Protokoll der Sitzung vom 10.12.2010

Den erbetenen Bericht zur aktuellen Situation des Thüringenjahrs möchte ich an dieser Stelle nur kurz fassen: Mit dem zum 1. November 2003 neu eingeführten Thüringenjahr wurden die vorhandenen Freiwilligen Jahre - Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ), Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ), Freiwilliges

Soziales Jahr im kulturellen Bereich (FKJ) sowie Freiwilliges Jahr in der Denkmalpflege (FJD) - in Thüringen bundesweit vorbildhaft als eigenständiges Förderprogramm zusammengeführt. Auf der gesetzlichen Grundlage des aktuellen Jugendfreiwilligendienstgesetzes vom 26. Mai 2008 konnten mit Einführung des Thüringenjahrs die möglichen Einsatzbereiche erheblich ausgeweitet, neue Tätigkeitsbereiche erschlossen und das Trägerspektrum erweitert werden. Die bis dato bestehenden Einsatzfelder im FSJ wurden neben dem klassisch sozialen Bereich Gesundheit, Jugend und Familie auch auf den Sport, die Kultur und die Denkmalpflege ausgeweitet. Dies entsprach auch den Nachfragen und Interessen junger Menschen, ihr Thüringenjahr dort zu leisten. Diese Ausweitung erfolgte auch aufgrund der Möglichkeit, das Thüringenjahr im Rahmen des Operationellen Programms für den Einsatz des Europäischen Sozialfonds im Freistaat Thüringen bereits seit 2004 zu fördern. Jährlich werden dafür 2,6 Mio. € ESF-Mittel bereitgestellt.

Insgesamt haben in Thüringen gegenwärtig über 1.400 junge Menschen die Möglichkeit, in den Bereichen Soziales, Gesundheit, Jugend, Kultur, Schule, Denkmalschutz, Sport sowie Natur- und Umweltschutz ein Jahr lang praktisch für sich und andere tätig zu werden. 21 zugelassene Träger tragen Gesamtverantwortung für die Durchführung des Thüringenjahrs. Neben dem praktischen Einsatz der jungen Menschen in den verschiedensten Einsatzplätzen, wo sie arbeitsmarktneutral neben den Fachkräften in den Einrichtungen eine Vollzeittätigkeit ausüben und vorrangig helfend und unterstützend tätig werden, finden pro Jahr mindestens 25 Seminartage in Form von Block- und Einzelseminaren statt. Dabei werden persönlichkeitsbildende gesellschafts-, umwelt- und sozialpolitische sowie fachliche Themen angesprochen und auf den praktischen Einsatz und die Berufs- und Studienorientierung behandelt. Der eigenen Projektarbeit wird besonders in den Bereichen Kultur und Denkmalpflege große Aufmerksamkeit gewidmet.

Ich möchte hier nicht alle Einzelheiten, Tätigkeiten, die von den Freiwilligen geleistet werden, Träger und Rahmenbedingungen aufführen, sondern verweise auf die neugestaltete Homepage zum Thüringenjahr. Sie ist unter www.thueringenjahr.de zu erreichen.

Insgesamt entstehen pro Monat und Freiwilligen zirka 620 € Kosten. Finanziert wird das Thüringenjahr aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds, des Freistaats Thüringen, des Bundes, aber auch aus Eigenmitteln der Einsatzstellen. Der ESF stellt jährlich rund 2,6 Mio. € zur Verfügung. Für das Thüringenjahr in den Bereichen Soziales, Gesundheit, Jugend, Kultur, Schule und Sport werden pro Zyklus jährlich bis zu 600.000 € aus Mitteln der Jugendhilfe bereitgestellt. Die Einsatzstellen im FSJ beteili

(Ministerin Taubert)

gen sich mit 280 bis ca. 500 € an den monatlichen Ausgaben. Im FEJ sind es durchschnittlich 185 €.

Wie Sie sicher selbst von Ihrer Arbeit vor Ort wissen, ist eine Erhöhung der Einsatzstellenpauschalen mit Blick auf die angespannte Haushaltslage in vielen Bereichen auch nicht mehr möglich.

Meine Damen und Herren, ich möchte nochmals betonen, Jugendfreiwilligendienste sind Bildungsdienste als besondere Form des bürgerschaftlichen Engagements. Dieses in seiner jetzigen Form zu erhalten und auszubauen, sollte unser Ziel sein. Es war auch unser Ziel in der Kommunikation mit dem Bund. Sie wissen ja, dass der freiwillige Zivildienst eingeführt wird. Das bedeutet natürlich, wir mussten uns auch in Thüringen entscheiden, wollen wir diese Doppelstruktur - einmal der freiwillige Zivildienst, zum anderen das Thüringenjahr -, bringen wir so etwas in den Bundesrat ein - zum Beispiel die Bayern haben das unbedingt nochmals gewollt oder verständigen wir uns auch im Sinne der Sache und der Gleichbehandlung der Jugendlichen darauf, dass wir in Summe den freiwilligen Zivildienst unterstützen. Wir haben uns für diese Form entschieden, auch wenn es mir persönlich zunächst erst einmal lieber gewesen wäre, wenn der Bund den Ländern dieses Geld übergeben hätte und wir dann gemeinsam etwas Ähnliches oder Gleiches wie das Thüringenjahr hätten weiterführen können. Das wäre für uns attraktiver gewesen, aber für die Jugendlichen ist es natürlich wichtig, dass wir viele Einsatzstellen gewinnen. Ich muss auch sagen, dass im Rahmen der Diskussion im Laufe des Jahres gar nicht so von den Trägern im sozialen Bereich die Aufschreie kamen, was den Zivildienst betraf. Viele haben sich schon umorientiert und haben sich auf fest angestelltes Personal orientiert. Mehr war dagegen zu hören von den vielen kleinen Trägern, für die es natürlich wichtig ist, dass sie auch Freiwilligendienste und Zivildienst bei sich haben. Insgesamt können wir eben nicht ganz genau sagen, wo wer wie eingesetzt ist. Das ist einfach pauschal. Das können Sie bei den vielen Trägern des Zivildienstes nicht feststellen. Für uns ist wichtig, dass wir auch in Zukunft die Möglichkeit haben, jungen Menschen entweder im Rahmen des freiwilligen Zivildienstes oder des Thüringenjahrs Angebote zu machen, damit sie sich orientieren können. Für uns ist natürlich auch wichtig, dass in Ost wie West gleichermaßen bezahlt wird. Ich glaube, auch das war wichtig. Im Verlaufe der Diskussion haben Sie gemerkt, dass die Einsatzstellen im Osten am Ende benachteiligt gewesen wären und die Jugendlichen auch. Wer in den vergangenen Jahren die Entgelte der Jugendlichen ein bisschen verfolgt hat, der konnte schon sehr gut feststellen, dass es nicht unbedingt attraktiv war, im Osten, auch in Thüringen ein Freiwilliges Soziales Jahr mitzunehmen, sondern das war wesentlich attraktiver auch in Westdeutschland.

Ich bin ebenfalls der Meinung, wir sollten noch mal abwarten, wie sich das jetzt entwickelt, wie wir mit dem freiwilligen Zivildienst hinkommen. Wir bleiben, das kann ich Ihnen versprechen, gemeinsam im Gespräch, die Bundesländer mit dem Bund, wie sich auch die Entwicklungen darstellen. Für uns ist wichtig, dass wir jedem, der es wünscht, und das können wir heute schon tun, auch ein Angebot machen. Vielleicht kann man es auch ausdehnen.

Ich bitte noch mal, Frau König, mal abgesehen von der Frage, die Sie vorhin gestellt haben, und meiner Antwort zu bedenken: Wenn wir die Stellen bei Parteien aufmachen würden, halte ich dies tatsächlich inhaltlich nicht für richtig. Wir haben so viele politische Stiftungen. Jede Partei, jede demokratische, die hier im Hause sitzt, hat eine ihr nahe stehende politische Stiftung. Da ist viel möglich. Auch im Austausch ist viel möglich. Auch ich weiß, dass die Stiftungen sich untereinander austauschen. Es ist nicht so, dass jede für sich nur ihr Ding macht, sondern es gibt viele Gemeinsamkeiten, manchmal finden auch gemeinsame Veranstaltungen statt. Da können doch die Jugendlichen viel mehr Demokratie lernen, als wenn man das nur einseitig als Freiwilliger in einer Partei macht. Ich halte das für nicht gut, weil wir sonst tatsächlich als Parteien in den Geruch kommen, dass wir uns nur billiges Personal besorgen. Ich denke, das müssen wir verhindern.

(Beifall CDU, FDP)

Ich will das noch mal konkretisieren, was ich im Bericht jetzt auch gesagt habe, denken Sie an die vielen Gedenkstätten, die wir in Thüringen haben, die Grenzlandmuseen, wir haben in Buchenwald die Gedenkstätte. Gerade an den Stellen kann man sehr gut erkennen, wie auch Staaten, wie Diktaturen mit ihren Menschen umgehen. Ich denke, das ist die beste Geschichtserziehung, die man haben kann. Wenn Sie mal bedenken, wer geht denn im Freiwilligendienst auch in eine Partei. Wer will das kennenlernen, schon mit dem Ziel, dass er eventuell - und da mache ich ein großes Fragezeichen wohin geht.

Ich bin der Überzeugung, dass Parteien doch zunächst einmal Orte sind, in denen man sich politisch auseinandersetzt, bestimmte Themen bearbeitet. Das geschieht doch zuallererst im Ehrenamt. Es kann doch nicht sein, dass so ein Freiwilliges Jahr darauf vorbereitet, Berufspolitiker zu werden. Auch das empfehle ich immer den Politikwissenschaftsstudenten, die dann auch bei uns mal zum Beispiel ein Praktikum machen; das ist eine andere Situation. Wenn man die fragt, was sie werden wollen, manch einer will Journalist werden. Das ist okay, dann kann er das machen. Aber mit dem Ziel, Politiker zu werden, sich jetzt in so ein Freiwilliges Jahr zu begeben, ich denke, das wäre für mich nicht angemessen; da schränkt man sich meines Erachtens schon viel zu stark ein. Deswegen, den

(Ministerin Taubert)

ke ich, sollten wir schauen, dass wir hier in Thüringen gemeinsam mit den anderen Bundesländern aber auch die Stellen, die wir jetzt in Zukunft haben, ausfüllen und am Ende in ein oder zwei Jahren mal sehen, was daraus geworden ist.

Ich will vielleicht noch ergänzend dazu sagen, wenn Sie auf den freiwilligen Zivildienst und auf die freiwilligen Dienste schauen, ist ja die Orientierung mittlerweile nicht nur auch auf ganz junge Leute, die wir immer im Blick haben, wir schauen, macht jemand das Abitur und entscheidet sich dann, bevor er ein Studium beginnt, in so einen freiwilligen Dienst oder Zivildienst einzusteigen. Mittlerweile soll es ja erweitert werden eben auch für ältere Leute. Auch da bin ich sehr gespannt, was daraus wird, wer sich da bewirbt, welche Einsatzstellen da zur Verfügung gestellt werden. Ich hoffe natürlich auch, dass die Einsatzstellen auch diese Menschen nicht einfach ausnutzen, sondern sie so einsetzen, wie man das will, nämlich dass die Menschen ein Stück weit Einblicke bekommen in die soziale, in die ökologische oder auch in die kulturelle Arbeit. Wir haben an der Stelle viele Notwendigkeiten, auch im ökologischen Bereich zum Beispiel, Herr Reinholz sitzt ja da. Er könnte ja auch einmal erzählen, was im ökologischen Bereich alles läuft.

(Unruhe und Heiterkeit im Hause)

Wir haben gerade im Forstbereich oder wenn Sie an die Forstämter denken, was die Waldjugendspiele betrifft, auch da können wir gut junge und auch ältere Leute einsetzen. Es würde, denke ich, nicht schaden, wenn wir den einen oder anderen jungen Menschen dort einsetzen.

(Beifall CDU, SPD)

Es gibt eine Wortmeldung, wenn das Ihre Frage war.

Gibt es jetzt eine Wortmeldung an mich?

Nein, es gibt eine weitere Redemeldung. Aber ich hatte Sie so verstanden, als ob das im Prinzip die Frage war. Frau König hat sich noch einmal zu Wort gemeldet für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, bei allem Interesse an einem pünktlichen Feierabend muss ich ehrlich sagen, finde ich das nicht gut, wenn man bei diesem Thema versucht, möglichst lange zu reden, damit bloß

18.00 Uhr erreicht wird und kein weiterer Tagesordnungspunkt aufgerufen wird.

(Unruhe im Hause)

(Zwischenruf aus den Fraktionen der CDU und SPD: Unterstellung!)

Ja, mit Unterstellungen arbeite ich gern. Ich finde das dem Thema wirklich nicht gerecht. Frau Ministerin Taubert, Sie haben angesprochen, dass die positiven Erfahrungen der Jugendfreiwilligendienstgesetze beispielsweise das Erlernen der Kritik und Konfliktfähigkeit sind, sagen aber gleichzeitig, dass Politik kein geeignetes Feld wäre, um das beispielsweise zu erlernen.

Frau König, Entschuldigung, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Emde?

Nein.

Nein, es tut mir leid.

Nein, das ist einfach ein Grundsatz, ich rede nicht mit jedem.

(Unruhe CDU)

Ich weiß nicht, wo man besser Konflikt- und Kritikfähigkeit erlernen kann als gerade in der Politik, halte ich für einen Widerspruch.

Dann, Frau Taubert, Sie hatten mich zwar gebeten, abzusehen von Ihrem ersten Satz zum Thema Überwachungsstaat. Ich möchte Ihnen trotzdem wenigstens einige Punkte nennen, die heutzutage für einen Überwachungsstaat sprechen. Das ist Rasterfahndung, das ist Präventivgewahrsam, wie er beispielsweise beim G 8-Gipfel im Vorfeld erfolgte, das sind Einschränkungen des Datenschutzes, das sind Einschränkungen der informationellen Selbstbestimmung. Die informationelle Selbstbestimmung ist letztendlich der Gegenspieler sozusagen zum Überwachungsstaat. Das sind aber auch Kameraüberwachung öffentlicher Plätze, die Aufzeichnung von Bewegungsprofilen, biometrische Datenbanken, Ausländerdatenbanken, Telekommunikationsüberwachung und Ähnliches mehr.

Frau Taubert, mir zu unterstellen, dass ich einen Überwachungsstaat fordere, halte ich für vollkommen verfehlt als Erstes. Und als Zweites, wann und wie und wo ein Überwachungsstaat existiert, glaube ich, da sollten wir uns alle viel stärker auch mit den jeweils aktuellen Gegebenheiten auseinander

(Ministerin Taubert)

setzen, ohne das, was in der Vergangenheit passiert ist dabei zu missachten. Danke schön.

Gut, wir sind jetzt beim Thema Freiwilliges Soziales Jahr in der Politik und es gibt eine weitere Wortmeldung des Abgeordneten Meyer aus der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch dieser Redebeitrag wurde dem Thema nicht gerecht und auch unserem Parlament nicht.

(Beifall CDU, SPD)

Deshalb bin ich aber nicht nach vorn gekommen, obwohl ich auch der Meinung bin, dass wir in diesem Parlament mit jedem reden können, müssen und sollen,

(Beifall FDP)

wenn auch vielleicht nicht immer gern, zugegeben, das geht mir auch so.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Deshalb dem Thema angemessen, noch ein Beitrag zu dem Thema. Keine Sorge, ich werde Sie nicht bis halb Sieben belästigen.

Frau Ministerin, vielen Dank für Ihre ausführlichen Ausführungen. Ein Aspekt davon ist mir wichtig, das sind die einzelnen Trägerdienste. Wir werden tatsächlich in wenigen Jahren darunter leiden, dass es dann zu wenige gibt, einfach aus demographischen Gründen, deutschlandweit gesprochen. Ich wiederhole dann sozusagen das Thema, das ich eben mit einer Zwischenfrage schon angerissen habe. Wir sollten uns sehr nachdrücklich europamäßig dafür aussprechen, dass in der nächsten Förderperiode genau diese Möglichkeit, Freiwillige aus Europa nach Thüringen in diese Einsatzstellen zu holen, viel stärker genutzt werden kann, möglicherweise müssen wir es auch mit unterstützen als Land, dass wir uns da reinbegeben, jetzt ist die Zeit dazu, in Europa genau diese Weichen zu stellen. Das heißt, die Einsatzstellen gieren geradezu danach, Menschen zu bekommen, die das Ganze erfüllen, übrigens - nebenbei bemerkt - auch sehr gern die Parteien.

Das Thema Demokratieeinübung ist durchaus nicht so selbstverständlich in Europa, wie wir das uns immer vorstellen, von wegen, da wird man hinterher Politiker. Man kann in einem Büro eines Wahlkreisabgeordneten durchaus etwas lernen.

Mein Appell heißt, lassen Sie uns das Thema im Justizausschuss aufrufen, wenn es darum geht, wie die Förderanträge in der nächsten Periode ab 2013 gestellt werden. Vielen Dank.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen herzlichen Dank, Herr Meyer. Gibt es weitere Wortmeldungen zu diesem Thema? Das ist nicht der Fall.