Sehr geehrte Damen und Herren, zu den Ausführungen von Frau Berninger möchte ich hier Folgendes anmerken: Die Landesregierung geht davon aus, dass die durch die Gesetzgebung vorgegebenen Maßnahmen, also auch die menschenwürdige Unterbringung, durch die zuständigen Institutionen hier in Thüringen gewährleistet und umgesetzt werden. In Thüringen werden Gemeinschaftsunterkünfte durch die Landkreise, durch die kreisfreien Städte betrieben, manche werden in Eigenregie und manche durch Träger betrieben. Wie im wahren Leben gibt es sehr gute Beispiele und es gibt weniger gute Beispiele. Deshalb macht es hier überhaupt keinen Sinn von Verallgemeinerungen zu reden und die Gemeinschaftsunterkünfte in ihrem Standard über einen Kamm zu scheren. Die Fraktion DIE LINKE wirkt maßgeblich an Beiträgen in der Zeitschrift des Thüringer Flüchtlingsrates mit und die Benennung unserer Asylbewerberheime als Lager - diesen Begriff hatten Sie auch in Ihrem Wortbeitrag - finde ich schon skandalös, Frau Berninger. Sie setzen damit die Leiden derer, die in einem Gulag oder in einem Konzentrationslager leben mussten, herab.
Ein Vergleich, der für mich keiner ist. Schauen Sie sich bitte einmal die Gesamtsituation unserer Thüringer Gemeinschaftsunterkünfte an. Ein Vergleich mit den Nachbarländern Hessen, Sachsen, Bayern wird Ihnen zeigen, dass diese Unterkünfte in einem außerordentlich guten Zustand sind. Deshalb werden die ständigen Wiederholungen und Verallgemeinerungen dieser Behauptungen nicht besser und steigern auch nicht deren Wahrheitsgehalt. Bei der Unterbringung, bei der Feststellung von Defiziten bei den vorgeschriebenen Standards werden die beauftragten Verantwortlichen in der Regel zeitnah informiert und abgestellt.
Laut Auskunft des Thüringer Landesamtes für Statistik weilten zum 31.12.2009 2.741 Flüchtlinge und Asylleistungsbewerber und -empfänger im Freistaat. Von den genannten Flüchtlingen bewohnten 1.459 Gemeinschaftsunterkünfte, nach meiner Re
cherche 53,2 Prozent. 1.184 Personen waren dezentral in Wohnungen untergebracht und 98 befanden sich in Aufnahmeeinrichtungen. Das sind 43,2 und - letzter Punkt - 3,6 Prozent. Die Quote der dezentral Einquartierten ist bei uns sehr hoch, zumal, wie Sie es erwähnt haben, nach Vorgaben des Asylverfahrensgesetzes des Bundes ein Großteil der Asylbewerber in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen ist.
Haben Sie sich die Frage überhaupt gestellt, wo dieser Wohnraum für Asylbewerber sich finden lässt? Im Privatbereich ist es schwierig.
Grundsätzlich über kommunale Wohnungsgemeinschaften und -gesellschaften können hier Wohnungen für Asylbewerber angemietet werden. Da die Landkreise selbst über keinen verfügen, müssen sie mit den Städten verhandeln. Auch nicht jede Stadt ist dazu bereit.
Doch zurück zu Ihrer Kritik an den Gemeinschaftsunterkünften: Es gibt 24 und es gibt in Thüringen Asylbewerberheime, die sich in einem wohnungsähnlichen Zustand befinden und diesen Standard aufweisen wie in Gera, Apolda, Weimar, Saalfeld oder Rockensußra, um einige zu nennen. Ich kenne natürlich auch die, die nicht so gut sind und Probleme aufweisen: Zella-Mehlis, Gangloffsömmern, Gerstungen. Hier laufen nach meiner Recherche Gespräche, um die Situation zu verbessern. Oft befinden sich die Unterkünfte an Randlagen. Hier kann man den Verantwortlichen auch keinen Vorwurf machen, denn diese haben auf Weisung der Bundesregierung 1990 die gerade frei werdenden Liegenschaften der NVA genutzt, um möglichst schnell die Häuser für Spätaussiedler, jüdische Emigranten und Flüchtlinge anzubieten. Aber es gibt gute Beispiele für zentrumsnahe Unterbringungen. Hier nenne ich Saalfeld, Greiz, Apolda und Sonneberg.
Bevor die Zeit zu Ende ist, möchte ich noch einen Aspekt benennen: Viele Asylbewerber haben Schwierigkeiten, sich in Deutschland zurechtzufinden und sind teilweise der deutschen Sprache nicht mächtig. Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zur Unterbringung in zentralen Einrichtungen Hilfe, Unterstützung für soziale Projekte, Projekte von Vereinen, Institutionen und Kirchen viel effektiver und gezielter wahrgenommen werden. Deshalb sieht meine Fraktion keinen Handlungsbedarf hier in dieser Thematik. Danke schön.
Danke schön. Als Nächste spricht Frau Abgeordnete Astrid Rothe-Beinlich für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, vermutlich im Gegensatz zur Fraktion der CDU bin ich der Fraktion DIE LINKE außerordentlich dankbar, dass sie gerade in dieser Woche diese Aktuelle Stunde aufgesetzt hat. Denn in dieser Woche hatten wir nicht nur - gestern gerade erst - den bundesweiten Aktionstag für die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes, an dem sich auch in Thüringen sehr viele beteiligt haben - denen gilt unsere Solidarität auch von dieser Stelle aus -, sondern wir reden gerade auch in diesen Tagen über Flucht, über Flüchtlinge, über Menschen, die Gründe haben, ihre Heimat zu verlassen, sehr bittere Gründe oftmals, und die hier darauf angewiesen sind, auch gut aufgenommen zu werden.
Liebe Frau Holbe, wenn man als Vergleichsmaßstab Hessen, Sachsen und Bayern benennt und sagt, dass im Vergleich dazu es in Thüringen immer noch sehr gut aussehe, dann mag ich nur mutmaßen, wie sich die Zustände in Sachsen, Bayern und auch in Hessen darstellen. Aber seien Sie versichert, auch ich kenne fast alle der 24 immer noch bestehenden Unterkünfte. Ich muss sie „Lager“ nennen und ich sage Ihnen, jedes davon ist eines zu viel in Thüringen.
Zu Recht kritisieren der Thüringer Flüchtlingsrat und viele andere Flüchtlingsorganisationen, aber auch Kirchen und Gewerkschaften, dass es nach wie vor derart viele solcher Lager gibt, die, wie Sie richtig sagen, sich in Randlagen befinden. Man könnte auch sagen, sie befinden sich jenseits der Zivilisation; das habe ich schon einmal gesagt, als es um die Asylbewerberunterkunft in Katzhütte ging, die mittlerweile glücklicherweise so nicht mehr existent ist. Aber Fakt ist, dass die Menschen keinerlei Anschluss an die Menschen haben, die in der Umgebung leben, dass sie kaum Zugang oder nur sehr schwierig Zugang haben beispielsweise zu Einrichtungen, die sie besuchen könnten, um andere Menschen zu treffen, zu Kultur, zu sozialer Teilhabe, aber auch zu medizinischer Versorgung. Wenn wir dann noch wissen - und Frau Berninger hat es angesprochen -, dass ja außerdem die Residenzpflicht in Thüringen gilt, die Asylbewerberinnen und Asylbewerbern vorschreibt, für jedes Verlassen des eigenen Landkreises einen sogenannten - beschönigt bezeichneten - Besuchsschein zu beantragen, dann sehen wir, dass es noch einmal umso schwieriger ist, sich überhaupt frei zu bewegen. Davon kann man leider in Thüringen nicht sprechen.
Sie wissen, dass wir schon lange für die Abschaffung der Residenzpflicht werben. Ich sage aber auch, dass gerade diese sehr schwierige Situation, aus der die Menschen hierherkommen, sich noch einmal verschlechtert, wenn sie derart konzentriert in diesen Lagern - es sind ja vielmals alte DDR-Ferienlager oder aber auch Liegenschaften der ehemaligen Nationalen Volksarmee - untergebracht sind.
Liebe Frau Holbe, jetzt zu sagen, dass das „sogar noch ein Vorteil“ sei, weil man dort besser „Unterstützung“ anbieten könnte, was z. B. Dolmetscherarbeiten o. Ä. anbelangt, ist - ich kann es leider nicht anders sagen - zynisch.
Wenn es darum ginge, diese Menschen hier tatsächlich zu integrieren und diesen 627 Kindern Sabine Berninger hat sie hier benannt -, die in solchen Unterkünften leben, auch eine Teilhabe, den Anschluss an andere Kinder zu ermöglichen - die Kinderrechtskonvention gilt im Übrigen für alle Kinder, insofern meinen wir, dass auch diese eigentlich schon der Unterbringung in Lagern widersprechen würde -, dann müssten wir anders handeln und wir hätten auch die Chance dazu. Hinzu kommt natürlich noch die zum Teil fürchterliche Situation in einzelnen dieser Lager. Es ist schon von Schimmel berichtet worden, es ist von der Schwierigkeit berichtet worden, dass es kaum oder keine Privatsphäre gibt, und es ist natürlich auch schon von der Schwierigkeit berichtet worden, mit wie wenig Geld Asylbewerberinnen und Asylbewerber hier in Deutschland auskommen müssen. Deswegen an dieser Stelle noch einmal der Verweis auf die überfällige Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Ein weiteres Problem, welches sich darstellt, ist natürlich die Abschiebungshaft. Wir werden in den nächsten Tagen noch darüber diskutieren. Auch das ist im Übrigen eine Problematik, die diese Menschen treffen kann, die in Gefängnissen derzeit untergebracht sind, mit straffällig gewordenen Menschen, die nichts getan haben, außer, dass sie auf ihre „Abschiebungen“ in der Form „vorbereitet werden“, dass man sie leichter abschieben kann. Wir meinen, dass der Umgang mit den Schwächsten der Gesellschaft darüber entscheidet, wie hoch der demokratische Gehalt einer Gesellschaft ist und wie sich die Qualität des Zusammenlebens bemisst. In diesem Sinne sagen wir, es ist überfällig, eine menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen in Thüringen zu gewährleisten, und zwar dezentral und in wohnungsähnlicher Unterbringung. Vielen herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Aktuelle Stunde, die von den LINKEN beantragt wurde, heißt „Für eine menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen in Thüringen“ und darauf möchte ich meine Ausführungen beziehen. Es ist ein sehr passendes Thema zur Internationalen Woche gegen Rassismus, die wir gerade haben. Die Unterbringung der Flüchtlinge regelt sich nach § 53 des Asylverfahrensgesetzes - wir haben es bereits von Frau Berninger gehört. Man soll dabei nicht vergessen, dass das Land Thüringen die Aufgaben der Unterbringung und sozialen Betreuung den Kommunen übertragen hat und dabei die Kostensätze lange Zeit nicht angepasst wurden. Viele Kommunen haben sich trotzdem auf den Weg gemacht, um die Unterbringung der Flüchtlinge zu verbessern. Die bundesgesetzliche Regelung wird in Thüringen durch die Thüringer Verordnung über Mindestbedingungen für den Betrieb von Gemeinschaftsunterkünften und die soziale Betreuung und Beratung von Flüchtlingen und Asylsuchenden vom 01.07.2010 ergänzt. Ich habe mir im letzten Jahr die Erstaufnahmestelle sowie 16 weitere Formen der Unterbringung in den Kommunen angeschaut. Weitere Termine sind vereinbart. Ich denke, man sollte immer nur über Dinge sprechen, von denen man sich auch persönlich überzeugt hat.
Mit den Betreibern der Unterkünfte, den Sozialbetreuern vor Ort, aber auch mit den Verantwortlichen der Kommunen habe ich gesprochen und eigentlich waren alle sehr positiv davon angetan, dass ich mir Zeit genommen habe, um mich vor Ort zu informieren und mich mit ihrer Arbeit vertraut zu machen. Das Gesetz sieht die Regelunterbringung in Gemeinschaftsunterkünften vor. Dabei nutzen die Kommunen in Thüringen ihre Spielräume doch sehr unterschiedlich. Ich würde auch nicht von Lagern sprechen, denn die Unterkünfte, die ich angeschaut habe, entsprechen nicht meinen Vorstellungen eines Lagers und - Frau Holbe hat es schon angesprochen - schon gar nicht mit diesem geschichtlichen Hintergrund, den man da so zwischen den Zeilen mit durchschimmern hört.
Der große Boom, der in den 90er-Jahren dazu geführt hat, möglichst schnell möglichst viele Aufnahmeplätze zu schaffen, wurde von einer Phase abgelöst, bei der es um die Verbesserung der Unterbringung ging. Viele Kommunen haben Immobilien abgestoßen, um eine verbesserte Unterbringung
möglich zu machen. Eine Unterbringung von Familien in abgeschlossenen Wohnungen, selbst wenn diese in einem Gebäude sind, sind mir in allen einzelnen Kommunen begegnet.
Bei allein reisenden Personen ist es aus Kostengründen oft eher schwierig, aber auch da wird nach individuellen Lösungen bei ganz konkreten Anforderungen gesucht. Die Betreiber, ob Kommunen oder Externe, waren meist entsprechend der baulichen Möglichkeiten bemüht, Wohneinheiten zu schaffen, so dass kleine Bereiche mit gemeinsamer Nutzung von Küchen, aber auch von Sanitäreinrichtungen und Gemeinschaftsräumen möglich sind. Es gibt in fast allen Einrichtungen spezielle Kinderzimmer, Räume für Sprachkurse oder gemeinschaftliche Aktivitäten sowie Sporträume.
Diese werden aber nach kommunaler Struktur sehr verschieden genutzt. In Erfurt gibt es ein so breites Angebot, dass davon so gut wie gar kein Gebrauch gemacht wird, in anderen Kommunen doch eher. Ich bin vielen engagierten Mitarbeitern und Sozialbetreuern begegnet, die sich für die Flüchtlinge in ihrem Verantwortungsbereich einsetzen. Die Betreuer vor Ort bemühen sich in starkem Maße, individuelle Lösungen zu finden. Sie sind in meinen Augen Ansprechpartner, Organisator, Vermittler und auch oft für die Bewohner ein ruhender und verlässlicher Pol. Ihnen, das sage ich ganz ausdrücklich, gebührt für ihre Arbeit auch Dank und Anerkennung. Mit bestimmter Wortwahl hier im Plenarsaal, denke ich, wird ihre Arbeit eigentllich herabgewürdigt und entspricht nicht dem, was ich im Land gesehen habe.
Sie sind für die Menschen Unterstützer und Vermittler, z.B. bei Problemen mit den Kindern, bei Schwierigkeiten mit den Behörden. Sie fördern oft Kontakte - wir haben es schon gehört - zu Vereinen, Kirchen und Sozialverbänden. Heimleitung und Sozialbetreuer sind in den meisten Fällen Ansprechpartner und von den Bewohnern wurde ihnen eine herzliche Willkommenskultur entgegengebracht. Ich könnte jetzt Beispiele vorlesen, wie es ist. Eines möchte ich gern noch sagen, obwohl meine Redezeit zu Ende ist.
Ja. Das Zusammenleben ist für mich in diesen Unterkünften nicht optimal, aber implizit auch nicht unmenschlich.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, der Umgang mit Flüchtlingen, meine Damen und Herren, ist eine Frage unseres Selbstverständnisses und ich begrüße es ausdrücklich, dass wir dieses Thema immer wieder in diesem Haus auch auf der Tagesordnung haben - bedauerlicherweise kaum vonseiten der Regierungsfraktionen.
Bei Weitem sind es eben nicht immer nur besonders menschenwürdige Bedingungen, die wir vorfinden, und das betrifft hygienische, baurechtliche Mängel und auch - bei allem Bemühen der Menschen vor Ort - fehlende soziale Betreuung und Beratung.
Auch Flüchtlinge, meine Damen und Herren, sind keine Menschen zweiter Klasse und haben einen Anspruch auf würdevolles Leben.
Aus dem Sozialstaatsprinzip ergibt sich auch für Asylsuchende das Recht auf eine menschenwürdige Unterkunft und Versorgung, sofern sie sich nicht selbst versorgen können. Es ist unsere Pflicht, meine Damen und Herren, diesem Anspruch gerecht zu werden. Wir dürfen nicht akzeptieren, wenn Menschen, die unsere Hilfe suchen und brauchen, schlechte, manchmal sogar unerträgliche Lebensbedingungen vorfinden, die in Einzelfällen auch dazu führen, dass sie krank werden. Wir können nicht wollen, dass Menschen durch Perspektivlosigkeit jeglicher Lebensmut genommen wird.
Wir alle in Thüringen sind aufgefordert, meine Damen und Herren, die Menschen, die Hilfe brauchen, auch zu unterstützen. Diese Unterstützung ist in vielseitiger Art und Weise möglich. Unseres Erachtens muss mehr Aufklärungsarbeit stattfinden, um Vorurteile und Halbweisheiten abzubauen. Weiterhin bedarf es besserer Beratung und auch einer Verbesserung der Schulung des Personals in den