Protokoll der Sitzung vom 12.11.2010

Das Problem ist doch, dass hier ein bestehendes System ganz einfach aus Profitinteresse zerschlagen wurde. Das haben Sie nämlich nicht gesagt. Herr Hartung, wenn ich Ihnen so zugehört habe,

(Beifall DIE LINKE)

REMEDICA, da hatte ich schon teilweise den Eindruck, dass Sie Lobbyist sind, wie Sie die Firma geschildert haben.

(Zwischenruf Abg. Dr. Hartung, SPD: Alles recherchiert.)

Alles recherchiert, mag ja sein, aber Fakt ist doch: Warum ist dieses System zerschlagen worden bzw. warum ist REMEDICA da rausgegangen und hat die Verträge gekündigt? Sie haben das ja geschildert. Als nämlich die Verordnung kam, dass die Pharmaindustrie die Verpackungen - das heißt die Papierbehälter, die Beipackzettel, die Plastikträger über das Duale System entsorgen musste und das nicht mehr selbst entsorgen bzw. verkaufen und daran verdienen konnte, da war das nicht mehr attraktiv. Da hat es die Pharmaindustrie nicht mehr interessiert, was war oder ist in den Verpackungen drin und wie entsorgen wir das. Es war nichts mehr daran zu verdienen, das ist doch die Ursache, dass diese Verträge gekündigt wurden. Wenn Sie auch sagen, von vier Apotheken hat sich eine nicht dran beteiligt, so haben sich aber immerhin drei von vier Apotheken beteiligt und das ist doch die Mehrheit bzw. Masse, um die es ging. Nicht umsonst fordert der Apothekerverband, dass dieses System wieder aufgenommen wird. Es gibt Beispiele dafür in diesem Land, wo es gesetzliche Verpflichtungen gibt, die eingeführt wurden. So ist zum Beispiel die Elektroindustrie verpflichtet, ihren Elektroschrott wieder kostenlos abzunehmen. Aber bei Medikamenten hat man diese Lösung nicht mehr gefunden, es ist nicht mehr praktikabel und vor allem profitabel.

(Beifall DIE LINKE)

Das hat schon zu Problemen geführt, Umweltproblemen, die hier genannt wurden, aber es hat auch zu Verunsicherungen bei den Menschen geführt. Und dieses Ding ist mir bekannt, Herr Hartung, nicht dass Sie denken, wir können nicht lesen. Da muss ich aber wieder die Frage stellen, es ist bei den Menschen nicht angekommen, sonst hätten wir diese Probleme nicht, wie ich sie eingangs geschildert habe. Es ist auch nicht so, dass das überhaupt

keine Rolle in der Bundesrepublik gespielt hat. Es haben z.B. auch Anträge der CDU- und FPD-Fraktion mehrmals im schleswig-holsteinischen Landtag eine Rolle gespielt. Berlin z.B. hat eine eigenständige Lösung gefunden, hat ein System geschaffen und hat es nicht jedem selbst überlassen, was allerdings zulasten der Kommune dann geht. Es geht ganz einfach darum, aus Profitinteresse wurde ein System zerschlagen, was sich bewährt hatte und wir wollen nicht mehr oder nicht minder, dass die Pharmaindustrie ihrer Verantwortung gerecht wird und dass dieses System, wie wir es schon einmal hatten, was sich bewährt hat, wieder eingeführt wird.

Die EU-Richtlinie wurde hier schon mehrmals dargelegt, die im Oktober 2005 diese Forderung aufgemacht hat, dass Sammelsysteme für nicht verwendete oder abgelaufene Arzneimittel bereitzustellen sind. Ich spreche bewusst von Sammelsystemen, was diese Arzneimittel betrifft. Wenn das alles so kompliziert ist; Leute, wenn ich meine Arzneimittel entsorgen soll in den Hausmüll und aus Sicherheitsgründen wühle ich erst einmal in der Mülltonne herum, um den wieder unterzumischen oder dergleichen mehr. Was soll denn dieser Blödsinn, muss ich an dieser Stelle sagen? Da wissen wir doch, das geht doch total an der Realität vorbei. Aber ich schließe noch einmal ab; aus Profitinteressen wurde etwas kaputt gemacht, was sich bewährt hatte und wir wollen nicht mehr oder nicht minder zur Sicherung unserer Umwelt, aber auch zur Sicherheit unserer Menschen, dass dieses bewährte System wieder eingeführt wird.

(Beifall DIE LINKE)

Für die FDP-Fraktion hat sich Abgeordneter Barth zu Wort gemeldet.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Der schafft erst mal die Steuern ab.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin, es ist keine Wortmeldung zur Sache, sondern es ist eine ganz grundsätzliche Wortmeldung. Während wir hier über dieses Thema der abgelaufenen Arzneimittel und deren Entsorgung diskutiert haben, hat die Landesregierung hier eine Präsens gehabt allein durch den Wirtschaftsstaatssekretär.

(Beifall FDP)

Ich muss sagen, dass ich das schon bemerkenswert finde, wie die Landesregierung hier mit diesem Parlament umgeht und insbesondere, dass aus dem Haus, um dessen Zuständigkeitsbereich es geht, die Ministerin unmittelbar nach ihrem Wortbei

(Abg. Kubitzki)

trag verschwindet und der Staatssekretär auch nicht da ist.

(Zwischenruf Abg. Künast, SPD: Weil der An- trag blöd ist.)

Ich halte das für eine Missachtung des Parlaments und ich kündige an, dass wir künftig jedes Mal die Herbeirufung der Regierung dann beantragen werden, wenn von dem betroffenen Haus hier keiner sitzt. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Herr Abgeordneter Barth, das gilt also nicht für jetzt als Geschäftsordnungsantrag, sondern angekündigt?

(Zuruf Abg. Barth, FDP: Allgemein, nicht für heute.)

Für die SPD-Fraktion hat sich Abgeordneter Dr. Hartung noch einmal zu Wort gemeldet.

Sie haben ja festgestellt, dass wir zuhören müssten; wenn Sie es doch nur getan hätten. Es ist schon merkwürdig, wenn ich mich mit einem Gegenstand Ihres Antrags befasse, recherchiere, etwas herausfinde über die Firma REMEDICA, dass ich dann in den Ruf des Lobbyisten komme.

(Beifall SPD)

Das finde ich peinlich, denn die Recherche wäre eigentlich Ihre Aufgabe gewesen. Nochmals: Das duale System - offensichtlich habe ich es nicht deutlich genug dargestellt, sonst hätten sie es wahrscheinlich verstanden - übernimmt das Recycling der Verpackung, es ist nicht mehr so gewinnbringend das Recycling der Verpackung. Deswegen hat REMEDICA - übrigens eine der sieben Firmen des dualen Systems - einen Marktanteil um die 14 Prozent. Das ist Teil des bösen Profitsystems, was jetzt gerade das funktionierende System angeblich zerschlagen hat. Dieses System kann aus der Vermarktung von Verpackungen und Plastik-Blistern nicht mehr denselben Gewinn ziehen, wie das früher der Fall war. Das ist einfach der Hintergrund der Tatsache. Die Tabletten, die Medikamente, die Wirkstoffe, um die es hier geht, deren Entsorgung wird weiterhin von der Pharmaindustrie bezahlt an REMEDICA.

(Zwischenruf Abg. Stange, DIE LINKE: Das hat er doch gesagt.)

Deswegen ist ein Beitrag von 50 € im Quartal Peanuts für eine Apotheke - Entschuldigung, das ist so. Dieser Beitrag von 50 € im Quartal ist möglich, weil die Pharmaindustrie, deren Freund ich mit Sicher

heit nicht bin, die Entsorgung der Tabletten weiterhin bezahlt.

Und als Letztes: Ich sagte, Sie haben mir nicht zugehört. Ich habe mehrfach festgestellt, dass die Belastung des Grundwassers, des Trinkwassers unserer öffentlichen Gewässer mit Medikamenten ein Problem ist. Natürlich ist es ein Problem, aber dieses Problem resultiert nicht aus der unsachgemäßen Entsorgung von Medikamenten, sondern aus der Einnahme von Medikamenten teilweise ohne Nachfrage. Und das bitte gehört zur Wahrheit dazu. Wenn Sie mir zugehört hätten, hätte sich diese Bemerkung erübrigt. Danke schön.

(Beifall CDU)

Mir liegen keine weiteren Redemeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache zum Sofortbericht und zu den Nummern 2 und 3 des Antrags. Ich gehe davon aus, dass das Berichtersuchen erfüllt ist. Dagegen erhebt sich kein Widerspruch und dann gibt es noch die Nummern 2 und 3 des Antrags. Hier ist Ausschussüberweisung beantragt worden? Das glaube ich nicht. Herr Abgeordneter Emde.

Frau Präsidentin ich wollte eine namentliche Abstimmung über die Punkte 2 und 3 beantragen.

Einzeln oder gemeinsam?

Einzeln.

(Heiterkeit im Hause)

Dann stimmen wir so ab. Aus der Drucksache 5/ 1417 werden jetzt die Nummern 2 und 3 des Antrags in namentlicher Abstimmung abgestimmt. Ich rufe zuerst die Nummer 2 auf. Hier erfolgt jetzt die namentliche Abstimmung und ich bitte darum, dass die Stimmkarten eingesammelt werden.

Lange nicht mehr so viele eilige Menschen gesehen. Kann ich davon ausgehen, dass jeder die Gelegenheit hatte, seine Stimmkarte abzugeben? Es hatte jetzt jeder die Gelegenheit, seine Stimmkarte abzugeben. Ich bitte darum, dass ausgezählt wird. Nachdem ich das Ergebnis dann bekannt gegeben habe, werden wir zu Nummer 3 noch einmal namentlich abstimmen.

Mit liegt das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu Nummer 2 aus der Drucksache 5/1417 vor. Es wurden 74 Stimmen abgegeben. Mit Ja ha

(Abg. Barth)

ben 20 gestimmt, mit Nein 50. Es gab 4 Enthaltungen. Damit ist die Nummer 2 aus diesem Antrag abgelehnt (namentliche Abstimmung siehe Anla- ge 1).

Und nun kommen wir zur namentlichen Abstimmung zu Nummer 3 aus dem gleichen Antrag. Ich gehe davon aus, dass jeder die Gelegenheit hatte, seine Stimmkarte abzugeben und bitte darum, dass ausgezählt wird.

Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu Nummer 3 aus dem Antrag in Drucksache 5/1417 bekannt. Es wurden jetzt 76 Stimmen abgegeben. Es haben mit Ja 21 gestimmt, mit Nein 51 und es gab 4 Enthaltungen. Damit ist die Nummer 3 aus diesem Antrag ebenfalls abgelehnt (namentliche Abstimmung siehe Anlage 2).

Ich schließe damit den Tagesordnungspunkt 20 und ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 21

Geeignetheit gerichtlicher und außergerichtlicher Mediation in Thüringen klären Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/1418

Für die einreichende Fraktion begründet Herr Abgeordneter Kuschel diesen Antrag.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, zeitnah zum Juristentag 2008 in Erfurt startete die damalige Justizministerin Frau Walsmann das Modellprojekt Thüringer Güterichter. Das Modellprojekt läuft seit dem. Es zeichnet sich dadurch aus, dass versucht wird, Elemente der Mediation durch Richter anwenden zu lassen, um Prozesse auf unstreitige Art und Weise zu beenden.

Die Richterin, der Richter, die diese Mediationsmethode als Thüringer Güterichter anwenden, sind nicht die Richter, die nach der Geschäftsverteilung dazu vorgesehen sind, das Urteil im jeweiligen Verfahren zu sprechen. Daher stellt sich für die Kritiker der gerichtsinternen Mediation an dieser Stelle schon die Frage nach der Einhaltung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters. Die Bundesregierung hat nun Anfang August dieses Jahres einen Referentenentwurf mit der Regelung zur Mediation für die verschiedenen Gerichtszweige, aber auch mit Regelung für Qualitätsstandards vorgelegt. Außerdem soll in der Zivilprozessordnung mit dem neuen § 278 a eine ausdrückliche Verfahrensregelung getroffen werden. Das weist darauf hin, dass die bisher auch von der Thüringer Landesregierung benannte Rechtsgrundlage offensichtlich als nicht ausreichend angesehen wird. In der gleichen Vorschrift gibt es auch eine Öffnungsklausel für die ge

setzlichen Regelungen zu Länderprojekten der gerichtsinternen Mediation.

Der Referentenentwurf geht im Grundsatz davon aus, dass es keine gerichtsinterne Mediation geben bzw. dass sie nur als eine Art Sonderweg auf Landesebene erlaubt werden soll.

Unser Antrag zielt nun darauf ab, die Position der Landesregierung in dieser Problematik zu erfahren. Das Thüringer Güterichterprojekt bewegt sich also tatsächlich auf einem nicht nur rechtlichen Neuland. Umso wichtiger ist es daher, dass die von der Landesregierung angekündigte wissenschaftliche Begleitung auch realisiert wird.