Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

Es hat sich weiterhin zu Wort gemeldet für die FDPFraktion der Abgeordnete Recknagel.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete, zur Ergänzung: Es gab auch einen Asozialenparagraphen im Strafgesetzbuch der DDR. Vielleicht haben Sie das vergessen. Sie haben weit zurückgeschaut, die nähere Vergangenheit, die nicht allzu lange zurückliegende Vergangenheit gibt da auch Aufschluss.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das macht es aber nicht besser.)

(Beifall FDP)

Ich habe mich eigentlich gemeldet, um noch einmal auf Herrn Ramelow einzugehen. Vieles von dem, was Sie gesagt haben, Herr Ramelow, ist ja ganz richtig. Sie haben als Referenz die Abgeordnetenentschädigung in dem Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen genannt. Dort gibt es diese ganzen Pauschalen usw. nicht mehr. Man hat die Abgeordnetendiäten deutlich erhöht, verdoppelt und hat anschließend ein Abgeordnetenaltersvorsorgewerk eingerichtet. Ihr Schluss daraus, dass dieses Spezialaltersvorsorgewerk nicht geeignet sei, das teile ich durchaus. Aber der Schluss, dann als einzigen Ausweg die sogenannte Bürgerversicherung zu nehmen, das kann ich überhaupt nicht teilen. Ich denke, es gibt dazu noch Alternativen; die lautet, das ist meine Überzeugung, Versicherungspflicht

(Abg. König)

statt Pflichtversicherung. Ich möchte gern selber entscheiden, wie ich meine Altersvorsorge organisiere, wie ich sie anlege, mit welchen Erträgen und mit welchen Risiken ich dabei leben muss. Sie haben noch einen zweiten Punkt genannt, nämlich die steuerliche Behandlung dieser Diäten, der Bezüge, die man als Abgeordneter so bekommt. Da sind wir uns möglicherweise einig, dass wir die steuerfreie Aufwandspauschale abschaffen sollen. Das bedeutet eine ganz erhebliche Privilegierung der Herrschaften hier im Hause, der Abgeordneten, denn sie müssen nicht mehr einzeln nachweisen, welche Ausgaben sie gehabt haben für ihre politische Arbeit, für ihr Wahlkreisbüro usw. Diese steuerfreie Aufwandspauschale sollten wir entweder allen Steuerpflichtigen zugestehen, und zwar auch in einer entsprechenden Höhe, oder wir sollten sie abschaffen. Ich glaube, da hilft der Blick in die private Wirtschaft. Jeder Würstchenbudenbesitzer muss Belege sammeln für alle Aufwendungen die er gehabt hat, für jedes Blatt Papier, was er in den Drucker steckt, für jede Tankquittung, Bahnbelege, er muss das aufwändig abrechnen und Nachweise führen. Wir sollten Abgeordnete ganz genauso gleichbehandeln. Wir sollten selber Belege sammeln, ich könnte mir vorstellen, dann kämen wir auf etwas vernünftigere Steuergesetze in den Deutschen Parlamenten und wir wären ein bisschen mittelstandsfreundlicher.

Ein drittes Beispiel die Wahlkreismitarbeiter. Wahlkreismitarbeiter sind ganz sicher für die politische Arbeit hilfreich und notwendig. Als ich hier im Parlament angefangen habe, habe ich erfahren, wie das so läuft, wie das funktioniert, man hat ein Budget für Wahlkreismitarbeiter. Die kann man einstellen, dann habe ich mir, als Unternehmer weiß ich das, schon Sorgen gemacht, wie rechne ich die dann ab. Das ist ja noch einmal ein erheblicher Aufwand. Da muss man sich mit sehr vielen formalen und theoretischen sozialversicherungsrechtlichen, steuerrechtlichen Dingen beschäftigen. Was ist, wenn da mal ein Sonderfall eintritt, wenn jemand schwanger wird oder was auch immer. Und das Aufatmen war dann nur kurz. Das Aufatmen kam bei mir dann, als ich festgestellt habe, man kann sich das einfach machen, man kann den Wahlkreismitarbeiter über die Landtagsverwaltung abrechnen lassen - schöne Sache. Auch hier, das ist ein Privileg, welches wir uns genehmigen. Wieder der Würstchenbudenbesitzer, oder nehmen Sie irgendeinen anderen privaten Unternehmer in Thüringen, der muss den Aufwand selber tragen. Der muss sich die Expertise für Abrechnungen von Personal beschaffen.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Wir sind doch keine Würstchenbude.)

Fragen Sie mal die Leute, was das für ein Aufwand ist mit ständig sich ändernden Steuergesetzen, mit ständig sich ändernden und verkomplizierenden

Sozialversicherungsgesetzen ist das gar nicht so einfach. Auch hier gilt, wenn wir uns selber das zumuten würden, was wir jedem anderen Steuerbürger in Deutschland und in Thüringen zumuten, dann kämen in den deutschen Parlamenten möglicherweise ein paar sehr viel sachgerechtere, möglicherweise sogar einfachere Regelungen heraus. Das würde ich mir wirklich wünschen und dann wären wir dicht beieinander. Danke schön.

Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Bergemann zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe ja, da ich als erster Redner dran war, wirklich versucht, das in aller Ruhe und vernünftig rüberzubringen.

(Beifall CDU)

Eines möchte ich nicht, dass wir hier mit einer Neiddebatte anfangen. Kollege Recknagel, wir sind doch keine Würstchenbude hier. Das ist kein Vergleich, der angemessen ist.

(Beifall CDU, SPD)

Das ist vielleicht in Ihrem Unternehmen so, aber hier im Landtag nicht.

Frau Kollegin König, es sitzen Gäste hier. Ich fand das an der Stelle nicht so ausgewogen, man muss schon mal hinschauen, auch die Arbeitgeber zahlen Sozialversicherungsbeiträge, zahlen Rentenbeiträge für die Arbeitnehmer, die sie beschäftigen. Es kam so rüber, als wären wir jetzt privilegiert. Ja, ich bin in der gesetzlichen Krankenversicherung, nach wie vor freiwillig krankenversichert, aus Solidarität, nur das mal zur Klarstellung.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nicht dass dann manche meinen, jetzt kriegen die hier auch noch ein Stück Geld ab und die anderen sind diejenigen, die alles allein tragen müssen. Das funktioniert nicht. Bitte ehrlich bleiben, auch bei den Hotelkosten. Wenn man so Summen nennt, bitte genau informieren, wie sie tatsächlich sind. Darum bitte ich einfach.

Lieber Bodo Ramelow, ich bin länger in der Gewerkschaft als du, wenn ich das richtig weiß 45 Jahre.

(Beifall DIE LINKE)

Auch in der CDU, die CDU ist eine Volkspartei, gibt es wie in anderen Parteien auch, Menschen, die mehr in die Wirtschaft gehen und Menschen, die vertreten die Interessen von Arbeitnehmern. Die gibt es auch in meiner Fraktion als Volkspartei. Wir

(Abg. Recknagel)

haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass wir gleichen und guten Lohn für anständige Arbeit wollen. Das ist auch bei uns überhaupt keine Frage und steht auch nicht zur Disposition.

(Beifall CDU)

Meinen prozentualen Beitrag, den ich genannt habe, der basiert auf einem Stück Erweiterung des Erfassungsbereiches nach dem Statistikgesetz. Der ist erweitert worden in den letzten Jahren. Da muss man hinschauen. Da traue ich dem Statistischen Landesamt Thüringen zu, dass das ordentlich gemacht wird und anständig und ehrlich ist, weil auf die realen Einkommen Bezug genommen wird. Das sind alles Dinge, die man auch an der Stelle vernünftig rüberbringen will. Ich will nicht über Tarifpolitik reden. Wir kennen das, im Rahmen der Koalitionsfreiheit und Dumpinglöhne. Ich würde mich auch freuen, wenn die wegkommen, aber das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sagt am Ende auch nur, dass der Gesetzgeber es tun kann, wenn 50 Prozent organisiert sind, das ist die Rechtslage. Deshalb gilt das auch für meine Fraktion, für die CDU als Volkspartei insgesamt, anständiger Lohn für anständige Arbeit, das ist auch unser Prinzip. Danke schön.

(Beifall CDU, SPD)

Da gehören die Abgeordneten natürlich dazu - völlig klar.

Für die Fraktion DIE LINKE hat sich der Abgeordnete Ramelow zu Wort gemeldet.

Lieber Gustav Bergemann, ich nehme positiv zur Kenntnis, wie lange du schon in der Gewerkschaft bist. Da zählt ja dann auch der FDGB dazu und das nehme ich gern zur Kenntnis. Mein Lebensalter hat es nicht ermöglicht, eine so lange Mitgliedschaft jetzt schon aufzuweisen. Ich bedanke mich ausdrücklich für die sachliche Ausführung. Das wäre die Debatte, wie ich sie mir wünschen würde, dass man die Argumente noch einmal wichtet, noch einmal hinterfragt, anschaut und prüft. Deswegen werbe ich noch einmal für die Ausschussüberweisung an den Justizausschuss. Die Schärfe hat der Kollege Pidde hereingebracht, der sich nicht mehr erinnern konnte, welche Reden früher von der SPD gehalten wurden, gerade wenn es dann um das populistische Aussetzen ging, dann hat man sich schnell angeschlossen. Aber so ist das, wenn man auf einmal regierungstragend ist, dann möchte man nicht daran erinnert werden, was man vorher schon geredet hat.

(Beifall DIE LINKE)

(Unruhe SPD)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Wir haben uns niemals dem … abgeschlossen.)

(Unruhe SPD)

Nein, niemals, die Sozialdemokratische Partei in diesem Hohen Haus hat sich niemals dem Populismus angeschlossen, das hoffe ich auch. Wir wollen mit Euch keine Einheitspartei sein. Darauf lege ich schon Wert, dass es da erhebliche Unterschiede zwischen uns und Ihnen gibt, Herr Höhn. Das soll auch so bleiben, weil es bestimmte Themen gibt, bei denen ich sage, den Kniefall vor manch einer Fehlentwicklung wie jetzt das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, wie eben die Aufstockergesetzgebung, wie eben die Lebenswelt der Hartz-IV-Aufstocker, von denen ich gesprochen habe, hat eine Regierung Schröder in Gang gesetzt. Also die Büchse der Pandora hat die SPD von der Lebenswelt, über die ich geredet habe, schon geöffnet.

(Beifall DIE LINKE)

Nun zur sachlichen Bewertung noch einmal: Dass das NRW-Rentenwerk zurzeit mehr Geld kostet also einen erheblichen Aufwuchs an Geld ausgelöst hat -, hat eine ganz einfache Logik. Man muss jetzt im laufenden Monat das Geld einzahlen. Im Moment reden wir nicht darüber, was für uns eigentlich zurückgestellt werden müsste. Wenn wir die Rechnung ernsthaft machen würden, müssten wir eigentlich zu den Kosten des Parlaments die persönlichen Rentenanwartschaften dazubuchen, das wäre haushaltsrechtlich ehrlich, das wäre konsequent und es wäre nachprüfbar. Dann würden wir nämlich nicht wieder diese Äpfel mit Birnen vergleichen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich habe nur gesagt, den Weg in das Rentenwerk halte ich für falsch. Ich teile auch, Herr Kollege Recknagel, Ihren Vorschlag der persönlichen Versicherung nicht, weil ich die deutsche Versicherungswirtschaft nicht stärken möchte, sondern ich möchte ein soziales Sicherungssystem, das für alle Menschen auf der gesellschaftlichen Balance aufbaut und nicht auf der deutschen Privatwirtschaft, die dann ihre eigenen Hedgefonds bedient oder sonstige Dinge damit macht.

Ich will es noch einmal klar sagen, Gustav Bergemann, die Hartz-IV-Aufstocker fehlen mir in dem Index und die Lebenswelt dieser Hartz-IV-Aufstocker. Hartz IV ist drin, also der Regelsatz ist drin. Die Lebenswelt derjenigen, die unter Billiglohn arbeiten müssen - und da wäre ich ja wieder bei Herrn Pidde -, wenn wir wirklich die Lebenswelt ändern würden, dass die Menschen bei KiK nicht mehr so erbärmlich bezahlt werden würden, dann wäre ich ja bei Ihnen. Aber zu sagen, wir müssen deswegen anders, nämlich bessergestellt sein und das sei vorbildlich für die Menschen bei KiK und die können sich dann ja an uns orientieren, dann beantworten Sie mir bitte, wie wir die Indexierung jetzt für die

(Abg. Bergemann)

Entlohnung von Niedriglöhnern hinkriegen. Das wäre dann ein flächendeckender einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn. Dann lassen Sie mit uns entsprechende Initiativen im Bundesrat ergreifen, damit wir die Lebenswelt dieser Menschen ändern, von denen ich hier geredet habe. Aber zu sagen, wir müssten vorbildlich sein, indem wir nur die Gruppe der Menschen, die hier sitzen, regeln, und dann sagen, was draußen vor ist, interessiert uns nicht, aber zu sagen, wenn wir vorbildlich geregelt sind, dann wird es besser, das halte ich einfach für Quatsch.

Herr Kollege Bergner, ich habe gegrübelt, ob ich wirklich das Wort asozial zu dieser Debatte benutzt hatte. Ich komme gern noch einmal zu Ihnen und lasse mir den Artikel zeigen. Ich will von diesem Pult - deswegen bin ich vorgegangen - sagen, dieses Wort wäre in diesem Zusammenhang völlig falsch. Ja, es ist völlig falsch. Sie haben es angesprochen, ich kann mich nicht erinnern, dass ich das Wort gesagt habe. Ich wüsste auch gar nicht, wie ich auf die Idee gekommen wäre, weil es nicht um eine asoziale Debatte geht, sondern es geht um eine Form von Indexierung, die eine Privilegierung nach außen symbolisiert, bei denen möglicherweise die Menschen - ich weiß nicht, ob der Zusammenhang so gestellt worden ist - denken, das ist doch ziemlich asozial, wenn ich als Hartz-IV-Aufstocker arbeiten muss. Ich weiß es nicht. Ich würde jedenfalls es ablehnen und würde es deswegen mit Bedauern jetzt auch hier öffentlich zurücknehmen, wenn die Diätendebatte als asozial von mir bezeichnet worden wäre. Ich kann mich nicht daran erinnern. Ich mache aber noch ein anderes Beispiel: Sie haben von der Hammer-und-Sichel-Republik geredet. Da haben Sie offenkundig mein Tagebuch gelesen. Ich war auf Helgoland im Wahlkampf jetzt unterwegs und unterstütze, das dortige …

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Ich habe es im „Focus“ gelesen.)

(Beifall DIE LINKE)

Ich verstehe überhaupt nicht, wie der „Focus“ …, dann hat der auch mein Tagebuch gelesen. Ich stehe dazu und werbe auch hier im Hohen Haus dafür, ich gebe Ihnen gern die Bögen aus. Auf Helgoland gibt es ein Auswilderungsprojekt für die Hummer und ich werbe für Hummerpatenschaften. Ich bin da auch ganz engagiert und sage, mein Hummer, für den ich jetzt die Patenschaft übernommen habe, hat auch den Namen Sarah, ich stehe dazu und finde, wir brauchen tatsächlich rund um Helgoland vielmehr Hummer.

(Beifall DIE LINKE)

Das hat aber mit der Diätendebatte relativ wenig zu tun. Was ich aber seltsam negativ, befremdlich finde, wenn die FDP sich hier hinstellt und das Haus von Herrn Lafontaine, dem ehemaligen Ministerprä

sidenten vom Saarland, dem ehemaligen Bundesminister anspricht und sagt, das sei ein Beleg dafür, dass wir doch dazu schweigen sollten, dann halte ich das einfach mal für cruden Unsinn, solange der FDP-Bundesvorsitzende neben seinen Bezügen horrende Einnahmen generiert aus seinem Vortragswesen. Dann, sage ich mal, sollte man sich lieber an seine eigene Nase fassen und das in der FDP selber debattieren.

(Beifall DIE LINKE)