Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, zunächst vielen Dank für den Bericht. Der Rest des Antrags ist gegenstandslos. Die zitierte Richtlinie mit dem Artikel 127 b sagt lediglich, dass geeignete Sammelsysteme vorgehalten werden müssen. Das ist hier schon dargestellt worden, dem ist so. Nichtsdestotrotz möchte ich mich ganz kurz dem Antrag der LINKEN widmen und ein kleines Licht auf die Firma REMEDICA werfen, die ja nun angeblich das nicht mehr tut. Sie tut es natürlich und wenn wir uns die Entwicklung dieses Entsorgungssystems anschauen, dann wird auch einiges vielleicht klarer. Im Jahr 1991 hat die Reverse Logistik Group - das ist einer der größten Entsorgerbetriebe Europas - eine Ausgründung gemacht, nämlich die VfW REMEDICA. Diese Firma bietet Sonderlösungen an für Arzneimittel z.B. oder für Sondermüll und Ähnliches, aber vor dem Hintergrund, die grüne-Punkt-fähigen Teile der Verpackung oder dieses Mülls zu recyceln. Deswegen hat man sich mit der Pharmaindustrie geeinigt, dass die Pharmaerzeuger, also die sieben der zehn größten Pharmabetriebe, die kostenlose Entsorgung der Altmedikamente bezahlen minus des Betrags, den VfW REMEDICA aus dem Recycling der Plastik-Blister und der Papierverpackungen selber erlösen kann.
Nun ist mit der am 01.01.2009 in Kraft getretenen Fünften Novelle der Verpackungsverordnung die Recyclingsfähigkeit dieser Abfallteile nicht mehr möglich und so bleibt also die REMEDICA auf diesem Teil der Kosten sitzen und hat in Verhandlungen mit dem Apothekerverband versucht, diesen Teil der Entsorgungskosten auf die Apotheken umzulagern. Das ist ein normaler Vorgang in Deutschland. Wenn meine Müllentsorgung teurer wird, muss ich auch mehr bezahlen. Das ist nun mal so.
Der horrende Beitrag, den die VfW REMEDICA nun den Apotheken berechnen möchte, ist im Quartal 50 €, das wird eine Apotheke nicht kaputtmachen. Die Apotheke ist nun frei in ihrer Entscheidung, was sie mit den Medikamenten - die hat ja auch selber abgelaufene Medikamente - macht, ob sie das System der REMEDICA nutzt oder sie, wie schon angedeutet, selber in die Müllverbrennungsanlage bringt. Zugegebenermaßen die allermeisten Apotheken packen ihre abgelaufenen Medikamente in die Tonne, denn dasselbe macht REMEDICA ja auch. Sie sammelt die Medikamente ein und bringt sie in die nächste Müllverbrennungsanlage. Dieses System ist ein gutes System um Geld zu verdienen, aber es ist verzichtbar.
Was ändert sich nun für den Bürger? Gar nichts. Ich habe, als der Antrag das erste Mal eingebracht wurde, angefangen, erst in meinem Wahlkreis und
dann willkürlich ausgewählte Apotheken in ganz Thüringen anzurufen. Also ich habe in allen Landkreisen und kreisfreien Städten Apotheken angerufen, mehr als 60 insgesamt, ich hatte ja lange genug Zeit,
und keine einzige Apotheke hat gesagt, ich nehme Ihre Medikamente nicht kostenfrei zurück. Viele haben mir gesagt, Sie können sie auch einfach in den Müll schmeißen, aber keine einzige Apotheke hat gesagt, ich nehme diese Medikamente nicht. Das heißt, das Problem, was hier geschildert wird, der Bürger wird seine Medikamente vielleicht nicht los, das gibt es nicht. Die Apotheken nehmen die Medikamente zurück.
Das heißt, diese Apotheken sind verantwortungsbewusst und lösen dieses kleine Problem sang- und klanglos, ohne dass der Bürger eigentlich etwas davon merkt. Ich würde mir wünschen, dass mancher Politiker hier im Landtag solche Probleme ähnlich angeht, nämlich ohne großes Tamtam.
Ich möchte noch einmal ganz kurz zur Wirksamkeit des Sammelsystems etwas sagen, weil das ist ja so als wichtiger Punkt beim Entsorgungssystem angesprochen worden, das sollte man ruhig mal beleuchten. 2007 hat REMEDICA eine eigene Studie in Auftrag gegeben anlässlich des 15. Jahrestages des Bestehens, hat also ein unabhängiges Meinungsforschungsinstitut, nämlich das Meinungsforschungsinstitut Bartsch, damit beauftragt, eine Umfrage zu machen. Da zeigte sich, die erste Frage, nämlich ob man weiß, dass man Medikamente kostenlos entsorgen lassen kann - das war damals kostenlos - wurde von 90 Prozent der Leute mit Ja beantwortet, also es war bekannt, man kann seine Medikamente in die Apotheke bringen. Trotzdem hat ein Drittel der Befragten gesagt, wir nutzen dieses System nie. Weitere 26 Prozent der Bevölkerung haben gesagt, wir nutzen dieses System selten oder wir nutzen es manchmal. Das sind fast 60 Prozent, die, obwohl sie überwiegend wussten, dass es dieses System gibt, es nicht genutzt haben. Als Grund dafür wurde Bequemlichkeit angegeben. Das wurde abgefragt. Es wurde Bequemlichkeit angegeben. Ob daran die Kampagne mit dem Flugblatt etwas ändert, das würde ich wünschen, aber ich fürchte, es ist nicht so. Von den Befragten haben 15 Prozent ganz klar gesagt, sie werfen ihre Tabletten in die Toilette, und bei flüssigen Medikamenten wie Tropfen und Tinkturen und Ähnlichem waren es sogar 44 Prozent. Ich betone noch einmal, 90 Prozent wussten, sie werden das Zeug in der Apotheke kostenfrei los. Ich glaube nicht,
Ich möchte aber noch einmal etwas sagen zur flächendeckenden Wirksamkeit des Systems. Es wird ja so getan, als hätte REMEDICA alle Apotheken bedient und nun auf einmal gibt es das nicht mehr und die Apotheken stünden im Leeren. Das ist nicht so. Zum besten Zeitpunkt von REMEDICA haben nur 75 Prozent aller Apotheken an diesem System teilgenommen. Obwohl es kostenlos war, haben nur drei von vier Apotheken sich daran beteiligt und - wir sollten ja immer mal die Thüringer Situation betrachten - im Osten waren es noch wesentlich weniger als im Westen, weil REMEDICA in Köln sitzt und dort wird das fast flächendeckend genutzt, im Osten wird es kaum genutzt. Das heißt, im Osten hat sich noch einmal nichts verändert, als REMEDICA gesagt hat, okay, wir nehmen etwas dafür und die meisten haben sich daran nicht mehr beteiligt. Von anderen medizinischen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Arztpraxen, Zahnarztpraxen, Tierarztpraxen, was alles eingefahren wird, beteiligen sich gerade mal 2.000 Einrichtungen an diesem System. Wir haben allein in Deutschland 150.000 Arztpraxen. Das heißt, die Wirksamkeit dieses Systems liegt irgendwo im Promille-Bereich. Der Hausmüll, der letztlich in die Müllverbrennungsanlage führt, erreicht aber alle. Das heißt, das wirksamere System ist das, worauf die Ministerin jetzt verwiesen hat, deswegen, denke ich, ist das Problem einigermaßen geklärt.
Ich möchte noch einmal betonen, ein Viertel der Apotheken hat sich nicht an dem System beteiligt, hat trotzdem die Medikamente zurückgenommen, denn sonst ist es überhaupt nicht zu erklären, dass kein Bürger daran Anstoß genommen hat, dass kein Politiker daran Anstoß genommen hat, die haben das Thema überhaupt nicht diskutiert, während jede vierte Apotheke das überhaupt nicht gemacht hat. Ich glaube, es ist relativ naiv, zu glauben, wenn ich dieses kostenlose System einfach wiederherstelle, wie es war, dann wird alles schön und die Belastung unserer Gewässer ist gegen Null. Das ist nicht so. Als die EU-Verordnung erlassen wurde, standen größere Untersuchungen zu der Herkunft der Medikamentenbelastung unserer Gewässer noch aus. Wir wussten seit den 80ern, dass die Antibabypille zu einer vermehrten Östrogenbelastung der Gewässer führt, dass im Auslastbereich der Kläranlagen der Städte die Fische sogar ihr Geschlecht ändern, weil die Konzentration so ist. Im Jahr 2008 wurde eine größere Studie in Auftrag gegeben und dort wurde untersucht, wie es denn ist, woher diese Medikamentenbelastung kommt. Das kann man dadurch feststellen, ob es sich um Abbauprodukte handelt oder um reine Produkte. Dabei kam heraus, dass nicht nur zum Beispiel das Rheumamittel Ibuprofen mit einer Dosierung von 1 Prozent der Tagesdosis in unseren Gewässern
vorkommt, dass wir in 22 Prozent unserer Flüsse, Seen, Gewässer den blutdrucksenkenden Betablocker nachweisen können. Es kam auch heraus, dass 95 Prozent - die Zahl ist etwas genauer als die von Herrn Gumprecht - dieser Medikamente aus der natürlichen Anwendung, also aus der ordnungsgemäßen Anwendung und der natürlichen Ausscheidung durch den Menschen kommen. Selbst wenn alle Bürger anfangen würden, ihre Altmedikamente - was ich nicht hoffe und wovon ich ausdrücklich abraten würde - in die Toilette werfen und nicht mehr ordnungsgemäß zu entsorgen, würde der Anteil der auf diese Weise durch Medikamente in die Gewässer gelangt, auf nur 10 Prozent steigen. 90 Prozent der Medikamente - egal, wie wir das betrachten: 95 Prozent aktuell, 90 Prozent, wenn wir nur die Toilette nutzen zum Entsorgen kommen aus der natürlichen Anwendung. Solange wir nicht erklären wollen, dass alle menschlichen Ausscheidungen als Sondermüll gesammelt werden sollten, so lange werden wir dieses Problem auf andere Weise lösen müssen, nämlich mit Aufklärung und mit einem Ende der Medikamentenhörigkeit unserer Bevölkerung. Das sind ganz wichtige Dinge. Antibiotika sind angesprochen worden, Schmerzmittel ist ein ähnliches Thema, Mehrfacheinnahme von Blutdruckmitteln, usw. Es gibt ganz viele Punkte, an denen man ansetzen könnte. Es gibt genügend Probleme, denen man sich widmen müsste. Man muss nicht noch irgendwelche Probleme erfinden. Dieses Problem, das hier im Antrag geschildert wird, ist ein erfundenes Problem. Das gibt es nicht.
Dieser Antrag ist abzulehnen. Ich bitte auch, den Ausschuss davon zu verschonen, denn die Basis ist nicht da, das Problem ist nicht da und ich sehe keinen Grund, wie dieser Antrag besser werden sollte im Ausschuss. Was mich besonders nachdenklich stimmt, ist die Tatsache, dass alle Zahlen, die ich aufgeführt habe, öffentliche Zahlen sind. Alles, was ich gesagt habe, ist in einer halben Stunde im Internet recherchierbar. Ich würde mir wünschen, dass Antragsteller dies vor Antragseinbringung tun und uns diese Zeit ersparen würden. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, vielen Dank für die Ausführungen, insbesondere von Herrn Hartung, das war auch für uns sehr überzeu
gend, noch mal in die Details zu dem Thema einzusteigen, insbesondere für mich, die keine Expertin auf dem Gebiet ist. Ich glaube aber, der Antrag von den LINKEN war gut und richtig,
weil er, das hat Frau Taubert auch aufgegriffen, auf ein sehr wichtiges Problem hingewiesen hat. Es ist sehr schade, dass Frau Taubert kurz nach ihrem Beitrag schon gegangen ist, das ist sehr bedauerlich, wir sollten dieses Thema nicht leichtfertig zur Seite tun, u.a. die 95 Prozent, um die wir uns kümmern müssen. Wir haben das Problem mit den Fischen.
Das macht ja nichts, aber wenn der Antrag dazu dient, dass wir hier über dieses Problem reden, umso besser, sonst hätten wir das nicht hier besprochen.
Warten Sie ab, was ich noch dazu ausführe. Die 95 Prozent, um die müssen wir uns tatsächlich kümmern. Insofern, wenn der dritte Punkt jetzt erledigt ist - ich kenne den Flyer nicht, werde mir den aber noch ansehen -, dann müsste man vielleicht darüber nachdenken bzw. - ich präzisiere - ich glaube, wir müssen darüber nachdenken, ob wir als Land dort nicht mehr Verantwortung übernehmen wollen. Ich mache das mal an einem Beispiel fest. Wir haben gesagt, mehr Verantwortung für den Einzelnen in Bezug auf Medikamenteneinnahme. Das ist in der Praxis aber nicht immer so einfach. Meine Mutter hat sich mehrmals gegen die Empfehlung ihres Hausarztes gewehrt, sogenannte Hormonersatztherapie-Medikamente zu nehmen. Ich glaube, im Einzelfall muss man sehr standhaft sein, um einer Empfehlung eines Hausarztes zu widerstehen. Zur Erläuterung von Hormonersatztherapie - damit meine ich Wechseljahre-Medikamente. Es gibt inzwischen viele Studien, die einen Zusammenhang von diesen Hormongaben mit Brustkrebs belegen und das sollten wir sehr ernst nehmen. Ich glaube auch, dass bei vielen Ärzten und Ärztinnen noch nicht angekommen ist, dass man hier viel sorgsamer mit der Verschreibung dieser Präparate umgehen muss. Ein anderes Problem: Gerade bei älteren Menschen, die oft fünf, sechs, sieben Medikamente einnehmen, gibt es viele Wechselwirkungen, die oft nicht ausreichend beachtet werden. Ich habe eine Zahl gelesen von 5 Prozent Klinikeinweisungen, die vor allem ältere Menschen betroffen haben wegen Wechselwirkungen bzw. Nebenwirkungen von Medikamenten. Insofern haben wir das Problem auf einer anderen Baustelle ganz gut umrissen heute, aber ich glaube, wir sollten uns auch mehr darum kümmern, dass nicht nur man selber in der Verantwortung ist, für seinen Körper Sorge zu
(Zwischenruf Abg. Gumprecht, CDU: Ein Platz an der Sonne - aber davon wird der An- trag auch nicht besser.)
Herr Hartung, wenn unser Antrag schon so schlecht ist, da haben sie ganz schön viel und lange dazu geredet, also kann er doch nicht ganz so schlecht sein.
Meine Damen und Herren, Sie haben ja heute früh gefrühstückt und waren auch beim Mittagessen und ich kann es Ihnen auch jetzt empfehlen, trinken Sie ein Glas Wasser,
das könnte länger dauern. In der FAZ am 09.09.2010 konnte man Folgendes nachlesen, ich zitiere: „Egal ob Antidepressiva oder Zystostatika, vieles aus dem verschreibungspflichtigen Sortiment der Pharmaindustrie gibt es längst rezeptfrei im Badesee. Mehr als 150 verschiedene Arzneimittelstoffe haben Wissenschaftler mittlerweile in Seen und Flüssen, Sedimenten, Grundwasser und Böden nachgewiesen, berichtet das Umweltbundesamt in Dessau. Immer wieder werden sogar im Trinkwasser Medikamente entdeckt, wenn auch in geringen Mengen.“ Da, meine Damen und Herren, bekommt doch der Begriff „Wasser“ wieder eine ganz neue Bedeutung, wenn ich höre, Wasser ist gesund.
Vielleicht ist es dann auch empfehlenswert, um auch die Kosten im Gesundheitsbereich und bei Pharmaprodukten zu senken, dass wir sagen, du bist erkältet oder hast eine Entzündung, geh an den Erfurter Nordstrand, hüpf hinein, nimm drei Schluck und schon ist dir geholfen. Das wäre vielleicht mal ein Vorschlag, um auch Kosten im Gesundheitswesen zu sparen. Ich weiß es nicht. Wenn das alles so einfach wäre, wie das hier manche geschildert haben und wie das auch die Ministerin dargestellt hatte, warum war das dann im Sommer und im
Jetzt rede ich, Herr Gumprecht und Herr Hartung, ich musste Ihnen zuhören und jetzt rede ich und Sie hören mir zu.
Das Problem ist doch, dass hier ein bestehendes System ganz einfach aus Profitinteresse zerschlagen wurde. Das haben Sie nämlich nicht gesagt. Herr Hartung, wenn ich Ihnen so zugehört habe,