Protokoll der Sitzung vom 19.01.2011

(Unruhe im Hause)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Nachzäh- len!)

Gibt es einen Geschäftsordnungsantrag? Ich sehe das nicht. Damit ist der Antrag an den Ausschuss überwiesen. Die Reihen der SPD sind leerer.

Wir hatten uns bei der Tagesordnung verständigt, dass der Tagesordnungspunkt 11 jetzt beraten wird, vorhin ist der Tagesordnungspunkt 15 beraten worden.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf

Chancen bieten, Potentiale nutzen - Anerkennung der von Migranten im Herkunftsland erworbenen Berufs- und Hochschulabschlüsse erleichtern Antrag der Fraktion der FDP - Drucksache 5/1708

Wünscht die Fraktion der FDP das Wort zur Begründung? Nein. Dann eröffne ich die Aussprache. Als Erste zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Kanis von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, Bildung, Ausbildung und Arbeit, das sind ganz wichtige Faktoren für eine gelingende Integration. Dieses Thema ist nicht nur für die Betroffenen von existenzieller Bedeutung, sondern Deutschland profitiert vom Wissen und Können der Menschen, die ihre vielfältigen Erfahrungen einbringen. An der Anerkennung der Berufsabschlüsse hängen verschiedene Komponenten, drei davon möchte ich nennen: Das ist einmal die Anerkennung von bereits erbrachten Leistungen. Der Stolz auf bereits Geleistetes stärkt das Selbstbewusstsein und ver

bessert natürlich auch die soziale Stellung. Wenn ich etwas bin, wenn ich etwas geschafft habe, dann habe ich eine ganz andere Stellung und ein ganz anderes Umgehen im sozialen Bereich. Auch die Verbundenheit mit …

(Unruhe im Hause)

Ich denke, jetzt ist genügend Aufmerksamkeit, Frau Kanis, ja?

(Beifall DIE LINKE)

Auch die Verbundenheit mit neuer Lebenswelt wächst, wenn die Zufriedenheit sich steigert. Und Zufriedenheit erreiche ich eigentlich auch durch ein erfülltes Berufs- und Arbeitsleben, und das natürlich, wenn möglich, im erlernten Beruf.

Das Nutzen von Ressourcen ist eine zweite Komponente. Der Mangel an Fachkräften wird immer offensichtlicher und wichtige innovative Ansätze bleiben ungenutzt. Ein Ingenieur, der als Hilfsarbeiter Maschinen putzt, ein Taxi fahrender Arzt oder ein Chemiker oder Architekt ohne Anerkennung, geht im Prinzip verloren. Dazu gehört natürlich auch das voneinander Lernen, denn der Erfahrungsaustausch bleibt oft ungenutzt.

Der dritte Aspekt, den ich erwähnen möchte, ist die abschlussbezogene Entlohnung. Als Fachkraft, das ist ganz klar, bekomme ich einen anderen Lohn als wenn ich als ungelernter oder fachfremder Arbeitnehmer gelte. So wird es den Menschen ermöglicht, für sich und ihre Familien eher eine andere Lebensführung zu gestalten. Sie sind frei von finanzieller Unterstützung des Staates und das ist natürlich auch ein Stück Freiheit, die ihrer Menschenwürde angemessen ist.

Welchen Weg dahin müssen wir gehen? Ich denke, das Wichtigste ist das Schaffen einer übersichtlicheren Herangehensweise, in meinen Augen gegeben durch eine zentrale Anlauf- oder Informationsstelle, wo fach- und sachkundiges Personal auch interdisziplinär agieren kann und natürlich muss. Wichtig ist, dass die Leute vor Ort wissen, wo sich Migranten hinwenden müssen. Das betrifft nicht nur die ARGE oder das Sozialamt, sondern im Prinzip auch alle betreuenden sozialen Dienste.

Damit ist die Zuständigkeit in meinen Augen ganz klar geregelt. Es entstehen keine Zeitverluste und unnötige Verfahren werden vermieden. Es entstehen dadurch einheitliche Bescheide und es gibt einheitliche Kriterien auch für die Anerkennung der Berufsabschlüsse. Dabei geht es nicht nur um Kompetenzfeststellung, sondern Berufserfahrung sollte genauso eine Rolle spielen wie die Anerkennung formaler Abschlüsse.

(Präsidentin Diezel)

Ein zweiter wichtiger Punkt auf dem Weg ist, dass der Rechtsanspruch für alle Menschen verwirklicht wird, die ihre im Ausland erworbenen Abschlüsse einer Prüfung unterziehen möchten. Es ist eine gezielte Information über vielleicht bestehende Defizite unter Einbeziehung der einschlägigen Berufserfahrungen möglich. Eine verstärkte Teilanerkennung und der Ausbau der Möglichkeiten von gezielter Nachqualifizierung auf Modulbasis sollte erreicht werden, um gleichwertige Qualitätsstandards zu erreichen.

Als Fazit: Eckpunkte der Bundesregierung zur Verbesserung und Anerkennung von im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikationen und Berufsschulabschlüssen sind für mich und meine Fraktion ein erster Schritt. Thüringen muss sich an der Diskussion im Bund intensiv beteiligen, versuchen, eine einheitliche Lösung der Probleme anzustreben, um die eingangs erläuterten Punkte schnell und für die Integration der hier lebenden oder neu einwandernden Menschen, aber auch zur Unterstützung der Wirtschaft in Deutschland zu lösen.

Über die einzelnen Punkte des FDP-Antrags sollten wir daher im zuständigen Fachgremium weiterberaten. Ich beantrage für meine Fraktion die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Kanis. Als Nächste spricht Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein sehr wichtiges Thema, wenn auch zu sehr später Stunde, nichtsdestotrotz glaube ich, dass es auch die Aufmerksamkeit verdient haben sollte. Immerhin leben in Deutschland etwa 2,8 Mio. Zuwanderinnen und Zuwanderer, die einen Abschluss mitgebracht, hierhergebracht haben, darunter 800.000 Akademikerinnen und Akademiker. Dennoch werden die großen Chancen, die sich aus dem Potenzial dieser Bildungsressourcen für unsere Wissensgesellschaft, für uns alle und auch für unsere Zukunftsfähigkeit ergeben, weitgehend vertan, auch mit Blick auf die Integration im Übrigen, natürlich auch mit Blick auf den Arbeitsmarkt und auch und gerade mit Blick darauf, dass wir einen Fachkräftemangel schon jetzt haben.

Ein Großteil des Potenzials bleibt deshalb ungenutzt, weil die Möglichkeiten, ausländische Abschlüsse in Deutschland formal anerkannt zu bekommen, völlig unzureichend sind. Laut der Studie „Brain Waste“ nahmen zum Beispiel nur 16 Prozent

aller Migrantinnen und Migranten mit einem im Ausland erworbenen Abschluss ihren erlernten Beruf wieder auf. Aber es sind nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund betroffen, sondern eigentlich fast alle, die sich in Deutschland um die Anerkennung ihrer im Ausland erworbenen Bildungs- und Berufsqualifikationen bemühen.

Man muss sich jetzt natürlich fragen, wo ist das Problem. Diese Menschen scheitern immer wieder an intransparenten Verfahren und auch an einer Vielzahl zuständiger Stellen, Ansprechpartnerinnen und natürlich auch an Restriktionen. Ohne formale Anerkennung aber droht ihnen die Abwertung ihrer vorhandenen Qualifikationen, viele bleiben erwerbslos oder arbeiten deutlich unterhalb ihres vormals erreichten Ausbildungsniveaus. Sehr viele von ihnen müssen auch als sogenannte Ungelernte zu Niedriglöhnen und in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten. Die Defizite bei der Anerkennung bestehen hier in vielfacher Hinsicht, und zwar sowohl rechtlich als auch verfahrenstechnisch und finanziell, aber auch mit Blick auf das fehlende Angebot von Beratungsmöglichkeiten, Zertifizierungsstellen, Brückenmaßnahmen und Anpassungsqualifizierungen. Die Chance, dass ein im Ausland erworbener Berufs- oder Studienabschluss bei uns tatsächlich anerkannt wird und Anerkennung findet, hängt an einer Reihe von vielfältigen Faktoren. Zentral ist zum Beispiel die jeweilige Rechtsstellung der Betroffenen. Diese Verschwendung von Bildungspotenzial ist nicht nur gegenüber den Betroffenen extrem ungerecht und aus Gründen der Teilhabegerechtigkeit völlig inakzeptabel, sie bedeutet auch einen enormen Verlust insgesamt für unsere Gesellschaft. Schlechte Arbeitsmarktintegration wirkt sich negativ sowohl auf die individuellen Entwicklungschancen der Einzelnen aus, hat aber auch negative Folgen für gesellschaftliche Innovationsprozesse, für unsere Steuereinnahmen und auch für die Sozialsysteme und nicht zuletzt mit Blick auf den eben schon von mir angesprochenen demographischen Wandel, den zunehmenden Fachkräftemangel und die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit. Auch im internationalen Vergleich sind wir dringend angewiesen, dass die im Ausland erworbenen Bildungs- und Ausbildungspotenziale tatsächlich auch Anerkennung finden. Dass die Anerkennungsmöglichkeiten grundlegend verbessert werden, liegt auch im Interesse vieler Unternehmen, im Übrigen auch kleiner und mittelständischer Unternehmen, die das immer wieder deutlich machen auch hier in Thüringen. Schließlich sind sie als mögliche Arbeitgeber oder Arbeitgeberinnen oftmals gar nicht in der Lage, die im Ausland erworbenen Abschlüsse und Kompetenzen zu bewerten und einzuschätzen.

Wie groß das tatsächliche Ausmaß derer ist, die aufgrund unzureichender Anerkennungsmöglichkeiten disqualifiziert werden, ist unklar. Belastbare

(Abg. Kanis)

Zahlen zur akademischen und beruflichen Anerkennungsproblematik wurden bislang nicht in ausreichendem Umfang erhoben, aber es gibt Daten, die Rückschlüsse auf das Problem insgesamt zulassen. Wir wissen, dass z.B. das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Mai 2009 davon ausging, dass von den Zugewanderten Erwerbstätigkeiten mit ausländischem akademischen Abschluss mehr als die Hälfte unterhalb ihres Qualifikationsniveaus beschäftigt sind. Das Institut für Arbeit und Qualifikation ist zu dem Ergebnis gekommen, dass jeder Vierte der in der Studie befragten ALG-II-Empfänger mit Migrationshintergrund über einen Berufsoder gar Hochschulabschluss verfügt, der im Ausland erworben und hierzulande aber nicht anerkannt wurde.

Die unzureichenden Anerkennungsmöglichkeiten stellen allerdings nicht nur mit Blick auf die Menschen, die heute bereits bei uns leben, ein Problem dar, das dringend bewältigt werden muss, sondern wir müssen natürlich im Blick haben, dass die zunehmende Internationalisierung, grenzüberschreitende Mobilität und Flexibilität, die wir ja auch von den Menschen heutzutage erwarten, aber selbstverständlich auch Zuwanderung unsere Gesellschaft bleibend prägen wird. Somit sind immer mehr Menschen potenziell betroffen, wenn sich nichts ändert. Dazu gehören auch Menschen, die hier geboren sind, die Teile ihrer Bildungs- und Berufsbiographie beispielsweise im Ausland verbracht haben und nach ihrer Rückkehr nach Deutschland eine Chance brauchen, mit den dort erworbenen Qualifikationen auch etwas anfangen zu können. So z.B. Menschen, die in binationalen Partnerschaften leben, Menschen mit ausländischen Abschlüssen, die als Ehepartnerinnen oder -partner von deutschen Staatsangehörigen hier hergekommen sind und Zugang zum hiesigen Arbeitsmarkt suchen, es sind aber auch natürlich ausländische Ehepaare betroffen, die hier herziehen, weil einer von ihnen beispielsweise als angeworbener Hochqualifizierter - da gab es ja auch mal Initiativen - berufsbedingt das Angebot hier wahrnimmt.

Die Defizite bei der Anerkennung bestehen in sehr vielfacher Hinsicht, aber auch mit Blick natürlich auf das Angebot von fehlenden Beratungsmöglichkeiten und auch den Brückenmaßnahmen. Die Chancen, dass im Ausland erworbene Berufs- oder Studienabschlüsse bei uns anerkannt werden, hängen von vielen Faktoren ab, zentral ist die Rechtsstellung der Betroffenen.

Das alles führt dazu, dass das deutsche Anerkennungswesen in seiner Gesamtheit aus unserer Sicht intransparent, ungerecht und auch undurchlässig ist und viele Interessenten und Interessentinnen resignieren angesichts des institutionellen Irrgartens, weil zu viele Barrieren den Weg zur erfolgreichen Anerkennung versperren. Aus unserer Sicht braucht es nicht erst seit der Veröffentlichung

des nationalen Integrationsplans 2007 dringend einer Verbesserung der Anerkennung ausländischer Qualifikationen.

(Beifall SPD)

Dass sich dennoch bis heute nichts an den unhaltbaren Zuständen bei dem Anerkennungswirrwarr so muss man es bezeichnen - verändert hat, ist darauf zurückzuführen, dass man sich bislang immer noch nicht auf einen individuellen Rechtsanspruch auf ein leicht zugängliches, transparentes und auch ein schnelles Verfahren zur Anerkennung von ausländischen akademischen Abschlüssen und Qualifikationen hat einigen können. Wir werben nicht nur auf Bundesebene dafür, dass alle Personen mit im Ausland erworbenen Abschlüssen einen individuellen Rechtsanspruch auf ein solches Verfahren haben und natürlich auch ein Verfahren zur Bewertung und Anerkennung ihrer Leistungen und meinen, dass eine Ausbildung im Ausland natürlich anders verlaufen kann, aber trotzdem deswegen schon lange gleichwertig sein kann und auch sein muss.

Wir meinen weiterhin, dass die Bildungsberatungsstruktur so ausgebaut werden muss, dass die Antragstellenden passend zur Anerkennung oder Teilanerkennung ihrer Qualifikation auch eine berufliche oder weiterqualifizierende Perspektive erhalten. Wichtig ist da - das müssen wir auch immer wieder in den Blick nehmen - natürlich die Erwachsenenbildung. Denn gerade Erwachsene sind es, die hierherkommen, und wir wissen, dass wir erst bei den Haushaltsberatungen über schmerzliche Einschnitte gerade im Bereich der Erwachsenenbildung gesprochen haben.

Damit beispielsweise die bessere Anerkennung von Berufsabschlüssen funktioniert, müssen die Angebote zur fachlichen und sprachlichen Anpassungsund Nachqualifizierung quantitativ und qualitativ ausgebaut werden, meinen jedenfalls wir. Dies gilt sowohl für akademische als auch für andere berufliche Maßnahmen inklusive berufsspezifischer Sprachschulungen. Letztere sind von besonders zentraler Bedeutung, um Zuwanderinnen und Zuwanderern den Zugang und Wiedereinstieg zu Berufsfeldern zu ermöglichen, wenn sie auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen wollen. Denn bei vielen sind die fachlichen Qualifikationen - wir wissen das auch, gerade von Ärztinnen und Ärzten ist das erst jüngst durch die Presse gegangen - auf höchstem Niveau. Was aber fehlt, sind ausreichend deutsche Fachsprachkompetenzen, um sich hierzulande auch angemessen ausdrücken und eingliedern zu können. Allein der Sprachunterricht im Rahmen der Integrationskurse reicht dafür bei Weitem nicht aus, um den fachsprachlichen Anforderungen im jeweiligen Berufsfeld auch nur annähernd gewachsen zu sein. Wir brauchen also mehr berufsbezogene Sprachförderungen im Rahmen von Nachqualifizie

rung und Weiterbildung und als Regelinstrument der aktiven Arbeitsmarktpolitik im SGB III, aber auch im SGB II.

Verbessert werden müssen zudem die finanziellen Fördermöglichkeiten von Anpassungsqualifizierungen, damit nötige Maßnahmen nicht daran scheitern, dass die Interessentinnen oder Interessenten in der Qualifizierungsphase ihren Lebensunterhalt nicht sichern können. Das ist nämlich ein weiteres Problem, was diese Menschen sehr oft haben. Die persönlichen Voraussetzungen für den Rechtsanspruch auf diese Leistung müssen weit gefasst werden. Es sollte beispielsweise aus unserer Sicht keine Altersgrenzen und auch nur minimale Anforderungen an den Aufenthaltstitel geben, wenn wir diesen Menschen tatsächlich eine faire Chance einräumen wollen.

(Beifall DIE LINKE)

Vorangetrieben werden muss zudem die Entwicklung des Deutschen Qualifikationsrahmens - über diesen haben wir vorhin schon debattiert -, der im Zusammenhang steht mit dem auf europäischer Ebene bereits erarbeiteten Qualifikationsrahmen, der dazu dienen soll - das ist jedenfalls ein wichtiges Ziel -, hiesige Qualifikationen in Beziehung zu den Niveaustufen des europäischen Rahmens zu setzen. Insofern würde die konsequente Einführung - wie wir meinen, wenn es gut gedacht und gemacht ist, auch mit Blick auf lebenslanges Lernen des Deutschen Qualifikationsrahmens tatsächlich sehr gut weiterhelfen.

In Thüringen, meinen wir, braucht es eine Diskussion darüber, wie wir die Zersplitterung der Zuständigkeiten begrenzen können, wie wir die Anerkennungsverfahren weiter vereinfachen und vereinheitlichen können, wie wir die Verbindlichkeiten der Anerkennungsergebnisse erhöhen können und wie wir tatsächlich mehr Angebote an Ergänzungs- und Anpassungsmaßnahmen schaffen können, und all das würden wir gern im Ausschuss tun. Daher beantrage ich die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Als Nächster spricht der Abgeordnete Koppe von der Fraktion der FDP.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Drei Minuten bis Mitternacht.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist noch nicht 24 Uhr. Schon heute herrscht in Thüringen ein deutlich spürbarer Be

darf an Fachkräften. Worüber andere Bundesländer noch in der Zukunft sprechen, ist in Thüringen bereits Realität. Dieser Fachkräftemangel lässt sich letztlich auf zwei Ursachen herunterbrechen. Zum einen ist es die positive wirtschaftliche Entwicklung, über die wir uns freuen können. Zum anderen ist der Megatrend des demographischen Wandels ursächlich für die missliche Lage vieler Unternehmen. Konnten im vergangenen Jahr noch 13 Prozent der Unternehmer offene Stelle nicht besetzen, so sind es derzeit schon 35 Prozent. Wenn wir uns dann die aktuellen Zahlen der Umfrage des Verbandes der Wirtschaft Thüringens vom 7. Januar dieses Jahres ansehen, wird die Problematik noch deutlicher.

Mit Blick auf die Altersstruktur der Mitarbeiter der befragten Unternehmen sind die 35- bis 40-Jährigen mit einem Anteil von 41 Prozent noch die größte Beschäftigungsgruppe. Etwa gleich groß ist der Anteil der unter 35-Jährigen und der über 50-Jährigen. Einzelne Betriebe sind aber bereits jetzt überaltert und haben daher einen überdurchschnittlichen Bedarf an neuen Mitarbeitern. In 17 Prozent der Unternehmen ist gut die Hälfte der Beschäftigten über 50 Jahre alt. Welche Auswirkungen der weitere Anstieg des Durchschnittsalters der Bevölkerung für die Untenehmen und damit für die Wirtschaft in Thüringen haben wird, lässt sich somit leicht an einer Hand abzählen. Es wird also deutlich, dass wir in Thüringen Vorreiter sein müssen für Lösungen, die das Anwerben und Halten von Fachkräften betrifft. Eine Lösung für eine solch komplexe Problemlage bedingt der Mitwirkung vieler Akteure. So sind nicht zuletzt die betroffenen Unternehmen selbst aufgefordert, ihr Engagement für die Ausbildung zu forcieren und eine stärkere Integration älterer Mitarbeiter in den Unternehmensalltag zu gewährleisten. Dass dies die Unternehmen erkannt haben, machen nicht zuletzt die Bemühungen der Unternehmensverbände als auch der wirtschaftlichen Akteure sichtbar.

Ich habe eingangs erwähnt, dass viele Akteure aufgerufen sind, sich den Problemen mit langfristigen Lösungskonzepten zu stellen. Auch wir als politisch Handelnde müssen uns dieser Diskussion ebenfalls stellen. Da gilt es, neben bereits erwähnten Forderungen nach mehr Ausbildung und stärkerem Rückgriff auf das Know how älterer Arbeitnehmer auch zu analysieren, welche Chancen und Potenziale bisher noch nicht recht im Fokus standen. Dazu gehört unserer Meinung nach auch die Möglichkeit des Zugangs von ausländischen Arbeitnehmern unter Einbindung bereits hier lebender Migranten zu verbessern. Jetzt wird deutlich, weshalb wir auf eine schnelle Umsetzung des EQR in Deutschland drängen. Dies erleichtert Arbeitnehmern aus der EU, die Möglichkeiten der ihnen rechtlich verbrieften Arbeitnehmerfreizügigkeit besser zu nutzen und - das ist das Ziel unseres vorliegenden Antrags

(Abg. Rothe-Beinlich)