Protokoll der Sitzung vom 07.10.2010

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das ist doch ein schönes Bild, Herr Höhn. Oder?

(Unruhe SPD)

Jede und jeder weiß es, der Rechnungshof hat es uns gestern noch einmal dick in das Stammbuch geschrieben und es grenzt schon an Arbeitsverweigerung,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

die nächsten drei oder vier Jahre durchziehen zu wollen und so zu tun, als ginge uns das nichts an. Ich glaube, das können wir uns nicht leisten. Frau Lehmann, da schaue ich Sie mal an, Sie waren in Brandenburg und haben sich dort umgeschaut und gesagt

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Mecklen- burg-Vorpommern.)

- Entschuldigung, Mecklenburg-Vorpommern, danke, Herr Mohring, da bin ich ja froh, dass ich das jetzt noch einmal richtigstellen konnte -, diese 40 bis 60 Mio. €, die da eingespart wurden, so viel ist das doch gar nicht. Ich finde schon

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

40 bis 60 Mio. € -, Frau Walsmann könnte sich ihre Globale Minderausgabe sparen. Zu den überfälligen Strukturreformen gehört auch eine Verwaltungsstrukturreform und es genügt eben nicht, dass Sie sagen, bis 2020 scheiden mehr als 17.000 Landesbedienstete altersbedingt aus, zumal manche Ministerien richtig in Verzug sind, wenn ich da mal zu Herrn Minister Huber schaue. Der schaut auch gerade her und fühlte sich an der Stelle alarmiert. Um effiziente Strukturen zu schaffen, braucht es zwingend ein Personalentwicklungskonzept. Sorgen Sie jetzt dafür, dass es das gibt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Uns ist klar, dass Sie mit diesen Strukturreformen in diesem Haushalt nichts sparen können. Aber wenn Sie es jetzt nicht anpacken, dann haben wir 2013 ein sehr großes Problem und spätestens nach der nächsten Wahl werden wir auch darüber entscheiden müssen, welche Ministerien wir zusammenlegen. Also stellen Sie sich nicht vor, dass der Weg bequemer wird. Wenn ich mir anschaue, welche Wahlen vor uns liegen in 2012, 2013 und 2014, dann bin ich noch einmal um so mehr enttäuscht, dass wir heute nicht über eine Kreis- und Gebietsreform reden werden, weil ich weiß, dass Sie den Mut gerade deswegen in den nächsten drei Jahren umso weniger aufbringen werden. Das bedauere ich.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Auch hier schlage ich vor, fahren Sie nicht nur nach Mecklenburg-Vorpommern, fahren Sie auch nach Sachsen, Sachsen-Anhalt. Es ist an der Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen. Der Innenausschuss kann doch wunderbar damit betraut werden, eine Reform, eine Funktionalreform vorzubereiten. Da braucht man sich doch nur mit den anderen beiden zusammentun. Herr Mohring macht doch so gern Kooperationsgespräche mit den anderen Fraktionsvorsitzenden. Dann thematisieren Sie das doch einfach einmal.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kurzfristige Projekte: Der Länderfinanzausgleich Frau Walsmann hat das an dieser oder jener Stelle bereits öffentlich gesagt - spiegelt eines unserer größten Probleme in Thüringen wider; 50 Mio. € weniger jedes Jahr, weil es immer weniger Thüringerinnen und Thüringer gibt - 50 Mio. €. Dass wir mal eines klarstellen hier: Wir verarmen nicht nur finanziell, wir verarmen auch leise an Personal, an

gutem Personal. Das sind gut ausgebildete Frauen und Männer und der Braindrain kostet uns richtig Geld. Der ist zu teuer, den können wir uns nicht leisten. Wir müssen wieder Zuzugsland werden. Ein gutes Kita-Gesetz ist da sicher der Anfang,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

aber die Kinder und den Beruf besser verbinden zu können, ist ein Pfund. Es muss der Minister, den das betrifft, nur noch damit wuchern und sich darum kümmern, dass man auch öffentlich darüber redet und er muss sich auch darum kümmern, dass man gleichzeitig, wenn man gute Strukturen schafft, sich von ideologischen Dingen, die längst nicht mehr in die Zeit passen, trennt. Da spreche ich als Erstes das Landeserziehungsgeld an. Es ist höchste Zeit, diese überkommene Struktur des Landeserziehungsgeldes abzuschaffen. Damit leisten Sie einen ernsten Beitrag bei Infrastrukturförderungen. Den haben Sie geleistet durch das Kita-Gesetz, dann sagen Sie an einer anderen Stelle auch, das Geld für das Landeserziehungsgeld können wir sparen; es ist höchste Zeit. Um Thüringen attraktiver zu machen - Frau Walsmann sprach von einem attraktiven Bildungsland -, gehört auch dazu, dass Sie die freien Schulen in Ihrem Etat genau da lassen, wo sie waren und nicht kürzen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gehen Sie lieber eine Strukturreform - ich würde Herrn Matschie gern selbst ansprechen, er ist aber nicht da - bei den Schulämtern an und rufen Sie nicht nur nach mehr Erwachsenenbildung, sondern finanzieren Sie sie auch vernünftig aus.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

14 Prozent weniger schon wieder in diesem Bereich, das ist nicht tragbar.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, konzentrieren Sie doch alle Ausgaben auf nachhaltige Programme, die auf Dauer Lebenshaltungskosten auf die Bürger dämpfen und unsere eigene Wirtschaftskraft stärken. Am wichtigsten sind dabei Mobilität, Energieversorgung und die Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten. Vielleicht haben wir noch zwei, drei Jahre mit niedrigen Zinsen, die sollten wir nutzen. Aber kofinanzieren Sie nur noch Programme des Bundes und der EU, die einen geeigneten finanziellen Hebel haben und legen Sie lieber eigene Landesprogramme auf, um dauerhaft Lebenshaltungskosten zu senken.

Jetzt würde ich gern Herrn Machnig ansprechen, regionale Wertschöpfungsketten steigert er nicht mit Potenzialanalysen von Roland Berger, die 1 Mio. € kosten,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wenn gleichzeitig die Fachhochschulen in Jena, die Universität Ilmenau und Nordhausen sich dazu be

reit erklären, genau das zu tun, diese Analysen zu liefern. Er hätte auf das Know-how von Thüringen zurückgreifen müssen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen - und das ist auch seine Aufgabe - eine Qualitätsoffensive, welche Programme wir überhaupt noch weiterführen wollen und welche nicht. Wir als GRÜNE mit unseren sechs Abgeordneten haben kein Ministerium hinter uns, welches die Dinge mal auf den Plan stellen kann und das nach Qualität prüft. Wir können das versuchen. Ein Ministerium kann das viel schneller, deswegen bin ich der Überzeugung, es ist seine Aufgabe, Programme sinnvoll zu durchleuchten und auch mal Nein zu sagen, selbst wenn es eine geringe Kofinanzierung von Thüringen ist, wenn das Programm nicht sinnvoll ist. Kluge und kreative Köpfe gibt es hier en masse, Sie müssen sie sich nur erschließen wollen - das geht auch an Herrn Machnig -, das zeigen die einzelnen Initiativen an den Universitäten wunderbar. Was auch nicht reicht, ist, wenn man sagt, man setzt auf große Investitionsprojekte oder auf neue Gewerbegebiete. Das ist immer noch das falsche Signal. Es geht - und so klar müssen wir uns auch hier unterhalten - vor allen Dingen um den Erhalt dessen, was wir haben. Das fängt bei unserer Kulturlandschaft an und hört bei optischen Industrien und vielen anderen Dingen auf. Es geht nicht um neue Gewerbegebiete, um neue Straßen. Es geht darum, das, was wir haben, zu erhalten, und zwar gut zu erhalten. Lenken Sie das Geld stattdessen doch lieber - das geht auch an Herrn Machnig - in energetische Gebäudesanierung, in Zukunftstechnologien oder in Ausbildung von Fachkräften, die hier im Land bleiben wollen, um, denn Investitionen in Bildung sind Investitionen in die Zukunft.

Im Bereich Soziales - da muss ich Frau Taubert loben, auch wenn sie gerade nicht da ist - wurde tapfer gespart, wirklich beeindruckend, auch wenn die FDP ein bisschen falsch liegt mit der Tatsache Herr Barth, ich habe ja mit Interesse Ihre Pressemitteilung gelesen -, im Sozialministerium würde jeder fünfte Euro gespart. Das ist totaler Quatsch. Man kann ja Geld für Investitionen nur einmal ausgeben und nicht im Jahr darauf das nächste Krankenhaus daneben stellen. Aber gut, es ist tapfer gespart worden bei der Umstrukturierung in der Krankenhausfinanzierung, es ist bei vielen Dingen tapfer gespart worden, da ist nicht mehr viel Luft nach oben.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Aha, das klang aber vorhin in Ihrer Rede noch anders.)

Von daher ist das eine Sache, wo man in der Sozialpolitik nur noch wenig tun kann - außer beim Landeserziehungsgeld, da stimme ich Ihnen zu, Herr Höhn, das hätte ich jetzt glatt vergessen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei Herrn Reinholz ist es so, dass man auch viele Punkte finden würde, wo er auch falsche Prioritäten setzt. Er zieht bei der BIOBETH ab, um gleichzeitig der TLL mehr zu geben. Die TLUG kommt auch schlechter weg. Ich verstehe nicht so richtig, was daran nachhaltig sein soll, wenn man an der Stelle, wo man nachwachsende Rohstoffe in Thüringen über das Land bringen möchte, auch mit einer Qualität, die ihresgleichen sucht, gleichzeitig Mittel abzieht. Das will mir nicht einleuchten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen: Prüfen Sie Ihre Finanzierung auf Nachhaltigkeit. Das Beispiel, was das Ganze - was die Nachhaltigkeit angeht - ad absurdum führt, bringe ich jetzt zum Schluss an dieser Stelle. Wie nachhaltig ist es, da schaue ich insbesondere zu Herrn Mohring, 54 Prozent bei der Landeszentrale für politische Bildung zu kürzen und damit nachhaltig Bildungsstrukturen kaputt zu machen, die wir über Jahre aufgebaut haben? Das müssen Sie mir erklären. Da bin ich nachher sehr gespannt. Nehmen Sie die 210.000 € von Frau Taubert, die gibt Sie Ihnen bestimmt auch noch, wenn Sie klug verhandeln, die sie jetzt wieder in die Stiftung FamilienSinn stecken möchte, die braucht die Stiftung nicht. Geben Sie es deshalb der Landeszentrale, dann ist viel gewonnen.

Meine Damen und Herren, ein Haushalt besteht nicht nur aus Zahlen, er ist das Spiegelbild menschlicher Entscheidungen. Zahlen generieren sich doch nicht von selbst. Wir haben es in der Hand, diese zu formen. Lassen Sie uns das angehen auch mithilfe kreativer Methoden. Dann gehen ökologische Modernisierungen, Konsolidierungen und Bildungsinvestitionen Hand in Hand. Ich habe Ihnen einen Vorschlag zur Verringerung der Nettokreditaufnahme gemacht, der nachdenkenswert ist, und bin sehr gespannt, wie Sie das deuten. Oder schauen Sie in die Kommunen, wo mit den Bürgerhaushalten und damit mit den Menschen wichtige Entscheidungen nicht aufgeschoben, sondern gefällt und getroffen werden. Ich glaube, es geht auch darum, dass Sie den Menschen in Thüringen zutrauen, dass Ihnen bewusst ist, wie leer unsere Kassen tatsächlich sind. Das tun Sie aber nicht, wenn Sie das Wort „Nachhaltigkeit“ benutzen, sondern Sie müssen das auch genau in der Deutlichkeit tun, die diese auch gebietet. Das ist der Weg! Ich fordere auf zu Mut zur Veränderung angesichts knapper Kassen und ich fordere auf zu einer ehrlichen Debatte über Standards, was wir uns leisten können und wollen. Machen Sie die Hütte sturmfest! Der erste Schritte wäre, Frau Ministerin Walsmann, dass die Haushaltsstrukturkommission, die Lage ist ernst genug, umgewandelt wird in eine Enquetekommission, bei der alle, die das gerne möchten, alle vertretenen Parteien hier in diesem Hohen Haus mitdiskutieren können, denn allein bekommen Sie es nicht hin. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Siegesmund. Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abgeordnete Bodo Ramelow.

Werte Kolleginnen und Kollegen, wer hätte das gedacht, dass ich an einem 7. Oktober einmal vor schwarz-rot-goldenen Krawatten sprechen darf.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Ohne Hammer, Sichel und Ährenkranz, das ist ent- scheidend.)

(Heiterkeit CDU)

Sie sehen, Herr Mohring, als Westdeutscher weiß ich, was der 7. Oktober war oder bedeutet. Heute gibt es keine besondere Auszeichnungsveranstaltung, sondern heute gilt es, nackte, nüchterne Zahlen zu analysieren. Und wenn es richtig ist, dass das Haushaltsrecht das Königsrecht des Parlaments ist, und wenn es richtig ist, dass ein Haushalt der in Zahlen gegossene Regierungsentwurf sein soll, dann stelle ich fest, hier rumpelt zusammen, was nicht zusammengehört und das lässt sich in den Zahlen wiederfinden.

(Beifall DIE LINKE)

Man erkennt in den Zahlen einige Herangehensweisen, bei denen man das ganze Sommertheater noch mal nachvollziehen kann. Es sollte vor der Sommerpause der Haushalt in der Koalition fertig gemacht werden. Kollegin Siegesmund, Sie sagten eben, Große Koalitionen sind teuer. Es handelt sich hier nicht um eine Große Koalition, ich muss es immer wieder sagen, nur Große können Große Koalitionen machen.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Rot-Rote sind genauso teuer.)

Das Schlimme ist, Kollege Barth, dass die Möwenpickpartei für die Menschen in Deutschland am teuersten ist, und zwar bitter teuer.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn also ein Haushalt die in Zahlen gegossene Politik ist, dann stelle ich fest, Frau Ministerpräsidentin, die Zahlen, die vorgelegt wurden, beginnen mit einem Rechtsbruch, wenn er so vollzogen würde. Und ich mahne unser Parlament an, an Rechtsbrüchen sich nicht zu beteiligen. Deswegen beginne ich mit dieser Position, weil sie scheinbar im Gesamtzahlenvolumen nicht so bedeutsam ist, aber in der politischen Grundhaltung etwas aussagt über das Denken und Handeln und Fühlen dieser Landesregierung. Sie haben den Beamtinnen und Be