Ich frage: Wünscht die FDP das Wort zur Begründung zu ihren Gesetzentwürfen? Das ist der Fall. Herr Recknagel, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren, die FDP-Fraktion legt Ihnen nicht weniger als eine Verfassungsänderung vor, eine Verfassungsänderung, um ein Neuverschuldungsverbot in die Verfassung aufzunehmen. Dies ist notwendig, weil wir nicht auf Kosten nachfolgender Generationen leben dürfen.
Das gebietet die Nachhaltigkeit. Ein Neuverschuldungsverbot ist notwendig, weil uns die Zinsen schon für die bisherigen Schulden auffressen und
jegliche Entscheidungsspielräume rauben. Ein Neuverschuldungsverbot ist notwendig, auch um die Stabilität unserer Währung zu erhalten. Es ist notwendig, weil alle bisherigen Beschränkungen und Beteuerungen wirkungslos waren.
Das zeigt die Geschichte der Bundesrepublik und der Länder. Ein Neuverschuldungsverbot ist gerecht, weil jede Generation die Konsequenzen des eigenen Handelns tragen muss.
Das vorgelegte Gesetz ist flexibel, weil es eine angemessene Reaktion auf Katastrophen und andere größere Ereignisse zulässt. Es ist nachhaltig, weil es in einem solchen Fall einen Tilgungsplan verlangt. Ich bitte Sie um Zustimmung. Danke schön.
Vielen herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Recknagel. Damit eröffne ich jetzt die gemeinsame Aussprache zu beiden Gesetzentwürfen. Das Wort hat zunächst Birgit Keller von der Fraktion DIE LINKE.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, die FDP möchte eine Schuldenbremse in die Thüringer Verfassung aufnehmen. Das Ansinnen ist nicht neu, so einen Antrag gab es schon vonseiten der CDU und im Bund hat es letztens zur Diskussion vonseiten der SPD gestanden.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte kurz etwas zum geschichtlichen Kontext sagen, in dem wir uns gerade bewegen. Mit der großen Finanzreform von 1969 wurden in der Bundesrepublik Deutschland finanzverfassungsrechtliche Spielräume geschaffen, um aktive Konjunkturpolitik und öffentliche Investitionen über Kredite finanzieren zu können. Die heutige Schuldenbremse wirkt dem entgegen. Sie wirkt als Investitionsbremse, aber mehr noch, sie zwingt die Länder zu kontraproduktiven Sparmaßnahmen. Und noch eines, bei der Schuldenbremse gibt es außerdem auch ein methodisches Problem aus unserer Sicht. Die im Bundestag von SPD und CDU/CSU bei Enthaltung der FDP beschlossene Schuldenbremse, die nun für Thüringen kopiert werden soll, ist nämlich nur eine Scheinlösung für übermorgen. Der Einführung der Schuldenbremse im Bund lag eine Fehleinschätzung zugrunde, weil die Ursache für das Verschuldungsproblem der öffentlichen Hand im Fehlen von ausreichenden verfassungsrechtlichen Schranken für Kreditaufnahmen gesehen wurde. Richtig ist aber, dass die Steuergeschenke für Vermögende und Kapitalbesitzer im großen Stil auf Pump finanziert wurden. Wenn die einzige Antwort auf Konsoli
dierungsnotwendigkeiten Schuldenbremse heißt, können wir hier nur sagen, das ist so nicht möglich, das ist auch scheinheilig.
Noch etwas, die Schuldenbremse ist auch nicht so wie dargestellt einfach nur in die Verfassung aufzunehmen und damit sind finanztechnisch alle Angelegenheiten geregelt, sondern für uns ist, eine Schuldenbremse in die Verfassung aufzunehmen, eine zutiefst politische Angelegenheit. Die Folge der Schuldenbremse ist eine Entmündigung des Parlaments. Durch eine Schuldenbremse werden nämlich wir Abgeordnete zu verschiedenen Möglichkeiten gezwungen. Ich will mal nur ein Beispiel nennen, weil es auch im Rechnungshofbericht wieder eine Rolle gespielt hat, dass wir möglicherweise, um notwendige Dinge zu investieren, auf die PPP-Finanzierungen zurückgreifen müssen oder andere Finanzierungsformen eingehen müssen, wenn wir überhaupt dann später noch etwas investieren wollen.
Jetzt kann ich es Ihnen nicht ersparen, paradoxerweise verschaffen wir denen, die von der Steuersenkungspolitik am meisten profitiert haben, auch noch Möglichkeiten zur weiteren Vermehrung ihres Geldes, nämlich über solche Projekte, die dort übrig bleiben. Ich finde es schon bemerkenswert, auch dass diejenigen, die durch Steuergeschenke an Konzerne und Vermögende die öffentlichen Haushalte erst ruiniert haben, dann ein grundsätzliches Verschuldungsverbot auch hier in Thüringen einführen wollen.
Ich sage Ihnen an dieser Stelle, das ist nicht nur politisch verantwortungslos, sondern es führt das Land auch in die Handlungsunfähigkeit. Wenn im Land verstärkt investiert werden müsste und die Sozialsysteme besonders zeigen müssen, was sie wert sind, dann verhindern Sie mit der Schuldenbremse verantwortungsbewusstes und auch sozialstaatliches Handeln.
Die Konsequenzen dieser Politik, das will ich hier auch sagen, tragen in der Regel dann auch meist sozial Benachteiligte.
Sehr geehrte Damen und Herren, wichtiger als irgendwelche formalen Schuldenbremsen wäre eine Stabilisierung der Einnahmebasis von Bund, Ländern und Kommunen. Eine gerechte Besteuerung ist die beste Schuldenbremse. Vielen Dank.
Vielen herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Keller. Das Wort hat jetzt Abgeordnete Lehmann für die CDU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, die Abgeordneten in diesem Hohen Hause, die schon in der letzten Legislaturperiode hier im Parlament Platz und Stimme hatten, wissen, dass die Landesregierung und die CDU-Fraktion genau zu diesem Thema, das heute von der FDP eingebracht wurde, intensiv mit allen diskutiert haben, die Wichtigkeit einer Schuldenbremse aufgezeigt haben, und auch, dass dazu abgestimmt wurde. Frau Keller erinnert sich zumindest noch daran, das habe ich eben festgestellt.
Ich denke, das letztlich erreichte Ergebnis der Änderung unserer Landeshaushaltsordnung in dieser Frage ist sicher auch der FDP bekannt. Der FDP ist bestimmt auch die Position unseres Koalitionspartners zu einer Schuldenbremse bekannt. Ich kann daher Ihre Gesetzesvorschläge
Das ist keine Ausrede, ich komme noch einmal darauf zurück. Die Medienwirksamkeit scheint Ihnen, werte Kollegen der FDP, wichtiger zu sein als der Erfolg Ihrer Gesetzesanträge. Denn sonst wären Sie taktisch schlichtweg anders vorgegangen
Meine sehr geehrten Damen und Herren, werte Kollegen der FDP, Sie wissen genau, dass Sie mit dem Anliegen an sich bei uns offene Türen einrennen. Das will ich auch gar nicht bestreiten, das ist auch so. Wir kämpfen auch für die Schuldenbremse.
Genau, so ist das, Herr Kollege. Aber Sie müssen auch wissen, dass Sie dafür eine Zweidrittelmehrheit für die Verfassungsänderung in diesem Hause benötigen.
Werte Kolleginnen und Kollegen, unser Fraktionsvorsitzender Mike Mohring hat in seiner Rede zur Verabschiedung des Haushalts 2011 ganz klare Ansagen dazu gemacht; diese müssten hier auch noch allen bewusst sein. In dem Konsolidierungs
paket waren sieben Punkte enthalten zur Konsolidierung unserer Staatsfinanzen und für die Zukunft unseres Freistaats. Diese müssen auch die Grundlage für unser Handeln sein. Der erste Punkt dieser Konsolidierungsvereinbarung ist, dass im Jahr 2011 analog der Regelung in der Thüringer Landeshaushaltsordnung, in unserer Landesverfassung eine Schuldenbremse aufgenommen werden soll. Das ist nach wie vor so und da hat sich auch an unserer Auffassung nichts geändert. Wir wissen, das kann die CDU-Fraktion nicht allein auf den Weg bringen. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit hatte ich bereits genannt. Eben dazu braucht man die Mehrheit dieses Hauses, die breite Mehrheit. Die Schuldenbremse in der Landesverfassung ist schlechthin die Grundlage aller Voraussetzungen dafür, dass eine Konsolidierung in Thüringen gelingen kann. Dazu, Frau Kollegin Keller, gehören natürlich auch, wo es geht, Mehreinnahmen. Im vorletzten Tagesordnungspunkt haben wir dazu gerade einem Ihrer Gesetzentwürfe zugestimmt und auch für diese Mehreinnahmen gesorgt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir schlagen vor, dass die Schuldenbremse in der Landesverfassung verankert wird, aber das Inkrafttreten zum Ende dieser Wahlperiode auf das Jahr 2014 normiert wird. Dieser Vorschlag war, wie ich schon sagte, nur einer von sieben - ich komme noch auf Ihre Inhalte, keine Sorge -, wenn auch der wichtigste. Ich will jetzt hier nicht noch einmal die gesamte Konsolidierungsvereinbarung 2020 vorstellen, die können Sie auch auf unserer Homepage nachlesen, ich will nur sagen: Wir brauchen nicht die Belehrungen der Kollegen der FDP, um zu wissen, dass wir finanzpolitisch konkrete Festlegungen auch zur Verschuldung treffen müssen. Sie wissen auch, dass es in einer Großen Koalition Regeln und Absprachen gibt, die einen gefundenen Kompromiss in Form des Koalitionsvertrags nicht ständig infrage stellt. Darüber hinaus - und jetzt komme ich zu den Inhalten - muss ich Ihrem Antrag oder Ihren Gesetzesvorschlägen auch inhaltlich widersprechen.
Erstens: Die Aufnahme von Krediten in Notsituationen ist nach unserer Auffassung viel zu eng gefasst. Eine notwendige Zweidrittelmehrheit in Notfällen zu erreichen, dürfte sich angesichts eines schnellen Handelns in solchen Fällen als unpraktikabel erweisen.
Zweitens: Ebenso muss die Handlungsfähigkeit des Landes auch bei drastischen Einnahmeausfällen wie in der Wirtschaftskrise, die wir jetzt in den letzten Jahren erlebt haben, gegeben sein. Deswegen ist die jetzt gültige Regelung in der Landeshaushaltsordnung besser geeignet, auf Krisensituationen adäquat und zügig zu reagieren. Ich erspare Ihnen jetzt das Zitat, wie die Landeshaushaltsordnung in dem entsprechenden Paragraphen jetzt lautet. Ich denke, das haben Sie auch vor Erstel
lung Ihres Gesetzesvorhabens nachgelesen. Die Regelungen, so wie sie jetzt in der LHO stehen, sind aus unserer Sicht absolut korrekt und bedürfen keiner Korrektur. Wichtigstes Ziel muss es nun sein, dass die LHO bei den nächsten Haushalten auch eingehalten wird, denn dann haben wir ab 2013 einen Haushalt ohne neue Schulden. Bereits der vorläufige Jahresabschluss 2010 hat anhand der Zahlen aufgezeigt, dass dies möglich sein kann.
Sie können in einer so schweren Finanz- und Wirtschaftskrise, wie wir sie jetzt erlebt haben, nicht mal so ganz schnell zwei- oder dreitausend Bedienstete entlassen. Sie können vertragliche Verpflichtungen auch nicht einfach aufkündigen und Sie müssen auch noch die Möglichkeit haben, in gewissem Maße stimulierend einer Krise entgegenzuwirken. Dies haben auch die Konjunkturpakete und Investitionen von Bund und Ländern in dieser Zeit getan und auch erfolgreich gezeigt. Von der ganzen Welt wird uns bestätigt, dass wir hier in Deutschland die Krise am unbeschadetsten überwunden haben, wenn auch mit sehr viel neuen Schulden.
Das muss dazugesagt werden. Sehr geehrte Damen und Herren, der Freistaat Thüringen hat Schulden. Thüringen hat bis Ende 2010 rund 16 Mrd. € Kredite aufgenommen. Pro Einwohner sind das mehr als 7.000 €. Dazu kommt die Zinsbelastung in diesem Jahr von circa 670 Mio. €. Das ist mal weniger wegen des niedrigen Zinsniveaus, das kann sich aber auch sehr schnell nach oben bewegen, wenn die Zinsen wieder ansteigen. Berechnungen zu Tilgungen sagen zum Beispiel aus: Würde man ab dem Jahr 2020 jährlich 100 Mio. € Schulden tilgen, dann würde es 180 Jahre dauern, um diesen Schuldenberg auf null abzutragen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, vieles wurde aber mit diesem Geld in den letzten 20 Jahren auch aufgebaut bzw. in Ordnung gebracht. Ich denke, das muss an dieser Stelle, wenn wir über die Schulden des Freistaates reden, auch immer wieder gesagt werden. Wir haben immer wieder versucht, bestehende Betriebe, die notleidend geworden sind, zu unterstützen. Die größte Betriebsdichte Deutschlands, das in der Finanz- und Wirtschaftskrise robuste Wirtschaftsgefüge und die geringste Arbeitslosigkeit im Osten sind die Folge der Politik der letzten 20 Jahre, die uns über Bürgschaftsausfälle und Wirtschaftsförderung auch viel Geld gekostet haben. Wir haben keine Lehrer entlassen. Wir haben die Kulturförderung mit hohen Subventionen für letztlich jede Eintrittskarte nicht
gekürzt. Wir haben die Kommunen mehr unterstützt als andere Länder. Letzteres sieht man auch und das will natürlich auch immer keiner gern zugeben, sondern es wird stets mehr gefordert vom Land. Aber dies sind die Tatsachen.