Um das an dieser Stelle im Klartext noch mal ganz deutlich zu sagen: Auch als Oppositionsfraktion se
hen wir uns in der Verantwortung, demokratische Grundwerte zu schützen. Meiner Fraktion ist es deshalb überhaupt nicht schwergefallen, einen Regierungschef zu verhindern, dessen Wahl dem Land Thüringen auf lange Zeit und, wie wir finden, in nicht zu verantwortender Weise geschadet hätte. Deshalb war unsere Entscheidung im dritten Wahlgang leicht, folgerichtig und logisch.
Wir haben aber bei aller persönlichen Wertschätzung, sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, nicht Sie persönlich gewählt. Wir haben auch nicht die CDUKandidatin gewählt, sondern wir haben einer demokratischen Ministerpräsidentin unsere Stimme gegeben, weil wir keine Steigbügelhalter sind und sein wollten für einen Ministerpräsidenten, in dessen Parteiprogramm noch immer das Ziel vom Systemwechsel steht und in dessen Fraktion auch 20 Jahre nach dem Mauerfall immer noch der Geist von Honecker, Mielke und der Stasi im wahrsten Wortsinne herumkuschelt.
Deshalb herzlichen Dank, sehr geehrter Herr Kollege Ramelow, dass Sie uns diese Entscheidung so leicht gemacht haben.
(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Bitte, war mir ein Vergnügen, ich habe das durch meine Kandidatur ermöglicht.)
Auch gerne wieder. Meine sehr verehrten Damen und Herren, anderen Mitgliedern dieses Hohen Hauses schien diese Entscheidung durchaus nicht ganz so leichtzufallen, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Beispiel. Weil Kollegin Siegesmund hier auf die Gründungsgeschichte so explizit hingewiesen hat, möchte ich einige Worte dazu sagen. Sie wollten Rot-Rot. Sie haben mit Sozialdemokraten und Linkspartei sondiert. Herr Ramelow hat am 30.10. eine Stimme mehr erhalten als Abgeordnete seiner Fraktion im Plenum anwesend waren. Es gibt ein Wahlgeheimnis und niemand weiß es, aber es drängt sich die Frage auf, ob sich hier ein neuer grüner Kuschelweg andeutet. Die ganze Geschichte ist jedenfalls ein bemerkenswerter Bruch mit Ihrer eigenen Gründungsgeschichte.
Aus der Umweltbewegung der DDR, die dort nur unter dem Dach der Kirche existieren konnte, weil sie ansonsten staatlicher Verfolgung zum Opfer gefallen wäre, da kommen Sie her, daraus ist BÜNDNIS 90 entstanden, ein Bündnis gerade gegen sozialistische Herrschaft. Nun, 20 Jahre später, wol
len Sie mit den uneinsichtigen Enkeln eben dieser Herrscher paktieren, deren Uneinsichtigkeit Ihnen auch noch bekannt ist. Sie sollten vielleicht darüber nachdenken, es Ihrem Nachbarn zur Linken gleichtun und sich von Zeit zu Zeit umbenennen. Aktuell wäre „Bündnis 09/Die Roten“ vielleicht ein akzeptabler und praktikabler Vorschlag.
Aller Anfang ist hingeordnet auf Vollendung. Was also, Frau Ministerpräsidentin, wollten Sie uns angesichts dieses Anfangs mit diesen Worten denn nun sagen? Dass es nur besser werden kann? Das kann man ja in der Tat nur hoffen. Bevor ich nun vielleicht dann doch etwas tue, was Sie ja ausdrücklich nicht machen wollten, nämlich einige Punkte aus dem Koalitionsvertrag hier aufgreifen, möchte ich einige Gedanken, Herr Kollege Mohring, zu Ihrem Vorschlag zur Abschaffung der Immunität loswerden. Die Immunität ist ein Bollwerk. Die Verfassung ist genauso ein Bollwerk, nicht geschrieben für schönes Wetter. Bei schönem Wetter kann man gut spazieren gehen, bei schönem Wetter kann man sich gut draußen aufhalten und muss nicht befürchten, in irgendeiner Weise nass zu werden, schmutzig zu werden oder sonst irgendwas. Diese Dinge gibt es für schlechtes Wetter. Wenn es in diesem Haus Menschen gibt, die irgendwann rote oder braune Brigaden vor die Tür stellen wollen, um die Eintretenden auszusortieren, dann ist es wichtig, die Immunität zu haben, dass wir nicht daran gehindert werden, hier die Plenarsitzungen abzuhalten, an Abstimmungen teilzunehmen. Dann, Herr Kollege Mohring, werden wir, wenn dieser Tag kommen sollte, was wir alle nicht hoffen, die einmal abgeschaffte Immunität ganz bestimmt nicht wieder eingerichtet bekommen.
Deswegen ist es richtig, dass wir die Immunität regelmäßig aufheben, wenn die Staatsanwaltschaft darum bittet, um genau deutlich zu machen, dass es uns nicht darum geht, Abgeordnete vor berechtigter Strafverfolgung zu schützen. Die Immunität ist dazu da, sie vor unberechtigter Strafverfolgung, vor Strafverfolgung aufgrund unbewiesener Tatsachen zu schützen. Dabei sollten wir es lassen, weil dieser Weg ein ausgewogener ist, hinter dem wir uns, glaube ich, auch weiterhin alle versammeln sollten.
gesagt - ist in der Tat vor allem eines, er ist Prosa. Er ist ein Muster an Beliebigkeit und Unbestimmtheit. Die einzig wirklich zählbaren Dinge, die enthalten sind, sind Leitbilder, Beauftragte, Landesprogramme, konzertierte Aktionen, Zukunftsatlanten, Räte, Kataster, Pläne, Konzepte, Strategien, Kompetenzzentren und Agenturen. Insgesamt, wenn ich mich nicht verzählt habe, sind es 30 solcher sensationeller Vorhaben. Da soll es einen Wirtschafts- und Innovationsrat geben - das klingt ja verheißungsvoll, irgendwie nach Zukunft und nach Fortschritt, nach einer intelligenten Verknüpfung von Unternehmen mit Wissenschaft und Forschung. Die Frage ist aber: Wozu braucht man so etwas in einem Land, welches sich selbst als Denkfabrik versteht und bezeichnet, in einem Land, in dem es eine Stiftung gibt, Runde Tische, Workshops und viele andere Dinge mehr, die sich mit genau derselben Aufgabe, mit der Verknüpfung von Wissenschaft und Wirtschaft, bereits beschäftigen? Wozu? Ein Blick auf den Ressortzuschnitt vermag vielleicht etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Wirtschaftsministerium? SPD. Wissenschaftsministerium? Auch SPD. Nun drängt sich die Frage auf: Wie kann es denn der CDU gelingen, trotz dieser Besetzung in diesem Bereich zu punkten? Ist also - und das ist die Frage - der Wirtschafts- und Innovationsrat nur ein machttaktisches Ausgleichsgewicht, damit die CDU Einfluss in diesen Bereichen behält? Oder ist es ein echtes Instrument zur sinnvollen Verknüpfung zwischen Unternehmen und Forschung? Und wenn dem so wäre, warum werden wissenschaftliche Einrichtungen allenfalls bei Bedarf hinzugezogen, wie es im Koalitionsvertrag wörtlich heißt? Liegt nicht gerade in der systematischen, also der permanenten Verknüpfung und Hinzuziehung von Unternehmen und dem Forschungswesen die Zukunft für die Thüringer Wirtschaft?
(Zwischenruf Machnig, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Technologie: Aber Sie sind doch selber dabei.)
Sie haben auch davon gesprochen, von dieser Verknüpfung, Frau Ministerpräsidentin. Die Frage ist: Wie finanzieren und organisieren denn unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen nun tatsächlich diese eigenständige Forschung und Entwicklung? Wo finden sie Partner für ihre Vorhaben im Bereich innovativer Umwelttechnik und erneuerbarer Energien, aber natürlich auch in vielen anderen Bereichen, wie zum Beispiel der medizinischen Forschung? Hier muss die Landesregierung ansetzen, hier, meine Damen und Herren, müssen Sie handeln, hier müssen Sie enge Kooperationen von Unternehmen, Hochschulen und Betrieben fördern, damit Wissen unmittelbar in Produktion, in praktische Produkte und Verfahren einfließt. Dazu brauchen wir kein neues Leitbild, dazu brauchen die Firmen vor allem eines, sie brauchen Sicherheit, damit ihre Innovationen nicht
morgen aus ideologischen Gründen verboten und ihre Investitionen damit vernichtet werden. Dazu brauchen junge Menschen die Gewissheit, dass ihr naturwissenschaftliches Studium von heute sie nicht in einem Deutschland von morgen zu ideologisch verbrämten Jüngern des Bösen macht und ihre Forschung kriminalisiert wird.
(Zwischenruf Machnig, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Technologie: In wel- chem Land leben Sie? Doch nicht in Thü- ringen.)
Dazu brauchen all diese Menschen die Gewissheit, dass nicht aus Gründen fehlenden politischen Willens endlos viel Geld in unwirtschaftliche Industrien subventioniert wird und dieses Geld beim Aufbau zukunftsweisender Wirtschaftszweige und Arbeitsplätze fehlt. Und, Herr Minister, weil Sie fragen, wo ich lebe: Ich kann Ihnen das ganz genau an einem Beispiel erklären. Da sind Sie gar nicht betroffen, da ist die CDU betroffen.
(Zwischenruf Machnig, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Technologie: Wir sind eine Regierung, da bin ich auch betrof- fen.)
Es gibt aktuell zwei abgeschlossene Koalitionsverträge und in beiden spielt das Thema grüne Gentechnik eine Rolle. Im Thüringer Koalitionsvertrag ist klar vereinbart, grüne Gentechnik und entsprechende Versuche im Land nicht zuzulassen. Dieselbe Partei, dieselbe CDU hat auch mit Delegierten aus dem entsprechenden Bundesausschuss im Bundeskoalitionsvertrag das genaue Gegenteil davon vereinbart.
(Zwischenruf Machnig, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Technologie: In Bayern koalieren Sie mit der CSU, die das auch will.)
Deshalb stellt sich mir schon die Frage: Wie soll das denn weitergehen, wie lösen Sie diesen Konflikt, was bedeutet das für Thüringen? Wenn ich das konkret fragen darf, würde mich tatsächlich interessieren, wer von Ihnen an beiden Beschlüssen beteiligt gewesen ist.
Frau Ministerpräsidentin, Sie haben das Thema Abwanderung angesprochen, ein Thema, an dem die Landesregierung seit mindestens zehn Jahren immer wieder gescheitert ist. Gute und gut bezahlte Arbeitsplätze - davon haben Sie gesprochen, und es war in der Debatte hier auch schon mehrfach davon die Rede - entstehen aber nicht durch Willensbekundung, sondern die entstehen in Zukunftsbranchen. Die rot-grün-schwarze Welt von Gut und Böse und dass jeweils derjenige von Ihnen, der an der
Macht ist, bestimmt, was für Menschen gut ist und wovor sie bewahrt werden müssen, das ist für kreative Köpfe ungefähr so attraktiv wie eine Schüssel Tofu für einen Leoparden. Kreative Menschen wollen Freiheit. Sie sind bereit, zu akzeptieren, dass es Grenzen gibt, dass verantwortungsvoller Forschung Grenzen gesetzt sind, aber sie fliehen naturgemäß vor ideologischer Kleinkariertheit. Deshalb fordere ich Sie auf, deshalb bitte ich Sie, machen Sie Thüringen zum Forschungsland in ethisch verantwortungsbewusster, aber von ideologischen Fesseln befreiter Politik, dann ist unser Land für Zukunftsbranchen attraktiv und dann hat unser Land eine Zukunft, weil junge Menschen hier eine Zukunft haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es hat in der Regierungserklärung der Ministerpräsidentin fast eine halbe Stunde gedauert, bis das Wort „Wirtschaft“, bis das Wort „kleine und mittelständische Unternehmen“ überhaupt das erste Mal gefallen ist. Dafür, dass Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern 90 Prozent der Unternehmen in Thüringen ausmachen, dafür, dass diese Unternehmen den überwiegenden Teil der Arbeitsplätze in unserem Land sichern, den größten Teil der Ausbildungsleistungen erbringen und übrigens auch den größten Teil der Steuern bezahlen, die Sie in Ihrer Koalition ausgeben wollen und, wie ich annehme, auch ausgeben werden, finde ich das ein bemerkenswertes Setzen von Prioritäten. Sie stellen sich mit dieser Fehleinschätzung, Frau Ministerpräsidentin, ganz unnötigerweise in eine Reihe mit insbesondere Ihrem Wirtschaftsminister, den wir gemeinsam auf einer großen Veranstaltung des Thüringer Mittelstandes am vergangenen Wochenende vermisst haben. Dort wurde der versammelte Thüringer Mittelstand von dem neu gewählten Wirtschaftsminister mit Missachtung gestraft - ein besonders trauriges Kapitel, wie ich finde. Mich würde schon interessieren, welche Botschaft Sie, Herr Minister, dem Mittelstand damit senden wollen.
(Zwischenruf Machnig, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Technologie: Ihre Rede hat gerade den Höhepunkt er- reicht.)
Was ist der Inhalt, was der Schwerpunkt Ihrer Wirtschaftspolitik? Es freut mich, dass Ihnen meine Rede so gut gefällt, Herr Minister.
Auf der einen Seite wollen Sie kleine und mittelständische Firmen unterstützen, aber auf der anderen Seite haben Sie angekündigt, Steuererleichterungen, die dem unternehmerischen Mittelstand sofort helfen würden, ihm sofort mehr Luft und mehr Liquidität verschaffen, Ihre Stimme zu verweigern. Wenn Ihnen der kleine Handwerker und Unternehmer tatsächlich am Herzen liegt, dann stimmen Sie den Vorschlägen zu, die letzte Woche im Bund zum Thema Reform der Erbschaftsteuer und der Unternehmensteuer vorgelegt worden sind.
Das wollen Sie nicht tun, wenn ich es recht verstanden habe. Was machen Sie stattdessen? Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, die Vergabe von öffentlichen Aufträgen an die Tarifbindung der Unternehmen zu knüpfen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist eine Benachteiligung, das ist das faktische Aus für viele kleine Handwerker, die sich an öffentlichen Aufträgen beteiligen wollen. Gerade der Ein- oder Zweimannbetrieb, der sich an solchen Ausschreibungen beteiligt, wird so systematisch benachteiligt. Gerade der selbstständige Handwerker achtet darauf, dass sein Betrieb läuft, dass Aufträge hereinkommen, dass er investieren kann. Das sind die Eckwerte, an denen er seine Kalkulation festmacht. Fragen Sie doch mal, welcher Selbstständige sich selbst tatsächlich einen Tariflohn zahlen kann am Ende des Tages, dann werden Sie merken, dass ich mit meiner Einschätzung recht habe.
Und weil wir gerade bei den Löhnen sind, liebe Kollegen von der CDU, ich bin entsetzt. Ich bin entsetzt, wie sehr Sie sich in Sachen gesetzlicher flächendeckender Mindestlohn von der SPD haben einwickeln lassen. Im Thüringer Koalitionsvertrag ist zu lesen, CDU und SPD wollen den Anteil derjenigen Branchen und Arbeitnehmer, für die ein Mindestlohn gilt, ausbauen. Im Koalitionsvertrag, den Sie mit uns, mit der FDP auf Bundesebene, ausgehandelt haben, steht dagegen geschrieben, einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn lehnen wir ab. Was denn nun? Was gilt?
Sie sollten sich noch einmal vor Augen führen - mit der linken Seite dieses Hauses versuche ich das gar nicht mehr, aber vielleicht führen Sie sich noch einmal vor Augen, liebe Kollegen von der CDU -, was ein Mindestlohn tatsächlich bedeutet. Ganz abge
sehen davon, dass es eine Aushebelung der Tarifautonomie ist - das wäre vielleicht ein Punkt, über den die Kollegen der SPD noch mal nachdenken sollten - und wir eine ausladende Kontrollbürokratie bekommen, führt ein Mindestlohn zwangsläufig zu mehr irregulärer, zu schwarzer Beschäftigung. Gerade im Niedriglohnsektor wird die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse, für die keine Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden, anwachsen. Deshalb sind gesetzliche Mindestlöhne schlicht der falsche Weg, um Lohndumping zu verhindern. Wir müssen den Menschen als Perspektive auf dem Weg in den ersten Arbeitsmarkt auch die Möglichkeit geben, über einen niedrig entlohnten, aber sozialversicherungspflichtigen Weg zu gehen. Dazu muss die Grenze für sozialversicherungsfreie Minijobs erhöht werden, so wie wir es im Bund übrigens auch vereinbart haben. Auch die Zuverdienstregelungen müssen übrigens so neu justiert werden, dass es sich lohnt, früh aus dem Haus zu gehen. Weil das hier schon gelegentlich angesprochen wurde: Das ist genau der Grund, weshalb wir dafür stehen, Steuern zu senken, meine sehr verehrten Damen und Herren, und das Steuersystem zu vereinfachen.
Wir wollen, dass mehr Menschen steuerpflichtige Arbeit bekommen, und wir wollen, dass Arbeiten gehen sich lohnt und von den Menschen als lohnend begriffen wird. Das weiß auch die CDU und hat es deshalb auf Bundesebene im Koalitionsvertrag vereinbart. Aber auch hier erhebt sich wieder die Frage: Was gilt denn nun?