Protokoll der Sitzung vom 25.03.2011

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion DIE LINKE hat Frau Abgeordnete Renner das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Zuhörer und Zuhörerinnen, wir bleiben dabei, der Versuch der Kriminalisierung der Ausstellung „Neofaschismus in Deutschland“ ist ein Skandal

(Beifall DIE LINKE)

und ich sage Ihnen, es ist ein dreifacher Skandal.

Erstens ist es ein Skandal, weil politische Auseinandersetzung mithilfe des Strafrechts und unter Instrumentalisierung der Staatsanwaltschaft und der Polizei geführt werden sollten. Ich kritisiere hier nicht die Justiz, da werden wir missverstanden, sondern diejenigen, die versuchen, die Justiz zu instrumentalisieren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Zweitens: Es ist ein Skandal, weil überparteiliche Einrichtungen des Landes, wie die Landeszentrale für politische Bildung, benutzt werden für eine parteipolitische Aufmunitionierung und dabei auch noch fachlich fehlen.

Drittens wiegt besonders schwer, weil bürgerschaftliches Engagement gegen Neonazismus, hier das lokale Bündnis in Suhl, diskreditiert wird.

Frau Marx, zu Ihnen würde ich gleich am Anfang kommen bei Punkt 1, politische Auseinandersetzung mithilfe des Staatsrechts. Frau Marx, nicht jede Anzeige ist ein legitimes Mittel, es gibt auch den

(Abg. Adams)

Straftatbestand der falschen Bezichtigung - das nur vorweg.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will mich hier aber jetzt nicht auf das Wirken der Staatsanwaltschaft beziehen, sondern auf das der CDU. Der Landesgeschäftsstelle der CDU war eine Ausstellung ein Dorn im Auge. Das ist Ausgangspunkt des ganzen Verfahrens, das wir hier in Rede stellen.

(Beifall DIE LINKE)

Was ist der Anlass für diesen Ärger bei der CDU? In der Ausstellung „Neofaschismus in Deutschland“ wird auf den Zusammenhang der Verankerung rassistischer und antidemokratischer Einstellungen in der Bevölkerung mit populistischen Äußerungen offizieller Politik und Nutznießung seitens rechtsextremer Organisationen hingewiesen. Dort ist formuliert, ich zitiere die inkriminierte Tafel: „Neofaschisten profitieren davon, dass ihre Vorstellungen auch bei anderen Menschen in Bruchstücken vorkommen. Durch Studien wird gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit gegenüber Frauen, Migranten, Obdachlosen, Drogenabhängigen, Homosexuellen, Muslimen und Juden in erheblichen Teilen der Bevölkerung belegt. An diese Vorurteile knüpfen immer wieder demokratische Politiker und Medien an und eröffnen Neofaschisten dadurch Handlungsspielräume.“ Dann kommen die Zitate von konservativen Politikern und Politikerinnen. Was ist eigentlich daran falsch?

(Beifall DIE LINKE)

Roland Koch ist für seine ausländerfeindlichen Kampagnen und Äußerungen von SPD, Zentralrat der Juden, der Türkischen Gemeinde und vielen anderen kritisiert worden. Der Vorwurf war, mit Rassismus Wahlkampf zu betreiben und ausländerfeindliche Ressentiments salonfähig zu machen. Wer das nicht glaubt, mag bitte mal das Wort „Roland Koch“ und „Rassismus“ googeln und er wird eine Fülle von Einträgen etablierter Medien von Spiegel, Stern, ZEIT finden, die genau darauf hinweisen.

(Beifall DIE LINKE)

Muss ich eigentlich hier etwas zu Thilo Sarrazin sagen? Mit seinem Biologismus, Sozialdarwinismus, Rassismus und Antisemitismus bedient er zentrale Einstellungsebenen des Rechtsextremismus. Das ist auch gerade das gefährliche an seiner Position. Diese Äußerungen der Politiker sind doch nicht aus der Welt, wenn die CDU die korrekt wiedergegebenen Zitate aus der Welt schaffen will. Diese Äußerungen sind da und mit denen müssen wir uns auseinandersetzen. Nicht nur wir, auch Sie müssen sich mit rassistischen Äußerungen auseinandersetzen und mit denen, die diese tätigen.

Vorhin wurde noch darauf hingewiesen, besonders schwer wiegt für Sie die Nennung von Frau Steinbach in der Ausstellung. Deswegen ein paar Worte zum Bund der Vertriebenen. Teile der Vertriebenenverbände können durchaus der Grauzone, in einigen Fragen auch sogar eindeutig extrem Rechts zugeordnet werden. Der BdV hat letztes Jahr den 60. Jahrestag der Charta der Vertriebenen begangen. Dies ist eben nicht, wie Frau Steinbach ausführte, ein Friedensdokument, sondern eine politische Provokation. Die Charta zielte von Anfang an darauf ab, das Abkommen der Alliierten von Potsdam zu revidieren. Die Initiatoren, Verfasser und Unterzeichner der Charta waren fast ausnahmslos überzeugte Nationalsozialisten sowie Mitglieder der NSDAP. Der Racheverzicht, der in der Charta formuliert wird, ist eine politische Ungeheuerlichkeit, denn auf etwas kann man nur verzichten, was einem zusteht. Wer meint, den Deutschen hätte nach 1945 Rache zugestanden, missachtet die Verbrechen des deutschen Faschismus.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das ganz allgemein zum BdV, aber noch ein paar Worte zu Thüringen. Paul Latussek dürfte hier noch bekannt sein. Landesvorsitzender des BdV von 1990 bis 2001 trat als Redner bei rechtsextremen Veranstaltungen auf, schrieb für extrem rechte Periodika und Publikation. Wegen seiner den nationalsozialistischen Völkermord an den Juden relativierenden Aussagen auf der Verbandstagung des BdV am 9. November 2001 wurde er vom Landgericht Erfurt am 3. Juni 2005 wegen Volksverhetzung verurteilt. Latussek müsste für den BdV Geschichte sein - ist er aber nicht. Er steht ununterbrochen seit 2001 der Landesgruppe Thüringen der Landsmannschaft Schlesien vor und gründete 2009 die BdVAbspaltung - die Gemeinschaft der Vertriebenen in Thüringen. Dafür trifft den BdV keine Schuld, aber in dieser Abspaltung, die von Latussek geführt wird, der Gemeinschaft der Vertriebenen, agieren seine Stellvertreter Jürgen Herold und Irmgard Sindermann als Stellvertreter bzw. Stellvertreterin. Jürgen Herold ist Ortsgruppenchef des BdV in Schmölln und Irmgard Sindermann ist BdV-Kreisvorsitzende des BdV in Gera und sind Stellvertreter und Stellvertreterin von Herrn Latussek im GdV. Da, denke ich, müsste ein klarer Schlussstrich gezogen werden und ich hoffe, Herr Primas hatte ja eben auch eine Wortmeldung gegeben,

(Beifall DIE LINKE)

dass wir dazu etwas hören. Und wenn Sie dann etwas zu den Stellvertretern von Paul Latussek, die weiterhin Funktionäre des BdV sind, sagen, sagen Sie mir bitte auch, was Sie unternommen haben, als 2007 ein BdV-Funktionär am Volkstrauertag in Hildburghausen, Herr Winfried Kothe, eine Versammlung abhielt im Kreis von zwölf Neonazis mit

rechtsextremen Fahnen und es im Nachgang keine Erklärung, Entschuldigung oder sonstige Maßnahme seitens des BdV gab.

Zur schlesischen Jugend Thüringen, die auch mittelbar Teil des BdV ist, sage ich heute nichts. Hier wird es demnächst eine ausführliche Publikation geben.

Damit müssen Sie sich auseinandersetzen und an die positiven Erfolge, die es auch in Thüringen gegeben hat, in diesen Organisationen derartige Personen fernzuhalten, anknüpfen und nicht verschweigen, dass es diese Probleme in der Vergangenheit gab und weiterhin gibt.

(Beifall DIE LINKE)

Vorhin ist schon gesagt worden, was sei denn so problematisch, wenn die Staatsanwaltschaft die politische Polizei schickt - ja, der Staatsschutz ist die politische Polizei, da brauchen wir gar nicht drum herumzureden -, die Tafeln abnehmen lässt und zu sich verbringen lässt.

Erstens, das haben wir schon gesagt, halten wir diese Maßnahme für unverhältnismäßig, weil die in Augenscheinnahme, darum sollte es ja anscheinend gehen, um den Inhalt zu prüfen, hätte durchaus im Internet oder eben auch durch Abfotografieren vorgenommen werden können. Aber es gibt auch ein zweites Problem an dieser Aktion. Welcher Eindruck wird da eigentlich erweckt, wenn die Polizei kommt und die Tafeln im Rathaus beschlagnahmt.

(Beifall DIE LINKE)

Was denkt der Bürger und die Bürgerin, die an diesem Tag vielleicht zur Eröffnung gehen wollen. Wenn die Polizei kommt, so denkt man landläufig, dann hat sich jemand etwas zuschulden kommen lassen, dann wird schon etwas dran sein an den Vorwürfen. Das ist ein Schaden, der dort gegenüber den Macherinnen und Machern der Ausstellung, aber auch dem Bündnis in Suhl produziert wurde, für den ich bis heute keinerlei Entschuldigung gehört habe. Auch das hätte zum Anstand gehört, nachdem die Staatsanwaltschaft die Tafeln zurückgegeben hat und keinen Anlass für eine strafrechtliche Würdigung gesehen hat, dass die Initiatoren dieses ganzen Vorgehens hingegangen wären und hätten sich entschuldigt für diese Denunziation, die dort stattgefunden hat.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Dazu muss man Anstand haben.)

Zum zweiten Punkt: Entsetzt bin ich auch über die Rolle des Leiters der Landeszentrale. Und ich sage ganz deutlich, entsetzt bin ich nicht von der Lan

deszentrale, weil es von der keine Stellungnahme bezüglich der Ausstellung in Suhl gibt.

In einem Brief an die Abgeordneten Zeh, Barth, Voigt und Meißner nimmt Herr Schlichting unter dem Briefkopf der Landeszentrale eine quasi amtliche Begutachtung der Ausstellung vor. Vielleicht hätte er vor dem Schreiben des Briefes tatsächlich mal ein paar Fachpublikationen zum Thema: „Neue Rechte - Grauzone“ wälzen sollen, dann wäre der Brief vielleicht anders ausgefallen.

(Beifall DIE LINKE)

Dann hätte er von so einer unfachlichen Stellungnahme vielleicht Abstand genommen oder er wollte sie genau so abgeben, wie er es tat, dann schließen sich für uns heute politische Fragen an, die wir hier aber nicht klären werden.

(Beifall DIE LINKE)

In seinem Brief wirft er bestimmte Punkte auf, ich würde sie Vorwürfe nennen. Vorhin sind daraus schon die zentralen Passagen zitiert worden: fachlich inakzeptabel, einseitig ausgerichtet und ideologisch propagandistisch. Dazu werden Belege angeführt. Es heißt in dem Brief: „Teile der Vertriebenenverbände werden als zum Neofaschismus zugehörig aufgeführt und die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Publizisten sowie die Evangelische Notgemeinschaft in Deutschland der Grauzone des Neofaschismus zugeordnet.“ Fragen wir mal nach, wie es um diese Organisationen bestellt ist, für die Herr Schlichting den Persilschein ausgestellt hat, die anscheinend über jeden Verdacht erhaben sind. Zum BdV gab es schon einige Hinweise.

Ich möchte Ihnen jetzt die Richtigkeit der Erwähnung dieser Organisationen in der Ausstellung am Beispiel der Evangelischen Notgemeinschaft in Deutschland belegen. Seit ihrer Gründung unterhält die Evangelische Notgemeinschaft in Deutschland Verbindungen zu konservativen und rechtsextremen Kreisen. Bekannte Mitglieder der ENiD - so würde ich sie jetzt weiterhin nennen - sind zum Beispiel der Beauftragte der NPD für Kirchenfragen Werner Petersmann oder der NPD-Ideologe Ernst Anrich. Andere Mitglieder der ENiD schreiben in der Rechtsaußenpostille der „Criticon“ oder engagieren sich im Hilfskomitee Südliches Afrika. Im sozialen Netzwerk Facebook unterhält die ENiD eine offizielle Seite. Die ENiD versteht sich dort selbst als Zusammenschluss national gesinnter deutscher Protestanten. Sie erkennen die Oder-Neiße-Linie als Staatsgrenze nicht an und stellen sich gegen Homosexualität und die Berufstätigkeit der Frau.

Dort sind als Mitglieder und teilweise auch als Beitragsverfasser aktiv der Nordhäuser NPD-Vorsitzende Marco Kreutzer, der langjährige ehemalige Funktionär der Jugendorganisation der NPD JN Mathias Rochow, der Autor im Zentralorgan der NPD „Deutsche Stimme“ Marco Reese - auch ein

Thüringer, der auch Mitglied der rechtsextremen Burschenschaft Normannia ist -, die Kandidatin der NPD auf der hessischen Liste zur Bundestagswahl 2009 Edna Windecker und weitere Mitglieder der rechtspopulistischen Bürgerbewegung des sozialkonservativen Deutschlands und Nationalkonservativer aus der Gruppierung Junges Deutschland. So viel zu ENiD. Ich glaube, die Zuordnung zur Grauzone ist mehr als gerechtfertigt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Braunzone.)

Vielleicht trifft bei einigen Mitgliedern das Wort Braunzone eher zu. Zum Arbeitskreis Christlicher Publizisten könnte ich einen genauso detaillierten Nachweis führen. Mit Blick auf meine Redezeit kann ich den jederzeit schriftlich nachreichen.

Zum dritten Punkt: Sie beschädigen diejenigen, die in unserem Land aktiv und engagiert gegen Neonazismus streiten.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Sie wollten die VVN treffen, Sie wollten DIE LINKE treffen, das war Ihr Ansinnen, aber Sie haben die Zivilgesellschaft getroffen, die sich gegen Neonazismus engagiert. Schauen Sie nach Suhl! Überparteilich und weltanschaulich agiert dort das Bündnis gegen Rechts, ein heterogener Zusammenschluss, der dort den Kampf gegen Rechtsextremismus führt. Diese Bündnisse arbeiten ehrenamtlich ohne fixen Finanzrahmen und mit einem bewundernswerten Elan. Dort, wo sie wie in Suhl von der kommunalen Verwaltung unterstützt werden - das ist ein Glücksfall, wir haben auch das Gegenbeispiel, wo die Bündnisse nicht von den kommunalen Verantwortungsträgern unterstützt werden -, hat der Schulterschluss der Anständigen und Zuständigen funktioniert. Vielleicht ist Ihnen auch das ein Dorn im Auge. In Suhl zeigt die Arbeit des Bündnisses Wirkung. Es gab dort keinen Wahlantritt der NPD zu den Kommunalwahlen in 2009. Öffentliche Aktionen der NPD werden regelmäßig mit kreativem Protest begleitet. Das sollten Sie würdigen und nicht beschädigen.