Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sprechen innerhalb von vier Wochen schon das zweite Mal über Castortransporte und Kernenergie. Man kann ja für oder gegen Kernenergie sein,
aber wir leben zum Glück in einem freiheitlichen System, in dem man seine Meinung frei kundtun kann,
eine Situation, die sich viele Menschen vor 30, 40 Jahren in Greifswald, in Stendal und in Rossendorf gewünscht hätten, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wir können heute diese Meinung im Parlament politisch sammeln, bündeln und im Parlament auch kundtun oder eben auch auf Demonstrationen auf unsere Meinung hinweisen. Man muss kein Befürworter von Kernenergie sein, wenn man in diesem Zusammenhang auf die Frage der energetischen Versorgungssicherheit sowohl der Bevölkerung als auch natürlich der Wirtschaft hinweist, meine sehr verehrten Damen und Herren. Kernenergie ist eine Übergangslösung, aber eine notwendige. Wir sind infrastrukturell und technisch im Moment nicht in der Lage, auf Kernenergie als Energieträger zu verzichten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der öffentlichen Debatte wird derzeit sehr stark über die Frage der Laufzeit der Kernkraftwerke diskutiert. Es geht an der Stelle um die Rücknahme einer politisch motivierten Laufzeitverkürzung, die von RotGrün im Jahr 2000 beschlossen wurde. Eine Lektüre aus dem Jahr 2000 lege ich in diesem Zusammenhang wirklich jedem Interessierten sehr ans Herz, eine geheime Vereinbarung nämlich zwischen den Energieversorgern und der rot-grünen Bundesregierung, bei der politisch der Ausstieg beschlossen wurde, aber z.B. die Erkundung des Salzstockes Gorleben für bis zu 10 Jahre ausgesetzt wurde.
Das war das rot-grüne Konzept der Entsorgung; dezentrale Zwischenlager. Man möge sich das überlegen, der Müll, den man 800 m unter Tage für zu gefährlich hält, liegt jetzt dezentral in der Gegend rum. Das ist eine tolle und auch zukunftsweisende Strategie.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Rot-Grün hat die Laufzeitverkürzung politisch erkauft. Sie haben in dieser eben genannten Vereinbarung den Betreibern unter anderem versprochen, keine Steuern zu erhöhen. Ich zitiere aus der Vereinbarung, dort heißt es: „Die Bundesregierung wird keine Maßnahmen ergreifen, mit der die Nutzung der Kernenergie einseitig diskriminiert wird. Das gilt auch für das Steuerrecht.“ Es ist also die schwarzgelbe Bundesregierung, meine Damen und Herren, die zum ersten Mal ein Konzept der Endlagerung erarbeiten lässt und die auch die Energieversorger strategisch und langfristig an dem Umstieg auf die erneuerbaren Energien finanziell beteiligt.
Es ist auch die jetzige Bundesregierung, liebe Kolleginnen und Kollegen, die die Frage der Kernkraftwerkssicherheit in die Vereinbarung mit aufgenommen hat. Kein Umweltminister der letzten 11 Jahre,
ob rot oder grün, hat jemals ein Kernkraftwerk wegen Sicherheitsmängeln dauerhaft geschlossen. Dazu wäre er aber verpflichtet gewesen, wenn er zu der Erkenntnis gekommen wäre, dass die Kernkraftwerke nicht hinreichend sicher sind.
Wir haben die sichersten Kernkraftwerke der Welt in Deutschland. Sie sind so sicher, dass Rot-Grün sogar bereit war, folgenden weiteren Passus in diesen Vertrag aufzunehmen: „Während der Restlaufzeiten“ - so heißt es wörtlich - „wird die Bundesregierung keine Initiative ergreifen, um den Sicherheitsstandard zu ändern.“ Das heißt, rote und auch grüne Bundesumweltminister haben amtspflichtwidrig den Energieversorgern zugesichert,
den Sicherheitsstandard von 2000 bis weit über 2030 hinaus festzuschreiben, meine sehr verehrten Damen und Herren, trotz zu erwartenden technischen Fortschritts. Jürgen Trittin und auch Siegmar Gabriel haben daran festgehalten; auch Herr Gabriel hat das nicht geändert.
Zur Frage der Castortransporte: Meine Damen und Herren, unter Rot-Grün sollte man am liebsten gegen die vertraglichen Vereinbarungen zu den Castortransporten nicht demonstrieren. Jetzt nach dem Regierungswechsel finden sich dieselben Leute in romantischer Lagerfeuermanier auf der Straße, singen „Kum bay ya“ und schützen natürlich mit ihrer Immunität, soweit es Abgeordnete sind, auch Straftäter vor den Folgen ihres Handelns und missbrauchen so das auch hier erkämpfte Demonstrationsrecht.
Deshalb, meine Damen und Herren, wer demonstrieren will, dass er in dieser Frage anderer Meinung ist, der kann das legitimerweise natürlich tun, das ist überhaupt keine Frage. Aber jeder, der zu der Demonstration geht, sollte daran denken, dass es in aller Regel eine klar erkennbare Grenze zwischen Demonstration und Rechtsbruch gibt.
Ich freue mich sehr, dass Herr Machnig wieder da ist und wieder an den Plenarsitzungen teilnimmt. Ich habe hier einen Arbeitsplan für das kommende Jahr, Herr Minister, wo die Termine des Landtags drin sind. Damit Sie den bei Ihren Urlaubsplanungen für nächstes Jahr vielleicht berücksichtigen können, würde ich Ihnen den gern geben.
Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Barth, Sie haben, wie gewohnt, wieder hart neben der Sache argumentiert.
Sie haben zitiert, dass der Kernenergie Zugeständnisse gemacht worden sind in dem Atomkompromiss der rot-grünen Bundesregierung. Das war richtig, weil, es war ja ein Kompromiss.
Für das Auslaufen der Kernenergie wurde natürlich auch ein Preis ausgehandelt, ein fairer und gerechter Preis, der als Konsens von der Bevölkerung getragen wurde. Jetzt wird ein zweiter Preis, den die Kernenergie schon bekommen hat dafür, dass sie die Kernkraftwerke kürzer betreiben sollte, noch mal erneut gezahlt, und das ist ja auch schon ein bisschen merkwürdig.
Ich möchte mich hier aber aus juristischer Sicht dazu äußern, dass ich es nicht für verantwortbar halte, dass der Bundesrat mithilfe auch der Enthaltung Thüringens seine Zustimmungsverpflichtung zur Laufzeitverlängerung aus der Hand gegeben hat. Wir haben ja jetzt eine Debatte über die Verfassungsmäßigkeit dieser Nichtbefassung. Als Geheimwaffe der Befürworter wird nun ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2010 herangezogen, in dem die Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen an eine besonders gewichtige Berührung der föderalen Ordnung und des Interessenbereichs der Länder gekoppelt wird. Die Anschlussfrage im Streit der Gelehrten lautet jetzt nur, eine quantitative oder eine qualitative Änderung in der Bundesauftragsverwaltung liegt bei der Verlängerung der Laufzeiten vor? Wäre es nur quantitativ,
meinen einige Juristen, keine Zustimmungspflicht, wäre es qualitativ, dann besteht eine Zustimmungsverpflichtung. Die Antwort, ob wir hier quantitative oder qualitative Änderungen haben, findet sich Überraschung! - in der Koalitionsvereinbarung der CDU/FDP-Koalition auf Bundesebene, nämlich Sie haben vielleicht sogar schon darauf hingewiesen - in der Nutzungsverlängerung der Kernenergie. Diesem Kapitel folgt unmittelbar das Thema Entsorgung. Die Erkundung des Salzstocks Gorleben mit internationaler Peergroup soll fortgesetzt werden, Asse II und Morsleben sind in einem zügigen Verfahren zu schließen. Dann heißt es noch in der Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP auf Bundesebene: „Mit Blick auf Endlagerstandorte setzen wir uns für einen gerechten Ausgleich für die betroffenen Regionen ein, die eine im nationalen Interesse bedeutsame Entsorgungseinrichtung übernehmen.“ Warum steht das nun bitte dort drin? Auf einer Tagung zum Kernenergierecht in Trier im Herbst 2009 wurde in Erinnerung gerufen, dass der aufgegebene Ausstiegskompromiss auf der Einschätzung beruhte, dass das in der Nutzung der Kernkraft bestehende Restrisiko nach Ablauf der dort normierten Laufzeiten als nicht mehr sozial adäquat angesehen wurde - zu Deutsch „nicht mehr vertretbar sei“. Daraus folgt - und deswegen steht es auch in der Koalitionsvereinbarung auf Bundesebene hintereinander -: Die Verlängerung der Laufzeiten verlangt zwingend die Beantwortung der ungelösten Endlagerfrage. Wenn Sie diese ungelöste Endlagerfrage jetzt beantworten wollen, Herr Barth - darauf haben Sie sich berufen -, dann berührt das ja wohl eindeutig besonders gewichtige Länderinteressen. Die im Bundesrat getroffene Entscheidung wurde gegen die Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundesrates getroffen. Daran möchte ich auch noch einmal erinnern. Der Rechtsausschuss des Bundesrates, der auch die Mehrheitsverhältnisse, die ansonsten bestehen, abbildet, hat das Gesetz für zustimmungspflichtig gehalten. Das mag wohl daran liegen, dass dessen Urteilsfindung nicht durch die Kernenergielobby aufgekauft werden konnte. Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, Recht ist in unserem Land nicht käuflich; das weiß auch die Kernenergie, die sich im Vertrag über die Laufzeitverlängerung Schadenersatz durch die Bundesregierung hat zusichern lassen für den Fall, dass die Laufzeitverlängerung sich als gesetz- oder verfassungswidrig herausstellen sollte - interessant. Dieser Fall wird eintreten und es hätte uns gut zu Gesicht gestanden, ihn zu verhindern. Vielen Dank.
Meine Damen und Herren! Herr Weber, Sie haben mir ein bisschen leidgetan bei Ihrem Beitrag, vor allem wegen des Zurufs aus den Reihen der CDU „Denk an die Koalitionslinie“ - eine Maßregelung in einem, finde ich, Politikbereich, der eine zentrale Zukunftsfrage für unsere Gesellschaft beinhaltet,
nämlich: Wie kommen wir wirklich zu einem echten Ausstieg aus der Kernenergie? Wie klären wir die Endlagerfrage? Wie schaffen wir es tatsächlich, eine wirkliche Energiewende herbeizuführen? Da sind solche Hinweise sicherlich nicht angezeigt. Sie haben auch gesagt, der Vermittlungsausschuss wurde nicht angerufen durch das Land Thüringen und das bedauern Sie. Ja, aber das kann geheilt werden, das Land kann nämlich der Klage der SPD-geführten Bundesländer vor dem Bundesverfassungsgericht beitreten. Das ist eine Forderung, die wir an dieser Stelle erheben.
Gehen Sie auf Ihren Koalitionspartner zu, wenn Ihnen diese Frage wirklich so wichtig ist. Das Land Thüringen kann morgen schon Klägerpartner der SPD-geführten Länder sein,