Protokoll der Sitzung vom 11.11.2010

schreien die Oppositionsparteien und natürlich auch die Kommunen „Undurchsichtigkeit“, „Willkür“ oder Ähnliches. Ich muss auch an die Adresse von Herrn Fiedler und Herrn Bergner sagen: Mangelnde Transparenz - über anderthalb Seiten steht in der Begründung des Gesetzentwurfs, wie sich die Berechnung der Kita-Kosten darstellt. Da ist jede einzelne Position aufgelistet, so deutlich, dass sie auch Herr Bergner nachvollziehen und vortragen konnte. Das kann aus meiner Sicht nicht bedeuten, dass es intransparent ist, sonst hätte diese Rekapitulation nicht stattfinden können.

(Heiterkeit im Hause)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das hat eine gewisse Logik.)

Dass der politische Druck, es anders verkaufen zu wollen, existiert, sehe ich auch. Aber der Verfassungsgerichtshof hat nun - ob uns das gefällt oder nicht - festgeschrieben, dass etwa die Hälfte der Schlüsselmasse nicht durch besondere Zweckbindungen festgelegt werden darf, weil mit der Festlegung besonderer Zweckbindungen ein goldener Zügel verbunden ist und damit die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, die Selbstgestaltung der Kommunen, infrage gestellt wird. Wenn Sie auf die Zahlen schauen, stellen Sie fest, die Finanzausgleichsmasse beträgt 2,2 Mrd. € und nur 1,0 und ein paar Zerquetschte beträgt die Schlüsselmasse. Iudex non calculat; aber wenn ich es richtig sehe, sind es weniger als 50 Prozent, wo wir uns heute schon befinden. Wir befinden uns an der unteren Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen. Wenn wir da noch weiter runtergehen, damit wir es besser ver

(Minister Prof. Dr. Huber)

kaufen können, habe ich zwar aus politischer Sicht Verständnis dafür, ich glaube aber, dass die damit verbundenen verfassungsrechtlichen Risiken wie die Risiken für den Bestand des FAG nicht kalkulierbar sind.

Letzter Punkt: Herr Adams hat auch kritisiert, dass wir bei den Kommunen Personaleinsparungen verlangen, bei der inneren Verwaltung jedoch nichts tun. Ich will jetzt nicht wieder von Erschießungskommandos reden. Ich möchte aber doch auf einen wesentlichen Unterschied zwischen Kommunen und Land aufmerksam machen. Das Land kann seine Leute, seine Beschäftigten in der Regel nicht an die Rentenversicherung verabschieden, sondern sie bleiben als Versorgungsempfänger, weil sie Beamte sind, dem Land erhalten und führen insofern nicht zu einer erheblichen Reduzierung der Personalkosten. Bei den Kommunen mit ihrem außerordentlich geringen Verbeamtungsanteil ist das anders. Danke.

(Beifall CDU, SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. Gibt es weitere Wortmeldungen? Bitte schön, Herr Abgeordneter Ramelow.

Herr Minister Huber, ich danke für die Lehrstunde. Ich gehöre nicht der kommunalen Familie an, aber ich habe ja einen sachkundigen Abgeordneten in meiner Fraktion, der...

(Zwischenruf aus dem Hause)

Ja, das hat sich nicht bis zu euch herumgesprochen, aber die Bürger verstehen jedenfalls, dass man bei Herrn Kuschel nachfragen kann und auch eine Antwort bekommt.

(Beifall DIE LINKE)

Ich habe mich jetzt aber noch einmal zu Wort gemeldet, weil Sie das Thema Schlüssel angesprochen und sehr genau erläutert haben, wie das System ist. Ich unterstelle, dass dieses System tatsächlich modernisiert worden ist. Ich verweise aber darauf, und deswegen will ich die Gelegenheit schon nehmen, an dem Beispiel der Kita-Kosten, und ich glaube, dass alle Argumente, die Sie gesagt haben, prüfbar und belegbar sind. Und trotzdem glaube ich, dass die Eltern nicht verstehen, was hier geschieht,

(Beifall DIE LINKE)

wenn in den Gemeinden das Geld ausgegeben wird und an anderen Stellen das System zuschlägt. Dann können Sie vortrefflich sagen, das waren aber nicht die Kita-Kosten, das waren diese, jene und andere; es sind zum Schluss die Gemeinderä

te, die die Hand heben und sagen, wir müssen bei den Eltern einen höheren Beitrag erheben. Das Ergebnis ist - und deswegen hat Kollege Hellmann an Christoph Matschie den Appell gestellt, wegen Glaubwürdigkeit bei diesem Thema darauf zu achten -, dass das, was mit dem inhaltlichen Thema Kita verbunden ist, auch so transparent gestaltet ist, dass es bis zum einzelnen Kita-Platz nachvollziehbar ist, welches Geld kommt vom Land und landet dort, wo es hinmuss, damit das Wort, das die Ministerpräsidentin gegeben hat - ich war mit ihr in der Podiumsdiskussion, Christoph Matschie auch, da haben wir über die Kita-Kosten geredet und da war die klare Aussage, die Elternbeiträge dürfen dadurch nicht erhöht werden. Ja, Sie sagen es, das stimmt. Deswegen versuche ich nur, noch einmal einen Problemaufriss zu dokumentieren. Zu sagen, wenn am Schluss aber die Elternbeiträge steigen und sie steigen faktisch an verschiedenen Orten -, dann wird das unerklärbar für uns alle Landtagsabgeordnete, wie wir hier sitzen, und zwar egal, Entschuldigung...

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das ist nicht unerklärbar.)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Aber aus un- terschiedlichen Gründen.)

Herr Mohring, Sie stellen sich doch dann nicht hin, sondern Sie überlassen es Ihren CDU-Kollegen, dazu zu schweigen. Die SPD wird so tun, als wenn sie es nicht gewesen wäre.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Sie haben keine Ahnung.)

Wissen Sie, Herr Mohring, das ist das, was ich an Ihnen so schätze. Ja, dass ich keine Ahnung habe. In Stuttgart ist es Ihre Regierung, die gerade dafür sorgt, „Stuttgart 21“ ist alles wohl begründet, ist alles wunderbar erklärt und jede Woche gehen Zehntausende von Menschen auf die Straße, weil diese Arroganz, die aus Ihren Worten spricht, von den Bürgern nicht mehr begriffen wird.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich habe eben versucht - im Gegensatz zu Ihrer ungehobelten Art, Sie wollen ja nur am Wochenende auf dem Parteitag gewählt werden und wollen mit dem schwarz-rot-gelben Binder eine konservative Station machen - dem Herrn Innenminister …

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Ich kandi- diere ja gar nicht.)

Sie wollen entsandt werden, damit Sie im Bundesvorstand dann glänzen können als konservativer Politiker mit der Jungen Freiheit und ähnlichen Exzessen. Nein, ich bin hier vorgegangen und wollte im Gegensatz zu Ihnen, verehrter Herr Fraktionsvorsitzender - versuchen, ein Problem zu erläutern.

(Minister Prof. Dr. Huber)

(Unruhe im Hause)

Ich habe versucht, mit Ihrem Innenminister - aber Sie sind wahrscheinlich froh, dass Sie ihn los sind; ich bin nicht froh, ihn los zu sein - ein Gespräch zu führen als Parlamentarier; das scheint Sie zu stören. Sie werden in Haftung genommen für all das, was wir am Schluss nicht erklären können, und es wird nicht erklärbar sein, wenn die Elternbeiträge steigen, die Landesregierung erklären wird, die 92 Mio. € sind gegeben worden und sie kommen nicht dort an, wo sie hinmüssen.

(Beifall DIE LINKE)

Deswegen habe ich Ihnen zugerufen, wir müssen für Transparenz sorgen, wir müssen für Entschlüsselung sorgen. Deswegen waren wir ja der Meinung, dass die den Kitas zuordbaren Kosten in den Haushalt von Herrn Matschie eingestellt werden sollten. Sie sollen nicht erhöht werden, sie sollen klar zuordbar im Bereich Bildung nachvollziehbar sein, damit sich niemand im Lande rausreden und sagen kann, nein, das war die Landesregierung, das war der Kommunale Finanzausgleich, das waren irgendwelche Raumschiffe und Fremde und die Eltern erleben, dass die Elternbeiträge steigen. Ich hatte es verstanden, dass die Elternbeiträge nicht steigen und dass das Land im Wort steht und das Geld dort ankommt. Da hilft auch kein Geschrei und Getobe. Wenn wir es nicht transparent und sauber nachvollziehbar machen und abgrenzen von allen anderen Teilen des Kommunalen Finanzausgleichs, werden wir alle in der Haftung sein. Das Problem wollte ich ansprechen. Lieber Herr Huber, vielleicht sehen wir uns dann ja mal vor diesem oder jenem Verfassungsgericht.

(Beifall DIE LINKE)

Danke schön. Gibt es weitere Wortmeldungen? Ich sehe die Wortmeldung des Abgeordneten Mohring. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich will die Wortmeldung des Vorredners noch einmal nutzen, um auch seitens der CDU-Fraktion klarzustellen und die Position des Innenministers zu unterstützen, die er hier, finde ich, sachgerecht und richtig erklärt hat, nämlich die, dass die Erwartungshaltung, die der Vorredner gerade zum Ausdruck gebracht hat, nicht korreliert mit den Prinzipien, die im Grundgesetz, in der Thüringer Verfassung hinsichtlich der kommunalen Selbstverwaltung festgeschrieben sind. Das ist ganz entscheidend, weil natürlich der Anspruch, den Politiker aus Erfurt im Thüringer Landtag meinen beschreiben zu müssen, was mit dem Geld in der kommunalen Finanzausgleichsmasse verwendet wird

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Es geht nur um Kitas.)

dazu gehört auch die Finanzierung der Kindergärten in Thüringen -, nicht übereinstimmt mit den Ansprüchen und den Maßstäben, die der Thüringer Verfassungsgerichtshof festgesetzt hat, nämlich in der Weise, dass die Mehrheit des Geldes, was wir zur Finanzierung von Aufgaben auf kommunaler Ebene finanzieren - dazu gehört auch Kita, aber nicht ausschließlich Kita -, so verschlüsselt werden muss, dass die kommunale Selbstverwaltung auch noch garantiert werden kann und die Kommunen eben nicht am goldenen Zügel des Landes hängen. Das hat eine Vorgeschichte. Weil Thüringer Landtagspolitiker in den letzten zwei Jahrzehnten immer wieder versucht haben, das Geld, was im Kommunalen Finanzausgleich zur Verfügung gestellt wird, vorher vorzudefinieren und mit bestimmten Aufgaben und Zielrichtungen festzulegen, hat das im Laufe der Haushaltsjahre dazu geführt, dass der Großteil der Gelder, die im Kommunalen Finanzausgleich zur Verfügung gestellt werden, vordefiniert wird von Politik aus Erfurt. Deswegen haben Kommunen dagegen geklagt, auch Fraktionen aus diesem Hause. Im Ergebnis der Klage hat das Verfassungsgericht festgestellt, dass der Landtag nicht den Großteil der Gelder vordefinieren kann, auch wenn aus Sicht des Geldgebers Landtag ein Interesse daran besteht, die Lenkungswirkung zu erzielen, damit man quasi Transparenz erzielt und die Leute wissen, für was das Geld durchgegeben wird. Der Hof hat gesagt, die Mehrheit des Geldes muss zur freien Verfügung gegeben werden, aber mindestens in der Höhe, dass die Aufgaben, die übertragen wurden und die im eigenen Wirkungskreis durch den Gesetzgeber definiert werden, angemessen ausgestattet werden können.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Bedarfsgerecht!)

Jetzt passiert aber Folgendes: Da der Kommunale Finanzausgleich genauso wirkt wie der Länderfinanzausgleich in kommunizierenden Röhren, dass natürlich die eigene Steuerkraft angerechnet wird mit dem, was man an Drittmitteln bekommt, führt dazu, dass es Kommunen gibt in Thüringen - da können wir auch froh sein, dass es sie immer mehr gibt -, die eigene Steuerkraft so stark generieren, dass sie keine Schlüsselzuweisungen mehr bekommen. Das führt dazu, wenn Kommunen keine Schlüsselzuweisung bekommen, aber aus eigener Steuerkraft ihre Aufgaben finanzieren können, dass sie dann - der gedankliche Weg, den Sie versucht haben zu beschreiben, das Kita-Geld, das müsst ihr bekommen - das Geld nicht mehr vom Land bekommen, sondern aus eigener Steuerkraft selber erwirtschaftet haben. Das ist so. Und immer dort, wo man versucht, Lenkungswirkung zu erzielen, funktioniert es nicht, sondern ausschließlich nur

(Abg. Ramelow)

noch dieses Geld, das Kita-Geld, über die Landespauschalen, die wir auch im Gesetz festgelegt haben, dort noch ankommt. Nur in der Summe der Landespauschalen aus dem Gesetz zuzüglich der eigenen Steuereinnahmen oder Schlüsselzuweisungen ist die Gesamtfinanzierung für den Teil des Landes gesichert, neben den eigenen Aufwendungen, die die kommunale Ebene immer bringen muss, auch wenn sie es aus eigener Steuerkraft und den Elternbeiträgen finanziert. Erst das zusammen ergibt die Kita-Finanzierung.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Gleich. Dann bleibt noch ein Problem offen und das ergibt sich auch aus der Verschlüsselung der Mittel, nämlich das, dass in dem Verhältnis zwischen Landkreisen und kreisangehörigen Städten und Gemeinden auch eine Aufteilung formuliert wurde, wie die Schlüsselzuweisungen aufgeteilt werden. Und immer dann, wenn wir im Kommunalen Finanzausgleich etwas Neues auf die Schlüsselzuweisung draufpacken, weil sich neue Aufgaben ergeben haben, weil sich die gesetzlichen Grundlagen geändert haben, dann wird das in dem Verhältnis 75 : 25 zwischen kreisangehörigen Städten und Gemeinden und Landkreisen aufgeteilt, unabhängig davon, ob in diesem Verhältnis 75 : 25 auch die Aufgabenerledigung vor Ort erfolgt. Und im Kita-Gesetz ist das in besonderer Weise so, dass die Mehrungen, die jetzt definiert wurden, in diesem Verhältnis verteilt werden und zu Recht die kreisangehörigen Städte und Gemeinden sagen, bei uns kommt nicht alles Geld aus der Erhöhung der Schlüsselmasse für die Kita-Finanzierung an, weil ein Teil in dem Verhältnis 75 : 25 bei den Landkreisen verbleibt. Jetzt gibt es dazu eine Debatte, wie man das auflösen kann. Eigentlich ist auch diese Frage gelöst, denn in unserem Kommunalen Finanzausgleich in Thüringen ist es wie in anderen Bundesländern auch, dass der ungedeckte Finanzbedarf der Landkreise sich über die Kreisumlage finanziert. Wenn die Landkreise nach unserer Rechnung und nach unserer Nachvollziehbarkeit, die wir definiert haben, mehr Geld bekommen für die Aufgabenerledigung Kita, als sie eigentlich brauchen, abzüglich Fachberatung und abzüglich Kostenübernahme der Elternbeiträge für sozial schwache Familien, dann vermindert sich natürlich um diese gleiche Weise der ungedeckte Finanzbedarf im Kommunalen Finanzausgleich. Insoweit sich dieser ungedeckte Finanzbedarf durch Überzahlung vermindert, vermindert sich auch der Kreisumlagesatz. Dann ist es quasi wieder die Entlastung für die kreisangehörigen Städte und Gemeinden,

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das ist aber auch nur theoretisch.)

aber auch nur dann, immer natürlich bemessen nach der eigenen Steuerkraft. Wenn die kreisangehörigen Städte und Gemeinden eine höhere Steuerkraft haben im Verhältnis ihres eigenen Landkreises gerechnet, dann haben sie eine höhere Kraft für die Kreisumlage und sind überproportional herangezogen über die, die natürlich weniger Steuerkraft haben. Deswegen sind die verschiedenen Röhren immer nur in der Gesamtbetrachtung aller kommunalen Finanzausgleichsmaßnahmen zur angemessenen bedarfsgerechten Finanzierung zu sehen, aber nie wird die Einzelmaßnahme nach dem Kommunalen Finanzausgleich so berechnet werden können, dass sie nachgerechnet werden, transparent bis zum letzten Cent, dass es heißt, damit ist die Aufgabe finanziert. Sondern nur in der Gesamtbetrachtung der eigenen Steuerkraft, der eigenen Einnahmen, der Landeszuweisungen und der eigenen Aufwendungen, die man betreibt, immer dann sind erst die Aufgaben in ihrer Gesamtheit finanziert. Das ist kompliziert, aber so funktioniert kommunale Selbstverwaltung. Auflösen könnte man das nur, und das ist auch die Aufgabe, die wir uns vorgenommen haben, mit einer Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs, der komplett einmal neu definiert wird, weil nach den vielen Jahren der Nachplankung die Transparenz nicht mehr ganz gewährleistet ist.

Herr Abgeordneter, Sie sehen, die Frau Jung möchte eine Frage an Sie stellen.

Dieser Aufgabe müssen wir uns stellen. Und die stellte sich nicht durch eine einfache Frage in diesem speziellen Punkt Kita-Finanzierung. Bitte.

Stellen Sie jetzt die Zwischenfrage.

Herr Mohring, Sie geben mir sicherlich recht, dass Kindertagesstätten Bildungseinrichtungen sind. Wir haben in Thüringen einen Bildungsplan von 0 bis 10. Was würden Sie denn den Eltern antworten, wenn Sie Ihnen die Frage stellen, warum die Kindertagesstätten als Bildungseinrichtungen anders strukturell zugeordnet werden als die Grundschulen, als die Grundschulhorte?

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Weil es das Bundesgesetz so vorgibt.)

So ein Quatsch.

(Abg. Mohring)