken darf - Staatssekretär im Bun

desumweltministerium gewesen ist. Ich habe einmal mit Atomrecht zu tun gehabt und kann mich erinnern, dass das Bundesumweltministerium die oberste Aufsichtsbehörde in Fragen der Atomsicherheit ist. Herr Minister, wenn Sie Erkenntnisse zu Ihrer Amtszeit hatten, die Sicherheit von Atomkraftwerken bzw. die Gefährdung betreffend, dann wären Sie verpflichtet gewesen, das betroffene Atomkraftwerk umgehend stillzulegen - völlig egal wie alt es ist.

(Beifall FDP)

Dass Sie das nicht getan haben, lässt mich daraus schließen, dass Sie diese Erkenntnisse nicht haben. Insofern bitte ich dann auch, nicht so zu tun als ob diese beiden Dinge nichts miteinander zu tun haben. Vielen Dank.

(Beifall CDU, FDP)

Ihre Redezeit ist zu Ende. Gibt es weitere Wortmeldungen? Uns verbleiben 5 Minuten Redezeit für die Abgeordneten. Ich sehe, das ist nicht der Fall. Herr Minister Machnig für die Landesregierung.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, Energie ist die Schlüsselfrage des 21. Jahrhunderts in Deutschland, in Europa und global, weil eines klar ist, wir werden eine wachsende Weltbevölkerung haben, wir werden einen wachsenden Energiebedarf haben und wir werden darauf achten müssen, dass Energiepolitik im Einklang steht mit den Klimaschutzzielen, die wir erreichen müssen.

Vor einiger Zeit ist ein Buch erschienen, das hatte den schönen Titel „Weltmacht Energie“. Was sollte dieser Titel eigentlich sagen? Er sollte sagen, dass die Energiefrage zur entscheidenden Frage von modernen Industriegesellschaften im 21. Jahrhundert wird und auch eine zentrale Frage der Entwicklung auch in bestimmten Teilen der Welt ist. Ich will daran erinnern, 1,8 Mrd. Menschen haben heute, im Jahre 2010, noch keinen Zugang zur Energie. Deswegen brauchen wir langfristige Strategien, deswegen brauchen wir Grundkonsens, deswegen brauchen wir Investitionen und Innovationen. Das muss im Zentrum stehen, das müssen wir in den nächsten Jahren befördern, sonst werden wir der Zukunftsaufgabe für Thüringen, für Deutschland, für Europa und global nicht gerecht.

Jetzt habe ich mir mal intensiver das Konzept der Bundesregierung angeschaut, das am Sonntag verabschiedet worden ist. Dieses Papier hat 70/80 Seiten und darin werden unterschiedliche Themen angesprochen. Ich will zum Beispiel auf das Thema verweisen, dort wird gesagt, dass erneuerbare

Energien eine tragende Säule der Energieversorgung sind. Ich unterstütze das mit großem Nachdruck. Da steht das Ziel drin, dass wir im Jahre 2030 25 Gigawatt Offshore Windenergie erreichen wollen, das sind 5.000 Windenergieanlagen. Da steht auch drin - auch das will ich hier noch mal zum Besten geben -, dass wir einen Ausbau Onshore vorantreiben müssen - Ausbau Onshore, also auf dem Lande - und dass die Bundesregierung plant - und ich begrüße das -, dass es gemeinsame Landesentwicklungspläne für den Ausbau auch der Windenergie in Deutschland geben soll. Auch das begrüße ich. Es wird darauf hingewiesen, dass es um Energieeffizienz geht und dass öffentliche Beschaffung sich zukünftig an Energieeffizienz zu orientieren hat. Ich plädiere schon lange dafür. Auch das ist ein Punkt, zu dem ich sage, der ist vernünftig und sollte gemacht werden.

Es gibt Punkte, wie die Beschleunigung des Netzausbaues. Wir brauchen in den nächsten Jahren einen massiven Ausbau der Netze, weil die Netze ansonsten der Bottleneck werden für die Erneuerung unserer Energieinfrastruktur. Wenn die Netze nicht zugebaut werden, kann es nicht gelingen, dass wir die neuen Kraftwerkskapazitäten, insbesondere die erneuerbaren Energien, integrieren können. Da steht etwas drin zum Thema energetische Gebäudesanierung, energieeffizientes Bauen - ich selber mache ein Projekt mit der Bauhaus-Universität -. Ich unterstütze das, ich sage es ausdrücklich. Da steht etwas drin zum Thema Elektromobilität - das habe ich selber noch im BMU betrieben -; 1 Million Fahrzeuge, die 2020 auf dem Markt sein sollen. Auch das unterstütze ich.

Jetzt möchte ich an dieser Stelle eine persönliche Bemerkung machen: Ich bin in den 70er-Jahren politisch sozialisiert worden. Diese 70er-Jahre und 80er-Jahre waren geprägt durch einen gesellschaftlichen Großkonflikt. Der Großkonflikt hieß: „Wie halten wir es mit der Kernenergie?“ Ich hatte immer eine sehr klare Haltung in dieser Frage, auch als meine Partei noch eine andere Haltung dazu hatte. Deswegen, mein lieber Herr Barth, wenn ich zusammen mit anderen als Matthias Machnig, SPD, und nicht als Vertreter der Landesregierung eine Pressekonferenz mache, wo ich meine Position zum Ausdruck bringe, ist das mein gutes Recht.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An diesem Recht werde ich auch festhalten und das ist meine Position, die ich seit vielen Jahren hatte. Im Übrigen war die Position der SPD, da kann ich für unsere Fraktion, glaube ich, insgesamt sprechen, zur Kernenergie immer bekannt, auch vor der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Abg. Barth)

Jetzt komme ich zu dem Punkt - ich habe viele Punkte genannt, die ich aus dem Energiekonzept teile -, mit dem ich mich jetzt auseinandersetzen will, mit dem Thema „Laufzeitverlängerung“.

(Beifall SPD)

Da will ich auf Folgendes hinweisen: Im Jahre 2001 hat es eine vertragliche Regelung zwischen der damaligen Bundesregierung und den Energieversorgern gegeben zum Ausstieg. Jetzt muss man mal eines zur Kenntnis nehmen. Dieser Ausstiegsbeschluss ist gefasst worden zu einem Zeitpunkt, als die Erneuerbaren in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckten. Heute haben wir 16/17 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien. Damals haben die Energieversorger gesagt, wir können aussteigen, obwohl wir einen Anteil von vielleicht 1 oder 2 Prozent Erneuerbaren hatten. Heute haben wir ein Vielfaches und heute wird behauptet, das sei nun alles nicht mehr möglich, man brauche eine Brückentechnologie. Diese Logik - mit großem Respekt - erschließt sich mir nicht. Ich glaube, wer in den nächsten Jahren Brücken bauen will, der sollte auf die Brücken treten, die bereits existieren. Das ist der Ausbau der Erneuerbaren, das ist der Ausbau der Energieeffizienz und das sind die Investitionen in moderne, hoch effiziente, konventionelle Kraftwerke.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist die Brücke und diese Brücke sollten wir beschreiten.

Jetzt sage ich etwas zur Sicherheit, Herr Barth. In der Tat, ich war zuständig. Ich kann nur eines sagen, es hat mehrere Tausend meldepflichtige Ereignisse gegeben. Wir haben Krümmel und Brunsbüttel mehrfach wegen Transformatorenbränden dort vom Netz nehmen müssen. Es sind Vorstandsvorsitzende zurückgetreten wie der von Vattenfall, weil es kein vernünftiges Sicherheitsmanagement gab. Trotzdem haben wir ein Verfahren, nämlich dass es eine Bundesaufsicht gibt und dass es Länderkompetenzen gibt. Da wissen Sie, wie schwierig das ist. Jetzt komme ich zu einem Kernpunkt, der mir sehr wichtig ist. Wenn man denn schon dann zu der Entscheidung kommt, die Laufzeiten zu verlängern - einige haben ja schon einmal nachgerechnet, das letzte Kraftwerk wird dann 2040 wahrscheinlich erst vom Netzt gehen - und gleichzeitig die Sicherheitsstandards nicht erhöht werden, sondern das in die Verantwortung der jeweiligen Aufsichtsbehörden in den Ländern ins Belieben gestellt wird, dann muss ich sagen, bekomme ich nicht nur Zweifel, sondern dann frage ich mich, ob das verantwortlich ist. Wenn man schon mal verlängert, und Herr Röttgen - ich muss das sagen - hat sich dafür eingesetzt, an der Stelle war er konsequent, er hat das nicht durchsetzen können. Ich muss sagen, das halte ich für ein Problem, weil am Ende

muss eines gelten: Wir brauchen Sicherheit. Wir hätten auch Sicherheit gebraucht bis zum Jahr 2020/21. Wenn wir längere Laufzeiten haben, da muss man konsequent sein und auch in die Sicherheit investieren. Das hat nicht stattgefunden und von daher muss ich sagen: Das halte ich für keine verantwortliche Politik an der Stelle.

Ein Satz zur Brennelementesteuer, die ja auch eine Rolle spielt: Ich bin für die Brennelementesteuer, ich bekenne das hier ausdrücklich. Ich brauche allerdings diese Brennelementesteuer unabhängig vom Ausstieg, weil wir in den nächsten Jahren vor einer enormen Aufgabe stehen, nämlich vor der Aufgabe: Wie finanzieren wir die Endlagerung in Deutschland? Diese Finanzierung muss beinhalten, dass diejenigen, die über Jahre die Kernkraftwerke betrieben haben, angemessen an der Finanzierung der Endlagerung beteiligt werden. Das muss die Forderung sein und dafür brauche ich die Brennelementesteuer.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen halte ich sie für richtig, man muss sie aber dann gezielt für diesen Zweck ausgeben.

Ein letzter Gedanke: Die Bundesregierung hat im Übrigen - Herr Brüderle und Herr Röttgen - ein Gutachten vorgestellt, in dem die Frage der Laufzeitverlängerung in Zusammenhang mit dem Klimaschutz gestellt worden ist. Dabei kam heraus, dass auch ohne Laufzeitverlängerung die Klimaschutzziele Deutschlands zu realisieren sind. Jetzt geht es mir um die Frage - und das ist hier auch mehrfach angesprochen worden: Wie geht das jetzt weiter? Um das auch klar zu sagen: Wir haben im Kabinett über diese Frage gesprochen, wie wir uns z.B. im Rahmen des Bundesrats verhalten; das ist die Verabredung. Das soll dadurch geschehen, dass die Verfassungsressorts prüfen, ob denn verfassungsrechtlich geboten ist, die Länder zu beteiligen. Das ist der Verabredungsstand. Die Verfassungsressorts, also der Justiz- und der Innenminister, werden die bestehenden Gutachten dann aufbereiten für das Kabinett. Im Übrigen gibt es Gutachten im Umweltministerium, die klar sagen, eine Beteiligung ist erforderlich. Damit das auch noch mal klar ist, das sind Gutachten aus dem Bundesumweltministerium. Es gibt auch andere aus dem Bundeswirtschaftsministerium.

(Zwischenruf aus dem Hause: § 32?)

Bitte? Das Argument lasse ich gerne gelten und komme darauf zurück. Ich sage ganz klar: Dann werden die Verfassungsressorts dieses aufbereiten, dann werden wir in Thüringen zusammen entscheiden. Meine Haltung ist sehr klar, Herr Heym. Ich will auch auf Ihr Argument eingehen. Die Länder sind für den Vollzug zuständig. Wenn die Länder für den Vollzug zuständig sind, dann ist es eben

(Minister Machnig)