Protokoll der Sitzung vom 27.01.2011

Herr Präsident, ich möchte der Feststellung vom Präsidium ausdrücklich widersprechen. Nach meiner Auffassung widerspricht das dem Grundsatz der Unverrückbarkeit von Parlamentsbeschlüssen. Um den Sachverhalt zu klären, bitte ich nach Geschäftsordnung um Unterbrechung der Sitzung für 30 Minuten.

(Beifall CDU, SPD)

Die Unterbrechung ist damit gewährt. Wir sehen uns wieder 13.10 Uhr.

Ich berufe eine Sitzung des Ausschusses für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten ein, Sitzungsbeginn ist sofort im Raum 202.

(Abg. Höhn)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schlage vor, dass wir in der Sitzung fortfahren. Es hat nach - zur Erläuterung - § 121 unserer Geschäftsordnung eine Prüfung des Ausschusses für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten zu dieser Problematik gegeben. Der Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten ist nach langer Debatte, insbesondere in Bezug auf den § 65 unserer Geschäftsordnung, zu der Erkenntnis gekommen, dass der Entschließungsantrag von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht zulässig ist. Nach § 121 Abs. 2 muss der Landtag nach Prüfung des Ausschusses für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten dieses jetzt entscheiden. Ich würde so vorgehen, dass ich frage, wer im Landtag dem Ergebnis des Ausschusses für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten zustimmt. Wer dem Ergebnis des Ausschusses für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten zur Auslegung der Geschäftsordnung so zustimmt, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Zustimmungen von den Fraktionen der CDU und der SPD. Gegenstimmen? Gegenstimmen von den Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Enthaltungen? Die Fraktion der FDP enthält sich. Damit folgt der Landtag der Empfehlung des Ausschusses für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten, dieser Entschließungsantrag ist nicht zulässig.

Ich rufe auf die Abstimmung zu dem Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/2218. Auch hier ist keine Ausschussüberweisung beantragt. Deshalb treten wir unmittelbar in die Abstimmung über diesen Entschließungsantrag ein. Wer dem Entschließungsantrag in der Drucksache 5/2218 die Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das ist Zustimmung aus der Fraktion DIE LINKE, vereinzelt aus der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, 1 Stimme aus der SPD. Wer ist dagegen? Die Fraktionen der FDP, der CDU, der SPD und vereinzelte Gegenstimmen von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer enthält sich der Stimme? 1 Stimme von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und 1 Stimme von der Fraktion DIE LINKE habe ich gesehen. Damit ist dieser Entschließungsantrag abgelehnt und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Die Fraktionen sind übereingekommen, dass wir heute keine Mittagspause machen. Wir fahren deshalb in der Tagesordnung fort.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 9

Soziales Wohnen sichern Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/1760

Wünscht die Fraktion DIE LINKE das Wort zur Begründung? Ja, Frau Dr. Lukin.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, obwohl der Antrag der Fraktion DIE LINKE bereits im November eingereicht wurde, hat die angesprochene Themenstellung „Soziales Wohnen sichern“ nichts von ihrer Aktualität und Berechtigung verloren.

(Beifall DIE LINKE)

Ich möchte das kurz begründen. Trotz Anrufung des Vermittlungsausschusses gibt es immer noch keine Einigung über die aktuelle Höhe der Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft. Nach wie vor sind die unsozialen Sparvorschläge, wie z.B. die Pauschalierung der Kosten der Unterkunft oder die Streichung des Heizkostenzuschusses, noch nicht vom Tisch. Drittens: Die bei der Bemessung des Regelsatzes vergessene Warmwasserheizungskostenlösung ist immer noch nicht endgültig geregelt worden. Es weiß noch keiner, wer die Kosten dann letztlich übernimmt. Alle drei Beispiele und auch die hohe Klageflut, die wir bereits im Parlament diskutiert haben, zu der Hartz-IV-Gesetzgebung zeigen die Notwendigkeit, das Thema „Soziales Wohnen sichern“ zu diskutieren. Außerdem möchte ich noch ein Argument mit anfügen. Generell verstärkt sich die Tendenz, dass sich der Bund aus der Finanzierung der sozialen Folgen seiner Gesetzgebung zurückzieht. Das kann man anhand der Beschäftigungsprogramme erkennen, wo die Entlohnung zurückgesetzt wird. Wir können aber auch erkennen, dass der Bund sich schwankend an der Finanzierung der Kosten der Unterkunft beteiligt und an der Finanzierung der Kosten der Unterkunft für die Betroffenen des Sozialgesetzbuchs XII überhaupt nicht. Das heißt also, die Landespolitik hat hier die Verantwortung, dass sie sich sowohl in sozialer Hinsicht für die Betroffenen einsetzen muss, allerdings auch gegenüber den Kommunen, die ja sonst die wachsenden Kosten, die die unsoziale Gesetzgebung der Bundesrepublik verursacht, übernehmen müssen.

(Beifall DIE LINKE)

Danke, Frau Abgeordnete. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Abgeordnete Schubert von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir begrüßen den Antrag der Linksfraktion. Es ist ein sehr wichtiges Thema, auch ein Thema, was ja schon in den Kommunen - Frau Lukin war selbst dabei in Jena - zu sehr vielen Schwierigkeiten und Problemlagen geführt hat und auch noch immer führt. Wir werden dem Antrag so nicht zustimmen, weil wir

(Vizepräsident Gentzel)

nicht grundsätzlich der Meinung sind, dass eine Pauschalierung falsch ist. Dabei sei erwähnt, dass das Warmwasser innerhalb der Heizkosten ja schon pauschaliert ist. Wir wissen, dass das bei den Heizkosten ein sehr viel schwierigeres Geschäft ist, glauben aber, dass anhand der Maßnahmen, die noch auf uns zukommen werden in klimaschutzpolitischer Hinsicht, nämlich Heizkosten zu senken und kalkulierbarer zu machen, es durchaus wert ist, auch darüber zu diskutieren. Allerdings das, was der Bund da vorhat, können wir auch nicht mittragen. Dort steht ja, die Kommunen sollen per Ermächtigung dann selbst bestimmen können, mit welcher Satzung sie die KdU regeln. Mietspiegel oder geeignete Datenerhebungen sind dann dafür die Grundlage. Es gibt genug Kommunen, die keinen eigenen Mietspiegel haben und was ist dann eine geeignete Datenerhebung? Das ist kein rechtlich bestimmter Begriff meines Wissens. Das eröffnet dann Tür und Tor für die Willkür, die wir nicht haben wollen, auch aus dem Grund, den wir gestern schon ausführlich diskutiert haben - oder letzte Woche, das ist auch egal. Wir haben schon eine Klageflut. Ich prophezeie, dass diese Klageflut dann zunehmen wird, und das können wir nicht wollen.

Eine Pauschalierung macht aus mehreren Gründen Sinn oder kann Sinn machen, wenn man sie vernünftig macht und das haben Sie in Ihrem Antrag auch erwähnt unter Punkt IV. Wir brauchen verbindliche Kriterien. Wenn wir verbindliche Kriterien einführen, dann kann eine Pauschalierung sinnvoll sein, weil sie uns sehr viel Verwaltungsaufwand spart, Verwaltungsaufwand, der uns im Moment zu viel kostet auch an Personal, den wir anders einsetzen können, z.B. für die professionelle Arbeitsvermittlung.

Zweiter Punkt: Wir wollen mit einer Pauschalierung möglichst viel Selbstständigkeit an die Bezugsberechtigten zurückgeben, ihnen diese Selbstständigkeit geben und - den Punkt hatte ich eingangs schon erwähnt - auch die energetische Sanierung, die jetzt nicht direkt mit dem Problem zu tun hat, ist ein wichtiger Punkt, den wir in diesem ganzen Kontext mitdiskutieren sollten. Insofern würde ich mich sehr freuen, wenn wir diese schwierige Debatte in den Ausschüssen fortsetzen könnten und beantragen sowohl die Überweisung an den Ausschuss für Bau, Landesentwicklung und Verkehr als auch an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit.

Letzter Punkt: Ihre Fraktion hat auch das Wohnungsbauvermögen angesprochen und die Koalition hat hier eine eindeutige Absichtserklärung festgeschrieben. Dazu möchte ich von der Landesregierung wissen, inwieweit das in Arbeit ist oder wann sie gedenkt, das umzusetzen. Ich habe dazu bis jetzt noch nichts gehört, halte es für ein sehr

sinnvolles Anliegen und freue mich auf die Antwort. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Danke, Frau Abgeordnete. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Günther von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Antrag der LINKEN - Soziales Wohnen sichern - folgende Grundaussage: Die CDU-Fraktion bekennt sich hier und heute klar und unmissverständlich zur Thüringer Verfassung. Dort heißt es in Artikel 15: „Es ist ständige Aufgabe des Freistaats, darauf hinzuwirken, dass in ausreichendem Maße angemessener Wohnraum zur Verfügung steht. Zur Verwirklichung dieses Staatsziels fördern das Land und seine Gebietskörperschaften die Erhaltung, den Bau und die Bereitstellung von Wohnraum im sozialen, genossenschaftlichen und privaten Bereich.“ Allein das Zitat zeigt, dass Ihr Antrag entbehrlich gewesen wäre, sofern man sich natürlich grundsätzlich zur Thüringer Verfassung auch bekennt.

Um dieses Staatsziel zu erreichen, bedarf es Ihres Antrags nicht. Die Umsetzung des Artikels 15 ist längst im Gange. CDU und SPD haben sich im Koalitionsvertrag deutlich für bezahlbaren Wohnraum als ein Grundbedürfnis der Menschen ausgesprochen. Die CDU steht zu ihrem Wort, die Wohnungsbauförderung in Thüringen auf eine stabile finanzielle Grundlage zu stellen. Zu diesem Zweck werden die im Rahmen der Föderalismusreform bis 2019 übertragenen Mittel für die Wohnungsbauförderung ab 2010 nur noch teilweise als Zuschüsse eingesetzt. Stattdessen soll ein jährlich wachsender Anteil als Darlehen ausgereicht werden und in einen revolvierenden Fonds fließen. Dass darüber hinaus die haushalterischen Voraussetzungen zur Errichtung eines Wohnungsbauvermögens bereits auf einem guten Weg sind, zeigt ein einfacher Blick in den Haushalt 2011.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden den Antrag der LINKEN aber auch deshalb ablehnen, weil das Thema bezahlbaren Wohnraums nicht nur aus der linken Tunnelperspektive einer bestimmten Klientel zu betrachten ist, sondern viel breiter angelegt werden muss. Unsere Seniorinnen und Senioren sind in Verbindung mit behindertenund altersgerechtem Wohnen bei diesem Thema nämlich genauso zu berücksichtigen wie eine nach wie vor unbefriedigende Wohnraumsituation für unsere Studierenden z.B. im Raum Jena. Natürlich muss der Fokus auch bei Familien mit einem Einkommen im unteren bzw. mittleren Bereich liegen.

(Abg. Schubert)

Diese haben am Ende gerade mal etwas mehr zur Verfügung als ein SGB-II-Leistungsempfänger. Wie wollen Sie, meine Damen und Herren der LINKEN, rechtfertigen, dass diese Familien ihre Finanzsituation mit Augenmaß und dem Heizungsthermostat regulieren müssen, während der SGB-II-Leistungsempfänger seine Raumtemperatur im Winter mit dem Fenster regeln kann,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Un- geheuerlich diese Darstellung!)

da nach Ihrem Willen alles unabhängig vom Verbrauch bezahlt werden soll. Ich bin dankbar, dass Kollegin Schubert von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hier ähnlich argumentiert hat und Sie werden damit Ihren Programmen und Aussagen sehr gerecht.

Mit uns jedenfalls ist ein solcher Freifahrtschein auch in Zukunft nicht zu machen. Wir als CDUFraktion unterstützen daher nachdrücklich die Bestrebungen, das Subsidiaritätsprinzip auch im Bereich der Berechnung und Anwendung für Kosten der Unterkunft anzuwenden. Wir sollten endlich anfangen, den Verantwortlichen in den Kommunen zu vertrauen, da diese naturgemäß den lokalen Wohnungsmarkt am besten kennen und das Ohr direkt am Bürger haben.

(Beifall CDU)

Eine von oben aufgestülpte Lösung, wie von den LINKEN mit ihrem Antrag gefordert, geht dagegen an der Lebensrealität vor Ort und - ich sage das ganz bewusst - wie so oft bei Ihren Anträgen, meilenweit vorbei und hilft dabei den Betroffenen sehr, sehr wenig.

(Beifall CDU)

Ich will an der Stelle noch einmal meine Kollegin Leukefeld ansprechen und sie fragen, ob sie vergessen hat, Frau Leukefeld, wie wir gerade zu dem Thema lange und sehr intensiv darum gerungen haben, die ARGEn-Beiräte zu etablieren. Genau, weil das eben, wie ich vorher gesagt habe, der Fall ist, dass die Leute vor Ort um die Betroffenen und ihre Wohnraumsituation wissen. Und jetzt wollen wir das alles wieder infrage stellen.

Wohnkostenpauschalen auf lokaler Ebene sind übrigens im Vergleich weit weniger pauschal als ihr Name vermuten lässt und DIE LINKE in ihren turnusmäßigen Angstkampagnen versucht zu verbreiten. Durch den konkreten kommunalen Bezug kann der Bedarf auf Grundlage des SGB II vor Ort bürgernah und realistisch ermittelt und festgesetzt werden. Das hat die Vergangenheit nun mal so gezeigt. Die Einzelfallgerechtigkeit ist somit weitaus höher, als in der aufoktroyierten Obrigkeitslösung, die dieser Antrag hier anstrebt.

Zur Rechtssicherheit wird außerdem erheblich beigetragen, indem die von den Kommunen erlasse

nen Satzungen auf Antrag durch die Landessozialgerichte zu überprüfen sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der kommunale Ansatz ermöglicht zudem, dass die Jobcenter sich endlich wieder ihrer eigentlichen Arbeit widmen können, nämlich der Vermittlung von Arbeitsuchenden in den ersten Arbeitsmarkt.

(Beifall CDU)

Das ist die Kernaufgabe der Jobcenter und da müssen wir alles tun, dass sie die auch erfüllen können.

Zu guter - bzw. in diesem Fall schlechter - Letzt sprechen Sie im Antrag die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft an. In diesem Kontext dürfte doch selbst Ihnen nicht verborgen geblieben sein, dass die Höhe der Bundesbeteiligung für Thüringen in 2011 bei 24,5 Prozent liegen wird, was eine Steigerung um 1,5 Prozent - das ist nun nicht der große Wurf, aber es ist eben eine - entspricht.

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, öffnen Sie also Ihren Blick und reduzieren Sie diesen nicht nur auf den kleinen Ausschnitt, der in ein politisches Kalkül passt, dann kommen wir uns auch bei der Verwirklichung des Staatsziels aus Artikel 15 der Thüringer Verfassung näher, nämlich für alle Bürgerinnen und Bürger unseres Freistaats in ausreichendem Maße angemessenen Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

Ich sagte es am Anfang schon einmal, die CDUFraktion wird aus vorgenannten Gründen Ihren Antrag ablehnen. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt Abgeordnete Sedlacik von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem und bedarfsgerechtem Wohnraum ist und bleibt eine zentrale Aufgabe der Daseinsvorsorge - jawohl, Herr Günther.

(Beifall DIE LINKE)

Das gilt insbesondere für die Bedürfnisse der Schwächsten in dieser Gesellschaft. Sie zitierten gerade den Verfassungsgrundsatz in Artikel 15 und haben hoffentlich bemerkt, dass ich die Einzige war, die Ihnen applaudiert hat. Ich stehe voll auf den Füßen der Verfassung, wie meine Fraktion, auf diesem Grundsatz und das ist auch Inhalt unseres Antrags, den Sie leider nicht erkannt haben.