Protokoll der Sitzung vom 25.03.2011

a) Die Rückführungsrichtlinie der EU vom 16.12.2008 war bis zum 31.12. in nationales Recht umzusetzen. Es liegt ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor, der sich noch - verspätet allerdings - in Bearbeitung befindet.

b) Ein Erlass des Bundesinnenministeriums liegt dazu vor, damit eine entsprechende Auslegung erfolgen kann.

c) Das Aufenthaltsgesetz der Bundesrepublik Deutschland regelt die Abschiebungshaft, so dass eine landesrechtliche Regelung nicht möglich ist.

d) Die Feststellungen und Aufforderungen an die Landesregierung sind unbewertet aus dem Antrag des Niedersächsischen Landtags übernommen worden, ohne auf die Situation in Thüringen einzugehen. Als Beispiele seien genannt: Die Fallzahlen in Niedersachsen, die zu dem Antrag führten, lagen zwischen 2002 und 2009 zwischen 544 und 1.837 Fällen pro Jahr, wohingegen in Thüringen in den Jahren 2007 und 2008 35 bzw. 60 Fälle aufgetreten sind.

Zur Situation wird der Innenminister noch berichten. Nach meiner Kenntnis erfüllt Thüringen die Umsetzungsrichtlinien der EU-Richtlinie schon jetzt weitgehend.

Daher komme ich im Teil B zu folgender Beurteilung:

1. Der Antrag ist zulässig. Er besteht rechtmäßig auf Artikel 74 des Grundgesetzes, der die Gebiete der konkurrierenden Gesetzgebung in Absatz 1 Ziffer 4 regelt.

2. Der Antrag ist unbegründet. Die Sachdarstellung bezüglich der Aktivitäten der Bundesregierung sowie der Thüringer Landesregierung verdeutlichen die Umsetzung der EU-Richtlinie und unterstreichen, dass die Abschiebungshaft nur als Ultima Ratio in Betracht kommt. Eine Abschaffung der Abschiebungshaft kommt daher jedenfalls nicht in Betracht.

3. Der Antrag ist abzulehnen, da er unbegründet ist.

Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als Nächster spricht Abgeordneter Dirk Adams von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Kollege, ich bin jetzt irgendwie noch ganz am Suchen nach Worten. War das eine Art Berichterstattung? Anträge in diesem Parlament bedürfen keiner Prüfung, ob sie zulässig sind. Wir als Fraktion stellen hier Anträge, ob Sie Ihnen nun gefallen oder nicht.

(Beifall DIE LINKE)

Auch Ihre etwas - darf ich mal wirklich sagen - als rechtliche Prüfung aufgezogene Bewertung, finde ich obskur, das muss ich ganz ehrlich sagen, finde ich obskur.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Unruhe CDU)

Jedes Ding hat natürlich zwei Seiten und das ist das Gute daran. Ihre ausführliche Darstellung, Darlegung hat natürlich auch gezeigt, dass es zu einem unserer beiden Komplexe, nämlich in Thüringen die Praxis zu verändern, wenig Vorlagen gibt und dass es dazu auch wenig Aussagen gibt. Mindestens deshalb müssten Sie nach der Debatte lechzen. Wir wollen diese Debatte führen und Sie dazu einladen,

(Unruhe CDU)

weil es nie zu früh und nie zu spät ist, darüber zu diskutieren.

Wie eben schon ausgeführt wurde, ist dieser Antrag in mehreren Ländern, nicht nur in Niedersachsen, sondern auch schon in Berlin und in Schleswig-Holstein eingebracht worden, oft mit Unterstützung der SPD, einmal auch mit Unterstützung der LINKEN jeweils in die Landesparlamente eingebracht worden. Es zeigt, die Problematik der Abschiebehaft bewegt die Menschen in unserem Land und es macht Sinn, darüber zu diskutieren, dieses Abschiebungsrecht fortzuentwickeln, menschlicher zu machen, ich werde dazu auch noch mal später Ausführungen machen.

Zwei Dinge sind uns wichtig, einmal bundesgesetzlich hier eine Neuregelung zu bewirken und damit mittelfristig die Abschiebehaft auch abzuschaffen. Mindestens an der Stelle hätten Sie auch stocken müssen, denn wenn die Regierung im letzten Jahr schon die Rückführungsrichtlinie hätte umgesetzt haben müssen und sie sie jetzt noch nicht - bald ist das I. Quartal zu Ende - umgesetzt hat, zeigt das doch ganz deutlich, dass es hier im Argen ist.

(Beifall DIE LINKE)

Vielleicht bedarf es der Impulse aus den Ländern, um hier die Bundesregierung etwas zu beschleuni

(Abg. Schröter)

gen oder zu bestärken in ihrem Anliegen, das fortzuentwickeln.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die jetzige Praxis - das behaupte ich und werde es hinterher auch begründen - in Thüringen bei der Abschiebehaft ist eben nicht mit der Rückführungsrichtlinie vereinbar.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Unserer Ansicht nach wird viel zu oft damit unnötig diese Abschiebehaft angewandt. In Thüringen ist jemand z.B. laut Anfrage, die Sie selbst schon zitiert haben, bis zu drei Monaten in dieser Abschiebehaft gewesen. Wir finden - und das zeigt auch der Jesuitenflüchtlingsdienst -, dass es in diesem Zusammenhang eigentlich enormer Zurückhaltung bedarf. Es kommt nämlich zu nicht nur körperlichen, sondern auch zu schweren seelischen Bedrängnissen für die Inhaftierten. Die Inhaftierten werden hier behandelt wie Straftäter, behaupte ich zunächst einmal. Sie werden behandelt wie Straftäter, weil sie nämlich in einer Justizvollzugsanstalt sind. Herr Barth, hören Sie zu, da können Sie etwas lernen.

(Heiterkeit FDP)

Sie sind in einer Justizvollzugsanstalt und das Land behauptet zwar, dass sie anders untergebracht sind, aber wenn wir uns die Publikationen zur Rückführungsrichtlinie anschauen, wird dort ganz klar gesagt, dass eine Abschiebungshaft in einer JVA eben nicht dieser Rückführungsrichtlinie entspricht. Da würde ich gern von der Landesregierung wissen, warum wir das in Thüringen noch nicht umgesetzt und warum wir das noch nicht in Ordnung gebracht haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Umfang des Problems: Sie haben gesagt, das ist ja gar nicht viel, in Niedersachsen seien das ja unglaublich viele Fälle. Niedersachsen ist erstens größer und sie hatten auch einen größeren Zeitraum angenommen, um die Zahlen gegenüberzustellen. Ich sage Ihnen einfach eine Zahl aus dem Jahr 2009: 2.005 Hafttage sind dort zusammengekommen, und zwar mit 36 Menschen. Ich sage Ihnen, es ist bei jedem Einzelnen zu viel.

(Beifall DIE LINKE)

Wir müssen uns wirklich darauf konzentrieren, dass es nur in den absolut notwendigen Fällen hier angewendet werden kann. Ich sage Ihnen, es ist zu viel, wir wollen das anders. Daher ist es wichtig, dass wir diesen Antrag hier einbringen.

Ich will noch mal darauf eingehen, Sie sagen, das sei alles in Ordnung in Thüringen; ich sage, solange Sie in Suhl-Goldlauter die Leute unterbringen in der Justizvollzugsanstalt, müssen Sie rechtfertigen und darlegen, warum das oder wie das mit der

Rückführungsrichtlinie in Zusammenhang zu bringen ist.

Dann argumentiert die Landesregierung auch noch mal in der Kleinen Anfrage, die Abschiebungshäftlinge würden behandelt werden nicht wie Strafgefangene, sondern wie in Zivilhaft Genommene. Das müssen Sie echt noch mal erklären. Also was Zivilhaft ist, das würde ich gern noch mal erklärt bekommen. Ich habe ja kein 2. juristisches Staatsexamen und ich finde es auch nicht schlimm, wenn man an der Stelle hier im Parlament Aufklärung bekommt. Ich würde da niemanden belehrend nennen, aber ich frage das ganz deutlich: Was soll Zivilhaft heißen? Das würde ich gern wissen. Und vor allen Dingen: Was bedeutet Zivilhaft in einer Justizvollzugsanstalt und wie können Sie das hinreichend abgrenzen auf der Grundlage der Rückführungsrichtlinie von einer Gleichsetzung mit Strafgefangenen?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ebenso wird immer wieder ausgeführt zur Rückführungsrichtlinie, dass es uneingeschränkten Zugang zu Vertretern, aber auch zu Familienmitgliedern geben soll. Auch die Kleine Anfrage hat hier gezeigt, dass es in Thüringen zweimal monatlich nur möglich ist. Ich frage Sie auch an der Stelle: Wie ist das mit der Rückführungsrichtlinie zu vereinbaren? Warum müssen wir zu besseren Regelungen bezüglich der Abschiebehaft kommen?

Ich probiere es noch einmal mit zwei Zahlen: Im Zeitraum von 1993 bis 2009 haben 59 Menschen in der Bundesrepublik Deutschland den Freitod gewählt, um diesem zu entgehen. Jeder Einzelne ist zu viel.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die 59 Menschen reihen sich ein in 154, die nicht in Abschiebehaft, sondern vor drohender Abschiebung diesen Freitod gewählt haben. Auch hier ist jeder Einzelne zu viel. Die Zahl wird noch größer, wenn es um Verletzungen geht, die sich die Menschen zugefügt haben, um dem zu entgehen. Auch hier sind es 509 Menschen in dieser Abschiebehaft und 858 im Zusammenhang mit der drohenden Abschiebung. Auch hier ist jede einzelne Verletzung zu viel.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist außerordentlich wichtig, dass wir diesen Antrag im Innenausschuss des Thüringer Landtags beraten, dass wir schauen, wie wir dieses Abschieberecht an der Stelle ganz besonders die Abschiebehaft; so wie uns der Jesuitenflüchtlingsdienst in seiner Studie ganz deutlich auffordert - verbessern und verändern. Deshalb bitte ich Sie, sich der Diskussion nicht zu verweigern und sich dieser anzuschließen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schröter?

Immer.

Herr Abgeordneter Adams, in dem Antrag in Absatz 3 der Begründung schreiben Sie, ich zitiere: „Wiederholt musste das BVerfG in Fällen von Abschiebungshaft - auch aus Thüringen - korrigierend eingreifen.“ Würden Sie mir bitte einen Fall nennen, wo das Bundesverfassungsgericht in Thüringen korrigierend eingegriffen hat?

Das reiche ich Ihnen sehr gern nach. Das kann ich Ihnen jetzt nicht beantworten.

Nach meiner Kenntnis gibt es keinen.

Na da schauen wir mal nach. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Danke schön, Herr Abgeordneter. Als Nächste spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Berninger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Flüchtlinge, deren Asylantrag abgelehnt wurde, sind keine Straftäter.