Werte Kolleginnen und Kollegen, liebe Frau Ministerpräsidentin, auf den ersten Blick hat man ja das Gefühl, da Thüringen kein Atomkraftwerk hat, ginge es uns relativ wenig an. In Wirklichkeit ist es so, das wissen wir seit Tschernobyl, dass an keinen Grenzen atomarer Fallout sich beschränken würde.
Aber wir diskutieren heute nicht aus einem moralischen oder aus einem ängstlichen Impetus heraus, sondern wir diskutieren aus einer Sichtweise, bei der ich langsam das Problem habe, dass diese Bundesrepublik Deutschland in ihrer Investitionstätigkeit und in ihrer Verlässlichkeit sich immer weiter zum Klops macht, international deutlich macht, dass offenkundig Verträge, die in Deutschland abgeschlossen werden, nicht dauerhaft eingehalten werden. Pacta sunt servanda, Frau Ministerpräsidentin, scheint für Deutschland nicht zu gelten. Der Atomausstieg ist nach meinem Dafürhalten, sagen wir einmal freundlich gesagt, kritikwürdig gewesen. Aber er ist vollzogen worden und die Stromkonzerne haben den Vertrag unterschrieben. Das war der Punkt, bei dem ein gesetzlicher Atomausstieg nicht beschlossen wurde, sondern es gab einen vertraglichen Atomausstieg und auf diesen Ausstieg, Frau Ministerpräsidentin, beziehen sich sämtliche Investitionsleistungen auch unserer Stadtwerke hier in Thüringen.
Das heißt, alle, die im Vertrauen darauf, dass das, was der Staat macht, auf Verlässlichkeit in der Investitionstätigkeit im Verlauf von 20 oder 30 Jahren ausgerichtet ist, das wird hier mit einem Federstrich aus ideologischen Gründen und aus Gründen des Lobbyismus vom Tisch gewischt. Deswegen werbe ich auch darum, dass wir diese Debatte des Ausstiegs nicht wieder wiederholen mit all den Fragen, die an dem technologischen Angstthema Atom hängen. Sondern ich diskutiere aus dem Blinkwinkel Thüringens, das Land, das bisher die meiste Energie einführen musste. Was immer ein strategischer Nachteil war, ist unser strategischer Vorteil, wenn wir dezentral, regional und regenerativ so viel Energie produzieren, wie wir selber verbrauchen. Dann wären wir ein Musterland in Deutschland und wir wären damit Treibriemen für eine neue technische innovative Revolution, die wir dringend brauchten und ein Leitbild für dieses Land, bei dem man stolz ist, in diesem Bundesland tätig zu sein. All diese Themen haben aber etwas damit zu tun, dass die
Grundarchitektur des Atomausstiegs eingehalten wird, unabhängig davon, ob meiner Fraktion der Ausstieg richtig erschienen ist oder nicht. Aber dass dieser Vertrag einfach am Sonntag aus dem Fenster geworfen wurde und dass dann die Menschen noch belogen werden, Frau Ministerpräsidentin, da kann doch auch ein Mitglied ihrer Partei nicht mehr schweigen und ruhig sein, dass man sagt, es wird eine Brennelementesteuer eingeführt und die darf dann der Stromkonzern noch von seinen Steuern abziehen. Ich habe noch nie gehört, dass ein Arbeitnehmer, der arbeiten geht, seine Lohnsteuer von der Lohnsteuer wieder abziehen kann. Aber die Stromkonzerne können in Zukunft ihre Brennelementesteuer abziehen und wir schädigen direkt die Thüringer Kommunen, wir schädigen direkt die kommunale Familie und wir schaden direkt den Stadtwerken in Thüringen. Es ist also nicht so, als ob uns das Thema nicht in irgendeiner Form tangieren würde, sondern die gesamten Investitionsleistungen, die die Stadtwerke entwickelt haben, basieren darauf, dass wir den Ausstieg ernst meinen, dass wir den Umstieg ernst meinen und dass wir Technologien entwickeln und vorantreiben, bei denen es eben nicht nur um Windkraft geht. Das wäre ja schon ein wichtiges Element, wenn bei Umformtechnik in Erfurt die Voraussetzungen geschaffen werden. Frau Ministerpräsidentin, sie hatten mich ja mitgenommen auf ihrer Sommertour, da hat uns ja die Firmenleitung dokumentiert, man möchte bei Umformtechnik …
Sie hat mich mitgenommen. Den Herrn Mohring stört das, aber ich bin freundlichst eingeladen gewesen. Ich bin mitgenommen worden und es war mitreißend, wie uns der Vorstand erläutert hat, dass man in Zukunft in Thüringen, in Erfurt, Windkraftanlagen als industrielles Fertigungsprodukt produzieren wird und dass es eine Erwartungshaltung an die Landesregierung an Unterstützung gibt, dass diese Referenzobjekte auch in Thüringen aufgebaut werden können. Auch da gilt wieder pacta sunt servanda. Die haben eine Zusage in Limlingerode gehabt. Die hatten eine feste planbare Größe gehabt und anschließend wurde das Windvorranggebiet wieder abgeschafft und jetzt stehen die mit ihrem Vertrag da und können die Referenzobjekte nicht bauen.
Frau Ministerpräsidentin, es geht um Thüringer Arbeitsplätze. Es geht also nicht um irgendeine Architektur Schwarz-Gelb einer Katastrophenkoalition, einer Wespenkoalition in Berlin. Da muss man auch nicht denen beistehen und sagen, nein, die müssen jetzt auch mal eine schöne Performance haben, die dürfen jetzt auch mal Lobbyvertreter sein; nein, es geht um Thüringen und die Landesregierung hat ihren Schwur auf Thüringen geleistet. Die Thüringer Interessen sind massiv tangiert, wenn Verträge, die
geschlossen worden sind, nichts mehr gelten; das Verhalten kritisiere ich. Als es um die Solarstromeinspeisevergütung ging, habe ich noch genau in Erinnerung, wie Herr Kurth von der FDP großmündig verkündet hat, was er alles tun wird, dass diese katastrophale Absenkung nicht stattfindet.
Gern. Aus dieser großmütigen Ankündigung, die viel Wind gemacht hat, kam hinterher nichts raus, sondern eine Absenkung, die doppelt so hoch war wie das, was angekündigt war. Wenn wir so mit den Interessen Thüringens umgehen, schaden Sie alle mit diesem ideologischen Gewäsch dem Freistaat Thüringen. Lassen Sie uns gemeinsam gegen den Ausstieg aus dem Ausstieg kämpfen. Deswegen am 18. September - ich hoffe, Sie sind alle dabei in Berlin gesellschaftlich deutlich zu machen, wir sagen Nein aus dem Ausstieg des Ausstiegs.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, mit dem Entschluss zur Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke hat die Bundesregierung - wir haben es gerade hier von dieser Stelle aus erlebt ganz unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Superlative Begrifflichkeiten, und davon hat Herr Adams hier wieder Zeugnis abgelegt, sind aber nicht angebracht.
Richtig ist auch, dass die Union schon im letzten Bundestagswahlkampf klar gesagt hat, wie sie zu diesem Thema steht. Es hat auch immer geheißen, dass die Kernkrafttechnologie für die Union eine Brückentechnologie ist. Allerdings erfolgten zu dem Begriff immer unterschiedliche Interpretationen. Mit Brückenfunktion war nicht die Beschreibung eines zeitlichen Horizontes gemeint, vielmehr geht es darum, diese Technologie so lange zu nutzen, bis die alternative Energiegewinnung in der Summe die Versorgungssicherheit gewährt und das Ganze auch wirtschaftlich zumutbar und bezahlbar ist.
Wind kommt es darauf an, was man für Unterlagen bemüht, um die 20 Cent kostet, muss weiter daran gearbeitet werden, Wind, Solar und andere Technologien noch wirtschaftlicher zu machen. Da ist es auch gut, dass im Komplex dieser Laufzeitverlängerung festgelegt wurde, 15 Mrd. € in die Weiterentwicklung und Förderung der erneuerbaren Energien zu stecken. Die Befürchtungen der Stadtwerke müssen ernst genommen werden, das ist gar keine Frage, aber nach wie vor gilt das Energieeinspeisegesetz, welches vorrangig die Abnahme von alternativer Energiegewinnung sichert. Herr Adams, wahrscheinlich haben Sie heute Morgen - so wie ich - Fernsehen geschaut und diese schöne Begrifflichkeit aufgeschnappt, dass nun die Stromleitungen durch Atomstrom verstopft werden. Das ist gnadenloser Populismus und Schwachsinn.
Durch diese Laufzeitverlängerung wird sich nicht mehr Atomstrom in den Leitungen bewegen als bisher und es wird auch nicht mehr Strom abgenommen werden, als dass Ihre Befürchtungen eintreten könnten. Es soll an dieser Stelle auch ganz deutlich gesagt werden, das gehört zur Ehrlichkeit dazu, dass Union und Sozialdemokraten auf Bundesebene zu diesem Ausstiegsszenario grundsätzlich unterschiedliche Meinungen vertreten. Wenn auch sonst die Thüringer Koalition von tiefer Harmonie getragen ist,
werden wir in Thüringen diese Unterschiede nicht wegschleifen können. Im Übrigen bin ich auf die weitere Diskussion gespannt. Es ist etwas doppelzüngig, wenn jetzt gefordert wird, diese Entscheidungen auch im Bundesrat zu beraten. Als 2001 die Koalition aus Rot-Grün das Ausstiegsszenario festgelegt hatte, wurde auch kein Bundesrat beteiligt.
Ich denke, es ist eine ganz normale Folge, hier die Position zu vertreten, dass es im Bundestag verbleibt.
In der Summe will ich sagen, dass die CDU-Fraktion dieses Landtags hinter dem am Sonntag beschlossenen Fahrplan zum Ausstieg aus der Atomenergie mit seinen ergänzenden Festlegungen, die hier auch zu vernehmen waren, steht. Wir werden sehen, wie sich die Diskussion in den nächsten Tagen entwickelt. Ich kann Ihnen sagen, Herr Ramelow, auch in der CDU - und das ist ja der Öffentlichkeit nicht entgangen - wird das Thema sehr breit
diskutiert. Das ist ganz normal, das ist sicherlich in allen gesellschaftlichen Bereichen so. Gehen Sie aber davon aus, dass am 18. von unserer Fraktion so sehr viele Kollegen lieber für Thüringen arbeiten, als in Berlin zu demonstrieren.
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gegen die Laufzeitverlängerung einzutreten, ist für Thüringen zu arbeiten.)
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Heym. Als Nächster spricht für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Barth.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, das am Montag von der Bundesregierung vorgelegte Energiekonzept soll den Übergang vom Zeitalter der Kohle und Kernenergie in das Zeitalter der erneuerbaren Energie bis zum Jahr 2050 beschreiben. Das Ziel ist, bis 2050 den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen um 80 Prozent zu reduzieren und im gleichen Zeitraum den Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien auf 80 Prozent anzuheben.
Sich über den Weg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien Gedanken zu machen, nicht nur über das Ziel Einigkeit herbeizuführen, sich über den Weg dorthin wirklich Gedanken zu machen, eine Wegbeschreibung zu erarbeiten, die auf der einen Seite die Bedingungen Versorgungssicherheit, Umweltschutz und auch bezahlbarer Strom für alle einzuhalten und gleichzeitig die Energieversorgung im Industrie- und Wirtschaftsstandort Deutschland Herr Kollege, wollen Sie vielleicht für mich hier weiterreden?
(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Herr Kolle- ge, ich bin bei der Frau Präsidentin und be- spreche was; Sie können ruhig weiterreden.)
Wie es also gelingt, diese Bedingungen auf der einen Seite einzuhalten und auf der anderen Seite die Energieversorgung im Wirtschafts- und Industriestandort Deutschland auf erneuerbare Energien umzustellen, diesen Anspruch hat auch die rot-grüne Bundesregierung niemals erfüllt. Ich behaupte, sie hat ihn auch niemals an sich gestellt.
Meine Damen und Herren, auch die Frage, wie man einerseits den Atomausstieg vollzieht, andererseits Energie bezahlbar hält und gleichzeitig auf den Import von Atomstrom aus dem Ausland ver
zichtet, auch diese Frage wurde bisher nie beantwortet. Die Sicherheitsfragen - Herr Kollege Ramelow hat Tschernobyl angesprochen, so weit brauchen wir gar nicht gehen; das auch nicht als Hort der Sicherheit bekannte Kraftwerk in Frankreich in Cattenom liegt etwa 15 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt; Temelin, ein Druckwasserreaktor, baugleich prinzipiell mit Tschernobyl, liegt etwa knapp 60 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt; über die Entfernungen von Erfurt will ich gar nicht reden, das sind im Fall von Temelin keine 300 Kilometer; viel näher liegt auch kaum ein deutsches Kraftwerk -,
diese Fragen, Atomstrom aus dem Ausland nicht zu importieren, wie man das alles unter einen Hut bekommen will, hat bisher auch niemand wirklich beantwortet.
Dass es nun Streit um dieses Energiekonzept geben wird, das war klar. Das ist ja in der Tat eine wichtige und natürlich auch emotionale Frage. Dass die Landesregierung heute eine Pressekonferenz gemeinsam mit den beiden linken Oppositionsfraktionen aus diesem Haus veranstaltet hat, hat mich dann allerdings schon ein Stück überrascht.