Wir wollen, dass mehr Menschen steuerpflichtige Arbeit bekommen, und wir wollen, dass Arbeiten gehen sich lohnt und von den Menschen als lohnend begriffen wird. Das weiß auch die CDU und hat es deshalb auf Bundesebene im Koalitionsvertrag vereinbart. Aber auch hier erhebt sich wieder die Frage: Was gilt denn nun?
Übrigens, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN, bis vor 20 Jahren galt auch in den Bezirken Gera, Suhl und Erfurt ein Maximalsteuersatz von 90 Prozent bei einem betrieblichen Jahreseinkommen von über 500.000 Mark. Leistung wurde in der DDR bestraft. Im Jahr 1989 gab es schließlich niemanden mehr, der diesen Spitzensteuersatz bezahlen musste, weil es einfach niemanden mehr gab, der so viel verdient hat. Deswegen ist die Politik, die Steuern zu erhöhen und immer mehr Steuern zu erheben, die falsche. Hohe Steuern als Rettung für die Staatsfinanzen funktionieren nicht.
Es gab bestimmt eine ganze Menge Gründe für den Untergang der DDR. Staatlicher Reichtum hat dabei ganz bestimmt aber keine Rolle gespielt. Deshalb, Frau Ministerpräsidentin, haben Sie recht, wenn Sie sagen, es gäbe beim staatlichen Handeln kei
ne Herrschaft der Wirtschaft. Das ist richtig. Es gibt aber eine Kausalität, bei der das Erwirtschaften vor dem Ausgeben kommt. Das ist viel zu lange vernachlässigt worden, das gilt zu Hause genauso wie beim Staat und deshalb kämpft die FDP dafür. Deshalb sage auch ich hier deutlich, dass wir dafür stehen, dass Steuern gesenkt werden. Das ist kein Selbstzweck. Wir entlasten diejenigen, die Leistung bringen, wir entlasten die Mittelschicht, damit wir uns die vielen Dinge, die wir bezahlen wollen, überhaupt noch leisten können, damit es überhaupt noch jemanden gibt, der das Geld über Steuern zur Verfügung stellt.
Das ist keine Herrschaft, das ist kein Diktat, das ist schlichte Logik und Vernunft. Wenn Sie uns nun vorwerfen, wie betrieben Klientelpolitik, dann antworte ich, ja, genau das machen wir.
Unsere Klientel sind die ganz normalen Menschen da draußen, das sind ganz normale Familien, die arbeiten gehen wollen, die ihre Familien ernähren wollen, die morgens aufstehen, ihre Kinder zur Schule bringen oder in den Kindergarten und eben dann arbeiten gehen wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Für diese Menschen muss es sich lohnen. Wenn Sie diese Menschen bestrafen, dann lohnt es sich nicht mehr. Wenn es früh keinen Unterschied macht, ob sie liegen bleiben oder ob sie aufstehen,
dann bleiben sie liegen, das ist ganz einfach, dann funktioniert aber das ganze Gemeinwesen nicht mehr.
In die Reihe dieser Maßnahmen gehört auch das, was im Bundeskabinett vereinbart ist, nämlich die Erhöhung des Kindergelds und des Kinderfreibetrags. Das ist ein klares Bekenntnis zu den Familien in unserem Land, das ist ein klares Bekenntnis für die arbeitenden Familien in unserem Land. Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, und Sie, Frau Ministerpräsidentin, im Bundesrat gegen diese - wie Sie ja angekündigt haben - Maßnahmen stimmen, dann zeigt das doch deutlich, dass es zwischen den netten Worten im Koali
Das zeigt dann, welchen Stellenwert Sie tatsächlich der Unterstützung der Menschen und der Familien beimessen, die in unserem Land den Karren ziehen. Sie können in diesen Menschen nicht nur den Esel sehen, der den Karren zieht, und ihnen immer nur eine Möhre vor die Nase halten, damit die dann ewig laufen. Ich prophezeie Ihnen: Das geht auf Dauer nicht gut. Lassen Sie sich das ökonomische Schicksal der DDR an dieser Stelle eine Warnung sein.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, Zukunft schreibt sich Kinder, hat die Ministerpräsidentin gesagt, ein schönes Bild verbal, vielleicht etwas sperrig. „Kinderlärm ist Zukunftsmusik“, das war ein Slogan, den wir mal verwendet haben für im Kern dieselbe Erkenntnis. Kindern muss unsere ungeteilte Aufmerksamkeit gelten in jeder Phase und in jeder Facette ihrer Entwicklung. Vieles von dem, was Sie gesagt haben, Frau Ministerpräsidentin, findet an dieser Stelle unsere ausdrückliche Zustimmung: Kinderschutz, bestmögliche Entwicklungschancen, bestmögliche Bildung unabhängig von der sozialen Herkunft, Bildung auch als wesentliche Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Das sind Auffassungen, das sind Ziele, die gar keine andere Auffassung, gar keine abweichende Meinung zulassen.
Wir begrüßen deshalb ausdrücklich, dass z.B. geplant ist, einen grundständigen Studiengang für frühkindliche Pädagogik einzurichten. Qualifiziertes Personal ist in den Einrichtungen dringend nötig. Die Ausbildung muss schnell beginnen, damit diese ausgebildeten Erzieherinnen dann auch möglichst schnell zur Verfügung stehen. Qualifiziertes Personal brauchen wir auch an unseren Schulen.
Sie wollen ein Leitbild für das pädagogische Personal erstellen, lese ich in Ihrem Koalitionsvertrag. Was soll denn da drinstehen? Kompetenzen und Anforderungen an das pädagogische Personal. Wonach richten die sich denn jetzt? Wann soll das Leitbild fertig sein? Wann haben wir die ersten Erzieher, die diesem Leitbild entsprechend ausgebildet sind, tatsächlich auch auf dem Arbeitsmarkt verfügbar?
Sie sprachen von 2.500 Lehrern, die dem Freistaat aufgrund der demographischen Struktur der Lehrerschaft bis 2015 fehlen werden. Auch diese Lücke müssen wir schnell schließen, denn die entsteht nicht erst 2015, sondern, wie es im Koalitionsver
trag, wie ich finde, richtig geschrieben ist, bis 2015 gibt es einen permanenten Ersatzbedarf von 2.500 Lehrern. Hier ist ein Punkt, dass die Finanzierung für mich völlig unklar ist. Vielleicht ist damit erklärt, dass die Ziellinie 2015 nach dem Ende dieser Koalition liegt.
Sie haben die Schulen in freier Trägerschaft angesprochen. Sie wollen diese Schulen auch künftig angemessen finanziell ausstatten, wie Sie es formuliert haben. Das wirft für mich die Frage auf: Was ist denn angemessen? Warum sind Schüler an diesen Schulen dem Staat nicht genauso viel wert wie Schüler an staatlichen Schulen? Ich fordere Sie auf, diese Ungleichbehandlung zu beenden, denn die Kinder sind es, um die es geht. Egal, auf welche Schule sie gehen, wo sie lernen, alle Kinder müssen gleich viel wert sein und alle Kinder verdienen deshalb die gleiche Unterstützung seitens des Landes.
Das Land, meine sehr verehrten Damen und Herren, muss im Landeshaushalt ein klares Bekenntnis auch für eine langfristig gute Bildungsqualität schaffen, das haben Sie gesagt. Die Landesregierung muss aber auch klarmachen, in welchen Ressorts im Gegenzug eingespart werden muss. Das sind Sie, wie vieles andere leider auch, schuldig geblieben.
Ich will Ihnen jetzt nicht nacheifern und für jede einzelne Interessengruppe und jedes einzelne mehr oder weniger wichtige Einzelthema noch zwei Zeilen verwenden. Ich entschuldige mich deshalb summarisch bei allen Interessenverbänden und Interessenvertretern, die ich jetzt vergessen habe. Aber Wirtschaft und Bildung sind die Säulen, auf denen unsere Gesellschaft steht, deshalb muss diesen beiden Themen die prioritäre Aufmerksamkeit gelten. Wenn diese beiden Bereiche funktionieren, dann können wir uns in allen anderen Bereichen auch viel Wünschenswertes leisten. Erreichen wir das nicht, bleibt eine sorgenarme Zukunft Utopie.
Sie haben gesagt, Frau Ministerpräsidentin, wir können nicht alles haben, wir können uns nicht alles leisten. Das hat die meisten von uns hier im Saal und die meisten der Zuschauer und Zuhörer im Land bestimmt nicht überrascht, das haben die meisten längst geahnt. Was Sie nicht gesagt haben, ist, was können wir denn haben, was können wir uns denn im Gegenzug nicht leisten. Das hätte uns im Saal und das hätte die Menschen an den Empfangsgeräten draußen bestimmt auch sehr interessiert.
Sie haben gesagt, Aufgabe Ihrer Regierungserklärung ist es nicht, den Koalitionsvertrag zu referieren. Das fand ich richtig. Dass Sie uns allerdings die ganze Prosa des Koalitionsvertrags lediglich in ein
Bevor ich die nächsten Rednerinnen und Redner aufrufe, möchte ich darüber informieren, dass die Parlamentarischen Geschäftsführer eine Vereinbarung getroffen haben, dass wir jetzt nicht in die Mittagspause gehen, sondern die Aussprache zur Regierungserklärung beenden. Danach gibt es eine halbstündige Mittagspause und danach folgen wir dem Ablauf, den wir heute Morgen besprochen haben, so dass wir also nach dieser Mittagspause die Tagesordnungspunkte Wahlen, dann 13 und 14 aufnehmen und eigentlich um 17.00 Uhr den letzten Aufruf haben. Das ist dann so eine kreative Aufgabenstellung auch an die Parlamentarischen Geschäftsführer, das alles unter einen Hut zu bringen.
Es gibt im Moment zwei Redeanmeldungen, eine ist von Frau Astrid Rothe-Beinlich und eine von Herrn Minister Matschie. Den Herrn Minister müsste ich eigentlich zuerst drannehmen laut unserer Geschäftsordnung, es sei denn, er sagt, er lässt den Abgeordneten den Vortritt.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich würde Herrn Matschie gern vorher hören.)
Diesem charmanten Wunsch kann ich mich gar nicht entziehen, will ich auch nicht, sondern möchte hier gern einiges deutlich machen. Die Koalition, für die die Ministerpräsidentin die Regierungserklärung heute vorgetragen hat, ist eine Koalition der neuen Wege, das ist eine Koalition, die die Zukunft fest im Blick hat. Wir jammern nicht über das, was noch nicht so gut ist, sondern wir werden gemeinsam anpacken, damit es besser werden kann. Mir ist auch nicht entgangen, dass einige mit dieser Koalition noch so ihre Probleme haben. Herr Ramelow, Herr Barth, sehen Sie es mir nach, aber Ihre beiden Reden hatten immer noch etwas von einem verschmähten Freier, der doch auch gern die Braut gehabt hätte. Ich glaube, Sie sollten sich alle beide auf die Rolle einstellen, die Sie für die nächsten fünf Jahre hier im Parlament haben, und diese Rolle gut ausfüllen, dann ist allen gedient.
Ich will ein Zweites dazu sagen bei der Debatte um die Koalitionen: Eines ist doch völlig klar, es kann keine Koalitionen aus Prinzip geben, es kann aber auch keine Koalitionen aus Prinzip nicht geben, sondern Koalitionen, so ist das in der Demokratie, die entstehen dann, wenn es ausreichend inhaltliche Gemeinsamkeit gibt, wenn es den gemeinsamen Willen gibt, das auch politisch auf den Weg zu bringen, und wenn es Partner gibt, die in der Lage sind, das gemeinsam anzupacken. Alle Voraussetzungen, die ich eben genannt habe, sind in dieser Koalition gegeben. Eines, Herr Barth, gestatten Sie mir an dieser Stelle auch, Sie haben von Ihrer Klientel gesprochen, das sei das Volk da draußen.
Ja, in gewisser Weise schon. Aber, ich glaube, zur Ehrlichkeit im Parteiensystem und in der Demokratie gehört dazu, dass wir verstehen, dass keine Partei das ganze Volk vertritt, sondern dass jede Partei auch bestimmte Interessengruppen im Volk vertritt. Natürlich haben wir alle den Anspruch, ein möglichst breites Interessenspektrum zu vertreten, aber keiner sollte sich anmaßen, für alle zu reden, wenn wir hier als Parteien in der Demokratie agieren.
Die neue Koalition wird neue Wege gehen; das muss sie auch, denn wir müssen wichtige Fragen weiterdenken, die unsere Gesellschaft beschäftigen. Da ist es gut, wenn es auch einen neuen Stil gibt. Herr Ramelow, Sie haben den mehrfach eingefordert in Ihrer Rede. Leider haben Sie den alten Stil gepflegt. Sie haben
geklagt, Sie haben sich beschwert darüber, dass DIE LINKE nicht wirklich ernst genommen wird, dass sie stigmatisiert wird, dass sie an dieser oder jener Sache nicht beteiligt ist. Ich möchte hier wirklich für einen neuen Stil werben. Das heißt für mich, dass wir hier in diesem Parlament gemeinsam darüber diskutieren, wie diese neuen Wege gestaltet werden müssen. Ich möchte hier über Politik streiten. Ich möchte nicht darüber streiten, wer, wann, wo zu kurz gekommen ist, sondern ich möchte mit Ihnen allen
darüber diskutieren, wie wir in wichtigen Politikfeldern vorankommen. Ich will drei Felder, drei wichtige Fragen einmal exemplarisch benennen, die hier in der Debatte eine Rolle gespielt haben. Wir müssen in der Bildungspolitik weiter denken, auch wenn klar ist, dass Thüringen so schlecht im gesamtdeutschen Konzert nicht dasteht. Trotzdem gibt es Fragen, die wir beantworten müssen. Wie gehen wir denn mit Bildungschancen von Kindern um in einer Gesellschaft, in der die Spanne zwischen Arm und Reich wächst? Ich sage, diese Spanne wächst trotz auch aller politischen Anstrengungen, Gesellschaft zusammenzuhalten. Wie gehen wir damit um in der Bildungspolitik, um trotzdem möglichst vielen Kindern gute Bildungschancen zu erhalten? Wie gehen wir um mit Bildungspolitik in einer Gesellschaft, in der es weniger Kinder gibt und wo dieser Geburtenknick durch die Bildungsinstitutionen hindurchläuft? Wie beantworten wir die Strukturfragen, die damit entstehen? Wie gehen wir um mit der Bildungspolitik in einer Gesellschaft, in der es einen Teil gibt, der in dieser beschleunigten Gesellschaft Motor ist, international orientiert, mehrere Sprachen spricht, in der Welt unterwegs und in der es einen anderen Teil der Gesellschaft gibt, der sich kaum vor die Haustür traut, der sich sozial im Abseits fühlt, wo Menschen den Mut verloren haben? Wie bringen wir das bildungspolitisch zueinander? Wie organisieren wir Chancen in einer solchen Gesellschaft? Darüber möchte ich gern diskutieren. Wir bringen neue Schritte auf den Weg. Wir haben uns darüber verständigt, dass wir die frühkindliche Bildung ausbauen, weil das der erste Punkt ist, wo es um die Chancengleichheit geht, wenn Kinder aus ganz unterschiedlichen Familien kommen. Deshalb hat sich die Koalition vorgenommen, ja, wir wollen das, was das Volksbegehren in den letzten Jahren entwickelt und gefordert hat, aufgreifen, wir wollen frühkindliche Bildung verbessern, wir wollen 2000 zusätzliche Erzieherinnen einstellen.
Nun ist auch jedem klar, dass wir die nicht sofort zur Verfügung haben, dass das kein einfacher Weg wird, aber wir müssen ihn zusammen anpacken. Wer da nur davor warnt, ja, das könnte ja jetzt sein, dass da nicht mehr ausreichend ausgebildete Fachkräfte in die Kindergärten kommen, das hilft doch nicht weiter, sondern lassen Sie uns doch gemeinsam darüber nachdenken, wie wir möglichst schnell möglichst gut qualifiziertes Personal in die Kindergärten bringen. Wir wissen auch, dass wir da unter Zeitdruck stehen. Wir haben uns vorgenommen, dass wir bis Ende Januar Klarheit in dieser Frage schaffen, denn wir wollen denjenigen, die da unterwegs waren im Volksbegehren, das klare Signal geben, ihr müsst jetzt nicht mit den Unterschriften starten, sondern das, was ihr wolltet, das nimmt die Politik auf, das