Protokoll der Sitzung vom 07.10.2010

Wenn also ein Haushalt die in Zahlen gegossene Politik ist, dann stelle ich fest, Frau Ministerpräsidentin, die Zahlen, die vorgelegt wurden, beginnen mit einem Rechtsbruch, wenn er so vollzogen würde. Und ich mahne unser Parlament an, an Rechtsbrüchen sich nicht zu beteiligen. Deswegen beginne ich mit dieser Position, weil sie scheinbar im Gesamtzahlenvolumen nicht so bedeutsam ist, aber in der politischen Grundhaltung etwas aussagt über das Denken und Handeln und Fühlen dieser Landesregierung. Sie haben den Beamtinnen und Be

(Abg. Siegesmund)

amten in diesem Land eine Zusage gegeben, dass ihre Beamtengehälter gekürzt werden um 0,2 Prozent und dafür im Gegenzug ein Pensionsfonds eingesetzt mit einem Pensionsfondsgesetz - der jährlich gefüllt werden muss. Dieses Jahr hätten 8 Mio. eingestellt werden müssen. Sie signalisieren Ihren Beamten, dass Ihnen die Beamten und die Rechtstreue des Pensionsfondsgesetzes null Wert ist.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist eine Missachtung gegenüber den Bediensteten des öffentlichen Dienstes,

(Beifall FDP)

den ich nicht verstehen kann. Deswegen sage ich, im Moment ist es ein Entwurf, im Moment ist es nur der Versuch eines Rechtsbruchs. Ich bitte den Landtag, sich an so etwas nicht zu beteiligen. Die Rechtsgrundlagen des Pensionsfondsgesetzes sind eindeutig und das, was jetzt hier geschieht, scheint mir ein Weg in die Verrohung von Sitten zu sein, weil man denen, die für die Staatsbürger da sein sollen und die eine besondere Aufgabe als Beamte haben, signalisiert, mit euch nehmen wir es nicht so genau.

Eine zweite Position - und da bleibe ich bei der gleichen Grundhaltung: Ich sehe mich ein wenig durch die Herangehensweise der Landesregierung, Frau Ministerpräsidentin, das ist nicht nur die Angelegenheit der Finanzministerin, als Parlamentarier schlicht getäuscht, wenn ich zur Kenntnis nehme, dass heute zum allerersten Mal in 20 Jahren das Finanzausgleichsgesetz - also die Regeln für die Kommunen - nicht vorgelegt worden sind. Das heißt, wir zwingen die Kommunen jetzt vorzulegen, Planung zu machen, wir bringen Kommunen in die Situation jetzt ihre Handlungsfähigkeit nachweisen zu sollen. Gestern, als es um Bildung ging, lieber Christoph Matschie, hat Ihr Staatssekretär gesagt, also dass die Rechtsverordnung aus dem Kita-Gesetz noch nicht da ist, sei ja gar kein Problem, weil, das könnten die Kommunen ja jetzt selber machen.

(Zwischenruf Prof. Dr. Merten, Staatssekre- tär: Nein, das hat er nicht gesagt.)

Das hat er gesagt - ich habe ihm zugehört - weil ja alles im Gesetz stehe. Sie können jetzt nicht schon wieder was anderes erzählen, zu dem was Sie gestern gesagt haben, Sie drehen sich wie eine Pirouette, Herr Staatssekretär. Aber im Kern geht es um die Frage, wie sollen denn die Kommunen planen, wenn das Rahmenkonstrukt, das für die Kommunen da ist, nicht mal dem Haushalt heute beigefügt worden ist, nicht mal zur Debatte eingeführt wurde. Ich will Sie aufmerksam machen, gestern haben wir gemeinsam den Verfassungsgerichtshof vereidigt, wir haben in einer Feierstunde den Verfassungsgerichtshof gewürdigt. Der hat uns zum Kommunalen Finanzausgleich ein paar Regeln ins

Stammbuch geschrieben und daran war der Herr Prof. Huber nicht ganz unschuldig, als er noch auf der anderen Seite der Klagenden stand und die SPD vertreten hat.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Heute sitzt er als Innenminister und muss zur Kenntnis nehmen, dass wir von den Kommunen Dinge abverlangen, für die wir nicht einmal in die Leistungspflicht gehen. Wir haben kein Zahlenwerk und nur um mal auf die Abläufe einzugehen, am 11. November ist angekündigt, das Finanzausgleichsgesetz hier zum ersten Mal zur Lesung zu bringen. So habe ich es als Parlamentarier verstanden. Nach den Abläufen den der werte Prof. Huber beim Verfassungsgericht erzwungen hat und die in dem Urteil auch drinstehen, wenn ich den Abläufen folge, müssten wir am 8. November die Änderungsanträge dazu hier eingebracht haben. Wie ich das als Parlamentarier machen soll und wie dann die Anhörungsfristen der Kommunen noch erfolgen sollen, ist mir ein Rätsel. Das ist für mich die Politik der Luftbuchungen

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

und der Taschenspielertricks. Ähnlich sehe ich das auch, werte Frau Walsmann, mit ihrem Hinweis auf die EU-Gelder, dass die EU-Gelder nicht vom Himmel gefallen sind. Nein, sie sind einfach nur mal dieses Jahr vereinnahmt worden, dieses Jahr mit Schulden finanziert worden und im nächsten Jahr lassen wir sie uns von der EU auszahlen. Das nenne ich Luftbuchungen,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

das nenne ich eine ganz unsolide Haushaltsvorlage. Deswegen sage ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Haushalt, so wie er im Moment in Zahlen gegossen ist, ist einfach nur die Aneinanderreihung von Luftbuchungen, Taschenspielertricks. Ich muss auch sagen, im Kern nach dem Rumgemurkse im Sommer wundert mich das Ergebnis nicht, denn die regierungstragenden Fraktionen haben völlig unterschiedliche Ansichten über das, was hier zu geschehen hat. Das ist doch durch den Koalitionsvertrag nicht geheilt. Man hat das Gefühl, dass wechselseitig in beiden Fraktionen die Arbeit der Opposition schon mit übernommen worden ist, wenn es hier um Haushaltsdebatten geht. Da bin ich mal gespannt, wie das dann hier vorne am Pult stattfinden wird, denn mal ist es der Kollege Mohring, der sagt, es wird nicht genug gespart. Mal ist es der Kollege Höhn, der dann sagt, das geht so alles gar nicht, dann sind es die unterschiedlichen Minister und Ministerien, die sagen, also sparen ja, aber nicht bei uns. Das Ergebnis ist, hier rumpelt gemeinsam, was nicht zusammenge

hört und damit ist eben kein Wunder zu vermelden, dass hier ein politischer Guss oder politischer Wurf festzustellen sei.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Generalsekretär - 7. Oktober, Generalsekretär, Sie erinnern sich - der CDU, Herr Dr. Vogt, sprach, dass die Roten nur rote Zahlen produzieren aber die Schwarzen schwarze Zahlen, in einer Veranstaltung in Gera, als er sich dort zu der Geraer Stadtpolitik geäußert hat.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das ist schon längst erledigt.)

Fand ich einen interessanten Vorgang. Denn wenn ich mir vorstelle, dass wir 16,6 Mrd. € - so schreibt es der Landesrechnungshof - subsumierte Verschuldung haben, dann frage ich mich, welche Roten diese Schulden eigentlich gemacht haben.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das frage ich mich auch.)

Da frage ich mich, welche seltsame Sicht eigentlich da existiert. Da muss es eine sehr krumme Betrachtung geben, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass man nach 20 Jahren Zuständigkeit der CDU im Finanzministerium jetzt die Schuld bei den Roten sucht. Deswegen meine Damen und Herren, habe ich mir die rote Krawatte angezogen, wegen der Kennzeichnungspflicht des heutigen Tages, dass erkennbar ist, Rote würden mit Geld so nicht umgehen.

(Beifall DIE LINKE)

Geld sinnlos in Spaßbäder, in Güterverkehrszentren, in andere Dinge auszugeben,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

die immer nur einem gedient haben, eine Befriedung zu organisieren und bei Wahlkämpfen das schöne Band der Sympathie durchzuschneiden und die Zukunft zu verkünden, die gut gemacht ist, wenn es die CDU gemacht hat. Wenn über Thüringen die Sonne lacht, das hat die CDU gemacht, so kommt mir das vor.

(Beifall CDU)

Deswegen meine Damen und Herren, will ich auf die konkrete Politik der CDU hinweisen. 20 Jahre lang hat diese CDU Verantwortung in diesem Land getragen, und da, Kollege Mohring, hoffe ich, sei der Wähler davor, dass nicht noch mal 20 traurige Jahre unter CDU-Führung eintreten. Da sei der Wähler vor.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

20 Jahre lang haben sie ideologisch alles mitgemacht, was an neoliberaler Bundespolitik vollzogen wurde. In den letzten Jahren ist alles …

(Unruhe CDU)

- auch Rot-Grün, keine Frage Kollege Mohring, ich erinnere mich an die neoliberale Politik der rot-grünen Bundesregierung. Das mögen andere hier im Haus vergessen haben, wer Hartz IV erfunden hat usw. usw.

(Unruhe FDP)

Das ist alles klar. Aber als es um die Steuersenkungspolitik ging, muss ich sagen, würden wir heute die Steuern erheben, die unter einem Kanzler Kohl gegolten haben, würden wir diese Steuern immer noch als gesamtes Steuervolumen in Deutschland haben, hätte der Landeshaushalt aktuell 1 Mrd. € Mehreinnahmen und die Kommunen 400 Mio. € Mehreinnahmen. Das heißt, 1,4 Mrd. € sind von der CDU toleriert worden, dass sie über Bundespolitik aus den öffentlichen Haushalten Thüringens herausgenommen worden sind. Deswegen tragen Sie auch die Verantwortung für die systematische Verarmung eines Bundeslandes und die viel größere Verarmung der Kommunen, die im Moment gar nicht wissen - viele von ihnen wissen jedenfalls nicht -, wie sie ihre Haushalte aufstellen sollen. Und wenn ich das Beispiel der Stadt Suhl oder Eisenach nehme, sage ich, wer hat es gemacht - CDU. Dass diese einzeln stehenden Situationen so ausgelöst worden sind und dass dort kein Entschuldungspfad im Rahmen einer veränderten Landespolitik auf den Weg gebracht worden ist - Entschuldigung - ist Ihr Verdienst - 20 Jahre CDU. Wer hat 220 Abwasserzweckverbände auf den Weg gebracht und das auch noch als Freiheit der Bürger verkauft? Wer hat es erfunden - CDU.

(Beifall DIE LINKE)

Und darüber jetzt heute stolz zu sein, wäre doch völlig verkehrt. Jetzt kommt die entscheidende Frage - und da bin ich bei Frau Ministerpräsidentin Lieberknecht. Sie haben in den letzten Tagen einen spannenden Satz ausgesprochen: „Thüringen muss zum zweiten Mal gegründet werden.“ So habe ich die Überschriften der Zeitungen zu Ihren Reden und Ansprachen zum 3. Oktober wahrgenommen. Mag sein, dass die Überschrift von der Zeitung dazu kam, aber der Gedanke dahinter, den finde ich faszinierend. Was heißt es, eine nüchterne Bilanz nach 20 Jahren Entwicklung zu ziehen und eine Projektion auf 2020 vorzunehmen, wie es Frau Walsmann ja getan hat. Was bedeutet das, wenn wir gleichzeitig zur Kenntnis nehmen, dass wir zurzeit eine Eigenfinanzierungsquote von 55 Prozent aus eigenen Geldmitteln, die wir generieren können, haben, und dann eingeordnet, woher soll denn Geld kommen, das wir in den Umbau des Landes investieren. Da bin ich nicht bei Frau Kollegin Siegesmund. Schulden an sich sind für mich nicht das Thema im Sinne alles sind Schulden, sondern für mich ist die Unterscheidung, ob Geld, das ausgegeben wird, anschließend zum Geld verdienen einge

setzt wird oder ob es nur zum Verbrauch eingesetzt wird. Da, wo Infrastruktur völlig verkehrt aufgebaut wurde, ist das Geld verbrannt. Da, wo das Geld in Zukunft investiert wird, wird es in Zukunft auch Einnahmen generieren. Deswegen würde ich mir wünschen, dass wir auch über die Einnahmenseite des Haushalts reden müssen.

(Beifall DIE LINKE)

Und da sind wir weit über das hinaus, was ich aus dieser Landesregierung erkennen kann.

Ich will zwei verschiedene Einnahmeblöcke beschreiben: Ein Einnahmeblock ist die Bundessteuer und das Bundessteuerrecht. Da erinnere ich mich an die Föderalismuskommission, in der ich vom ersten bis zum letzten Tag Mitglied war. Ich kann mich an keine Initiative der Landesregierung Thüringens erinnern in der Föderalismuskommission, die Steuereinnahmenseite zu verbessern oder sich gar daran zu beteiligen, dass Steuern wieder deutlicher erhoben werden müssten, damit das, was wir als Gerechtigkeitslücke in Deutschland empfinden, endlich wieder durch gerechtere Steuern kompensiert wird, damit öffentliche Haushalte auch wieder dazu zahlungsfähig sind, wozu sie da sind, nämlich für Daseinsvorsorge und Daseinsfürsorge.

Auf der Einnahmenseite kann ich nichts erkennen. Interessant ist allerdings - und da spreche ich den Kollegen Höhn an -, dass auf SPD-Parteitagen jetzt gerade beschlossen wurde, den Spitzensteuersatz anzuheben und bei der Steuereinnahmenseite stärker in die Offensive zu gehen. Seitdem ihr in der Opposition seid, seid ihr jetzt sozusagen wieder radikal an unserer Seite. Ich vermisse nur die Handlungen dazu, was wird die Landesregierung unternehmen, um im Bundesrat und im Bundestag entsprechende Anträge miteinander zu verzahnen. Denn erst wenn es eine entsprechende Mehrheit für Steuereinnahmen im Bundesrat und im Bundestag gibt, werden wir bei der Einnahmenseite eine Stabilisierung und Stärkung haben.

(Beifall DIE LINKE)

Eine zweite Linie will ich daran auch noch ansprechen, das ist die Frage Gewerbesteuer, das ist aber auch die Frage Grunderwerbssteuer. Da sind diese Kleinigkeiten, die hören sich nicht so bedeutend an. Aber auf der einen Seite soll in den neuen Vorgaben FAG den Kommunen gesagt werden, ihr werdet keinen Ausgleich mehr bekommen, wenn Ihr eure eigene Einnahmebreite nicht vergrößert. Bitte, Herr Huber, der gleiche Maßstab muss auch für die Landesregierung gelten. Also wenn Sie möchten, dass die Kommunen ihre kommunalen Hebesätze erhöhen, dann sollten wir es im Gleichklang auch den Kommunen sagen und sollten selber alles tun, dass zum Beispiel bei der Einnahmenseite der Grunderwerbssteuer die Landesregierung selbst

mit gutem Beispiel vorangeht. Das wäre dann eine Verbesserung tatsächlich der Einnahmenseite.

(Beifall DIE LINKE)

Eine zweite Betrachtung ist einnahmenseitig ein Thema, das ich hier überhaupt noch nicht gehört habe. Das ist die Frage, da glaube ich, dass die einzige Unterscheidung an der Stelle nur mit der FDP besteht, weil die glaubt, dass sei ihr Klientel, wo um Gottes Willen öffentliche Tätigkeit nicht vollzogen werden darf. Aber das ist die Einnahmeseite über Stadtwerke, über Gemeindewerke, über Dorfwerke oder eben auch über Landeswerke. Also warum haben wir nicht eine Landesenergiegesellschaft, die auf landeseigenen Dächern nicht Fremde das Geld verdienen lässt, sondern das Geld für das Land und den Landesetat verdienen lässt.

(Beifall DIE LINKE)

Dasselbe gilt eben auch für den Forst; der Kollege Reinholz ist leider nicht anwesend. Aber einfach nur den Regiebetrieb jetzt in eine öffentliche Anstalt umzusetzen, umzuwenden, aber gleichzeitig keine Grundlagen dafür zu schaffen, welche Effizienzziele damit verbunden sind und welche Einnahmen können zukünftig für den Landeshaushalt generiert werden und wie kriegen wir beide Ziele - Landesentwicklung, also Waldentwicklung, Ökologie und Ökonomie - zusammen und kriegen trotzdem noch Geld in den Haushalt, weil man mit dem Thüringer Wald auch Geld verdienen kann. Man kann ihn nicht nur schützen, was ich richtig und wichtig finde, sondern man kann ihn auch als einen Teil der Einnahmenseite mitbuchen, dann muss man nur die Herangehensweise auch darauf ausrichten.

(Zwischenruf Richwien, Staatssekretär: Das machen wir schon.)

(Beifall DIE LINKE)